(Die Feststellung, Holocaustleugnung sei nur strafbar, wenn sie in der Öffentlichkeit begangen werde, ist natürlich richtig. Wenn das ruchbar wird, sollte es allerdings
abgestraft werden. Entweder durch die Partei selbst und/oder durch den Wähler.)
Spoiler
„Ich habe wirklich nur geweint“, sagt sie. Politisch betrachtet, hat Sayn-Wittgenstein seit diesem Tag alles verloren, nur das Abgeordnetenbüro mit den lilafarbenen Vorhängen im Kieler Landtag nicht. Geschmückt ist es mit einem farblich zu den Gardinen passenden Art-brut-Gemälde einer an Schizophrenie erkrankten Künstlerin, mit Gemälden von Araberhengsten, die sie liebt, und mit Fotos von Hunden, die sie abgemagert aus dem Tierheim gerettet hat: ein Mastiff und ein Mastino Napolitano. Sayn-Wittgenstein ist unschuldig, daran glaubt sie fest.
Mittlerweile scheinen sich auch die Schiedsrichter der Partei in diese Richtung zu neigen. Kürzlich zerpflückten sie in einem Schreiben die beiden Hauptanklagepunkte. Erstens: Der Bundesvorstand hatte Sayn-Wittgenstein vorgeworfen, Mitglied in dem rechtsextremen Verein „Gedächtnisstätte“ gewesen zu sein. So hatte es Sayn-Wittgenstein gegenüber der Fraktion erst gestanden und später wieder geleugnet. Die Richter konterten mit einem Beglaubigungsschreiben des Vereins, wonach Sayn-Wittgenstein nie Mitglied gewesen sei. Damit schien dieser Vorwurf widerlegt.
Zweitens: Der Bundesvorstand hatte eine eidesstattliche Versicherung eines Fraktionsmitarbeiters beigebracht, wonach Sayn-Wittgenstein unter vier Augen die Existenz der Konzentrationslager geleugnet haben soll. Sie soll gesagt haben, es habe die Lager nie gegeben, was man sehe, sei durch die Engländer und Amerikaner „getürkt“ worden. Auch hier hatten die Richter ein Gegenargument parat. Sie konterten, weil Aussage gegen Aussage stehe, sei der Vorwurf nicht bewiesen. Und selbst wenn er belegt würde, schrieben die Richter, verstoße eine Holocaust-Leugnung unter vier Augen nicht gegen Paragraph 130 des Strafgesetzbuches, der Volksverhetzung als etwas definiert, das nur in der Öffentlichkeit begangen werden kann. Wer unter vier Augen den Holocaust leugne, so die Richter, verstoße deshalb nicht „in einem erheblichen Maße gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Partei“. In der AfD darf man das.
Das Blatt war dabei, sich zugunsten von Sayn-Wittgenstein zu wenden. Sie erzählt von Sympathiebekundungen aus ganz Deutschland. „In der Landesgeschäftsstelle steht ein ganzer Leitz-Ordner voller Protestbriefe, die bemängeln, wie mit mir umgegangen worden ist“, sagt sie. Aus zwei Bundesländern habe sie das Angebot bekommen, den AfD-Landesverband zu wechseln. Und ihre jüdischen Freunde hätten gesagt, „dass sie es nicht gut finden, wenn man dieses Thema benutzt, um jemanden politisch kaltzustellen“.
Gewöhnlich kein Zutritt für Journalisten
Viele in der Partei stellen die Frage, was an dem Verein in Guthmannshausen eigentlich so schlimm sei. Es handelt sich um ein früheres Rittergut im ländlichen Thüringen, in dessen Garten ein Mahnmal für die „zivilen deutschen Opfer“ des Zweiten Weltkrieges steht. Gemeint sind damit alle deutschen Opfer, die nicht von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Auf der Vereinsseite im Internet heißt es: „Eine würdige Gedenkstätte – überparteilich, überkonfessionell, fördernd“. Der Verein wirke „gemäß den Grundlagen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland“.
