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Patrick Walder soll es richten für die Zürcher SVP. Nach dem katastrophalen Abscheiden der Partei bei den Kantonsratswahlen, bei denen sie 9 Sitze verloren hat, wurde die ganze Führungsriege auf Geheiss von Christoph Blocher ausgetauscht und der 31-Jährige zum Präsidenten erkoren. «Wir müssen wieder lauter werden», sagte er den SVP-Mitgliedern nach seiner Wahl im April. Sie müssten den Kampf wieder suchen, die Gegner demaskieren. Denn Wahlen gewinne man nur über Emotionen.
Nach einigen Jahren, in denen die SVP im Zeichen des bürgerlichen Schulterschlusses mit etwas moderateren Tönen unterwegs war, bedeutet Walders Aufruf ein Zurück zum Erfolgsrezept, das die Partei gross gemacht hat: Die SVP ist schriller, angriffiger, pointierter als der Rest.
Doch vom angekündigten Lärm war im bisherigen nationalen Wahlkampf noch nicht viel zu hören. Versucht hat es die Partei zwar mit gezielten Provokationen, doch das Echo darauf war gering. Da war zum Beispiel der Fall des im Kanton Zürich wohnhaften Eritreers, der in Frankfurt ein Kind und dessen Mutter vor einen einfahrenden Zug gestossen hatte. Die Zürcher Sektion reagierte darauf mit einer Mitteilung unter dem Titel «Eritreeischer ‹Flüchtling› aus Zürich bringt Bub um!».
Die Zürcher SVP kritisiere seit je die lasche Asylpolitik gegenüber Eritreern, hiess es in der Mitteilung. Die abscheuliche Tat zeige einmal mehr auf, «dass es sich bei solchen Personen um nichtintegrierbare Gewalttäter handelt, die in der Schweiz nichts verloren haben».
Es ist die altbekannte Taktik. Ein dramatischer Vorfall wird dazu herangezogen, eine ganze Bevölkerungsgruppe zu verunglimpfen. Doch während dies vor Jahren wohl noch empörte Diskussionen in den Medien ausgelöst hätte, wurden die Äusserungen der SVP heuer nur am Rande behandelt.
Köppel geht zu den Leuten
Ähnlich erging es auch der Kampagne mit dem «Klima-Teufel». Auf den Plakaten grinst ein roter Teufel hinter einem lächelnden grünen Blatt hervor. Die Botschaft: Unter dem Feigenblatt des Umweltschutzes treibe Rot-Grün seine sozialistische Politik voran und verschweige die ökologischen Schäden der Zuwanderung. Doch weder in den Zeitungen noch bei den Politikern löste die Gleichsetzung der Linken mit dem Beelzebub grössere Reaktionen aus.
Auf der Suche nach Stoff hat der Zürcher Parteipräsident gar einen Fall aus dem Aargau aufgegriffen, bei dem ein syrischer Schüler eine Lehrerin verprügelt hat. In seinem Beitrag auf der SVP-Website mit dem Titel «Im Namen Allahs spitalreif geprügelt» kritisiert Walder die Medien, die dem Fall zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hätten.
Weniger Aufmerksamkeit erhält aber vor allem die SVP. Das hat auch Walder registriert. «Deswegen gehen wir nun vermehrt direkt zu den Leuten», sagt der Parteipräsident. Exemplarisch dafür ist der Wahlkampf des Ständeratskandidaten Roger Köppel, der durch den Kanton tourt und in jeder Gemeinde Referate hält. Walder ist überzeugt: «Die Leute schätzen es, dass sie auf diese Weise direkten Zugang zu Politikern erhalten und auch Fragen stellen können.»
Mit seinem «Döschwo» fährt auch Walder durch den Kanton, besucht die Veranstaltungen der Ortssektionen, um zu mobilisieren. Aus seiner Sicht läuft der Wahlkampf gut, und er meint, er sei zuversichtlich, dass sie ihre Ziele, im Herbst die zwölf Sitze im Nationalrat zu halten und einen Ständeratssitz zu erobern, erreichen könnten. Er mache sich auch keine Sorgen darüber, dass die Provokationen bisher ins Leere liefen. «Sorgen macht es mir vielmehr, wenn solche wichtigen Themen keine mediale Aufmerksamkeit mehr erhalten.» Denn die negativen Folgen der Zuwanderung seien real. «Den Leuten brennen Probleme wie Dichtestress oder Arbeitslosigkeit bei über 50-Jährigen durchaus unter den Nägeln», sagt Walder.
