Also ich zitiere ja echt ungern die AfD, aber wo ein AfDler mal Recht hat, da hat er Recht, auch wenn es von der falschen Feldpostnummer kommt und auch wieder nur die halbe Wahrheit ist:
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Görlitz
19.10.2019 07:00 Uhr
Ein Bürgerrechtler bei der AfD
Der Görlitzer Anwalt Michael Mochner begehrte am Ende der DDR auf, ging später zur SPD und sitzt jetzt für die AfD im Stadtrat und Kreistag. Was ist da geschehen?
Michael Mochner am Freitag vor der Geschäftsstelle des städtischen Großvermieters Kommwohnen. Bei der Vorgängerfirma, KWV, war er in den 1980er Jahren Installateur. © André Schulze
Von Sebastian Beutler 10 Min. Lesedauer
Michael Mochner ist zufrieden. Ihm geht es gut, er ist angesehener Rechtsanwalt in Görlitz. Und doch sitzt da ganz tief in ihm eine Unzufriedenheit mit der Entwicklung in den vergangenen Jahren. Jetzt macht er Politik in der AfD.
Im vergangenen Herbst war er auch schon mal als OB-Kandidat für die Partei im Gespräch, trat dann aber nicht zum innerparteilichen Wettstreit mit Sebastian Wippel an. Die SZ traf den 56-Jährigen Görlitzer jetzt zum Interview.
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Herr Mochner, wie kommt man von der Bürgerrechtsbewegung der DDR über die SPD zur AfD?
Das ist eine Suche.
Nach was suchen Sie denn?
Für mich sind Parteien nur ein Vehikel, um Anliegen umzusetzen und etwas zu bewegen. Und wo so vieles im Wandel ist, da ist es auch möglich und manchmal nötig, ab und zu die Partei zu wechseln. Ich halte Organisationen nicht für die Sache selbst, in meinen Augen ist beispielsweise die Kirche nicht Gott, und die Parteien haben keine Allmacht, sondern sind lose Verbindungen.
Warum dann jetzt die AfD?
Ich will etwas gegen die Hoyerswerdaisierung der Region tun, die strukturellen Probleme angehen. Mehr Infrastruktur beispielsweise. Ich sage immer, wenn der ICE von Wien nach Berlin zufälligerweise in Görlitz halten würde, wäre die Stadt der beliebteste Kiez von Berlin.
Ihr Oberbürgermeisterkandidat Wippel aber hält von einer ICE-Verbindung nach Berlin nichts, will statt dessen die nach Dresden.
Dann sind wir da eben anderer Meinung. Ich habe jedenfalls festgestellt, dass ich mit der AfD die meisten Schnittmengen und hier die beste Möglichkeit habe, mich politisch zu betätigen. Aus meiner Sicht hat die AfD die Chance, eine wirklich bürgerlich-liberale Partei zu werden, die insbesondere Ostinteressen formuliert und kritisiert, was 25 Jahre falsch gelaufen ist. Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Ich finde, die CDU hat in den vergangenen Jahren vieles richtig gemacht, aber wir hier, in Görlitz, an der Neiße, haben einfach zu wenig daraus gemacht, waren zu leise, haben zu wenig auf unsere Probleme aufmerksam gemacht.
Mit Verlaub, das Spitzenpersonal kaum einer anderen Partei ist so westlastig wie das der AfD.
Mich treibt vor allem um, wie es gelingen kann, dass unsere Kinder wieder herkommen. Wir haben als Stadt und Kreis Görlitz so einen großen Aderlass hinnehmen müssen. Wenn ich mir die Abiturklassen meiner Kinder anschaue, dann sind vielleicht noch jeweils drei aus einer Klasse hier. Deswegen bin ich so für eine Drei-Länder-Universität in der Region, denn wenn die Jugend erst einmal zum Studieren weggeht, dann ist sie für die Region verloren. In der DDR ging man zwar auch in die größeren Städte zum Studieren, aber man wurde delegiert, musste nach dem Studium zunächst wieder in die Heimat zurück. Natürlich bräuchte es heute andere Anreizsysteme. Aber im Prinzip war das richtig.