Warum, heißt es, sollte Sayn-Wittgenstein, die selbst aus einer Vertriebenenfamilie stammt, diese Gedenkstätte nicht besuchen dürfen oder dafür im Internet Werbung machen? „Der deutschen Vertriebenen und gefallenen deutschen Soldaten zu gedenken ist selbstverständlich, ist eine Ehrenpflicht und keine Schande“, schreibt ein AfD-Blogger zu dem Fall. Es handele sich um eine „sehr nachvollziehbare und übliche Form, den eigenen Opfern zu gedenken“, heißt es in einem offenen Protestbrief an den Parteivorsitzenden Jörg Meuthen. Viele in der AfD verstehen nicht, wo das Problem ist, und vermuten eine machtpolitische Intrige gegen Sayn-Wittgenstein.
Auf dem Parkplatz des Vereinshauses in Guthmannshausen ist am vergangenen Sonntag kaum mehr ein Platz frei. Den Nummernschildern nach zu urteilen, sind Interessierte aus ganz Deutschland angereist, um einem Vortrag von „Generalmajor a. D. Gerd Schultze-Ronhof“ über „Deutschlands falsches Geschichtsbild – ein Grund für die deutsche Selbstverachtung“ zu hören. Grundlage des Vortrags ist Schultze-Ronhofs Buch: „1939. Der Krieg, der viele Väter hatte“.
Das Atrium des alten Rittergutes zieren hohe Marmorsäulen. An den Wänden stehen Fahnen der früheren Ostgebiete und Wehrmachtsdevotionalien in Glasvitrinen, unter anderem alte Gasmasken. Auf einer der Vitrinen liegt die Zeitschrift „Alternative Nachrichten“, auf deren Titelseite dem thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke zur Wiederwahl gratuliert wird. Stühle werden vom Esszimmer in den Vortragssaal getragen. Der Andrang ist so groß, dass manche nur einen Stehplatz bekommen. Auf einem Tisch werden Musik-CDs, DVDs von Vorträgen und Exemplare der Deutschen Militärzeitschrift verkauft. Aktueller Titel: „Kaluga 1942. SS-Infanterie im Kampf um Höhe 201“.
„Sie sind der erste Journalist in der Geschichte des Vereins, der hier teilnehmen darf“, sagt ein freundlicher Herr in der letzten Reihe. „Der Verein wird manchmal mit Holocaust-Leugnern in Verbindung gebracht, aber das ist völliger Unsinn.“ Die Atmosphäre ist sehr höflich. Der Altersschnitt der Zuhörer ist gemischt, neben manchem Mittzwanziger sitzen Rentner, vereinzelt sind Eltern mit ihren Kindern gekommen. Manche tragen Tracht oder Militärkleidung, die Mehrheit ist äußerlich unauffällig.
Soldatenlieder vor Gedenktafel
General Schultze-Ronhoff, wie er hier angesprochen wird, beginnt seinen Vortrag. In dem Werbeaufruf von 2014, der Sayn-Wittgenstein vorgeworfen wird, hatte sie geschrieben, der Verein führe „Veranstaltungen durch, die den Horizont erweitern, statt den Geist zu manipulieren“. Im Großen und Ganzen handelt Schultze-Ronhofs Vortrag davon, ob dem deutschen Angriff auf Polen 1939 nicht Kriegstreiberei von Seiten der Polen, Engländer, Franzosen und Amerikaner voranging.
Seine Antwort: Deutschland habe den Zweiten Weltkrieg zwar ausgelöst, aber nicht allein verursacht. Es gebe allenfalls eine deutsche „Teilschuld“. Bis zuletzt habe Hitler versucht, auf friedlichem Wege eine „Verhandlungslösung“ über das Danziger Gebiet mit Polen zu erreichen. Das „falsche Geschichtsbild“ von der deutschen „Alleinschuld“, das heute gängig sei, führe zu einem Minderwertigkeitskomplex beim deutschen Volke. „Wer will sich schon mit einem Volk identifizieren, das eine solche Schuld auf sich geladen hat?“, fragt Schultze-Ronhof. Es ist eine rhetorische Frage. „Ich“, sagt ein Zuhörer mit Camouflagehose trotzdem halblaut in den Raum.
