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Schmierereien, verfassungsfeindliche Parolen, Verherrlichung von Adolf Hitler: In einem Brief an die Bürger hat Sprembergs Bürgermeisterin Christine Herntier zahlreiche Umtriebe von Rechtsextremisten in der brandenburgischen Stadt beklagt – nun soll der Ort in der Lausitz mit knapp 22.000 Einwohnern Hilfe des Verfassungsschutzes bekommen.
Es werde einen Termin mit dem Verfassungsschutz vor Ort geben, »um zu schauen, wie wir die Stadt unterstützen können«, sagte Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) der Nachrichtenagentur dpa. Er wolle auch die Prävention an Schulen stärken.
Wilke sagte, er halte das Vorgehen der Bürgermeisterin für richtig: »Prinzipiell hat man ja als Bürgermeisterin oder Bürgermeister in solchen Fällen mindestens zwei Möglichkeiten. Die einen sagen: Oh Gott, bloß nicht öffentlich machen, denn das könnte den Ruf der Gemeinde irgendwie beschädigen. Die andere Strategie ist, Scheinwerferlicht zu erzeugen und zu sagen: Wir haben hier ein Problem, wir müssen uns darum kümmern, wir dürfen das nicht ignorieren. Das finde ich prinzipiell die richtige Herangehensweise.«
Aus Sicht Wilkes sollten jetzt konkrete Maßnahmen in Spremberg folgen: »So etwas kann keine Bürgermeisterin allein bewältigen. Es braucht den Schulterschluss vieler. Alle müssen an einem Strang ziehen und sich mit ihren Möglichkeiten einbringen.« Um gegen eine Radikalisierung von Jugendlichen in Brandenburg anzugehen, soll es bei der Prävention laut Wilke einen größeren Schwerpunkt im Bereich der Medienbildung geben. Denn ein wesentlicher Teil der Radikalisierung finde online statt, sagte der Innenminister.
Unterdessen zeigte sich über die Lage in der Stadt auch die Beratungsstelle Opferperspektive besorgt. »Die Leute, die sich demokratisch engagieren, sind in Spremberg sehr vorsichtig geworden. Das Gefühl von Angst ist ziemlich weitverbreitet in demokratischen Initiativen«, sagte der Berater Joschka Fröschner der dpa.
Bei den Bundestagswahlen erwies sich Spremberg zuletzt als Hochburg der AfD. Bei der Bundestagswahl im Februar dieses Jahres kam die AfD bei den Zweitstimmen auf 45,51 Prozent – weit vor CDU und SPD.
»Dass sich teils 12- bis 15-Jährige so offen rechts zeigen und äußern, das hatten wir seit Jahrzehnten nicht«, sagte Berater Fröschner weiter. Die rechtsextreme Szene sei sehr aktiv, um immer neue Jugendliche zu gewinnen.
Fröschner rief dazu auf, Angebote für Jugendliche zu stärken, die mit der rechten Szene nichts zu tun hätten. »Wenn nur noch die Rechten die Freizeitangebote bestimmen, ist es klar, wo es hingeht.« Wie der Spremberger Sozialarbeiter Benny Stobinski sagte, gelingt es Rechtsextremisten, Jugendliche mit Lagerfeuer, Sport und gemeinsamen Ausflügen zu gewinnen.
Das Problem mit Rechtsextremismus ist in Spremberg nicht neu. Vor mehr als zehn Jahren wurden dort Attacken rechtsextremer Gewalttäter bekannt. Lorenz Blumenthaler, der sich bei der Amadeu Antonio Stiftung mit Rechtsextremismus befasst, sagt, in der Lausitz komme es seit vier, fünf Jahren zu einer rechtsextremen »Landnahme«.
Immer wieder verweisen Verfassungsschützer gerade in Südbrandenburg auf eine rechtsextreme Szene. In Burg im Spreewald hatten bereits 2023 eine Lehrerin und ein Lehrer geschildert, wie sie täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert sind (lesen Sie hier dazu die große SPIEGEL-Reportage aus dem Jahr 2024).