Tut mir leid! Aber: Schocktherapie! Das muß so. Das XXIIII. UG wollte das so.
, weil es dann doch der afd hilft.
Den Ausdruck "Bestätigungs-Fernsehen" finde ich passend, denn schon gestern war in FB und Twitter zu bemerken, wie bestätigt sich Hs Fanboyz fühlen. Und es könnten durchaus auch Nichtwähler sich von dem "ungerechten" Vorgehen des "Staatsfernsehens" abgestoßen und zu H. hingezogen fühlen.
Spoiler
Eine Trophäe für kritischen Journalismus
«Das Interview wird nicht verwendet. Oder?», hört man Höckes Sprecher noch am Ende des Beitrags. Die Intervention war vergebens. Das ZDF hatte sich entschlossen, das Interview inklusive der Auseinandersetzung am Schluss zu veröffentlichen; und es wirkt nun fast so, als sei das Gespräch eine Trophäe, ein Manifest des kritischen Journalismus. Selbst eine wortgetreue Transkription wurde angefertigt, in der man online alles genau nachlesen kann. Die Aktivistengruppe «Zentrum für politische Schönheit» spricht von einem «Waterloo» für Höcke. Es dominiert die Ansicht, hier sei ein AfD-Politiker einmal richtig vorgeführt worden. Entsprechend avanciert Höckes Sprecher, ein ehemaliger Journalist der «Welt», zum Oberdeppen, der seinen Chef in den Schlamassel manövriert hat.
Höcke dürfte sich bei seinem Sprecher aber bedanken. Zwar wurde das Interview nicht wiederholt, doch es bekam einen Dreh, wie ihn sich Höcke nicht schöner hätte wünschen können. Minutenlang hatte er so die Gelegenheit zu erklären, wie ungerecht ihn das ZDF behandelt habe. Dabei blieb er ausgesprochen ruhig und beherrscht. Bald erklärt er dem Reporter und seinen Wählern vor laufender Kamera, wie sie das Interview zu beurteilen haben. «Wissen Sie, wir leben doch in einer Lage, die sowieso schon polarisiert ist», sagt er. «Wollen Sie jetzt wirklich so ein Ding noch raushauen? Ich meine, Sie sind doch als öffentlichrechtlicher Sender auch stark in der Kritik. Sie spüren doch, wie grad in diesem Land auch etwas erodiert. Und wenn Sie jetzt dieses Spiel weiterspielen . . .»
Zwei unterschiedliche Lesarten
Damit deutet Höcke schon an, dass das Interview zwei komplett verschiedene Rezeptionen haben würde. Für die Höcke-Gegner ist das Interview Bestätigungs-Fernsehen, die Höcke-Fans werden es als einen Beleg für die Benachteiligung ihres Idols im öffentlichrechtlichen Rundfunk sehen. Insofern hat das Interview Höcke bestimmt nicht geschadet, es hat ihn mit seinen Anhängern und Verehrern höchstens noch weiter zusammengeschweisst. Kein Wunder, dass Höcke das Interview auf seiner Facebook-Seite teilt. «Hallo Sie taten mir leid», schreibt eine Frau. «Es ging nur darum Sie blosszustellen. Aber Sie haben das gut gemeistert.» Diesem Effekt hätte sich das ZDF nur entziehen können, wenn es sich entschieden hätte, das Interview nicht zu publizieren.
Um das Verhalten von Höckes Pressesprecher einigermassen nachvollziehen zu können, muss man an den Beginn der Sendung zurück. Das Interview startet mit einem Einspieler. Das ZDF hatte einige Parteikollegen von Höcke mit einem Zitat konfrontiert: «Ein paar Korrekturen und Reförmchen werden nicht ausreichen, aber die deutsche Unbedingtheit wird der Garant dafür sein, dass wir die Sache gründlich und grundsätzlich anpacken werden. Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen, dann werden die Schutthalden der Moderne besiegt.» Die Frage war, ob dieses Zitat von Björn Höcke oder von Adolf Hitler stamme. Die Kollegen von der AfD wollten sich nicht festlegen und erklärten meist, weder die Reden von Höcke noch «Mein Kampf» genau zu kennen.
Höckes Ausflüchte
Höcke musste in dem ZDF-Interview also über seine Ähnlichkeit zu Hitler sprechen, wo er doch lieber mit «schönen Fragen zur Landespolitik» eingestiegen wäre. Der AfD-Politiker schwadronierte nun über Sprache. Das Zitat nahm er zum Anlass, um über die Zulässigkeit des Poetischen in der Politik zu reden. NS-Sprache ist für ihn ohnehin nicht identifizierbar, weil es dafür keine «allgemeingültige Definition» gebe. Ein Begriff wie «Entartung» werde auch in der Molekularbiologie und der Zytologie verwendet, sagte Höcke. Und auch den Begriff «Lebensraum» möchte sich der AfD-Politiker nicht vermiesen lassen. Es könne ja zum Beispiel auch vom «Lebensraum von Rotmilanen» die Rede sein. Es waren gut einstudierte Ausflüchte, die nicht überzeugen konnten. Die gehäufte Verwendung von Begriffen aus der NS-Zeit kann bei Höcke nur als bewusstes Stilmittel gesehen werden, um diese Sprache zu enttabuisieren und wieder in den allgemeinen Wortschatz zurückzuführen.
Die Konfrontation mit dieser Sprache im Interview war wichtig. Ob die Hitler-Umfrage der journalistischen Sache diente, ist wieder eine andere Frage. Die Herangehensweise sagt vor allem etwas über den deutschen Journalismus und seine doppelten Standards aus. Mit den meisten Politikern werden in diesem Land mehr oder weniger kritische Interviews gemacht. Bei AfD-Politikern gilt ein anderer Ansatz. Sie sollen im besten Fall überführt und entlarvt werden, sich in irgendeiner Weise kompromittieren.
Die Hitler-Frage als Falle
Der Journalist muss daran nur schon aus Reputationsgründen ein Interesse haben. Ein unkritisches Interview mit Angela Merkel kann sich jeder mal erlauben, mit Björn Höcke geht das nicht. Um jeglichen Zweifel auszuräumen, deklariert das ZDF den Videobeitrag gleich selbst als «kritisches ZDF-Interview». Die Hitler-Umfrage war letztlich eine Falle, bei der man schon von vornherein wissen konnte, dass sie ihren Effekt nicht verfehlen würde. Hier lässt sich auch zeigen, wie der Journalismus in Aktionismus übergeht. Was hätten Höckes AfD-Kollegen im Beitrag auch sagen sollen? Hätten sie gesagt, das Zitat stamme von Hitler, so hätte man ihnen triumphierend mitgeteilt: Nein, von Höcke! Hätten sie auf Höcke getippt, hätte man gesagt: Die haben «Mein Kampf» aber gründlich gelesen!
Die meisten AfD-Sympathisanten dürfte die Umfrage nicht im Geringsten beeindrucken. Sie werden die Tendenz der Berichterstattung vielmehr als systematische Benachteiligung von Höcke und der AfD beurteilen. Deshalb spricht viel dafür, aus der AfD keinen journalistischen Sonderfall zu machen. Selbst dann nicht, wenn ein Politiker wie im Falle Höckes versucht, wieder Brücken zum Nationalsozialismus zu schlagen.