Am Ende des Vortrags werden Fragen gestellt. Ein Zuhörer sagt, er habe in einer englischen Zeitung des Jahres 1933 die Überschrift gelesen: „Judea Declares War on Germany“. Die Überschrift gab es tatsächlich. Sie erklärte sich aus der Tatsache, dass jüdische Händler in London einen Boykott gegen Nazi-Deutschland erwogen. Ob der General neben der Kriegsverursachung durch England, Frankreich und anderen auch etwas über die Rolle des „Weltjudentums“ sagen könne? Schultze-Ronhof weicht aus. „Wenn ich darüber geschrieben hätte, hätte ich mir das Buch sparen können“, sagt er. Gelächter im Saal. „Ein politischer und wirtschaftlicher Maulkorb“, sagt der Mann mit der Camouflagehose in der letzten Reihe. „Jaa“, fällt ihm sein Nebenmann mahnend ins Wort. Einigen Teilnehmern wurde gesagt, dass ein Journalist anwesend sein würde.
Nach dem Vortrag steht das Gedenken auf dem Programm. Die Teilnehmer versammeln sich in der Marmorhalle im Halbkreis vor einer Gedenktafel mit goldenen Plaketten. Darauf stehen Namen von „Familienangehörigen, Kameraden und Bekannten“, in der Mitte brennt in einer Marmorstele ein Feuer, darüber hängt in einem Bilderrahmen ein Sinnspruch von Mathilde Ludendorff: „Sei deutsch: Sei wahr / Sei zuverlässig / Sei stolz / Sei stark / Sei furchtlos / Sei beherrscht / Sei bewußt Deines Blutes / Sei Hilfe dem Edlen / Sei Vernichtung dem Bösen / Sei herzeigen dem Volke / Sei Feind seinen Feinden.“
Mathilde Ludendorff war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als völkisch-antisemitische Publizistin tätig, die gegen Juden, Jesuiten, Freimaurer und später auch das Christentum anschrieb. Das Verhältnis der Ludendorff-Bewegung zum Nationalsozialismus war gespalten, im Antisemitismus aber stimmten sie überein. Die Teilnehmer stehen vor dem Ludendorff-Sinnspruch und singen das Soldatenlied vom „Guten Kameraden“. Dann verharren sie in stillem Gedenken. In einer Ecke steht eine Militärtruhe mit der Aufschrift „Gasmasken“, daneben eine sehr alt wirkende Ti♥♥♥. Sie hat einen ledernen Schirm.
Unter vier Augen in der Bibliothek
Schweigend schreiten die Teilnehmer in den Garten zu den kreisförmig angeordneten Gedenkstelen, in deren Mitte ein Obelisk steht. Der Vereinsvorsitzende Wolfram Schiedewitz beklagt in seiner Ansprache, dass andere Länder ihre „eigenen“ Toten ehrten, Deutschland die seinen hingegen nicht. Er kritisiert, dass „abweichende Forschungsergebnisse“ juristisch verfolgt würden. Dass Opferzahlen der „Sieger des 2. Weltkrieges“ hochgerechnet, Opferzahlen der „Unterlegenen“ hingegen heruntergerechnet würden. Man befinde sich aber „in einer Zeitenwende“ – „das Jahrhundert des Kapitalismus, das Jahrhundert der Lüge und Ausbeutung neigt sich unweigerlich dem Ende zu“. In ihrem Werbeaufruf für den Verein hatte Sayn-Wittgenstein auch eine Zeitenwende prophezeit: „Für unser ganzes Volk ist die Zeit gekommen, grundsätzlich umzudenken. Fast 70 Jahre Krieg und Entmündigung sind genug.“
Das anschließende Vorlesen der Gedenkinschriften wird unterbrochen von Musik. Der Liedermacher Axel Schlimper, thüringischer Gebietsleiter der Holocaust-Leugnervereinigung „Europäische Aktion“, singt unter anderem das revanchistische Ostpreußenlied: „Du, mein Ostpreussen, oh, Ostpreussen. / Bernsteinstrand, mein Heimatland... Ist auch die Heimaterde von eurem Blut noch feucht, / verzaget nicht, irgendwann wirst du wieder deutsch.“ Am Ende singen alle gemeinsam das Lied der Deutschen, beginnend mit der ersten Strophe: „Deutschland, Deutschland über alles, / Über alles in der Welt“. Dann gehen sie wieder ins Haus. Im Speisesaal werden Hähnchenteile, Kartoffelpuffer und Sauerkraut serviert. Die Atmosphäre ist freundlich. Ein Vorstandsmitglied bietet Schokoladenpudding zum Nachtisch an.
