Autor Thema: Thüringer Verhältnisse und ungelöste Probleme  (Gelesen 31334 mal)

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Re: Thüringer Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #60 am: 8. Februar 2020, 11:37:44 »
Und auch das wird wieder Wasser auf die Mühlen derer sein die schreien: Merkeldiktatur :(

Einerseits.

Andererseits ist es vermutlich nötig, durch harte Schnitte (die lieben afd-Anhänger ja so) deutlich zu machen, wo die Grenze ist und daß die CDU eben keine weichgespülte afd ist, die man wieder zur afd ziehen kann.

Deutlicher Kommentar aus Thüringen:

Zitat
"Sie haben gewusst, dass sie damit die Wähler be♥♥♥n. Sie haben gewusst, dass sie damit eine mittelbare Kooperation mit der AfD eingehen. Sie haben gewusst, dass das ein Tabubruch würde. Sie haben gewusst, dass dies Thüringen, Deutschland und das Verständnis von Demokratie beschädigen würde. Na und? Scheiß drauf. Macht ist so geil."

Goldberg: Mit rechten Dingen


08.02.2020, 02:55

Henryk Goldberg über die Frage, wie verdorben Politik sein kann

Sie haben es alle gewusst. Und es war ihnen schei.ßegal. Es war ihnen nur darum, mit dem Arsch an die Wand zu kommen. An die Wand, die Macht heißt. Und wenn diese Wand von einem Mann gestützt wird, von dem nicht Linksradikale meinen, dass man ihnen einen Faschisten nennen darf, sondern ein deutsches Gericht – na und?

Alles für Thüringen, alles für die Demokratie – alles für uns. Koste es, was es wolle. Nach uns die Sintflut. Verbrannte Erde, na und? Wir nennen es eben Brandmauer. Hauptsache, sie wärmt uns.

Spoiler
Sie haben gewusst, dass die AfD ihren sogenannten Kandidaten nicht wählen würde. Sie haben gewusst, dass dann ein Mann das Land regieren würde, den kein einziger Wähler, nicht einmal seine eigenen, wegen der Aussicht auf diese Position gewählt hatte. Sie haben gewusst, dass sie damit die Wähler besche.ißen. Sie haben gewusst, dass sie damit eine mittelbare Kooperation mit der AfD eingehen. Sie haben gewusst, dass das ein Tabubruch würde. Sie haben gewusst, dass dies Thüringen, Deutschland und das Verständnis von Demokratie beschädigen würde.

Na und? Scheiß drauf. Macht ist so geil.

Dass Höcke es so macht, wird man ihn nicht verübeln können, es war ein guter Job. Dass Kemmerich es so macht, ist beinahe normal, das hat ein bisschen Tradition in seiner Partei. Sie hatten aber auch Politiker, die Ehre hatten und einlegten für den Wert des Liberalen, für einen Begriff von Würde. Vielleicht kann man diese Würde nicht verlangen von einem Mann, der mit 80 Stimmen weniger nicht einmal im Landtag säße und dem nun, Abrakadabra, Simsalabim, der erste Platz auf der Regierungsbank winkte. Verlangen kann man das nicht von ihm, aber es ist halt ein schöner Gedanke, dass ein Ministerpräsident ein wenig Würde hat.

Aber einer ist wirklich verantwortlich. Und das ist die gute Nachricht: Die politische Karriere von Mike Mohring wurde am 5. Februar 2020 beendet. Falls die Bundesparteien CDU und FDP, die das richtige Empfinden für die Stimmung im Land haben, sich durchsetzen, dann ist Mohring politisch abgeschafft. Das wird er nie mehr los, deshalb wird ihn der Politikbetrieb über kurz oder lang ausscheiden, nein: ausspeien.