Alle politischen Parteien reden doch aber seit Jahren über die demografische Entwicklung an der Neiße und was zu tun sei. War das zu wenig?
Meines Erachtens ist gar nichts geschehen.
Sie waren auch mal in der SPD, warum sind Sie da wieder ausgetreten?
Das hat mit Gerhard Schröder und den Hartz-IV-Reformen zu tun. Ich hätte nie gedacht, dass die Sozialdemokratie eine solche Reform einmal durchziehen würde, gemeinsam mit den Grünen, und damit die Säge an den ostdeutschen Mittelstand legte. Zum anderen ist die SPD auch nie angekommen im Osten.
Sie selbst waren auch zum Jura-Studium nach Jena gegangen und erlebten den Herbst 1989 aber in Görlitz, weil Sie kurz zuvor von der Uni geflogen waren.
Ich hatte mit Kommilitonen gemeinsam ein Gedicht und einen Aufruf nach dem Himmlischen Frieden in China ans Schwarze Brett angebracht. Die Folge war eine Disziplinarstrafe und Bewährung in der Produktion. Da traf es mich noch glimpflich mit einer Stelle in der Bilanzierung/Außenhandel im Görlitzer Kondensatorenwerk.
Was war dann Ihr Motiv, sich an der Friedlichen Revolution zu beteiligen?
Ich hatte schon das Visum nach Ungarn in der Tasche.
Sie wollten wie so viele über Ungarn in den Westen fliehen?
Ja, und warum habe ich es nicht getan: Weil ich seit acht Jahren auf die Fahrschule für Lkw wartete. Und just im Herbst 1989 landete eine Karte in meinem Briefkasten, ich könne sie nun machen. Das tat ich auch im Dezember/Januar.
Sie waren dann Geschäftsführer der vom Runden Tisch neu gegründeten Zeitung „Neuer Görlitzer Anzeiger“.
Der Verlag gehörte sogar mir. Der damalige Pfarrer und Redakteur der evangelischen Kirchenzeitung, Hans Roch, fragte mich, ob ich nicht bei der Zeitung mitmachen wolle. Dann kam auch noch Hartmut Reichstein dazu, der heute beim MDR arbeitet. Für ihn war es der Sprung in den Journalismus, ich selbst aber wollte mehr von dem neuen Wirtschaftssystem kennenlernen und ging im Juni 1990 zu einem Praktikum zur Shell AG nach Hamburg. Da bemerkte ich: Im Osten war immer vom Sozialismus gesprochen worden, aber der Westen hatte ihn. Mitbestimmung der Belegschaft, das Management war den Eigentümern Rechenschaft schuldig und wurde kontrolliert.
Aber dann sind Sie doch wieder zum Studium gegangen.
Ja. Nachdem meine Disziplinarstrafe zurückgenommen worden war, konnte ich schon im Dezember 1989 das Jura-Diplom in Jena verteidigen. Ab September 1990 war ich in Jena wieder Assistent, später Forschungsstudent der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Ich wollte grundlegend das westdeutsche Recht kennenlernen. Schließlich legte ich nach einem zweieinhalbjährigen Referendariat am Landgericht Dresden mein zweites Staatsexamen im September 1995 ab.
Sie erzählen das sehr nüchtern, ohne diese Euphorie, die bei vielen mitschwingt, wenn sie sich an den Herbst 1989 und die nachfolgenden Jahre erinnern. Gab es da nie dieses Gefühl bei Ihnen?
Oh doch. Wir waren sicher nie so frei wie in den ersten 1990er Jahren. Aber diese Euphorie ist zerstört worden durch die Fehler, die gemacht wurden.
Welche denn?
Ein Beispiel: Hätten die Menschen 1990 sich nicht ihr Westauto gekauft, sondern noch ein paar Jahre gewartet und mit ihrem Geld stattdessen Anteile an ihren Betrieben erworben, so hätten die Unternehmen Kapital für Investitionen gehabt und das Management hätte loslegen können. So hätten die Menschen ihr Geschick in die eigenen Hände nehmen können.
