Was so alles einen Stuhl hat ...
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Dieses Medium, das in Berlin erscheint, hat seit Kurzem einen neuen Herausgeber und wöchentlichen Kolumnisten: Michael Meyen, Professor und Lehrstuhlinhaber am Institut für Kommunikationswissenschaft (IfKW) der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.
Das geben zwei Macher von "Demokratischer Widerstand", Anselm Lenz und Hendrik Sondenkamp, in einem Youtube-Video bekannt, das in der vergangenen Woche mitsamt einem langen Begleittext veröffentlicht wurde. "Meyen tritt in die Herausgeberschaft der Wochenzeitung Demokratischer Widerstand ein", heißt es in dem Text. Zudem werde Meyen "jede Woche eine Medienkolumne" veröffentlichen. Meyen selbst sagt am Ende des knapp dreiminütigen Videos: "Vielen Dank für die Einladung. Freu mich sehr auf die Zusammenarbeit." Das Nachrichtenportal T-Online hat zuerst über Meyens Engagement bei der Publikation berichtet.
Anselm Lenz, der auch Autor des eingangs erwähnten Artikels ist, ist in Berlin einer der Köpfe von Protesten gegen die Corona-Politik. Im vergangenen Jahr erhielt er in erster Instanz einen Strafbefehl über 4500 Euro, weil er den CDU-Politiker Spahn als "kokainsüchtig" bezeichnet hatte. Im Sommer 2022 erschien in "Demokratischer Widerstand" ein Text von Götz Kubitschek, einem Aktivisten der Bewegung der "Neuen Rechten".
Die publizistische Tätigkeit des Kommunikationswissenschaftlers Meyen hat bereits in der Vergangenheit Unruhe in der LMU ausgelöst. Dabei ging es unter anderem um einen Blog, den er betrieb, und darum, dass er dem Verschwörungsideologen Ken Jebsen Interviews gegeben hat. Ein Mitarbeiter Meyens hatte vor drei Jahren in dem Blog geschrieben, er habe von Jebsen, dessen Youtube-Kanal in der Zwischenzeit gesperrt wurde, erfahren, dass die WHO "von Bill und Melinda Gates kontrolliert wird". Die Leitung des IfKW distanzierte sich in einer Stellungnahme von Inhalten in Meyens Blog. Einfluss nehmen könne man darauf wegen der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit nicht.
Meyen hat auch schon in "Demokratischer Widerstand" veröffentlicht, zum Beispiel eine Gratulation zu dessen einjährigem Bestehen. "Die gleichen Kräfte, die die Leitmedien gekapert haben (etwas verkürzt: Politik, Behörden, Wirtschaft und Moral), setzen alle unter Druck, die das Corona-Wahrheitsregime in Frage stellen", schreibt Meyen in dem Artikel. "Es gibt längst Planspiele für ein ,Cyber 9/11', die das Netz mit einem ,feindlichen Waffensystem' gleichsetzen".
Wegen der Semesterferien gerade nicht im Hause
2021 setzte der Professor vor Gericht durch, dass die Grüne Jugend einen Blog-Eintrag ändern musste. Darin war er als Unterstützer verschiedener antisemitischer Bewegungen bezeichnet worden. Meyen sah sich diffamiert, er wolle als Wissenschaftler möglichst viele Stimmen zu Wort kommen lassen.
Warum ist Meyen Herausgeber und Autor von "Demokratischer Widerstand" geworden? Wie würde er die inhaltliche Ausrichtung des Mediums beschreiben? Wie bewertet er, dass Götz Kubitschek dort veröffentlicht wurde? Diese Fragen hat die SZ am Donnerstagmittag per Mail an Meyen geschickt, aber bis zum späten Nachmittag keine Antwort erhalten. Telefonisch war er nicht erreichbar. Eine Mitarbeiterin seines Lehrstuhls sagte, er sei wegen der Semesterferien gerade nicht im Hause. Eine Nummer, unter der sie Meyen erreichen könne, habe sie nicht, sie kommuniziere mit ihm per Mail.
Von der LMU-Spitze kommt auf die Fragen, wie man die Aktivitäten von Meyen bei "Demokratischer Widerstand" bewerte und ob man Anlass für dienstrechtliche Schritte sehe, ein kurzes Statement zurück. "Die (...) Aktivitäten von Herrn Professor Meyen fallen unter die Meinungsäußerungsfreiheit", schreibt eine Sprecherin von LMU-Präsident Bernd Huber, "solange keine rechtswidrigen, vor allem strafbaren Inhalte offenkundig sind, und sind grundsätzlich nicht genehmigungspflichtig."
Es ist eine Aussage, die aus Sicht von Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) offenbar unzureichend ist. Die SZ bat ihn um Stellungnahme zur LMU-Auskunft. "Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. Selbstverständlich müssen verbeamtete Professorinnen und Professoren sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen und dafür eintreten", erklärte Blume daraufhin. "An bayerischen Hochschulen ist kein Platz für extremistisches Gedankengut." Es sind Worte, die als Ansage an LMU-Chef Huber zu verstehen sind, mehr gegen Meyen zu unternehmen als bisher.