Ich persönlich frage mich da ja als Erstes, wie solche Leute überhaupt (noch) bei der Polizei sein dürfen/können.
Davon, dass man wirklich den "Bock zum Gärtner" machen würde, wenn man (Ex)Flügel-Mitglieder und Rechtsextremisten in den PKK-Ausschuß wählen bzw. dort agieren und Informationen sammeln lassen würde, mal gar nicht zu reden.
Spoiler
Thüringer Landtag Wahl der Verfassungsschutzkontrolleure: Bleibt die AfD außen vor?
Bastian Wierzioch
von Bastian Wierzioch
Stand: 18. Juni 2020, 07:56 Uhr
Bisher scheiterten AfD-Abgeordnete bei der Wahl der Parlamentarischen Kontrollkommission im Thüringer Landtag. In dieser Woche soll wieder gewählt werden. Die Linke attackiert die AfD-Kandidaten. Wie stehen die juristischen Chancen der AfD?
Björn Höcke gab sich empört. Im Mai waren seine Kandidaten bei der Wahl der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des Thüringer Landtags erneut durchgefallen. Kurz darauf verschickte der AfD-Fraktionschef eine Pressemitteilung in der wegen der Nichtwahl von der "Entmachtung des Parlaments" und einer "Gefährdung unserer Demokratie" die Rede war. Die PKK beaufsichtigt den Landesverfassungsschutz. Zwei Sitze des fünfköpfigen Geheimschutzgremiums sind bis heute unbesetzt. Die Mitglieder stammen eigentlich aus dem Kreis der Abgeordneten aller Fraktionen.
Deutliche Mehrheit gegen AfD-Kandidaten
Um Geheimdienstkontrolleure zu werden, hätten die AfD- Kandidaten Stefan Möller und Ringo Mühlmann bei der vergangenen Wahl 46 Ja-Stimmen benötigt. Möller bekam 26, Mühlmann kam auf 32. Die AfD ist mit 22 Mandatsträgern im Parlament vertreten. Eine deutliche Mehrheit von Abgeordneten aus den Fraktionen Die Linke, der SPD, den Grünen sowie der CDU oder der FDP hatte also gegen die AfD-Vorschläge gestimmt. Dennoch hält die AfD an ihren Kandidaten fest. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Torben Braga, teilte auf Anfrage von MDR THÜRINGEN mit, seine Fraktion werde in "jeder Landtagssitzungswoche entsprechende Wahlvorschläge aufstellen."
Die nächsten drei Landtagssitzungen sind für Mittwoch bis Freitag anberaumt. Eine Tagesordnung für die dreitägige Sitzungswoche gibt es bereits. Unter Top 24 heißt es: "Wahl von Mitgliedern der Parlamentarischen Kontrollkommission – Wahlvorschlag der AfD".
Auch G-10-Kommission unterbesetzt
Ebenfalls zum wiederholten Mal wird der Landtag in dieser Woche versuchen, ein weiteres bislang unterbesetztes Geheimschutzgremium zu vervollständigen, die G-10-Kommission. Dieses dreiköpfige Gremium besteht auch aus Landtagsabgeordneten. Das Trio entscheidet, ob Sicherheitsbehörden Briefe von Bürgern öffnen oder deren Telefone abhören dürfen – ohne die Betroffenen darüber zu informieren.
In diesem Gremium ist bislang ein Sitz nicht besetzt. Bei der vergangenen Wahl wurde ebenfalls der Kandidat der AfD nicht gewählt. Konkret betraf das den Polizeibeamten Torsten Czuppon aus Sömmerda. Auch er soll – so wie Möller und Mühlmann – in jeder künftigen Sitzungswoche von der AfD als Kandidat aufgestellt werden. Anders als die PKK hat sich die neue G-10-Kommission bereits im März mit zwei von drei Mitgliedern konstituiert und die Arbeit aufgenommen.
