Wenn wir gerade bei Qualifikationen sind. Hat irgend jemand inzwischen die Dissertation von Dr. Pauling gesehen? Auf seiner Homepage
Zitat
https://www.sporting-expert.com/pdf/Sporting-Expert-CV-EN.pdf
führt er jedes Fitzelchen auf, jedes Stück Blech, jeden Lehrgang, alles mit Foto. Nur die wesentlichen Dokumente, die Abschlüsse diverser Hochschulen und die anschließende Promotion, da findet sich nichts. Die Rahmenpromotionsordnung der Uni in Bielefeld regelt klar, dass eine Promotion zwingend die Veröffentlichung der Dissertation voraussetzt. Die Arbeit will sich allerdings nirgends finden lassen, weder in der Universitäts-Bibliothek in Bielefeld noch anderswo.
Vielleicht gelingt es ja jemand, einen Nachweis zu finden, dass der Doktor echt ist. Ich bin daran bisher gescheitert.
Da ist so einiges dubios.
Laut ResearchGate (das ist so eine Art Xing für Wissenschaftler – und offenbar Leute, die sich für Wissenschaftler halten) will er von Oktober 1995 bis Januar 2000 an der Universität Hamburg "Sports Science (Business, Leisure and Education)" sowie Psychologie studiert haben. Gleichzeitig will er von Oktober 1995 bis Februar 1999 an der Helmut Schmidt Universität der Bundeswehr in Hamburg "Educational Science (Adult Education)" studiert ahben. Gleichzeitig ist für April 1997 bis April 1999 das "IST-Institute Dusseldorf" mit "Tourism and Sport Management" angegeben.
Das macht für die zwei Jahre von 1995–1997 parallel: Sport und Psychologie an der Uni Hamburg, Erwachsenenpädagogik an der HSU und Tourismus/Sportmanagement an dem besagten Düsseldorfer Institut für berufliche Weiterbildung. Sportlich, möchte man sagen.
An die HSU kommen im Prinzip nur Soldaten. Und von Soldaten studieren wiederum nur Offizieranwärter. Und weil das so ist, ist das Studium an der HSU in Trimestern organisiert (soweit ich das sehe, ist das keine neue Entwicklung), die zumindest heute immer wieder von Truppenpraktika unterbrochen sind, bei denen die Studenten / Soldaten in ihren Stammtruppenteilen Dienst tun. Die sind dann trotz Studiums in Hamburg auch schonmal in Bayern oder Baden-Württemberg.
Es ist für Offiziere zudem üblich (wenn nicht Standard), dass sie sich zuweilen an der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf (NRW) herumtreiben, um dort einen Übungsleiter C Schein (Übungsleiter Bundeswehr) zu erwerben. Gerade ein so sportbegeisterter Soldat hätte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen; ebenso hätte die Bundeswehr ihn wohl sicher dorthin geschickt. Vom Zeitablauf passt es, denn er behauptet, seit 25 Jahren das DSB abzunehmen; ich weiß, wird diese Qualifikation bei der Bundeswehr in Warendorf erworben. Was bedeuten würde, dass er 1995 in Warendorf war. Davon findet sich in seinem Lebenslauf (wie überhaupt über seine gesamte Militärkarriere) nichts. Bei einer damals üblichen Verpflichtungsdauer von 12 Jahren wäre ein Dienstzeitende Anfang der 2000er plausibel (bis etwa Mitte der 2000er fand das Studium gegen Ende der Laufbahn statt; man studierte als Leutnant/Oberleutnant und nicht, wie heute, im Mannschafts- und Unteroffizersrang).
Die Promotion muss dann von 2012 – 2014 in Bielefeld gelaufen sein. Wenn sie gelaufen ist. 2 Jahre für eine Dissertation halte ich persönlich für absolute Schmalspur (oder teuflisch genial, aber das ist er offensichtlich nicht), aber möglicherweise hat die Sportwissenschaft da auch andere Ansprüche. Jedenfalls muss eine Dissertation gemäß § 14 der
Rahmenordnung der Universität Bielefeld vom 15.06.2010 (RPO) publiziert werden. Allerdings nicht notwendigerweise als eine Monographie (bei der DNB ist er nicht als Autor gelistet), da die Dissertation nach § 10 Abs. 2 RPO auch kumulativ erbracht werden kann.
Womit wir wieder bei ResearchGate sind, denn dort sind 25 Publikationen gelistet (finde ich für jemanden der sich promoviert schimpft jämmerlich wenig, aber das bin diesmal wohl tatsächlich nur ich). Davon 2 bis einschließlich 2005 ("Die dritte Revolution: Zukunftsmarkt Personaltraining", "Kinder brauchen mehr als Bewegung – Märkte der Zukunft"), zwei im Promotionszeitraum, nämlich Juli und September 2014, augenscheinlich Chinesisch (Hong Kong) und anhand der Dateinamen würde ich vermuten Übersetzungen. 2015 folgt ein dritter chinesischer Artikel (bodyLife China), die u.a. die Zeichenkette "(Know-how)" enthält; von März 2015 bis Oktober 2016 folgt eine deutsche Serie, offenbar mindestens zum Teil in der selben Publikation (allerdings auf deutsch), die sich interessanterweise zum Teil unmittelbar anzuschließen scheint. Denn die erste deutsche Publikation der Serie ist ein "Teil 2" (ohne ersichtlichen Teil 1), bezieht sich aber auf die letzte Ausgabe des bodyLife Magazins China – und handelt von der know how Akquise.