Denn er hat das, wofür seine Partei doch steht, doch stehen will, mit Füßen getreten. Die FDP ist die FDP, aber die CDU, man mag sie mögen oder nicht, war doch immer staatstragend, sie stand doch immer für die Stabilität der Demokratie und damit des Landes. Ich habe damals, in gewisser Weise gegen meine Geschichte, Bernhard Vogel gewählt, weil ich dachte, eine Stabilität und ein Mann, der den Betrieb kennt, seien gut für das Land, ich hatte auch kein Problem mit Christine Lieberknecht. Aber ich hätte nie, nie, Mike Mohring gewählt. Weniger aus politischen als persönlichen Gründen. Der Mann erschien mir immer zu glatt.

Wer Politik macht, muss nach Macht streben, und niemand werfe den ersten Stein, weil ein anderer persönlichen Ehrgeiz hat. Aber es gibt eine Grenze, man möchte gern glauben, dass ein Politiker neben dem Wunsch nach Macht noch andere Gedanken pflegt. Nun weiß ich, warum ich Mohring das nie recht glauben konnte.

Nach der Wahl ein sachtes Zugehen auf Bodo Ramelow – und nun auf Björn Höcke. Wenn ein Beispiel für politische Heuchelei der ekelhaften Art benötigt wird, dann taugt dafür Mohrings dreiste Bemerkung, man sei schließlich nicht verantwortlich für das Wahlverhalten der Anderen. Man ist aber verantwortlich für ein Mindestmaß an politischer Verantwortung für das Land.

Sie reden, als hätten sie die Wahl von Honecker verhindern müssen, als hätte die MLPD in der Staatskanzlei residiert. Sie reden von der „Mauerschützen-Partei“ und kungeln als politische Heckenschützen mit Faschisten. Was da geschah, ist nach der Demokratie-Algebra korrekt – aber es ist eine Verhöhnung des Geistes der Demokratie und der Wähler. Und das al-les war Mike Mohring egal, so groß war der Hass, der Neid auf einen populären Ministerpräsidenten, dem er nie das Wasser reichen konnte.

Es sei da, hieß es, nicht mit rechten Dingen zugegangen. Irgendwie schon, denn sie sind mit den Rechten gegangen. Und deshalb, denke ich, werden sie gehen müssen.
[close]
https://www.thueringer-allgemeine.de/blog/goldberg/goldberg-mit-rechten-dingen-id228367231.html
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Re: Thüringer Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #61 am: 8. Februar 2020, 11:49:12 »
Die CDU profiliert sich, staatstragend, wie Henryk Goldberg betont, nun damit, daß sie Mohring noch bis Mitte Mai im Amt beläßt - als Vorsitzenden der Fraktionschefs der Länder. Bis dahin fließt viel Wasser die Gera hinunter.

Die FDP profiliert sich, indem sie ihrem Vorsitzenden Absolution erteilt hat, weil er Kemmerich zum Rücktritt bewegt habe, obwohl dessen pompöses Statement vor der Presse Stunden später (oder gar zu diesem Zeitpunkt) schon Geschichte war. Stattdessen unterstellt sie dem Ältestenrat und der Landtagspräsidentin, ihm von seinem Vorhaben abgeraten zu haben.

So geht Politik. Schließlich soll des Teufels Großmutter ja auch nur gestorben sein, weil sie keine Ausrede mehr hatte.
« Letzte Änderung: 8. Februar 2020, 11:59:04 von dtx »
 
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Re: Thüringer Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #62 am: 8. Februar 2020, 15:11:13 »
Zitat
Überraschung? Mitnichten. Ein einflussreicher CDU-Stratege in Thüringen hat schon vorher einen Plan zur Wahl eines Ministerpräsidenten von AfD-Gnaden skizziert. Matthias Meisner

https://www.tagesspiegel.de/politik/setzte-die-cdu-auf-afd-stimmen-der-eingefaedelte-tabubruch-von-erfurt/25524896.html

Zitat
Mike Mohring hat hoch gepokert und verloren. Er redet wie ein Wasserfall, nur von eigener Verantwortung ist nichts zu hören. Robert Birnbaum

https://www.tagesspiegel.de/politik/nach-dem-debakel-in-thueringen-wie-mike-mohring-anderen-die-schuld-zuschob/25524292.html
 