Kritik an Möller, Mühlmann und Czuppon
Die Links-Fraktion im Thüringer Landtag hält pauschal jeden einzelnen AfD-Abgeordneten für ungeeignet, Mitglied der beiden Geheimschutzgremien zu werden. Hintergrund dabei ist, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die inzwischen als aufgelöst erklärte AfD-Parteiströmung "Flügel" als rechtsextrem eingestuft hat, und dass der Thüringer Verfassungsschutz den kompletten Thüringer AfD-Landesverband als extremistischen Verdachtsfall beobachtet. Der innenpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke Steffen Dittes: "Es ist vorstellbar, dass eine Mehrheit der Mitglieder des Landtages es nicht für zielführend erachtet, wenn Mitglieder aus diesen Zusammenschlüssen selbst die Kontrolle (gegebenenfalls dann über ihre eigene Beobachtung) ausüben."
Doch auch die "individuelle Eignung" der drei AfD-Bewerber zieht die Linke grundsätzlich in Zweifel. Zu Torsten Czuppon aus Sömmerda, der in die G10-Kommision gewählt werden soll, teilt Dittes mit, dass der "von der AfD vorgeschlagene Bewerber selbst mit Neonazi-Textilien auffällig wurde und er rechtsextremistische Inhalte im Internet verbreitete, darunter auch Beiträge eines NPD-Funktionärs."
Tatsächlich stand Torsten Czuppon in der Vergangenheit immer wieder in Verbindung mit harten rechtsextremen Inhalten. Mehrere Disziplinarverfahren, die derzeit ruhen, wurden deswegen eingeleitet. So verbreitete der Polizeibeamte unter anderem einen geschichtsrevisionistischen Artikel einer Neonaziseite sowie ein Hetzvideo eines sächsischen NPD-Politikers. Bei besagter "Neonazi-Textilie" handelt es sich um ein hellblaues T-Shirt der bei Rechtsextremisten beliebten Modemarke Thor Steinar. Czuppon soll es im Polizeidienst getragen haben sowie bei einer Veranstaltung in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald. Allein diesen letzten Vorwurf bestreitet der AfD-Politiker.
Auch den AfD-Kandidaten Ringo Mühlmann, der in die PKK gewählt werden soll, lehnt die Linke ab. Nach Angaben des innenpolitischen Sprechers der Linken-Fraktion, Stefan Dittes, sei Mühlmann damit aufgefallen "dass er Daten von Sicherheitsbehörden in manipulativer Weise verbreitet hat und damit versuchte, rechtsextrem motivierte Straftaten und daraus erwachsene Gefahren für die Demokratie zu verharmlosen“. Dittes bezieht sich dabei auf eine Grafik, die der AfD-Abgeordnete im April auf Facebook veröffentlichte. Unter der Überschrift: "Politisch motivierte Gewalt in Thüringen 2019“ behauptete der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion: 2019 habe es insgesamt 418 Fälle rechtsmotivierter Straftaten in Thüringen gegeben und somit weniger rechtsextreme als linksextreme Delikte. Das Problem dabei: Laut Thüringer Landeskriminalamt war es im Jahr 2019 zu insgesamt 1.301 Fällen rechtsmotivierter Straftaten gekommen. 883 rechtsextreme Straftaten also hatte der AfD-Politiker verschwiegen. Ringo Mühlmann ist wie Torsten Czuppon Polizeibeamter.
Mit Blick auf den AfD-Kandidaten für die PKK, Stefan Möller, sagt der innenpolitische Sprecher der Linken: "Der Bewerber ließ sich im Wahlkampf von Neonazis unterstützen, die ihre Sympathien für Adolf Hitler, NS-Bezüge und Judenhass offen zur Schau stellten." Gemeint sind damit Personen im Umfeld von Marco M., der als Anführer des Vereins "Erfurt zeigt Gesicht" gilt.
Das Thüringer Innenministerium teilte im Jahr 2018 mit Blick auf diese Gruppierung mit: "Der Landesregierung liegen Hinweise vor, dass Kontakte zwischen der Initiative und Einzelpersonen aus dem rechtsextremistischen, muslim- und fremdenfeindlichen Spektrum bestehen.“ Marco M. vertrat in der Vergangenheit immer wieder nationalsozialistische, antisemitische und rassistische Positionen. Screenshots seiner entsprechenden - inzwischen gelöschten - Facebook-Posts liegen MDR THÜRINGEN vor. Dittes verweist auf Angaben das Rechercheportals "Thüringenrechtsaussen“. Demnach soll Marco M. für Möller im vergangenen Erfurter Oberbürgermeisterwahlkampf eine "Flugblattverteilung" organisiert haben.
