Okay, ich habe mir den Unfug jetzt angetan. Die Diskussion zu ihrer Niederlage vor dem BVerfG konzentriert sich auf zwei Behauptungen: Erstens habe niemand bewiesen, dass tatsächlich irgendwo Ansteckungsgefahr bestand und/oder sich die Cov♥♥♥en nicht an Auflagen hielten. Aha. Und zweitens habe das BVerfG damit nun das Versammlungsrecht im Kernbereich betroffen, weil mit der Begründung einer abstrakten Gefahr (Pandemie, keine Einhaltung von Auflagen) damit nun jedwede Cov♥♥♥en-Demo verboten werden könnte. Sie haben also zumindest grob verstanden, wohin die Reise geht, wenn sie sich nicht ändern.
Kurzer Exkurs für die nicht-Jura-Geschädigten unter uns: Das mit dem "Kernbereich" ist eine sehr wichtige Vokabel im Zusammenhang mit Grundrechten. Denn gemäß
Art. 19 Abs. 2 GG dürfen Grundrechte niemals in ihrem Wesensgehalt angetastet werden. Dieser Wesensgehalt, ich lasse mal ein paar Feinheiten weg und hoffe, dass insbesondere die Kollegen
@Gerichtsreporter @Gelehrsamer und
@Tuska mir das verzeihen, wird häufig auch "Kernbereich" genannt. Wenn Däblitz also dem BVerfG attestiert, es habe die Versammlungsfreiheit im Kernbereich betroffen, dann wirft er ihnen offen den Verfassungsbruch vor.
Verlängerung des kurzen Exkurses: Im Seminar müsste man an dieser Stelle die Frage stellen, ob und inwieweit das BVerfG überhaupt die Verfassung brechen
kann, da es ja gerade zur authentischen Auslegung der Verfassung berufen ist. Aber ich fürchte, das ließe nur den Schwurbel-o-Meter explodieren.
Und eigentlich wollte ich ja auch nur wissen, was nun mit dem Widerstandsrecht ist. Stellt sich raus: Däblitz möchte nicht derjenige sein, der dafür verantwortlich ist, dass jemand zur Mistgabel greift. Er sieht daher das Widerstandsrecht eher als Prozess und so weit, dass es so weit wäre, seien wir wohl noch nicht. Er glaubt auch, dass das BVerfG, das ja über das Widerstandsrecht entscheiden müsste, in der derzeitigen Besetzung nie auf Anwendbarkeit des Widerstandsrechts entscheiden würde.
Ludwig widerspricht und für einen wirklich sehr, sehr kurzen Moment schien es, als könnte er zumindest diesen Teil des Gesprächs noch retten. Denn Ludwig glaubt, dass das BVerfG nicht über die Anwendbarkeit des Widerstandsrechts entscheiden wird.
Da hat Ludwig überraschenderweise Recht. Das Widerstandsrecht aus Art. 20 Abs. 4 GG ist ein kleiner Scherz, den sich der verfassungsändernde(!) Gesetzgeber mit uns erlaubt hat. Denn es wird wohl nie wirklich vor Gericht kommen. Das Recht zum Widerstand gegen Leute, die die staatliche Ordnung der Bundesrepublik beseitigen wollen, greift nämlich erst dann, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. Solange aber noch ein BVerfG entscheiden kann, ist offensichtlich andere Abhilfe möglich. Anders herum, wenn bereits alle Staatsgewalt beseitigt ist und der deutsche Michel die berühmte "last line of defense" ist: Dann wird wohl über dessen Handlungen kein deutsches Gericht, erst Recht kein Bundesverfassungsgericht mehr entscheiden. Deswegen ist man als Jurist grundsätzlich beraten, Art. 20 Abs. 4 GG geflissentlich zu ignorieren. Debatten darüber sind lediglich im Hörsaal mit einer Bande Erst- oder Zweitsemester sinnvoll. Nirgends sonst.
In der nächsten Sekunde setzt sich dann aber auch Ludwig mit so richtig Schwung in die Nesseln. Ludwig glaubt nämlich, dass dereinst in Den Haag, beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), über das Widerstandsrecht entschieden würde. Denn die staatliche Ordnung zu beseitigen sei ja ein immenses Verbrechen. Da mag er Recht haben, den IStGH interessiert das nicht. Der interessiert sich nämlich lediglich für drei Dinge: Angriffskriege, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Für eine rein innerdeutsche Angelegenheit wie die Ausübung des Widerstandsrechts gegen die eigene Regierung kommen ohnehin nur Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Frage. Der Angriffskrieg setzt dagegen die Beteiligung von zwei Staaten voraus.
In Bezug auf Kriegsverbrechen (die setzen übrigens einen sog. "bewaffneten Konflikt" voraus und der, Faustregel, liegt erst dann vor, wenn gezielt geschossen wird) und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (gemeinsame Voraussetzung hier: ausgedehnter und/oder systematischer Angriff auf die Zivilbevölkerung) interessiert sich der IStGH lediglich für einen bestimmten Katalog von
internationalen Verbrechen, also bestimmte Verstöße gegen
internationales Recht. Das Widerstandsrecht ist aber nationales, deutsches Recht. Ohnehin wäre dem IStGH der Grund für das Ausbrechen des Konflikts eher gleichgültig. Ihn würde nur interessieren, ob der Konflikt ansich mit dem Mindestmaß an Menschlichkeit geführt wurde, oder nicht.
Aber natürlich klingt Den Haag erstmal mächtig wichtig.
Die beiden sind jedenfalls gespannt, was denn so ihre Kollegen demnächst in Fachzeitschriften aufschreiben. Ich prophezeie: Jedenfalls zum Widerspruchsrecht nichts. Und so bleibt es bei der schon von der geschätzten Kollegin
@theodoravontane gemachten Feststellung: Die "unschuldige" Frage steht als Dogwhistleing und Radikalisierung Gewaltbereiter dort, die nach Legitimation ihrer Umsturzphantasien suchen. Verfassungsschutz, übernehmen Sie!