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Re: Thüringer Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #63 am: 8. Februar 2020, 15:15:52 »
Zitat
Kemmerich tritt sofort zurück

8. Februar 2020, 15:13 Uhr

Kemmerich tritt sofort zurück – Seite 1

Thüringens Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) tritt mit sofortiger Wirkung zurück. Das teilte die FDP-Landtagsfraktion am Samstag in Erfurt mit. Mehr in Kürze hier auf ZEIT ONLINE
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-02/kemmerich-tritztt-sofort-zurueck


Der Wahrheitsgehalt ist wohl noch nicht ganz klar:


Zitat
Hat CDU-Chef Mohring seine Parteikollegen vor Kemmerich-Wahl ausgetrickst?

    Haben die CDU-Abgeordenten Thomas Kemmerich gewählt, ohne von den Vorbehalten der Parteichefin Kramp-Karrenbauer gewusst zu haben?
    Der Landtagsabgeordnete Christian Herrgott (CDU) sagte genau das.
    Wollte sich CDU-Chef Mike Mohring so zum Minister einer Minderheitsregierung tricksen?


Christian Burmeister
|
08.02.2020, 14:45 Uhr
Spoiler
Berlin. Hat der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring seine eigene Landtagsfraktion getäuscht? Um eine Wahl von Noch-Ministerspräsident Thomas Kemmerich (FDP) mithilfe von CDU und AfD zu ermöglichen, soll der Politiker getrickst haben. Diesen Vorwurf erhebt der CDU-Abgeordnete Christian Herrgott.

Die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hatte am Mittwochabend im „heute-journal“ gesagt, sie habe sowohl den thüringischen CDU-Landesverband als auch den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner vor der Wahl Kemmerichs gewarnt, da er ansonsten mit den Stimmen der AfD Ministerpräsident werden könne.

Im „Cicero“ erhebt Herrgott nun den Vorwurf, Mohring habe diese Bedenken der Bundesvorsitzenden nicht an seine Landtagskollegen weitergegeben. Dem Magazin sagte der Politiker: „Kramp-Karrenbauer hat in der Nachtsitzung in Erfurt gesagt, es habe eine klare Haltung der Bundespartei zu allen drei Wahlgängen, insbesondere zum dritten Wahlgang, gegeben, und das sei auch so klar an Mohring kommuniziert worden.“

Viele erstaunte Gesichter in der Nachtsitzung

An dieser Stelle habe man dann in viele erstaunte Gesichter geschaut, so Herrgott. „Denn die Fraktionsmitglieder hörten das im Bezug auf den dritten Wahlgang zum ersten Mal. Ob sich die CDU-Fraktion am Dienstag in Kenntnis dieser Haltung der Bundespartei anders entschieden hätte, kann ich nicht sagen. Aber es wäre schön gewesen, wenn wir diese Information in der Klarheit gehabt hätten.“

Ein mögliches Motiv Mohrings könnte das Kalkül gewesen sein, in einer nach der Wahl Kemmerichs zu bildenden Minderheitsregierung aus CDU und FDP einen Ministerposten zu ergattern und beispielsweise stellvertretender Ministerpräsident zu werden.
Mohring steht bereits mit dem Rücken zur Wand

Bereits vor den neuen Vorwürfen stand der 48-Jährige, der erst vor einigen Monaten von einer Krebserkrankung gesundete, politisch mit dem Rücken zur Wand. Eigentlich will Mohring sich im Mai vom Fraktionsvorsitz zurückziehen. Ob er allerdings in der Fraktion noch genug Rückhalt hat, um bis dahin im Amt zu bleiben, ist äußerst fraglich.
[close]
https://www.rnd.de/politik/wahl-von-kemmerich-in-thuringen-schwere-vorwurfe-gegen-mike-mohring-P3EMDMI7NJG43PUSNS7QW3JL4Y.html#Echobox=1581171693