Chancen vor Gericht
Die AfD-Fraktion vertritt die Auffassung, dass ihr die Sitze in der PKK und G-10-Kommission aufgrund der Gesetzeslage zustehen. Der Parlamentarische Geschäftsführer, Torben Braga, teilt dazu mit, dass bei der Besetzung "selbstverständlich auch die Stärke bzw. die Größe der Fraktionen zu beachten“"sei. Dass Braga damit richtig liegt, bestätigt nicht nur die Landtagsverwaltung, sondern auch der Verfassungsrechtler Gerrit Hornung von der Universität Kassel: "Ja, es gibt im Prinzip ein Anrecht auf diese Posten. Das Bundesverfassungsgericht sagt, dass alle Fraktionen spiegelbildlich in den Gremien vertreten sein müssen und natürlich muss insbesondere die parlamentarische Opposition entsprechend vertreten sein."
Andererseits hat der Juraprofessor eine Einschätzung, die die gerichtlichen Chancen der AfD als äußerst gering erscheinen lassen.
Es gibt keinen Anspruch, eine konkrete Person in die Gremien entsenden zu dürfen.
Verfassungsrechtler Gerrit Hornung
Der Knackpunkt dabei ist das Vertrauen, das die parlamentarische Mehrheit den jeweiligen Wahl-Kandidaten entgegenbringen müsste, um sie zu wählen. Daran aber scheint es bisher mit Blick auf Möller, Czuppon und Mühlmann offenbar zu mangeln.
Darüber hinaus könnte es eine weitere Ursache für die bisherige Nichtwahl der AfD-Kandidaten geben. Dabei geht es um "Belange des Geheimschutzes". Diese nämlich könnten laut Gerrit Hornung "ein hinreichender Grund sein, die Rechte der Oppositionsfraktion einzuschränken".
Soll heißen, möglicherweise traut eine Mehrheit der Abgeordneten Möller, Mühlmann, und Czuppon nicht zu, die Regeln der Geheimschutzgremien einzuhalten. Verfassungsrechtler Hornung erklärt: "Natürlich werden diesen Kontrollgremien nachrichtendienstliche Vorgänge bekannt. Da kann es um Prüf- und Verdachtsfälle gehen, aber in Ausnahmefällen auch um Details wie die Identitäten von V-Leuten oder Ähnliches. Da ist es natürlich ein Problem, wenn man dann – und das ist eine politische, keine juristische Bewertung – zu dem Eindruck kommt, dass einzelne Mitglieder sich vielleicht nicht an Vertraulichkeitsregeln halten werden."
Warten auf den Wissenschaftlichen Dienst
Derzeit lässt Landtagspräsidentin Brigit Keller, den Wissenschaftlichen Dienst des Parlaments prüfen, wie es aus rechtlicher Sicht weiter gehen könnte, mit der noch nicht konstituierten Parlamentarischen Kontrollkommission. Ein Sprecher Kellers sagt dazu auf Anfrage: "Da die Prüfung durch den Wissenschaftlichen Dienst noch nicht abgeschlossen war, teilte Landtagspräsidentin Keller der AfD-Fraktion mit, dass sie gegenwärtig nicht beabsichtige, die Konstituierung der Parlamentarischen Kontrollkommission vorzunehmen.“
Genau das aber fordert die Linkspartei. Sprecherin Diana Glöckner sagt: "Die Fraktion Die Linke plädiert für die Konstituierung der PKK mit den bereits gewählten Mitgliedern." Das empfiehlt ebenso Juraprofessor Hornung: "Die jetzige Situation kann eine Übergangszeit lang toleriert werden, aber je länger der Zustand dauert, desto problematischer wird es." Deswegen sei es richtig, sich jetzt zu konstituieren.
Quelle: MDR THÜRINGEN/nis