Jetzt wird's wissenschaftlich.
Die Astrologin spricht.
Selbstverständlich ist die gewaltsame Ablösung der Regierung kein Putsch und gegründet hat sie auch nix.
Sonst gäbe es vermutlich eine Gründungsurkunde oder sowas.
Die Buben haben ein wenig mit Waffen gespielt, wie Buben halt so tun.
Sonst war nix.
Spoiler
Insbesondere weist L. zurück, dass sie die Vereinigung Ende Juli 2021 mitgegründet habe. Hintergrund des damaligen Treffens sei die Ablehnung der staatlichen Anti-Corona-Politik gewesen und die Sorge vor einer zwangsweisen Impfung von Kindern. «Wir wähnten uns damals in Not wegen der Corona-Maßnahmen.» Sie habe sich aber mit niemandem zu irgendetwas verabredet, sie habe nichts gegründet, sie habe deshalb auch niemanden für irgendein Vorhaben rekrutieren können. Und sie habe auch niemandem gezielt den Kontakt zu Malsack-Winkemann vermittelt, um so eine Ausspähung des Bundestages zu ermöglichen.
Allerdings: Von einem späteren Schießtraining habe sie gewusst, räumt L. in ihrer Erklärung ein – dies aber für eine «Bubensache» gehalten, der sie nichts habe abgewinnen können. Und sie wusste demnach auch von Plänen für Heimatschutzkompanien, die die Polizei hätten ersetzen sollen, hörte bei Treffen außerdem von angedachten «Säuberungen». «Und ich habe es unreflektiert wiedergegeben. Ich wünschte, ich hätte solche Dinge nie gesagt.»
Immer wieder heißt es in L.'s Erklärung, sie habe Darstellungen und Verschwörungstheorien auf einschlägigen Telegram- und anderen Kanälen damals für bare Münze genommen und «irgendwann für die alleinige Wahrheit» gehalten.
So soll sie auch daran geglaubt haben, dass staatliche Eliten Kinder in unterirdischen Tunnelsystemen gefangen halten, um aus ihren Körpern ein Verjüngungselixier zu gewinnen. «Ich bedaure heute mit reichlich Abstand, dass ich all diese Dinge unkritisch übernommen und weiterverbreitet habe», trug ihr Anwalt nun vor. Sie habe die Corona-Maßnahmen als Angriff auf Freiheit und Gesundheit wahrgenommen. «So hat sich das hochgeschaukelt.»
Tatsächlich bestreitet L. aber dann nicht, an mehreren Sitzungen des «Rats» der Vereinigung (ähnlich einem Kabinett einer rechtmäßigen Regierung) teilgenommen zu haben, aber nicht als «vollwertiges Mitglied».
In den Tagen zuvor hatte L. viel aus ihrem Leben berichtet: etwa von «Nahtoderlebnissen», einmal als Kind im Rahmen hohen Fiebers; dass sie und ihre Geschwister nicht geimpft gewesen und von ihren Eltern isoliert worden seien; dass sie viermal im Leben geflüchtet sei, einmal vor ihren Eltern, und diese 21 Jahre lang nicht mehr gesehen habe; und von ihren diversen Ausbildungen, Berufen und Kursen: Elektroingenieurin, Berufsschullehrerin – und dann eben Astrologin.
Nur mit Hilfe weniger Angaben – etwa Geburtsdatum und -ort – habe sie ausführliche Aussagen zu Bekannten machen könne, die sich als zutreffend herausgestellt hätten. Das sei ihr Hobby gewesen. Im Kasino habe sie ihrer Gruppe einmal zu einem satten Gewinn verholfen. Später schrieb und verlegte sie Bücher, unter anderem übers Kartenlegen. Mit dem Verlag, mit Seminaren und Beratungen, damit habe sie Geld verdient.
Und sie war eben die astrologische Beraterin von Malsack-Winkemann – und von Prinz Reuß. Diesem gab sie Ratschläge, wen er in den «Rat» aufnehmen sollte oder eben nicht. «Meine Aufgabe war es, neue Mitglieder auf astrologischer Basis zu überprüfen», erklärt sie.
In dieser Funktion war sie wohl bis zum Schluss mit dabei, bis zur Razzia und der Verhaftung der mutmaßlichen Verschwörer. Die Treffen, Gespräche, Chats, die die Anklage akribisch aufgelistet hat, kann sie kaum bestreiten, tut dies auch nicht. Und dennoch bleiben Fragen offen. Etwa: Warum blieb sie bis zum Ende dabei, wenn sie doch Dinge erfuhr, von denen sie sich heute zu distanzieren versucht? Oder war sie eben doch nicht die harmlose, gutgläubige Astrologin, als die sie sich auszugeben versucht? Das Gericht dürfte viele Nachfragen haben.
Man ahnt hinter der dürren Familiengeschichte, eigentlich ist sie ein armes (reverendo!) Würstchen.