Autor Thema: Thomas Fischer  (Gelesen 30034 mal)

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dtx

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Re: Thomas Fischer
« Antwort #225 am: 20. April 2021, 09:39:03 »
Fischer schien mal gute Gründe gehabt zu haben, nicht als Anwalt tätig zu werden.
Aber ob man wegen der Nummer jetzt gleich Strafanzeige erstatten muß, ist die Frage. Es sollte eigentlich genügen, das Gericht und die Rechtsanwaltskammer auf den Topf zu setzen.

Zitat
...
„Fischer erkundigte sich nach dem Stand des Strafverfahrens und beriet mich, wenn ich eine Frage hatte“, sagt Stevens. Sogar mit Jany Tempel tauschte Fischer mehrere Mails aus.

...

und

Zitat
...
Nach Paragraph 45 der Bundesrechtsanwaltsordnung darf ein Rechtsanwalt nicht in einer Sache tätig werden, wenn er in der Angelegenheit bereits vorher und außerhalb seiner Anwaltstätigkeit befasst war. Und das war Fischer, so sieht es jedenfalls Stevens – als freier Mitarbeiter des „Spiegel“. Dort schreibt er bis heute die Kolumne „Recht haben“.

...

https://www.welt.de/politik/deutschland/article230470433/Fall-Wedel-Opfer-Anwalt-erstattet-Strafanzeige-gegen-Thomas-Fischer.html



Zitat
Gedreht und gespielt wurde kaum noch, die Missbrauchsfälle in der Schauspielerbranche aber haben in der Corona-Krise offenbar noch zugenommen. Für die Vertrauensstelle Themis ergibt sich ein schlimmes Bild. Ein Besuch.

Maren Lansink, eigentlich ein fröhlicher Mensch, treibt eine Frage um: „Es ist ja sehr viel geredet worden über MeToo. Über Dinge wie: Frauen mit ins Hotelzimmer zu nehmen, zu ‚Drehbuchbesprechungen’. Und trotzdem“, sie schüttelt langsam den Kopf, „läuft es einfach so weiter.“

...

https://www.welt.de/kultur/plus212966908/Missbrauch-in-Filmbranche-Da-ist-die-Existenznot-ausgenutzt-worden.html
(Paywall)

« Letzte Änderung: 20. April 2021, 10:00:56 von dtx »
 
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #226 am: 20. April 2021, 10:26:10 »
Ich hatte im Hinterkopf, dass sie ihn rausgeworfen (und ihm sein kostenloses ZEIT Abo gekündigt :rotfl:) haben, als er den bei ihnen abgelehnten Beitrag bei einem anderen Medium veröffentlichte.

Auch möglich.

Seinen regulären Artikel bei der ZEIT hatte er nach 118 Folgen am 2. Mai 2017 und wollte dann nur noch sporadisch schreiben wie schon zuvor.

Es ist schon richtig, dass sich Herausgeber vor ihre Autoren stellen.

Jein.

Was mich in letzetr Zeit verwundert, ist die Möglichkeit beim SPIEGEL sich gegenseitig zu kritisieren ohne daß etwas passiert, das hätte man zu Zeiten von Gräfin Dönhoff oder Helmut Schmidt bei der ZEIT auch machen können.

Fischer tut das in seinem jüngsten Beitrag bei Spiegel auch, als es um die Rezension eines „Tatort“ geht (von Schirach kriegt auch wieder sein Fett weg):
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/ferdinand-von-schirachs-grundrechteinitiative-jeder-mensch-braucht-kein-mensch-kolumne-a-6ff5e3e4-de4e-4595-ac03-55b1f764e6c6




Aber ob man wegen der Nummer jetzt gleich Strafanzeige erstatten muß, ist die Frage.


Fischers Meinung zu OpferanwältInnen:  ;)

Zitat
Falscher Film: In unheimlicher Mission

Hallo, alle Morgenmagazin-Gutelaune-Zuschauer vom 17. Juni! Die Behauptungen der Rechtsanwältin Christina Clemm aus Berlin, die hier wie auch sonst total uneigennützig unter dem Label "Opferanwältin" für sich warb und als Sachverständige aufzutreten pflegt, zur angeblichen Rechtslage im Sexualstrafrecht  – und erst Recht zur angeblichen Rechtsprechungspraxis – waren einmal wieder nicht ganz zutreffend.