Aber es wollte niemand warten auf das Auto, ein bisschen Wohlstand. Sollte das gleich wieder jemand verbieten?
Nein, da ist man machtlos.
Als Sie die neue Zeitung herausgaben, ging es Ihnen da um Pressefreiheit?
Das hehre Ziel stand nicht im Vordergrund. Aber es war eine große Freude unter allen zu spüren. Wer 1989 erlebt hat, das Gefühl in sich hatte, das wird hier nichts mehr, sich mit dem Gedanken des Auswanderns getragen hat und dann sah, dass das System zusammenbrach, der wird das nie vergessen. Wir haben so viele Chancen bekommen. Ich wäre nie Anwalt geworden in der DDR. Meine Kinder konnten studieren. Das war alles nicht vorstellbar.
Dann verstehe ich erst recht nicht, dass Sie einer Partei angehören, deren Kreisvorsitzender, der nun mit dem Bundesvorsitz liebäugelt, missliebigen Journalisten mit „schwarzen Listen“ und mit „Zersetzungsmaßnahmen“ droht. Erinnert Sie diese Sprache an was?
Ich teile nicht alles, was er sagt. Jeder ist seine eigene politische Persönlichkeit.
Aber indem Sie öffentlich nichts dagegen sagen, werden Sie mit in politische Haftung genommen. Verstehen Sie, dass die Görlitzer AfD deshalb zu Recht kritisiert wird?
Das sind Kinderkrankheiten einer jungen Partei. Man sollte auch nicht alles vergleichen, die Schlussfolgerungen könnten nicht zutreffen.
Aber Sie bekennen sich doch als Mitglied zur Ihrer Partei?
Nein. Eine Partei ist keine Religion. Es ist ein Vehikel in der Demokratie. Am Ende kommt es darauf an, was ich bewegen kann und welche Persönlichkeiten da Mitglied sind.
Es war die AfD, die zur Landtagswahl davon sprach, die Wende zu vollenden. Was muss denn da vollendet werden?
Das ist politisches Marketing, um auch Aufmerksamkeit zu erhalten. Und das hat ja funktioniert.
Landrat Bernd Lange hat kürzlich in Görlitz gesagt, die Rufe „Wir sind das Volk“ der AfD seien ein Schlag ins Gesicht all jener gewesen, die damals gegen die Macht aufgestanden seien.
Der Begriff „Wende vollenden“ ist plakativ, man sollte da nicht mehr hineininterpretieren. Wenn man aber darunter versteht, dass wir das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung vorantreiben wollen, dann finde ich das richtig.
Titelkopf der ersten Ausgabe des Neuen Görlitzer Anzeigers vom 9. März 1990. Geschäftsführer der Zeitung war damals Michael Mochner.
Titelkopf der ersten Ausgabe des Neuen Görlitzer Anzeigers vom 9. März 1990. Geschäftsführer der Zeitung war damals Michael Mochner.
Wo können die Menschen denn nicht selbst über ihr Leben bestimmen?
Mir geht es nicht um den Einzelnen, sondern um Strukturen. Zu DDR-Zeiten hielten die Russen und deren deutsche Marionetten die Macht in den Händen. Nach deren Abgang füllten die Westdeutschen dieses Vakuum. Wenn so viele Sachsen in Führungspositionen in Bayern und Niedersachsen wären, wie deren Landsleute bei uns, dann würde in Bayern und Niedersachsen die Revolution ausbrechen. Hier findet eine Fremdbestimmung statt. Wir brauchen eigene Leute, die das Land regieren.
Das ist doch aber mit Michael Kretschmer in Sachsen gegeben.
Ja, aber er ist der Erste. Zuvor wurde das urprotestantische Sachsen 28 Jahre lang katholisch regiert.
Aber die Religionen verlieren doch ungemein schnell an Einfluss, wie sollen sie noch in großem Maßstab Zwänge ausüben: Wer nicht mehr dabei sein will, geht - ohne jede gesellschaftliche Folgen.
Es gehört zum Dasein des Menschen, religiös zu sein, in welcher Form auch immer. Für mich ist auch ein Atheist religiös, jeder kann seine Form finden. Aber nur, weil sich die Organisation „Kirche“ in einer relativen Ohnmacht befindet, heißt das noch lange nicht, dass religiöse Strukturen nicht fortwirken.