Link zum Artikel des Cicero:
https://www.cicero.de/innenpolitik/exklusiv-mohring-verschwieg-fraktion-bedenken-kramp-karrenbauer
« Letzte Änderung: 8. Februar 2020, 16:02:01 von Reichsschlafschaf »
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Re: Thüringer Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #64 am: 8. Februar 2020, 16:12:54 »
Und noch ein bisschen Netzwerk

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An Rüdiger Hoffmann: Der Faschist sagt immer, da ist der Faschist  (in Anlehnung an die Signatur des geschätzten MitAgenten Schnabelgroß)

Wir kamen
Wir sahen
Wir traten ihm in den Arsch
 
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Re: Thüringer Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #66 am: 8. Februar 2020, 17:10:56 »
Kemmerich hat trotzdem die Demokratie verhöckert.

Hoffentlich haben jetzt alle gelernt, dass man sich nicht mit allen zusammen höckt.
Vor allem, wenn man nicht mal kapiert was die aushöcken.
Fällt Dir nur Unsinn ein und immer,
erzähle nichts, sonst wird es schlimmer.
 
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Re: Thüringer Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #67 am: 8. Februar 2020, 17:25:04 »
Kemmerich hat trotzdem die Demokratie verhöckert.

Warts ab, der erste Rücktritt am Donnerstag klang auch überzeugend, dann kam gestern der Rücktritt vom Rücktritt. Schaun wir mal, ob die Landtagsverwaltung nächste Woche Post bekommt. Schließlich hat der Koalitionsausschuß in Berlin weder Lindner noch Kemmerich etwas zu sagen.

Die zwei Millionen kriegen wir noch unter. Hallo, das ist Thüringen. Das ist zweimal Saarland nur ohne Bodenschätze.

Und schauen derweil, wo das Beispiel Schule macht ...

https://www.tagesspiegel.de/politik/nach-dem-eklat-in-thueringen-kommt-es-in-sachsen-anhalt-zum-naechsten-politischen-beben/25520058.html

@Sandmännchen
Cicero und Postillon blättern in den Geschichtsbüchern:

https://www.cicero.de/innenpolitik/thueringen-weimarer-republik-thomas-kemmerich-wahl-dammbruch-1924
https://www.der-postillon.com/2019/06/paul-von-hindenburg.html
« Letzte Änderung: 8. Februar 2020, 17:50:27 von dtx »
 
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Re: Thüringer Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #68 am: 8. Februar 2020, 19:58:31 »
Eine berechtigte Überlegung:


Zitat
Warum entscheiden die Mitglieder der Bundesregierung darüber, wie es in Thüringen weitergeht?


Merkel und die Thüringen-Krise : Die heimliche Parteivorsitzende

Bundeskanzlerin Angela Merkel Mitte Dezember in der Skylobby im Bundeskanzleramt Bild: dpa

Die Beschlüsse des Koalitionsausschusses zu Thüringen sind bemerkenswert. Warum mischt sich die Bundesregierung in die Verhältnisse in einem Bundesland ein?

    Von Helene Bubrowski, Berlin
Spoiler
Als „unverzeihlich“ hatte die Bundeskanzlerin die Wahl Thomas Kemmerichs zum thüringischen Ministerpräsidenten mit den Stimmen der AfD-Fraktion bezeichnet. Am vergangenen Donnerstag war das gewesen, Angela Merkel war da noch auf Reisen in Südafrika. Nun ist sie zurück in Berlin, der Koalitionsausschuss im Kanzleramt hat getagt und im ersten Satz des Beschlusses, der am Samstagnachmittag verschickt wurde, taucht das Wort wieder auf: Ein „unverzeihlicher Vorgang“ sei die Wahl gewesen.