Frau Rechtsanwältin Clemm ist, wie man immer wieder lesen und hören darf, eine so genannte "Opferanwältin". Was das sein soll, weiß weder die Strafprozessordnung noch sonst jemand, außer denen, die sich ebenfalls "Opferanwalt" nennen. Opferanwälte sind – und darauf kommt es an – in jedem Fall die Guten, Opfer-Anwältinnen ergo die ganz besonders Guten: Praktisch un(über)treffbar. Denn wer könnte was dagegen haben, für die "Opfer" von bösem Tun zu sorgen und einzustehen, damit sie nicht durch die Justiz "traumatisiert" werden (vgl. auch Programm von "Nebenklage e.V.". Gründungsmitglied: Clemm).

Welcher bei Trost befindliche Mensch würde als Beruf "Täteranwalt" angeben? Welche Rechtsanwältin würde sich widerspruchslos öffentlich so nennen lassen? Wenn jemand von der Presse "Terroristenanwältin" oder "NSU-Anwältin" genannt wird, bricht der Sturm der Entrüstung los. Die "Opferanwältin", die genau dasselbe tut, nämlich die Interessen ihres Mandanten vertritt, hat sich in dreißig Jahren sprachlich an die Spitze der "Reform" geschlängelt. Der ideologische Rest ergibt sich zwanglos aus der Gleichsetzung von "das Opfer" und "die Frau".
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-06/rechtspolitik-sexualstrafrecht-vergewaltigung-taeter-opfer-fischer-im-recht/komplettansicht


(Das verstehe ich nicht frauenfeindlich sondern so, daß Fischer solche werbeträchtigten Attitüden nicht schätzt.)
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #227 am: 23. April 2021, 15:35:42 »
Aus! Das war's!

(Na, ja, nicht ganz.)




Zitat
Recht Haben
Das Ende ist nahe!

Eine Kolumnen-Kolumne von Thomas Fischer

Unser Autor schlägt einen neuen Berufsweg ein – und lässt daher seine Kolumne ruhen. Aber nicht ohne einige Worte zum Abschied.
23.04.2021, 15.11 Uhr


Sehr geehrte Leser!

Alles hat ein Ende, und diese Kolumne wird da keine Ausnahme machen. Nun muss man nicht aus jedem Apfelbutzen gleich ein Prinzip und aus einem Pausenbedürfnis nicht eine Todessehnsucht machen. Aber der heutige Text ist mal mein vorerst letzter: Pause, und tschüs!
Spoiler
Der Zeitpunkt ist passend. Die Lästigkeit der Schmähungs- und Verdächtigungs-Kommentare im Leserforum hat in letzter Zeit unangenehm zugenommen; es sind halt viele unterwegs, die auf der Suche nach Projektionsflächen und Ventilen die gewohnten Grenzen der Sachkunde, der Intelligenz und des Umgangs für hinderlich halten, ganz abgesehen davon, dass charismatisch empfangene, höhere Wahrheiten sowie das Erleuchtetsein von ihnen sowieso keine Rücksichten nehmen dürfen; das ist ihnen sozusagen eingeboren.

Ein gewichtiger Grund für das Pausenbedürfnis ist, dass der Kolumnist sich kürzlich entschlossen hat, beruflich noch einmal etwas Neues zu tun, was zwar dem alten weißen pensionierten Richter als solchem nach Ansicht des Internet-Obertribunals eigentlich verboten ist, aber erstens trotzdem Spaß macht und zweitens die anonymen Tastaturbediener exakt so viel angeht wie den Kolumnisten die Löcher in den Socken der Gerechten.

Kurz gesagt: Man kann nicht immer alles zugleich. Also soll mal eine Weile Kolumnenpause sein. Wie lang sie dauert, wird sich zeigen. Wem das als Drohung erscheint, der kann von mir aber kein Mitleid erwarten.