Es ist circa 14 Uhr, als der Judenhass aus Albrecht Jebens herausbricht. Das Vorstandsmitglied hat sich auf eigenen Wunsch mit Schultze-Ronhof in die Bibliothek des Ritterguts zurückgezogen, um ungestört sprechen zu können. In den Regalen liegen Zeitschriften wie „Recht und Wahrheit“ oder „Der Aufrechte“ eines „Bundes der Aufrechten“, offenbar die Wiederauflage einer gleichnamigen Zeitschrift und nationalistisch-monarchistischen Organisation aus der Zeit des Kaiserreichs.
Daneben stehen Bücher mit Titeln wie „Großdeutschland unser Vaterland“ von Dr. C. W. Schmidt oder das Buch „Adolf Hitler“ in güldenen Lettern mit einem gleichfarbigen Hakenkreuz. Bei der Schallplattensammlung steht „Der Froschkönig. Grimms Märchen“. Es sind oft Kinder hier. Sie spielen mit ferngesteuerten Autos zwischen den Glasvitrinen im Foyer oder stehen still dabei, wenn Soldatenlieder gesungen werden.
Jebens hat die Tür der Bibliothek von innen verriegelt, um Störungen zu verhindern. Er sitzt etwas schräg, mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einem Biedermeiersessel, den Ellenbogen auf die Rückenlehne gestützt. Mehrfach versucht jemand, von draußen die Tür zu öffnen, rüttelt eine Weile, gibt irgendwann auf. Im Vereinshaus hatten manche vor Jebens gewarnt, er sei in die Jahre gekommen, was er sage, sei bisweilen eine „Gratwanderung“. Jebens aber spricht ganz befreit. Er weiß noch genau, wie er in der Zeitung gelesen hat, dass Israel 40.000 afrikanische Flüchtlinge abschiebe.
Fördermitgliedschaft bestätigt
„Eindringlinge“ hätten die Israelis die Migranten genannt, ja, „die Juden dürfen das“. Und warum die Juden das dürften, wird er gefragt; eine Frage, die in Jebens hineinfließt wie kaltes Wasser in einen Geysir. „Weil sie die Weltmacht haben“, zischt er. „Die kann man nur beglückwünschen, die Juden.“ Das ist der Verein, für den Sayn-Wittgenstein im Jahre 2014 mit folgendem Satz geworben hatte: „Geben Sie der Gedächtnisstätte daher die verdiente Unterstützung, damit von dort weitere Impulse zur Selbstbestimmung des deutschen Volkes ausgehen können, und werden Sie Mitglied!“ Heute sagt sie: „Wenn die bestimmten Leuten ein Forum geben, finde ich das nicht gut, aber dazu kann ich nichts sagen, weil ich das nicht aus erster Hand kenne.“
Auf einem Parteitag 2017 fehlte Sayn-Wittgenstein nur eine Stimme, sonst wäre sie heute Bundesvorsitzende der AfD. In dem Verein aus Guthmannshausen war sie nie Mitglied. Das sagt sie, das bestätigt der Verein. Es dient ihrer Entlastung, denn in Paragraph 2 der AfD-Satzung heißt es: „Personen, die Mitglied einer extremistischen Organisation sind, können nicht Mitglied der Partei sein.“
Dass der Verein extremistisch ist, steht in der vom Bundesvorstand beschlossenen „Unvereinbarkeitsliste“. Sayn-Wittgensteins mysteriöses Verhalten, der Fraktion erst eine Mitgliedschaft zu gestehen, dann aber zu dementieren, erklärt sie damit, sie sei an jenem Tag „vollkommen durch den Wind“ gewesen. In Wirklichkeit scheint dahinter eine Haarspalterei zu stehen. Sie war oder ist nicht Mitglied, sondern Fördermitglied.
Das bestätigte der Verein dieser Zeitung. Eine Vollmitgliedschaft bietet der Verein Außenstehenden gar nicht an, weil Vereinsmitglieder stimmberechtigt sind, Fördermitglieder hingegen bezahlen nur, der Beitrag beträgt 60 Euro im Jahr. Auf die Frage, ob sie seither ihre Fördermitgliedschaft gekündigt hat oder immer noch Mitglied ist, weiß eine Vereinsvertreterin keine Antwort. Sayn-Wittgenstein sagt zu dieser Frage nur: Kein Kommentar. Das Schiedsgericht der AfD wird die Frage klären müssen, ob ein Fördermitglied ein „Mitglied“ ist.