Kemmerich solle daraus „die einzig richtige Konsequenz“ ziehen, nämlich zurücktreten, und zwar noch heute, heißt es weiter in dem Beschluss. Das hatte Kemmerich schon am Donnerstag angekündigt, am Samstagnachmittag vollzogen. Des Weiteren vereinbarten die Koalitionspartner, dass im Landtag „umgehend“ ein neuer Ministerpräsident gewählt werde. Außerdem sind Union und SPD laut Beschluss davon „überzeugt“, dass „baldige Neuwahlen“ in Thüringen erforderlich seien.
Verfassungsrechtlich heikel

Es ist bemerkenswert, wie die Bundesregierung sich hier in die Politik eines Bundeslandes einmischt. Denn am Samstagnachmittag haben sich nicht informell die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD zusammengesetzt, um über die Lage in Thüringen zu beraten. Der Koalitionsausschuss hat eine andere Qualität, auch wenn die Parteivorsitzenden mit am Tisch sitzen. Die Runde trifft sich im Kanzleramt, in der Zentrale der Bundesregierung. Die Kanzlerin, der Chef des Bundeskanzleramts und der Vizekanzler sind dabei. In ihren jeweiligen Parteien haben alle drei keine wichtigen Aufgaben inne. Warum entscheiden die Mitglieder der Bundesregierung darüber, wie es in Thüringen weitergeht?

Verfassungsrechtlich ist das mindestens heikel. Gerade im Osten werden hässliche Erinnerungen wach, wenn Berlin diktiert, wie die Dinge abzulaufen haben. Schon die Entlassung des Ostbeauftragten und Parlamentarischen Staatssekretärs Christian Hirte, der Kemmerich auf Twitter zur Wahl gratuliert hatte, hatte bei CDU-Politikern aus Thüringen Protest ausgelöst. „D Handeln im Kanzleramt sorgt nur noch für Kopfschütteln, tiefe Enttäuschung & Besorgniss (sic), dass d eigene Partei zum Wohle d Koalitionsfriedens geopfert wird“, schrieb Mark Hauptmann, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Thüringen, auf Twitter.

Schon seit Mittwoch war in Berlin zu vernehmen, dass die SPD den Fortbestand der ungeliebten großen Koalition als Einsatz auf den Tisch legt. Am Samstagvormittag war SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sehr deutlich geworden: „Die SPD kann mit niemandem regieren, der den Einmarsch von Nazis in Regierungen den Weg ebnet“, sagte er der „Bild“-Zeitung. „Wer mit Faschisten paktiert, kann und darf keine Verantwortung tragen. Das ist unsere glasklare Bedingung an unseren Koalitionspartner“, so Ko-Chefin Saskia Esken.

Angela Merkel hat wiederholt deutlich gemacht, dass sie die Koalition bis ins Jahr 2021 führen will. Und schon gar nicht würde sie die Regierung für den thüringischen Landesverband der CDU aufs Spiel setzen. Der führe sich auf wie ein „schwer erziehbares Kind“, hieß es am Samstag aus der Bundes-CDU. Und aus Merkels Sicht schlimmer als das: CDU-Landeschef Mike Mohring, der sich dem Vernehmen nach mittlerweile im Skiurlaub befindet, hat gegen Merkels Grundüberzeugung verstoßen, nach rechts die Schotten vollständig dicht zu machen.

Merkel geriert sich also wie die Parteivorsitzende, die sie 18 Jahre lang war. Wäre sie noch im Parteiamt, gäbe es kein Problem. Wer die CDU führt, bestimmt ihren Kurs. Es gibt unterschiedliche Meinungen zur Frage, wie die Union ihr Verhältnis zur AfD definieren muss, um langfristig erfolgreich sein zu können. Alle, die derzeit in CDU und CSU in entscheidender Funktion sind, bemühen sich um scharfe Abgrenzung nach rechts. Das Kalkül ist, dass Wahlen in der Mitte gewonnen werden. Auch Annegret Kramp-Karrenbauer, die CDU-Vorsitzende, sieht das im Kern so, selbst wenn sie hin und wieder den Konservativen in der Partei ein wenig Futter hinwirft.