Eine Kolumne ist eine Kolumne. Sie bedient manche Wünsche mal mehr, mal weniger gut, und andere nicht. Manchmal bedient sie Wünsche, die gar nicht geäußert wurden, mit Mitteln, die nicht jedermann sogleich erkennt. Und schließlich hat sie, wie alle Kunst, auch noch ein dem Autor fremd gegenübertretendes Eigenleben.

Dies sage ich, durchaus mit einem gewissen Maß der empathischen (!) Verbundenheit, an die Adresse der Unbeugsamen, die lange und schwer unter der Länge der Texte, der Verwobenheit der Gedanken, der Rückbezüglichkeit der Nebensätze und dem Kontrast der Assoziationen gelitten haben und doch allwöchentlich bereit waren, die Qual der Lektüre erneut auf sich zu nehmen und die anderen an ihrem Leiden und dem Protest dagegen teilhaben zu lassen. Die Gründe für solch starken Willen zur Selbstbeschädigung wie zur Freude oder jedenfalls für deren öffentliche Demonstration sind, wie ich wohl weiß, nicht alle gut und rein. Das war aber, verehrte Schwurbelphobiker, ins Konzept eingepreist: ein Rorschachtest in Konjunktiven. Auch damit müssen Sie zu leben lernen.

II.
Die Welt, die Menschen, das Recht sind komplizierte Angelegenheiten; ihr Zusammenwirken und die Wechselbeziehungen sind oft sogar ganz außerordentlich unübersichtlich. Deshalb wäre es dumm und verächtlich, wenn man anderen vormachen wollte, die Welt lasse sich mit wenig Aufwand leicht verstehen und das Leben ohne gedankliche, moralische und intellektuelle Mühe meistern. Das ist falsch, und wer es glaubt, zählt auf Dauer eher zu den Verlierern in der Welt, in welcher solche Kategorien von Bedeutung sind.

Täglich kann man erleben und betrachten, wie die Strukturen der alten Sicherheiten, Kommunikationen, Verbindlichkeiten zusammenstürzen oder sich in substanzloses Geschwätz auflösen. Das betrifft auch und gerade die Sphäre des Rechts und ihre Abgrenzung zur Moral. Dies ist nicht Zufall oder Willkür, sondern die gute alte objektive Notwendigkeit. Der ganze ungeheure Überbau, so sprach einst der Mohr aus Trier, wälzt sich um, und zu Zeiten, hier und dann, gerät er in größte Wirrnis. Da hilft das Klagen wenig, und hinter den Schnörkeln der zierlichen Aufgeregtheiten sollte man lieber nach den geraden Linien der Fundamente suchen.

Heute fürchtet man sich in Deutschland, als stünden der Dreißigjährige Krieg und die Pest zugleich vor der Tür. Ob das stimmt, wird sich zeigen; es hängt vermutlich nicht davon ab, welche Manifeste der zu allen entschlossenen Beschränktheit in den Zirkeln der einmal wieder ganz neuen Identität geschrieben werden. Der Eintritt der apokalyptischen Phase des Weltgeschehens ist auch nicht dadurch gekennzeichnet, dass der Preis für 3-Zimmer Eigentumswohnungen von neunhundert- auf neunhundertfünfzigtausend Taler steigen oder das örtliche Landratsamt versäumt hat, rechtzeitig Pläne für die reibungslose Abwicklung des örtlichen Weltuntergangs auszulegen. Die Welt geht nicht unter, weil die privilegierten, faulen und hypochondrischen Schichten des Mittelstands auf dem globalisierten Markt ihre Orientierung verlieren und nicht mehr zu sagen wissen, was sich gehört, welchen Herrenduft man kaufen muss und wann man wen wie oft und warum lieben soll, sofern noch ein Fleckchen Platz bleibt neben dem bedürftig aufgeschwollenen Ich-Allein. Es ist also, dafür spricht manches, eigentlich wie immer: Wenn die Götter ausgetauscht werden, hat das am allerwenigsten mit dem Himmel zu tun.

