Ich kann nur hoffen, dass diese "Busunternehmer" in Zukunft zumindest keinen einzigen Auftrag aus dem Umfeld der "öffentlichen Hand" bzw. von dieser selbst mehr bekommen.
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Anti-Corona-Proteste Auf zur Demo: Ohne Maske mit dem Bus
Stand: 16. Oktober 2020, 05:00 Uhr
Seit Monaten beschäftigen die Anti-Corona-Proteste die Republik. Die Logistik hinter den Demonstrationen ist gesichert. Busunternehmen geht es derzeit schlecht und so sind Fahrten zu den Veranstaltungen für einige zum wichtigen Geschäft geworden. Doch nicht nur das, einige unterstützen die Proteste auch noch weiter.
Trotz stetig steigender Infektionszahlen: Am Wochenende werden erneut viele Menschen auf die Straße gehen, um gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu demonstrieren – in Stuttgart, Dortmund oder Heidenheim sind sie angekündigt. Seit Wochen fahren die Demonstranten auch in Bussen quer durch Deutschland und ein Teil der Bus-Branche unterstützt die Corona-Skeptiker.
Ein Mann aus Sachsen ist mittendrin: Thomas Kaden ist Busunternehmer. Mit Beginn der Corona-Pandemie stand sein Fuhrpark still. Normalerweise bietet "Kaden-Reisen" Gruppenfahrten für Ausflügler, Schulklassen und Touristen an. Als Anfang August ein Buskonvoi die Protestierenden zur Anti-Corona-Demo nach Berlin brachte, war der Mann aus Plauen ihr Anführer. Unter dem Label "#HonkforHope" – übersetzt: Hupen für die Hoffnung – fährt das Unternehmen seitdem auch Anhänger der Querdenken-Initiative zu den Demonstrationsorten.
Ist Politik-Tourismus die neue Kaffeefahrt?
Erst vor kurzem hat Thomas Kaden eine Protestgruppe von Chemnitz zu einer Kundgebung am Bodensee gefahren. Zur Begrüßung sagte der Unternehmer: "Halten Sie bitte die Armlänge Abstand, damit Sie die anderen nicht mit den möglichen oder unmöglichen Viren belästigen."
Seit der Wende führt der Plauener seine Firma erfolgreich. Doch Corona hat der gesamten Branche einen schweren Schlag versetzt. "Alle Touren wurden abgesagt und storniert. Für mich 139.000 Euro Umsatzausfall. Von einem Tag auf den anderen. Sie sind faktisch tot", sagt Thomas Kaden gegenüber MDR exakt.
Das ist die Geburtsstunde von "HonkforHope" – eine Initiative zur Rettung des europäischen Busreisegewerbes. Damit wollen die Betroffenen auf ihre prekäre Lage aufmerksam machen. Doch zwischen dem in Wien offiziell registrierten Verein und "Querdenken 711" besteht nach eigenen Angaben mittlerweile eine Kooperation. Eine gemeinsame Telegram-Gruppe mit über 4.600 Mitgliedern bildet die Plattform. "HonkforHope"-Busse sind zur wichtigen logistischen Stütze der Protestbewegung geworden.
Trotz Pflicht: Niemand im Bus trägt einen Mund-Nasen-Schutz
So fuhr etwa Steffi R. aus Chemnitz vor zwei Wochen im Bus mit, um am Bodensee bei der Menschenkette dabei zu sein. "Weil ich für Demokratie bin, weil ich in Frieden und Freiheit leben möchte. Und das, was momentan in unserem Land gerade passiert, für mich unsäglich ist."
Während der Busfahrt besteht Maskenpflicht. Es sei denn, der Mindestabstand von 1,50 Meter wird eingehalten oder die Gäste haben eine Maskenbefreiung. Dies zu kontrollieren, sei aber nicht seine Aufgabe, sagte Busfahrer Kaden.