Sie haben vor fast zehn Jahren ein Buch herausgegeben: „Der Staatswahn“. Ein paar Thesen aus dem Buch, zugegebenermaßen zugespitzt: Der Mensch ist durch staatliche Erziehung programmiert. Der Staat benutzt Religion und Wissenschaft, um die Knechtung des Menschen zu rechtfertigen. Der Staat verkörpert die „Opfertod, Straf- und Todesreligion“. Reichsbürger würden das etwas profaner sagen, aber meinen dasselbe. Wie kommen Sie darauf?
Diese Aussagen zielen nicht auf die aktuelle Situation, sondern auf die Menschheitsgeschichte generell und sind vor allem Religionskritik. Das hat mit Reichsbürgern nichts zu tun. Schon weil sie sich Reichsbürger nennen, begeben sie sich in neue Knechtschaft. Und ich glaube nicht, dass sie die Freiheit der Andersdenken als Voraussetzung für die eigene Freiheit anerkennen.
Es gibt eine aktuelle Umfrage in dieser Woche vom renommierten Allensbach-Institut am Bodensee, nach der die AfD-Anhänger die DDR am positivsten sehen. Sind Sie doch in der falschen Partei?
Das Ergebnis dieser Umfrage glaube ich nicht. Ich kenne niemand unter unseren Anhängern, der das alte System zurückhaben will. Ich habe selbst von 1980 bis 1983 als Installateur bei der städtischen KWV, dem Vorgänger von Kommwohnen, gearbeitet. Ich weiß, wie die Stadt aussah, wie die Leute lebten und wohnten. Dass die Bausubstanz der Stadt gerettet wurde, hat mich wieder an Wunder glauben lassen.
Ostalgie ist der AfD fremd?
Das wird den Leuten eingeredet. Natürlich hat man schöne Erinnerungen, das Leben in der DDR wird doch nicht dadurch entwertet, dass es eine Diktatur war. Aber wenn die Leute ihren Kopf einschalten, dann wollen sie das alte System nicht wieder zurück, auch nicht dieselben Fehler ein zweites Mal machen. Wir sollten ein bisschen Dankbarkeit für all das haben, was wir erleben durften. Und Demut sowie Respekt voreinander in der politischen Arbeit.
Und genau dieser (evangelisch- protestantische) MP Kretschmar hat schon mit ziemlicher Entschlossenheit gesagt, dass er definitiv nicht mit der AfD koalieren wird. Und das scheint tatsächlich auch so zu meinen.
Und wer sich schon immer fragte, warum sich im "König- Kurt"- Land Sachsen die Reichsbürger häufen, in Polizei und Justiz bisweilen so merkwürdig rechtsseitige Sehstörungen auftreten, ohne nennenswerten Ausländer- und Kopftuchanteil die Islamphobiker durch die Straßen gröhlen dürfen und noch andere Dinge im Freistaat irgendwie etwas seltsam scheinen, der kann schon mal hier anfangen, dazu etwas weiterzulesen:
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Katholizismus: Ich glaube, also bin ich mächtig
Warum die Katholiken in Leipzig und im Osten vor 1990 kaum eine Rolle spielten – heute aber vieles dominieren.
Ein Gastbeitrag von Johann Michael Möller
25. Mai 2016 DIE ZEIT Nr. 23/2016, 25. Mai 2016 211 Kommentare
Aus der ZEIT Nr. 23/2016
Der Katholizismus ist wieder sichtbar, wo er lange unsichtbar war: In Leipzig hat er sich eine Kirche gebaut. Dort, wo die alten gottlosen Verhältnisse bezwungen wurden, mitten im Zentrum am Ring.