Man muss über Inhalte sprechen, nicht über Formen, über Regeln, nicht über Sentimentalitäten. Das öffentliche Leben ist keine Gruppentherapie, der Staat kein Ersatz für Vater und Mutter, die auf dem Müll entsorgt wurden im identitären Rausch der ewig Kindlichen.

Ich glaube, das Sprechen über Inhalte ist der Kolumne, dank der Hilfe ihrer Leser, zeitweise recht gut gelungen. Denn unter den Oberflächen hat sich, nach meinem Eindruck, im Kolumnen-Forum und in der Rezeption eine recht eigen-sinnige und widerspenstige Form entwickelt, in der sich Wesentliches immer wieder behauptete: Öffnung des Denkens, Sprechens und Austauschs. Anerkennung von Assoziation als Mittel der Rationalität. Verbindlichkeit des Sprechens jenseits infantilen Geplappers. Anerkennung von Differenzen und Grenzen. Ohne das geht es nicht.

Ich werde das sicher vermissen. Über die Zeit entwickeln sich ja auch beim Autor durchaus Bilder, Vorstellungen, Reflexionen der Gegenüber, bis hin zu Prognosen über bevorstehende Argumente, Missverständnisse oder eigene Fehler. Auch so lernt man. Ich danke also (fast) allen, die sich an der Forums-Diskussion beteiligt haben, herzlich. Im Übrigen aber natürlich auch allen anderen Lesern.

Und ich danke, was hier unbedingt gesagt werden muss, dem redaktionellen Leiter »Meinung und Debatte«, Stefan Kuzmany, sehr herzlich für die schöne Zusammenarbeit, die Geduld des Wartens auf Texte in letzter Minute und für die Anregungen zum Streichen der am meisten überflüssigen Passagen. Und dem »Filter«-Team der Foren-Moderation, das ich nicht kenne, mir aber vermutlich manches Übelwollende vom Leib hielt.

In diesem Sinn: Sprechen Sie weiter miteinander, sehr geehrte Leser, denken Sie an den Wert des Rechts, auch jenseits des eigenen Gefühls- und Interessenhorizonts, und bleiben Sie gesund. Man sieht sich.

Anmerkung der Redaktion: Wir danken Thomas Fischer für seine nie zu kurzen, nie bequemen, niemals seichten Texte – und freuen uns, dass er uns als gelegentlicher Gastautor verbunden bleibt.
[close]

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/kolumne-von-thomas-fischer-das-ende-ist-nahe-a-9663ad0c-ebe3-4742-8dae-893ef92759a2
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #228 am: 23. April 2021, 16:49:38 »
Ich hoffe, er bringt seine besten Kolumnen als Büchlein heraus!
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #229 am: 23. April 2021, 21:08:56 »
 :crybaby2: :crybaby2: :crybaby2: :crybaby2:
Ich habe noch einen Abschiedsgruß hinterlassen.
Da kann man doch sagen: "Beim SSL haben wir etwas gelernt!"
https://www.youtube.com/watch?v=9uZLrHiCMhQ
 
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #230 am: 24. April 2021, 16:28:59 »
Aus! Das war's!

(Na, ja, nicht ganz.)

...

Man kann, nein man muß selbst das positiv sehen. Es mag mancherorts mehr brauchbare Strafverteidiger geben als die Hobbygoldsucher in der Pinnau ertragreiche Schürfstellen finden.

Sicher bin ich mir da aber nicht. Wenn aus aktuellem politischen Anlaß die Kanzlei Gauweiler-Sauter quasi wie ein reifer Apfel vom Baum fiel, dieses Herrn Fischer animierte, zuzugreifen und vielleicht auch mal einen armen Schlucker vor übereifrigen Staatsanwälten in Schutz zu nehmen, der sonst einfach nur Pech gehabt hätte, ...

 
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #231 am: 5. August 2021, 17:28:09 »
Nun hat sich unser Kolumnist doch noch einmal zu Wort gemeldet, fast hätte ich es nicht bemerkt.