Bei dem Protest am Bodensee beteiligten sich am Ende etwa 11.000 Menschen. Die Organisatoren hatten mit einer Viertelmillion Demonstranten gerechnet. Das Vorhaben, eine geschlossene Menschenkette um den Bodensee zu bilden, scheiterte. Dennoch überwog das Gemeinschaftsgefühl, sagt Steffi R. aus Chemnitz.
Verschwörungsmythen: Vom Netz auf die Straße getragen
Dieses Gefühl ist mittlerweile eine wesentliche Antriebsfeder der Protestbewegung, sagt Michael Blume. Der Religionswissenschaftler erklärt: Der Protest habe im Netz begonnen und verlagere sich nun immer mehr auf die Straße. Es wirke belebend, wenn auf der Straße gemeinsam gegen eine vermeintlich aufgedeckte Verschwörung vorgegangen werde. "Es rückt damit ein bisschen näher in den Bereich einer Glaubensbewegung, aber eben nicht im positiven Sinne, sondern leider verbunden mit Verschwörungserzählungen", sagt Blume, der der Landesbeauftragte für Antisemitismus in Baden-Württemberg ist.
Dass anlassbezogene Busreisen zu Demonstrationen und politischen Aktionen eine soziale Erlebnisfunktion haben, ist an sich nichts Neues, sagt Protestforscher Dieter Rucht: "Das gab es auch bei anderen Protesten, etwa bei globalisierungskritischen Demos."
Doch ein derart verzweigtes, gut organisiertes und beständiges Netzwerk aus Busunternehmen verwoben mit den Organisatoren und Zielen der Proteste, hat es nach MDR-Recherchen in Deutschland so noch nicht gegeben. Die Reise-Anbieter werden selbst zu Aktivisten, sprechen auf Querdenken-Demonstrationen und deren Online-Plattformen. Die offizielle Kooperation zwischen "Querdenken" und "HonkforHope" geht damit weit über die pure eine logistische Unterstützung hinaus.
Busunternehmer aus Thüringen ist Teil der Proteste
Auch ein Mann aus Thüringen ist Mitinitiator bei "HonkforHope". Der Busunternehmer Udo Key hat durch Corona fast 60 Prozent seines Umsatzes eingebüßt, sagt er. Er halte sich mit Demofahrten über Wasser. Doch, dass viele Gäste mit einem angeblichen Attest die Maskenpflicht umgehen, stört ihn nicht. Es liege nicht in seiner Verantwortung. "Die Verantwortung haben die Gäste", sagt Udo Key.
Auf einer Querdenken-Kundgebung in Erfurt Mitte August trat Key als Redner auf und wetterte gegen die Corona-Maßnahmen: "Jeder hat so– auf Deutsch gesagt – die Schnauze voll davon. […] Wer dieses System jetzt so unterstützt, wird dafür seine Rechenschaft ziehen müssen."
Auf Nachfrage von MDR exakt, wie diese Wort zu interpretieren seien, rudert der Unternehmer zurück: "Das ist eine emotionale Rede, die ich da gemacht habe. Vielleicht ist da das ein oder andere Wort gefallen, das ich so nicht gemeint habe." Allerdings ist es nicht die einzige fragwürdige Aussage von Udo Key. In einer Chatgruppe schreibt er von einem unausweichlichen Systemwechsel: "Die ewig Gestrigen werden mit dem System untergehen."
Bus-Branche distanziert sich
Doch nicht alle Initiatoren von "HonkforHope" – ursprünglich zur Rettung der Bus-Branche gegründet– gehen diesen Weg. Ende Juli distanzierte sich der damals stellvertretende Generalkoordinator von "HonkforHope", Joachim Jumpertz. Der Busunternehmer fürchtete eine rechtsextreme "Unterwanderung" und wollte keine "Reichsbürger" transportieren.
Ein weiterer Grund sei die Nicht-Einhaltung der Hygiene-Maßnahmen: "Die Tatsache, dass man da mit der Gesundheit der anderen jongliert, das ist für mich so perfide und nicht hinnehmbar", sagt Joachim Jumpertz. Das werfe auch ein ganz schlechtes Licht auf die Branche.