Die neue Propsteikirche ist unsere Zentralkirche geworden, unser Dom, sagt ihr Probst Gregor Giele, der an der Spitze einer fast täglich wachsenden Gemeinde steht: Wir sind zurückgekehrt an unseren angestammten Platz. St. Trinitatis ist ungefähr dort wieder entstanden, wo die erste Propsteikirche stand, die im Krieg zerstört und deren Ruine von den Kommunisten abgeräumt wurde. Danach betete man lange im Abseits der Stadt. Die neue Kirche ist die Rückkehr des Glaubens ins Leben, hat der Papst zu ihrer Weihe verkünden lassen.
Lange war der Katholizismus im Osten nicht mitten im Leben. Wir Katholiken in der DDR leben in einem "fremden Haus", rief der Meißener Bischof Otto Spülbeck dem Kölner Katholikentag 1956 zu. Dass sich dieser Katholizismus im dritten Jahrzehnt nach dem Mauerfall sein eigenes Haus baute, bedeutet mehr als das Ende der alten Diaspora. Es demonstriert ein neues Verständnis von Kirche und ihrer, seit 1990, zentralen Rolle im Osten.
In der DDR blieb die katholische Kirche auf Distanz. Überließ die Revolution großteils den Protestanten. Kurz vor Ende der DDR entschloss sich die Kirchenleitung zwar, sich an der "Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung" zu beteiligen. Vor allem aber war die Friedliche Revolution die Geburtsstunde eines katholischen Laienbewusstseins. Viele katholische Laien schlossen sich der Bürgerbewegung an, nahmen an den Friedensgebeten teil – nicht ihre Priester. Im Unterschied zur evangelischen Seite.
Ludwig Ring-Eifel
ist Chef der Katholischen Nachrichtenagentur.
Gerade deshalb waren es katholische Laien, die nach 1990 Macht bekamen: Die ersten Regierungschefs in den protestantischen Kernländern Thüringen und Sachsen waren katholisch; auch die Oberbürgermeister großer Städte wie Dresden, Chemnitz, Erfurt und Jena. Und viele Minister und Spitzenbeamte; nicht nur jene, die aus dem Westen kamen. Das katholische Übergewicht in der ersten Regierung Sachsens war so hoch, dass sich Kurt Biedenkopf eilends nach geeigneten Protestanten umsah. Als der Eichsfelder Katholik Dieter Althaus in Thüringen Kultusminister unter einem katholischen Premier werden sollte, hieß es: katholische Kaderpolitik. Die Vorstellung, das politische Engagement katholischer Laien in der Wendezeit sei "zentral und flächendeckend vom kirchlichen Amt organisiert" worden, löst bei Kennern, wie dem ersten sächsischen Wissenschaftsminister und späteren ZdK-Präsidenten Hans Joachim Meyer, aber nur Heiterkeit aus. Dafür waren die Kirchen am Ende der DDR viel zu schwach.
Wie man im tiefsten katholischen Eichsfeld über Nacht vom Lehrer zum Politiker wurde, hat der Heiligenstädter Schulrat und spätere Ministerpräsident Dieter Althaus in seinen Erinnerungen beschrieben. Viele solcher Quereinsteiger waren von katholischen Studentengemeinden geprägt. Dort, sagt der Ilmenauer Studentenpfarrer Gerhard Sammet, haben wir mit Studierenden Demokratie geübt. Dort haben wir sie vorbereitet, eines Tages Verantwortung zu übernehmen. Wie der einstige Erfurter Staatskanzleichef Klaus Zeh: In Dresden war er einst Sprecher der Studentengemeinde gewesen, 1990 wollte er für ein Jahr in die Politik gehen und blieb ein ganzes Berufsleben. Wir waren besser auf die Demokratie vorbereitet, als man es uns vielleicht zugetraut hat, sagt er, und sind pragmatischer gewesen.
Auch die Neue Propsteikirche ist aus einer Laienbewegung entstanden. Das neue Bürgertum, das sie trägt, hat sich am Tag ihrer Weihe versammelt. Hier ist es selbstverständlich geworden, seinen katholischen Glauben zu zeigen. Bisweilen ist es auch schick. Kirche ist kein Museum, sagt Probst Giele, der sich an manchen Wochenenden die Finger wund tauft: Wir sind ein Lebensentwurf. Die Probsteikirche ist sein Medium. Der Erfolg gibt ihm recht.