Aus Sicht Kramp-Karrenbauers ist es erst einmal zweitrangig, welches Schicksal den Landesverband Thüringen ereilt. Es geht noch nicht mal um die Wahl in Hamburg in zwei Wochen – hier sieht es für die CDU ohnehin düster aus. Kramp-Karrenbauer geht es um das Überleben der Bundes-CDU. Sie war von Anfang an für eine Neuwahl, auch wenn erste Umfragen herbe Verluste für die CDU vorhersagen und die rot-rot-grüne Koalition auf eine stabile Mehrheit hoffen kann. „Dann ist das eben so“, hieß es aus der CDU.
Eine unerfüllbare Forderung der SPD

Man könne nicht zulassen, dass 9000 CDUler aus Thüringen – also die Größe eines kleineren Kreisverbands in Nordrhein-Westfalen – die ganze Partei und ihre 400.000 Mitglieder beschädigten. Wann und ob es tatsächlich Neuwahlen gibt, ist noch unklar. Denn hier macht die thüringische Verfassung klare Vorgaben: Es braucht eine Zweidrittelmehrheit im Landtag. Der CDU in Thüringen hat Kramp-Karrenbauer zwar abgepresst, Neuwahlen nicht im Weg zu stehen. Ob die Abgeordneten, die um ihr Mandat bangen, tatsächlich zustimmen, ist unklar.

Vorerst soll jedenfalls nach dem Willen der Koalition in Berlin aus dem bestehenden Landtag ein neuer Regierungschef gewählt werden. Es kann nur auf Bodo Ramelow, den Spitzenkandidaten der Linkspartei und Ministerpräsidenten der vergangenen Legislaturperiode, hinauslaufen. Die CDU-Abgeordneten sollen ihn nicht mitwählen, sondern sich enthalten. Dann wäre er im dritten Wahlgang gewählt. Dass die Bundes-CDU so einem linken Regierungschef ins Amt verhilft, ist ebenfalls erstaunlich und dem massiven Druck der SPD geschuldet, deren Vorsitzende energischer auftreten, als es ihnen viele zugetraut hätten.

Norbert Walter-Borjans hatte gefordert, dass Kemmerich auch nicht bis zu einer Neuwahl – das wären bis zu 70 Tage – geschäftsführend im Amt bleiben dürfe. Das ist an sich eine unerfüllbare Forderung, denn aus verfassungsrechtlichen Gründen bleicht Kemmerich zwangsläufig vorerst im Amt. Allerdings hat er keine Minister, wird auch keine ernennen, ist also nicht regierungsfähig. Um die Zeit seiner geschäftsführenden Tätigkeit bis zur Neuwahl zumindest zu verkürzen, soll nun also Ramelow gewählt werden. Annegret Kramp-Karrenbauer ist zu vielem bereit. Sie möchte die Sache hinter sich lassen, reinen Tisch machen – so gut das jetzt noch geht.
[close]
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/thueringen-krise-merkel-die-heimliche-parteivorsitzende-16624184.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2




Derweil:


Zitat
AfD denkt über neue Strategie gegen Rot-Rot-Grün in Thüringen nach

Die AfD denkt nach dem Rückzug des FDP-Politikers Thomas Kemmerich vom Posten des thüringischen Ministerpräsidenten über weitere Strategien zur Verhinderung einer rot-rot-grünen Landesregierung nach.

Berlin - «Die kopflose Reaktion von CDU und FDP bringt mich zu der Empfehlung an die thüringischen Freunde, das nächste Mal Herrn Ramelow zu wählen, um ihn sicher zu verhindern - denn er dürfte das Amt dann auch nicht annehmen», sagte AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Das Agieren der CDU in dieser Krise bewege sich auf einer Skala «von trostlos bis verheerend, offensichtlich haben sich die Beteiligten über die Folgen keine Gedanken gemacht», fügte er hinzu.

Auf die Frage, ob jetzt mit weiteren taktischen Spielchen der AfD zu rechnen sei, antwortete Gauland: «Das sind keine taktischen Spielchen. Unser Wahlziel war, eine rot-rot-grüne Regierung unter Ramelow demokratisch zu verhindern, und dafür muss man die geeigneten parlamentarischen Mittel wählen.»