Im Oktober 2016 folgt dann noch ein letzter chinesischer Text; die letzten 12 Publikationen sind dann wieder deutsch; zweimal mit "Mir Farid Vatanparast", einmal zusätzlich mit "Sofie Xuyen Pettersson". Dafür lernen wir schon im Vorschau-Text, dass die Fitnessbranche bereits 2017 »die „Generation 8.0” erreicht« habe.
Jetzt weiß ich endlich, wo die "Industrie 3.0" abgeblieben ist. Die haben wir nicht übersprungen, die hat das Web 2.0 zu Fitness 8.0 potenziert!
Das Problem: Als potentielle dissertationsgleiche Leistung können wir eigentlich nur Veröffentlichungen bis 2014 ansehen. Denn das Wesen von kumulativer Promotion ist ja, dass man Teile seiner Arbeit an unterschiedlichen Stellen unterbringt. Wenn man sie nicht vor der Promotion publiziert, kann man sie ja auch als Monographie zusammentackern. Kumulativ macht nur bei vorheriger Publikation Sinn (wenn überhaupt, manche sind da ja sehr konservativ). Die stammen von Januar 2004 (Zukunftsmarkt Personaltraining) und September 2005 (Kinder als Märkte der Zukunft). Ich erkenne da sogar ein gemeinsames Muster, allerdings kommt es für die Promotion sieben bis acht Jahre zu früh. Außerdem werden wohl drei A4-Seiten (beide Artikel zusammen, nicht getrennt) nicht als Promotion gelten können. Also wohl doch keine kumulative Promotion.
Tja, dann bleibt nur die Monographie. Allerdings wird gemäß § 14 Abs. 3 RPO die Promotionsordnung erst nach Publikation bzw. Vorlage eines Veröffentlichungsvertrages ausgehändigt. Und erst mit Aushändigung der Promotionsurkunde ist der Grad verliehen und der Träger berechtigt, ihn zu führen (dazu später). Üblicherweise verlangt die Bibliothek Pflichtexemplare. Die können auch im Copyshop nebenan gedruckt sein, fallen sie doch ohnehin eher unter die
graue Literatur. Jedenfalls hat die Universitätsbibliothek der Uni Bielefeld
einen Online-Katalog. Dort lerne ich, dass ein gewisser "Linus Pauling" in den 60ern und 70ern wohl eine mindestens mittelgroße Nummerin der Chemie gewesen sein und sich viel mit PU befasst haben muss, aber einen Kai Pauling finde ich dort nicht.
Als letzte Möglichkeit bliebe noch, dass er zwar den Veröffentlichungsvertrag abgeschlossen und vorgelegt, aber nie erfüllt hat. Nach § 15 Abs. 2 lit a) RPO könnte man da auf Täuschung argumentieren und den Grad wieder aberkennen. Ich zweifle aber, dass das durchgeht.
Fazit:
Laut den verfügbaren Daten des Lebenslaufes ist Kai Pauling ca. Jahrgang '68–70, ist irgendwann um '89/'90 zur Bundeswehr gegangen und Offizier geworden (ohne heute damit zu prahlen), hat ca. 1995 dort den Übungsleiterschein gemacht (ohne heute damit zu prahlen) und von 1995–1999 an der HSU (die damals noch nicht so hieß) Erwachsenen Pädagogik studiert. Die Trimester haben den Überflieger nicht ausgelastet, weswegen er parallel noch ein Grundstudium Psychologie, ein Universitätsdiplom in Sportwissenschaften und ein Weiterbildungs-Diplom "Sport- und Touristikmanagement (IST)" draufgelegt hat. Danach hat er ein paar Jahre als Dozent und unabhängiger Experte Sport getrieben, um dann von 2012–2014 an der Uni Bielefeld zu promovieren, wobei seine Dissertation weder bei der Deutschen Nationalbibilothek noch im Katalog der Universität Bielefeld auftaucht und offenkundig auch nicht kumulativ erfolgt ist (ich jedenfalls würde meine Doktorarbeit bei ResarchGate einstellen, wenn ich eine Doktorarbeit hätte und wenn ich bei ResearchGate wäre). Achja, die Dissertation ist mit 1,0 und "magna cum laude" ("mit großem Lob") bewertet worden. Ich hab's extra gecheckt, damit mir
@Helvetia nicht am Ende für mein schlechtes Latein mit der Lanze auf die Finger klopft, aber: Die Bestnote für eine Promotion ist regelmäßig "summa cum laude" ("mit allem / größten Lob"). So auch in Bielefeld, § 12 Abs. 1 RPO. Da er schließlich eine Vorliebe für Zeichenketten zu haben scheint, die auf /\d\.0/ matchen, hat er, bevor er dieses Jahr auf
@califix Radar aufgetaucht ist, noch schnell entdeckt, dass die Fitness vor ein paar JAhren bei 8.0, heute sicher bei 9.0 oder höher steht. Ja dann.
Bis zum Beweis des Gegenteils bestreite ich daher, dass der gute Kai Pauling zum Führen des Doktorgrades berechtigt ist.
Was mich zu dem führt, von dem ich ausnahmsweise die Grundzüge verstanden habe: Jura.
Gemäß
§ 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB wird derjenige, der unbefugt inländische akademische Grade führt, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Die zuständige Staatsanwaltschaft freut sich sicher nicht über Zusendung einer gekürzten Fassung dieses Pamphlets. Den Dekan (oder die Dekanin) der Bielefelder Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft wird sie dennoch anrufen und mal kurz nachfragen, wie das denn war mit der Verleihung.