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Dresden
Vor einer Woche hat der sächsische Wahlausschuss die AfD-Liste für die Landtagswahl zusammengestrichen - jetzt steht die neue Strategie für die Wochen bis zum 1. September: Die Partei will und muss noch stärker um Direktmandate kämpfen. Diese Marschrichtung wurde auf dem Parteisenat, einem sogenannten kleinen Parteitag, in Siebenlehn (Mittelsachsen) mit dem Landesvorstand, den Kreisvorsitzenden und den Direktkandidaten ausgegeben.
„Wir werden den einzelnen Kandidaten mehr Mittel zur Verfügung stellen, wir werden mehr investieren“, sagt AfD-Landesvize Siegbert Droese der LVZ. Dafür gebe es eine „große Solidarität“ und „sehr viel Unterstützung“ sowohl aus der Bundespartei als auch aus der Bundestagsfraktion. Das bedeute auch, dass die gesamte Parteiprominenz um Alice Weidel und Alexander Gauland häufig in die sächsischen Regionen kommen wird. Daneben sei in der Bevölkerung ein „Schub“ aufgrund der Entscheidung des Wahlausschusses zu spüren, erklärt Droese: „Wir erleben eine Welle der Zustimmung. In den vergangenen Tagen hat auch das Spendenaufkommen merklich zugenommen.“
Wahlausschuss kritisiert mangelhafte AfD-Listen
Hintergrund: der sächsische Wahlausschuss hat auf seiner öffentlichen Sitzung am 5. Juli die AfD-Wahlliste von ursprünglich 61 Kandidaten auf 18 reduziert. Der Partei werden im Wesentlichen zwei entscheidende Formfehler attestiert. Da sie für die Aufstellung ihrer Kandidaten zwei Versammlungen - mit insgesamt sechs Tagen im Februar und im März - brauchte, hätte die zweite Veranstaltung eindeutig als Fortsetzung deklariert werden müssen. Zudem gab es zwei verschiedene Versammlungsleiter, die beim jeweils anderen Aufstellungstermin nicht anwesend waren. Zum anderen hat die AfD für die Listenränge ab 31 ein Blockwahlverfahren genutzt und damit ein anderes Vorgehen als zuvor. Auch das hat Landeswahlleiterin Carolin Schreck aufgrund mangelnder Chancengerechtigkeit nicht durchgehen lassen.
Wahlleitung: Es wird keine Änderungen geben
Gegen diese Entscheidung hat die AfD in dieser Woche zwei Verfassungsbeschwerden eingereicht. Ob es eine abschließende Prüfung bis zum Wahltermin am 1. September 2019 geben wird, ist fraglich. AfD-Landesvize Droese meint, dass sich die Verfahren möglicherweise „über Jahre hinziehen“ werden. „Nichtsdestotrotz wird ein Präzedenzfall geschaffen, der die Republik erschüttern wird“, glaubt der Bundestagsabgeordnete aus Leipzig. Die Landeswahlleitung macht gleichzeitig die Hoffnung der AfD zunichte, dass bis zur offiziellen Veröffentlichung der Wahllisten am kommenden Montag noch Korrekturen vorgenommen werden: Änderungen seien „wahlrechtlich nicht vorgesehen“, erklärt der stellvertretende Landeswahlleiter Robert Kluger gegenüber der LVZ.
Partei kann möglicherweise nicht alle Landtagssitze besetzen
Die aktuelle Konsequenz: Die AfD kann möglicherweise nicht alle ihre Landtagssitze besetzen, die ihr aufgrund des Wahlergebnisses zustehen würden. Wegen der in Umfragen konstanten Stimmenanteile von 25 bis 26 Prozent ist davon auszugehen, dass die AfD mit wesentlich mehr Abgeordneten als den 2014 errungenen 14 Mandate in den Landtag einziehen wird. Im 120 Sitze umfassenden Landtag gelten 30 bis 35 Mandate als möglich.
Aktuell würde die AfD 26 bis 27 Wahlkreise gewinnen
Nach der Entscheidung des Wahlausschusses gibt es allerdings einen gravierenden Haken: Die Partei kann ihre Mandate nur über die 18 genehmigten Listenbewerber hinaus erhöhen, wenn ihre Direktkandidaten möglichst viele der insgesamt 60 Wahlkreise gewinnen. Nimmt man die jüngste EU-Wahl sowie Wahlkreisprognosen zur Grundlage, würde die AfD gegenwärtig auf 26 bis 27 Direktmandate kommen. Das mag sich kompliziert anhören, ist aber reine Wahlarithmetik aufgrund des auf Erst- und Zweitstimmen basierenden sächsischen Wahlsystems. Bei der Landtagswahl - wie zum Beispiel auch bei der Abstimmung zum Bundestag - hat jeder Wahlberechtigte zwei Stimmen: Zum ersten kann ein Kreuz bei dem Wahlkreis-Kandidaten einer Partei gemacht werden, und zum zweiten bei der jeweiligen Partei selbst.
Chrupalla: Wahlziel lautet 35 Direktmandate
„Wir müssen es schaffen, 35 Wahlkreise zu gewinnen - und das halte ich für realistisch. Dann würde die Liste keine Rolle mehr spielen, da wir wahrscheinlich alle Sitze besetzen könnten“, rechnet Tino Chrupalla, AfD-Bundestagsfraktionsvize aus Görlitz, vor. Dabei werden insbesondere jene der 60 Wahlkreise in den Fokus genommen, in denen es eng werden und auf wenige Prozentpunkte ankommen könnte: Das betrifft Mittelsachsen, den Großraum Chemnitz sowie das Erzgebirge und das Vogtland. Chrupalla: „Ohne die anderen Bundesländer diskreditieren zu wollen: Sachsen ist bei den Wahlen in diesem Jahr das wichtigste Bundesland für die AfD. Das ist allen klar und deshalb werden wir uns entsprechend aufstellen.“
Offizieller Wahlkampfstart am Sonntag mit Höcke und Kalbitz
Um die potenziellen Wähler nicht durch „taktische Spielchen“, die aufgrund des Wahlsystems möglich wären, zu verunsichern, werde es eine „Jetzt-erst-recht“-Kampagne geben, kündigt Chrupalla an: „Beide Stimmen für die AfD.“ Aus dem Landesvorstand verlautet zudem, dass die aktuelle „schon etwas rauere Kampagne“ demnächst von programmatischen Plakaten begleitet wird, „die natürlich ordentlich populistisch“ gestaltet seien. An diesem Sonntag findet in Lommatzsch (Landkreis Meißen) zunächst der offizielle Wahlkampfauftakt statt, der ebenfalls deftig ausfallen dürfte: Als Gäste werden die AfD-Vorsitzenden von Thüringen und Brandenburg, Björn Höcke und Andreas Kalbitz, erwartet. Beide sind führende Vertreter des Rechtsaußenbündnisses „Flügel“, gegen das sich innerhalb der AfD aktuell Widerstand formiert.
Von Andreas Debski