Was Dirk Neubauer über seinen Frust im Podcast "Debatte in Sachsen" sagte24.07.2024
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Was Dirk Neubauer über seinen Frust im Podcast "Debatte in Sachsen" sagte
Mittelsachsens zurückgetretener Landrat haderte schon lange mit der politischen und gesellschaftlichen Situation im Freistaat. Im Podcast "Debatte in Sachsen" redete Dirk Neubauer Klartext.
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Schon Im Podcast "Debatte in Sachsen" sagte Dirk Neubauer: "Sollte die politische Entwicklung sich tatsächlich in diese Richtung entwickeln, werde ich mein Amt nicht weiter ausführen."
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Menschenfeindliche Haltungen und Aggressionen gegen Politiker nehmen auch in Sachsen zu. Im Mai fragte der Podcast "Debatte in Sachsen" Politikerinnen und Politiker nach Ursachen und Auswegen. Mit dabei war auch Dirk Neubauer. Das sagte er über die Situation im Freistaat, über das vergiftete Klima und gelähmte Politik.
"Das laute Schweigen der Mehrheit macht mir Angst."
"Die Radikalisierung kann man nicht verneinen. Mittlerweile ist jeder sehr auf seiner eigenen Wahrheitsschiene unterwegs, sodass man oft sehr sehr schwer ins Gespräch kommt. Fakten werden gerne wegdiskutiert und durch Glauben ersetzt – das liegt im Trend. Wirkliche Angst macht mir die schleichende Normalisierung dieser Radikalisierung, der fehlende Aufschrei, das laute Schweigen der Mehrheit, das angestrengte Wegsehen auch bei tätlichen Angriffen auf Politiker und Wahlhelfer. Das sind ja weiß Gott keine Einzelfälle. Wir haben im Landkreis Mittelsachsen jungen Menschen, die direkt attackiert worden sind, und sich hinterher nicht mal trauen, Anzeige zu erstatten."
"Sie können diese Menschen nicht mehr schützen."
"Sie trauen sich nicht, weil sie in einer kleinen Stadt leben und befürchten, dass sofort eine entsprechende Retourkutsche folgt. Sie können diese Menschen auch nicht mehr schützen. Und dass diejenigen, die so etwas kleinreden und wegsehen, immer mehr werden, ist die größte Gefahr für unsere Gesellschaft. Das erkennen Sie nicht unbedingt an bestimmten Wählerschaften, sondern am Fehlen der Diskussionen darüber, an den fehlende Auseinandersetzung in den lokalen und familiären Räumen, wo es wirklich darauf ankommt, was derjenige sagt, den ich kenne und eigentlich schätze. Aber wir lösen unser Problem nur, wenn wir in eine breite Debatte kommen, die nicht nur die Sache von Mandatsträgern ist, sondern die uns alle angeht."
"Die Politik nimmt die Menschen aus der Verantwortung"
"Ich habe ein großes Problem damit, dass wir immer wieder relativieren. Es gibt in diesem Land Institutionen, die machen lediglich fakten- und evidenzbezogen ihre Arbeit. Dazu gehört der Verfassungsschutz. Wenn der eine Partei als gesichert rechtsextremistisch bezeichnet, machen die das nicht, um irgendwem einen politischen Gefallen zu tun. Sondern weil sie sich in einer faktischen Welt bewegen. Und von wegen alles sei nur noch links, alles andere dürfe man nicht mehr sagen: Da da muss ich wirklich widersprechen. Das Problem ist, dass wir in einer Gesellschaft leben, die seit 30 Jahren speziell hier im Osten von einer Politik komplett aus der Verantwortung genommen wird, die ständig irgendwo auftaucht und sagt: Wir lösen das Problem, ich nehme das mal mit."
"Es gibt nur noch beliebiges Irrlichtern an Stammtischen"
"Wir haben eine Erwartungshaltung geschaffen, die niemand bedienen kann. Nicht mit dem doppelten Budget, nicht mit der doppelten Mannschaft. Es wird hier in Sachsen speziell von führenden Politikern inklusive unseres Ministerpräsidenten jeden Tag jedem das erzählt, was er gerade hören will. Das ist Beliebigkeit, und die zerstört Vertrauen, weil es keine klaren Linien und keine klaren Grenzen mehr gibt, nur noch beliebiges Irrlichtern in den Stammtischen. Ich könnte die Reihe weiter fortsetzen, aber wir sollten bitte aufhören, zu relativieren. Wenn man seine Meinung kundtut, muss man auch andere Meinungen und Widerspruch aushalten. Sowas wird aber von vielen schon als Eingrenzung der Meinungsfreiheit gedeutet und Diktatur. Das können wir so nicht stehenlassen."
Rechte Bedrohungen am Rand von Kundgebungen
"Das massenhafte Wegsehen und Ignorieren ist die eine Gefahr, die andere sind die zunehmenden Bedrohungsszenarien der rechten Szene zum Beispiel gegenüber den Demonstranten für Demokratie. Ständig marschieren dort am Rand schwarze gekleidete Truppenteile auf, fotografieren die Menschen und signalisieren: Wir sind da, wir beobachten euch. Sowas macht Angst. Und genau das wollen die."
"... dann werde ich mein Amt nicht weiter ausführen."
"Damit kein falsches Bild entsteht: Auch ich rede mit jedem. Aber ich habe eine klare Haltung gegenüber den Leuten, die sich innerhalb der AfD offiziell engagieren. Denn das sind Menschen, die auch Leute wie Höcke und Co. in ihren Reihen akzeptieren. Ich rede nicht von den Menschen, die AfD wählen - das ist ein Unterschied. Das möchte ich klarstellen, weil ich hier durchklingen gehört habe, dass wir eine abgehobene linkswoke Position hätten. Aber ich sage diesen Leuten auch ganz klar: Macht euer Kreuz, wo ihr wollt, aber seid euch diesmal auch gewiss, dass ich, sollte die politische Entwicklung sich tatsächlich in diese Richtung entwickeln, mein Amt nicht weiter ausführen werde. Und diese Konsequenz wünschte ich mir von mehr Menschen in diesem Land."
(Zusammengestellt von Oliver Reinhard)
Kwelle:
https://www.saechsische.de/politik/was-dirk-neubauer-ueber-seinen-frust-im-podcast-debatte-in-sachsen-sagte-6025865.html