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Polizei in München:Mehrere Festnahmen bei Demo gegen Corona-Maßnahmen
An der "Querdenker"-Kundgebung auf der Münchner Theresienwiese haben am Samstag etwa 10 000 Menschen teilgenommen. Es gab etwa 100 Anzeigen wegen Verstößen gegen die Maskenpflicht.
Mehr als 20 weitere Menschen wurden wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, Körperverletzung und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz angezeigt.
Die Polizei meldet am Sonntagvormittag zudem Festnahmen im unteren zweistelligen Bereich.
Der Protestzug durch die Innenstadt wurde am Mittag vorzeitig abgebrochen, weil mehr als die zugelassenen 500 Teilnehmer dabei waren und nach Polizeiangaben kaum jemand eine Maske trug.
Am Goetheplatz haben Hunderte gegen die Veranstaltung protestiert.
Von Noah Drautzburg, Heiner Effern, Bernd Kastner, Andreas Schubert und Julian Thamm
Tausende Menschen haben sich am Samstag auf der Münchner Theresienwiese versammelt, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Die Polizei schätzt, dass bis zu 10 000 Teilnehmer gekommen sind. An die Regeln - Maskenpflicht und Abstand halten - haben sich viele aber offenbar nicht gehalten.
Bei der Demonstration sind nach Angaben der Polizei vom Sonntagvormittag mehrere Menschen festgenommen worden. "Die Zahl der Festnahmen lag im unteren zweistelligen Bereich", sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums. Ob es sich dabei um Teilnehmer der Kundgebung auf der Theresienwiese oder des vorhergehenden Demonstrationszuges handelte - oder um Gegendemonstranten, konnte die Polizei zunächst nicht sagen.
Mehr als 120 Anzeigen nahm die Polizei zudem auf. In rund 100 Fällen sei es dabei um Verstöße gegen die Corona-Maßnahmen gegangen, weil Menschen keinen Abstand hielten oder sich weigerten, Mund und Nase zu bedecken. Mehr als 20 weitere Menschen wurden wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, Körperverletzung und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz angezeigt. "In den meisten Fällen konnten die betroffenen Personen nach der Anzeigenbearbeitung wieder entlassen werden", teilte die Polizei mit.
So verlief die Demo am Samstag
Schon kurz nach Beginn der Kundgebung am Samstag forderte die Polizei die Menschen auf, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, weil die Demo sonst aufgelöst werden müsse. Vorübergehend mussten die Reden auf der Bühne pausieren, bis sich die Menge besser auf der Theresienwiese verteilt hatte.
Während die Kundgebung fortgesetzt wurde, liefen Polizistinnen und Polizisten durch die Menge und forderten die Menschen auf, Masken zu tragen. "Wir werden diese Personen ansprechen und je nach Sachlage werden sie wegen einer Ordnungswidrigkeit angezeigt", teilte die Polizei per Twitter mit. Zahlreiche Demonstranten hatten Atteste dabei, die belegen sollten, dass sie aus gesundheitlichen Gründen Mund und Nase nicht bedecken können. Die Polizei ging durch die Reihen, um diese angeblichen Dokumente zu kontrollieren - und gefälschte im Fall der Fälle wie auch Verstöße gegen die Maskenpflicht zur Anzeige zu bringen.
Eine Beschränkung der Teilnehmerzahl gab es auf der Theresienwiese nicht - diese hatte ein Gericht zuvor aufgehoben. An die Infektionsschutzmaßnahmen mussten sich die Demonstranten aber dennoch halten.
Bereits am frühen Nachmittag war der Protestzug vom Odeonsplatz durch die Münchner Innenstadt aufgelöst worden. Es hatten deutlich mehr Menschen teilgenommen als zugelassen waren. "Es waren in der Spitze 3000 Teilnehmer", sagte ein Sprecher der Polizei - genehmigt waren 500. Weil die Zahl so deutlich überschritten worden sei und weil etwa zwei Drittel der Teilnehmer keine Maske getragen hätten, hatte die Polizei den Zug gestoppt. Kurz darauf brachen die Veranstalter der Initiative "Querdenken 089" den Zug ab und baten die Teilnehmer, sich zur Hauptkundgebung auf der Theresienwiese zu versammeln. Alle verfügbaren Einsatzkräfte der Polizei wurden ebenfalls dorthin verlagert, wie ein Sprecher sagte.