Kemmerich war am Mittwoch zum Ministerpräsidenten des Freistaats gewählt worden - auch von der AfD, deren Landtagsfraktion von Partei-Rechtsaußen Björn Höcke geleitet wird. Der von der AfD aufgestellte parteilose Kandidat, Christoph Kindervater, erhielt im dritten Wahlgang keine einzige Stimme. Kemmerich war anschließend massiv kritisiert worden, weil er die Wahl, die er ohne die Stimmen der AfD nicht gewonnen hätte, annahm. Er trat später zurück, ist aber aktuell noch geschäftsführend im Amt.

Bodo Ramelow hat eine erneute Kandidatur nicht ausgeschlossen. Im ersten Wahlgang wird Ministerpräsident, wer die absolute Mehrheit erhält. Im dritten Wahlgang reicht es, mehr Stimmen als die Mitbewerber zu haben.

Auf die Frage, ob die Wähler in Thüringen jetzt wohl erneut zu den Urnen gehen wollen, sagte Gauland: «Alle anderen wollen offensichtlich die Neuwahlen nicht, diese Frage stellt sich dann für uns auch nicht.» dpa
https://www.insuedthueringen.de/region/thueringen/thuefwthuedeu/AfD-denkt-ueber-neue-Strategie-gegen-Rot-Rot-Gruen-in-Thueringen-nach;art83467,7126431
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Re: Thüringer Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #69 am: 8. Februar 2020, 21:01:01 »
Die "Strategie" der AfD kann ich mir vorstellen. Wenn die CDU jetzt Ramelow durch Enthaltung an die Macht bringen will dann wählt die AfD selbst den Ramelow. Weil er dann, ha ha, ho ho ho, die Wahl nicht annehmen darf...
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Re: Thüringer Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #70 am: 8. Februar 2020, 21:17:29 »
Genau dass hatte ich auch vermutet.
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Re: Thüringer Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #71 am: 8. Februar 2020, 21:43:03 »
Hmm, das funktioniert aber nur, wenn wirklich die gesamte CDU sich enthält und dies im Nachhinein auch kommuniziert. Denn die Wahl ist geheim (Art. 70, Abs. 3 ThüVerf), da kann man nicht offen nachvollziehen, wer nun wie gewählt hat. es müssen nur 4 FDP/CDU Stimmen dazukommen und der Plan ist hinfällig, weil dann niemand nachvollziehen kann, ob die AfDerstimmen entscheidend waren. 2 Abgeordnete von CDU/FDP/Afd sind ja schon beim 2. WG abgesprungen. Wenn die CDU schlau ist (HAHA), dann gibt sie jeden Fraktionszwang auf. Damit verhindert sie Spielchen der AfD
 
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Re: Thüringer Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #72 am: 8. Februar 2020, 23:08:54 »
"Wenn die CDU schlau ist..." klingt zur Zeit wirklich etwas seltsam.

Aber soll die AfD mal ruhig machen. Solche Mätzchen nutzen sich schnell ab und als Mätzchen-Partei dürfte ihr Stern bald wieder sinken.
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Re: Thüringer Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #73 am: 8. Februar 2020, 23:29:18 »
Die "Strategie" der AfD kann ich mir vorstellen. Wenn die CDU jetzt Ramelow durch Enthaltung an die Macht bringen will, dann wählt die AfD selbst den Ramelow. Weil er dann, ha ha, ho ho ho, die Wahl nicht annehmen darf...

Das Spiel wird so nicht laufen. Entweder Ramelow weiß, daß er seine Mehrheit auch ohne die Stimmen der AfD zusammenbekommt oder er wird es auf eine Neuwahl ankommen lassen, sagt seine Fraktionsvorsitzende. Das würde bedeuten, daß Ramelow das Amt nicht antreten wird, falls er weniger als 69 Stimmen bekommt.


 
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Re: Thüringer Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #74 am: 9. Februar 2020, 00:09:44 »
Eine berechtigte Überlegung:

Zusatzfrage: Könnte jemand der Dame von der FAZ erklären, was ein "Koalitionsausschuss" ist? So beruht der ganze Artikel auf einer falschen Prämisse.
 
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