Sayn-Wittgenstein hat auch Beziehungen zu einer anderen Organisation, die auf der „Unvereinbarkeitsliste“ der AfD steht. „Ich habe mal vor zehn oder fünfzehn Jahren einem Verein, der nach Ostpreußen und Schlesien fährt, Kleidung und Bücher gespendet. Diesen Verein habe ich auf der Unvereinbarkeitsliste gesehen. Jetzt frage ich mich natürlich, ob ich durch die Bücher und die Kleiderspende möglicherweise die demokratische Grundordnung verletzt habe“, sagt sie mit Ironie in der Stimme. Den Namen des Vereins weiß Sayn-Wittgenstein nicht mehr, es könnte sich um die „Junge Landsmannschaft Ostdeutschland“ (JLO) handeln. Mit Ostdeutschland sind die früheren Ostgebiete gemeint, die Organisation wird vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingeordnet.
Stets unschuldig
Unter den Vertretern des Vereins „Gedächtnisstätte“ ist derweil die Sorge groß, die Öffentlichkeit könnte ein falsches Bild von ihnen erhalten. Die Position des Vereins ist stets, dass der Verein keine Position hat. Er sei „apolitisch und areligiös“, sagt der Vorsitzende Schiedewitz. Man biete einen geschützten Raum, in dem frei gesprochen werden könne; wie Menschen von dieser Freiheit Gebrauch machten, dafür trage man nicht die Verantwortung. Distanzierungen allerorten.
Die Zeitschriften zur Waffen-SS im Vortragsraum? Von Leuten hingelegt ohne Genehmigung des Vereins. Der kürzlich als Grundschullehrer entlassene und in Guthmannshausen anwesende Nikolai N., der auf Youtube unter dem Pseudonym „Volkslehrer“ Verschwörungstheorien verbreitet und den Vortrag von Schultze-Ronhof auf Video aufnahm? Agiert ohne Drehgenehmigung. Die Frage zum „Weltjudentum“ während des Vortrags? Da verdrehe er nur die Augen, sagt einer der Teilnehmer.
Der Umstand, dass die inhaftierte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel lange Jahre Vereinsvorsitzende war? Da wird mit einer Gegenfrage geantwortet: Sei jeder Verein für alle Vorsitzenden seiner langen Geschichte rückwirkend verantwortlich? Die „Gedächtnisstätte“ will eine leere Hülle sein, die sich von selbst mit etwas füllt. So wird ein Vereinsverbot erschwert. Die Vereinsführung ist demnach jeden Tag aufs Neue überrascht, was sich bei ihnen abspielt.
Dieses Muster wiederholt sich in der AfD. Als der Vorsitzende Meuthen einen Protestbrief eines Parteimitglieds aus Neunkirchen-Seelscheid gegen den Ausschluss Sayn-Wittgensteins erhält, rechtfertigt er sich auf mehreren DIN-A4-Seiten für sein Vorgehen. Die Absenderin kennt Meuthen offenbar. „Sehr geehrte Frau“, schreibt er. „Sie haben schon manch intelligente Nachricht geschrieben, und ich habe sie ebenso oft mit großem Interesse gelesen.“ Im Fall Sayn-Wittgensteins aber irre die geschätzte Parteifreundin. Bei der Frau aus Neunkirchen-Seelscheid handelt es sich um eine bekannte Geschichtsrevisionistin.
Sie leugnete schon 2010 im Internet die deutsche Schuld für den Überfall auf Polen 1939. Im Jahr 2013 berichtete die „Bild“-Zeitung darüber. Hätte Meuthen sie gegoogelt, er hätte ihre Geschichtsleugnung und den „Bild“-Artikel gefunden. Meuthen aber sagt auf Anfrage, er habe das „definitiv“ nicht gewusst. „Sonst hätte ich mit Gewissheit nicht geantwortet.“ Er danke für die Information. So wiederholt sich das Problem auf einer höheren Ebene. Meuthen ist unschuldig, daran glaubt er fest.