So oder so ist die Partei auf Aufmerksamkeit angewiesen. Doch ihre Lieblingsthemen ziehen im Moment nur bedingt. Die Zuwanderung hat in den letzten Jahren abgenommen, und die Sache mit dem EU-Rahmenvertrag ist reichlich kompliziert. Mit den zum Teil kruden Theorien zum Klimawandel stösst die Partei zudem auch eigene Mitglieder insbesondere bei den Landwirten vor den Kopf. Und die Masche mit den Provokationen hat sich abgenutzt.
Was bleibt der SVP übrig? Vielleicht kann sie noch etwas lauter werden. Walder sagt, es stehe ein grösserer Anlass in der Stadt Zürich an. Und vor allem wird es auch wieder eine Plakatekampagne im bewährten Stil geben, wie man sie von der Masseneinwanderungsinitiative her kennt.
Die «Kuschelzeit» ist vorbei
Ganz richtig findet dies einer, der den harten SVP-Kurs einst geprägt hat: Hans Fehr, Zürcher Parteisekretär von 1985 bis 1998. Zusammen mit Christoph Blocher und dem Werber Hans-Rudolf Abächerli hat der Alt-Nationalrat aus Eglisau 1993 das umstrittene Messerstecher-Inserat verantwortet. Mit dem Slogan «Das haben wir den Linken und Netten zu verdanken» veränderte er die politische Debatte im Land grundlegend.
Spätestens ab dann zielte die SVP in ihren Kampagnen auf den Mann und nicht selten unter die Gürtellinie. «Ein Plakat, das nicht provoziert, hat seinen Beruf verfehlt», sagt Fehr noch heute. Insofern habe das Messerstecher-Sujet seinen Zweck erfüllt.
Die Themen seiner Partei hält Fehr nach wie vor für die richtigen. «Vielleicht müssen wir überlegen, sie in einer anderen Form, in einer anderen Sprache zu vermitteln», sagt er. Grundsätzlich gelte: Je komplexer ein Problem erscheine, wie etwa der Rahmenvertrag mit der EU oder der Klimawandel, desto einfacher müsse man kommunizieren. «Man muss mit konkreten Beispielen arbeiten, und man muss den Leuten zeigen, dass es am Ende immer um ihre Freiheiten und ihr Portemonnaie geht.»
Die kurze «Kuschelzeit» seiner Partei wünscht sich der frühere Oberstleutnant nicht zurück. «Wenn es um das Ganze geht, dann muss man angreifen – immer.» Dies sei eine Erkenntnis aus seiner langen Militärkarriere. «Wenn die Lage schwierig wird, muss man raus aus dem Schützengraben. Man muss kämpfen, Verfehlungen anprangern und Alternativen anbieten.» Eine Provokation sei dabei ein legitimes Mittel. «Sie darf einen Tatbestand leicht überzeichnen, aber grundsätzlich muss sie einen wahren Kern haben», sagt Fehr. «Sie muss intelligent sein.»
Dabei lobt Fehr für einmal explizit den politischen Gegner. «Was diese Greta Thunberg mit ihrem Schulstreik angezettelt hat, ist eine gelungene Provokation – auch wenn sie mir nicht passt.» Das schwedische Mädchen und ihre Unterstützer hätten es geschafft, dank ungewohnten Aktionen die Medien und die Öffentlichkeit in ihren Bann zu ziehen. Ob so etwas Ähnliches auch wieder einmal der SVP gelingt?
Die SVP nach altem Schrot und Korn
Fehr, der 2015 nicht mehr in den Nationalrat gewählt wurde, will sich nicht in die Arbeit seiner Nachfolger einmischen. «Jetzt sind die Jungen dran», sagt er. Patrick Walder hält er für einen cleveren Typ, und Roger Köppel sei der ideale Botschafter für eine SVP nach altem Schrot und Korn.
Der «Weltwoche»-Chef scheint derzeit von den eigenen Leuten aber noch etwas Hilfe gebrauchen zu können. Gestern verschickte der junge Parteipräsident eine flehende Mail, in der er SVP-Mitglieder aufforderte, sich in Köppels Wahlkomitee einzutragen. Zuvor hatte der «Tages-Anzeiger» geschrieben, Köppel mangele es an Unterstützung. Walders Worte: «Wir bitten Euch, die Öffentlichkeit vom Gegenteil zu überzeugen.»
Man stelle sich mal vor, die Lügenpresse würde weniger oder gar nicht mehr über die afd berichten (was sie darf, die Presse ist nicht zur Berichterstattung verpflichtet) ...