Worum es den Demonstranten geht
Wie schon bei früheren Kundgebungen, kamen sehr verschiedene Menschen zusammen. Einige sahen durch die Corona-Maßnahmen ihre Grundrechte eingeschränkt - auch wenn die meisten Vorschriften inzwischen stark zurückgefahren wurden. Andere sorgten sich vor dem Einfluss Chinas, der USA (in Person von Bill Gates) oder der Auswirkung des 5G-Netzes. Wieder andere fürchteten sich vor möglichen "Zwangsimpfungen". Auf der Bühne der Theresienwiese forderten Redner unter anderem die Aufhebung der Immunität von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Außerdem müsse Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Auch Ex-Fernseh-Pfarrer Jürgen Fliege trat als Redner auf.
Die Befürchtung, dass sich bei der Demonstration in München - ähnlich wie vor etwa zwei Wochen in Berlin - viele Rechtsradikale und Reichsbürger sammeln könnten, scheint sich nicht bewahrheitet zu haben.
Hunderte Gegner demonstrieren friedlich
Angemeldet hatte die Proteste die Initiative "Querdenken 089", die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus ablehnt. Gegen diese Haltung hat sich ein Bündnis in München organisiert, das ebenfalls am Samstagnachmittag auf die Straße gegangen ist. "Solidarität statt rechter Verschwörungswahn" lautete der Titel dem Veranstaltung am Goetheplatz. Unterstützt wurde sie von 48 vor allem linken Organisationen und Parteien.
1000 Leute waren angemeldet, sagte eine Sprecherin, etwa 900 kamen den Polizeiangaben zufolge. Ihre Reden richteten sich gegen rechtes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus und erinnern an die Schicksale von Geflüchteten, inklusive einer Schweigeminute für die Verstorbenen.
1500 Polizisten im Einsatz
Die Polizei war an diesem Samstag mit etwa 1500 Beamten in der Münchner Innenstadt unterwegs, um für die Einhaltung aller Auflagen zu sorgen. Dazu gehörte unter anderem das Tragen einer Maske, das viele Corona-Kritiker ablehnen. Darauf werde man "entsprechend reagieren", sagte ein Polizei-Sprecher.
Nach den Erfahrungen von Berlin, wo angesichts abwesender Polizei Hunderte rechte Demonstranten die Absperrungen zum Reichstag überwanden und dann auf den Treppen vor dem Parlament unter anderem Reichsflaggen schwenkten, nahm sich die Münchner Polizei vor, auf historisch relevante und symbolträchtige Orte und Gebäude besonders achten. "Objektschutz spielt eine wichtige Rolle", kündigte der Sprecher an und nannte als Beispiel den Landtag.
Juristisches Ringen um die Demo-Bedingungen
Wie und wo die "Querdenker" in München demonstrieren dürfen, das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) erst in der Nacht auf Samstag in einem Beschluss festgelegt. Erlaubt wurde ein Demonstrationszug mit bis zu 500 Teilnehmern vom Odeonsplatz zur Theresienwiese. Weiter legten die Richter fest, dass die anschließende Versammlung dort stattfinden muss. Die dafür von der Stadt verordnete Grenze von maximal 1000 Besuchern wurde aufgehoben. Laut einer VGH-Sprecherin gebe es damit keine fixe Obergrenze für die Teilnehmerzahl, auch nicht die ursprünglich angemeldeten 5000. Entscheidend sei aus Sicht des Gerichts, "dass die Hygienevorschriften eingehalten werden (können)."
Dem Start des Demozugs um 13 Uhr war ein juristisches Ringen um die beiden angemeldeten Demonstrationen von "Querdenken" vorausgegangen. Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) hatte den Protestzug durch die Innenstadt verboten und die anschließende Kundgebung vom Odeonsplatz auf die Theresienwiese verlegt. Die Zahl der Teilnehmer wurde eingeschränkt. Die Veranstalter zogen vor das Verwaltungsgericht, um diese Auflagen zu kippen. Diese erklärte jedoch das Vorgehen der Stadt für rechtens. In zweiter Instanz hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf eine weitere Beschwerde der Organisatoren diese Vorgaben teilweise aufgehoben und deutlich gelockert.