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von MDR SACHSEN-ANHALT
Das Urteil gegen den Halle-Attentäter nach der Geiselnahme in der JVA Burg ist rechtskräftig.
Er muss weitere sieben Jahre in Haft, Schmerzensgeld und Schadensersatz zahlen.
Die Staatsanwaltschaft hatte Revision eingelegt, ebenso wie die Verteidigung.
Das Urteil zur Geiselnahme des Halle-Attentäters in der JVA Burg ist rechtskräftig. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag mitteilte, sind die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten als weitgehend unbegründet verworfen worden.
Halle-Attentäter zu weiteren sieben Jahren Haft verurteilt
Das Landgericht Stendal hatte den Halle-Attentäter im Februar 2024 wegen Geiselnahme in Tateinheit mit unerlaubtem Herstellen und Führen einer Schusswaffe zu weiteren sieben Jahren Haft verurteilt. Außerdem muss er den Verletzten der Geiselnahme Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 beziehungsweise 15.000 Euro zahlen und ihren Verdienstausfall ersetzen.
Der Mann hatte im Dezember 2022 versucht, aus der JVA Burg zu fliehen. Dafür setzte er eine selbstgebaute Waffe ein und nahm zwei JVA-Beamte vorübergehend als Geiseln. Einen ließ er später frei, mit dem anderen versuchte er zur Hauptschleuse der Haftanstalt zu gelangen. Der Beamte konnte dort entkommen, der Geiselnehmer wurde überwältigt.
Staatsanwaltschaft: Revision wegen Frage nach Sicherungsverwahrung
Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg hatte nach eigenen Angaben aus formalen Gründen Revision gegen das Urteil des Landgerichts Stendal eingelegt. Es ging demnach um die Frage nach der Sicherungsverwahrung des Attentäters. Diese war – anders als beim Urteil zum Anschlag in Halle – nicht erneut angesetzt worden. Das könnte aus Sicht der Generalstaatsanwaltschaft zum Problem werden.
Auch Verteidigung legt Revision ein
Der BGH bestätigte nun jedoch die Einschätzung des Landgerichts, wonach die bereits im ursprünglichen Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg verhängte Sicherungsverwahrung ausreiche. Der Halle-Attentäter war 2020 wegen des rechtsterroristischen Anschlags zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden.
2019 hatte der Mann höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur versucht, die Synagoge in Halle zu stürmen, um ein Massaker zu verüben. Als das scheiterte, erschoss er eine Passantin und einen Mann in einem Dönerimbiss. Zwei weitere Menschen wurden schwer verletzt. Auch dieses Urteil hatte der BGH bereits bestätigt.
Nach dem Urteil zur Geiselnahme in der JVA Burg hatte auch der Verteidiger des Attentäters Revision gegen das Urteil eingelegt. Dabei ging es um das Schmerzensgeld, das die Geiseln erhalten sollen. Auch diese Revision hat der BGH nun verworfen.
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Urteil wegen Geiselnahme in der JVA Burg rechtskräftig
Ausgabejahr
2025
Erscheinungsdatum
15.07.2025
Nr. 130/2025
Beschluss vom 15. Mai 2025 – 6 StR 349/24
Der in Leipzig ansässige 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stendal vom 27. Februar 2024 verworfen, mit dem dieser wegen Geiselnahme in Tateinheit mit unerlaubtem Herstellen und Führen einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden ist und den Verletzten Schmerzensgeld- bzw. Schadensersatzansprüche zuerkannt worden sind.
Nach den Feststellungen des Landgerichts versuchte der Angeklagte am 12. Dezember 2022 aus der Justizvollzugsanstalt Burg zu fliehen. Dort verbüßte er zur Tatzeit eine vom Oberlandesgericht Naumburg im Jahr 2021 wegen Mordes in zwei Fällen, versuchten Mordes in einer Vielzahl von Fällen sowie weiterer Delikte verhängte lebenslange Freiheitsstrafe.* Unter Einsatz eines in der Strafhaft selbstgebauten Schussapparats samt Patronen nahm er zwei Justizvollzugsbeamte als Geiseln. Nachdem er einen Beamten freigelassen hatte, begab er sich mit dem anderen über den Hof der Justizvollzugsanstalt zur Hauptschleuse. Dort konnte der Beamte fliehen. Der Angeklagte gab daraufhin sein Fluchtvorhaben auf.
Der Senat hat die Revision der Staatsanwaltschaft Stendal, mit der diese allein die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung beanstandet, entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts durch Beschluss als unbegründet verworfen. Das Landgericht hat seine Ermessensentscheidung insbesondere damit begründet, dass dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit bereits durch das Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg entsprochen werde, mit dem der Angeklagte nicht nur zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, sondern zugleich auch die anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet worden war. Die auf die unterbliebene Anordnung der Sicherungsverwahrung beschränkte Überprüfung des Urteils hat Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten nicht ergeben. Die auf die Adhäsionsentscheidung beschränkte Revision des Angeklagten hat der Senat - mit Ausnahme einer geringfügigen formalen Ergänzung des Urteils - ebenfalls als unbegründet verworfen. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
* Vgl. hierzu die Pressemitteilung Nr. 046/2022 des Bundesgerichtshofs (Verurteilung wegen Tatgeschehens um den Angriff auf Synagogenbesucher in Halle insgesamt rechtskräftig)
Vorinstanz:
Landgericht Stendal - Urteil vom 27. Februar 2024 - 501 KLs (113 Js 16/22) 8/23
Maßgebliche Vorschriften:
§ 66 Strafgesetzbuch (StGB) - Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn
1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
...
4. die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
…
(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. ….
…
§ 239b Strafgesetzbuch (StGB) - Geiselnahme
(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
…
§ 403 Strafprozessordnung (StPO) - Geltendmachung eines Anspruchs im Adhäsionsverfahren
Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverfahren geltend machen, im Verfahren vor dem Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes. Das gleiche Recht steht auch anderen zu, die einen solchen Anspruch geltend machen.
Karlsruhe, den 15. Juli 2025
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
Dann hammer das jetzt auch.