Und er faßt mein Unbehagen zu einem Gesetzesentwurf wieder einmal unnachahmlich zusammen:



Zitat
Wiederaufnahme nach Mord-Freispruch
Gerechtigkeit, neuer Versuch

Ein Gastbeitrag von Thomas Fischer
Gesetzgeber und Öffentlichkeit diskutieren den Vorschlag, eine Wiederaufnahme von Strafprozessen zuungunsten rechtskräftig freigesprochener Mordverdächtiger zu ermöglichen. Angeblich verlangt das »die Gerechtigkeit«. Daran muss man zweifeln.
24.06.2021, 11.51 Uhr

Rückblick
Ganz wichtiges Thema! Unzählige Mörder, wie wir wissen, bewegten sich jahrzehntelang unbehelligt in unserem Vaterland, gründeten eine Republik, betrieben Politik, Aufschwung, Rechtsstaat, Modernisierung und Gerechtigkeit. Sie sind inzwischen, zurückhaltend ausgedrückt, sehr alt geworden. Die Zeit ist mit dem Schwamm des Schicksals über die Gerechtigkeit gefahren. Aber was ist das schon? Am 22. Juni wurde wieder der Jahrestag des »Unternehmens Barbarossa« begangen, des Überfalls auf die Sowjetunion im Jahr 1941. Pflichtgemäß herrschte in den hinteren Teilen der Breaking News Betretenheit über die verbrecherischen Massaker, mit denen allerdings, seit Väter und Großväter tot und im Deutschland der Gerechten immerwährender Antirassismus und investigativer Furor ausgebrochen sind, unsereins nun wirklich nichts mehr zu tun hat, außer dass unser guter Name beschmutzt ward.

Also eine Art Freispruch durch Zeitablauf, und das gleich richtig gründlich. Keine deutsche Spezialität, aber im Spitzenfeld laufen wir da schon mit. Das ist noch besser als ein Freispruch durchs Gericht: Man kommt erst gar nicht in die Verlegenheit, sich freisprechen lassen zu müssen. Nun ist es bekanntlich so eine Sache mit dem Mord und dem Krieg: Da verschwimmen die Grenzen, und statt mit einem Mal der Schande kehrt mancher Mörder mit einem schönen Orden zurück ins Schweigen. Befehl ist Befehl, sagt man da, und denkt sich: alles Lüge!

Spoiler
Denn wir wissen es ja besser: Mit »Befehl ist Befehl« ist uns ab 1990 kein Mauerschütze davongekommen, denn auch der 20-Jährige hat ja ein Gewissen und muss erkennen, wann ein Befehl menschenrechtswidrig ist.

Einblick
Was hat das nun gleich mit dem »Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit« zu tun, das die Regierungsfraktionen unter der Drucksachen-Nummer 19/30399 eingebracht haben? Das freundlichste, was man über den Gesetzestitel sagen kann, ist, dass er das Sprachniveau des »Gute-Kita-Gesetz« nun auch in den Strafkindergarten einführen möchte. Tatsächlich ist der Titel eine Unverschämtheit. Nicht weil Gesetze nicht der Gerechtigkeit dienen sollten, sondern weil es ein hohes Maß an Verblendung verdeutlicht, diese minimale Basisfunktion eines Gesetzes zu einem exzeptionellen Anliegen zu erklären.

Dahinter steckt die ganze kommunikative Sensibilität der Politik-Verkäufer und Authentizitäts-Schwätzer sowie ihre Verachtung für die dummen Massen. Deshalb muss ein Gesetz zur Rentenkürzung »Gesetz zur Stärkung der Selbstständigkeit im Alter« heißen, und ein Gesetz zur Vollüberwachung der digitalen Kommunikation möglichst »Gesetz zum Schutz von Kinderglück«. Da freuen sich die Kinder.

Die »materielle Gerechtigkeit«, um die es im Gesetz zur Herstellung von materieller Gerechtigkeit geht, ist das Anliegen, dass man Mordverdächtige, die rechtskräftig freigesprochen sind, ohne zeitliche Beschränkung immer wieder neu anklagen kann. Rechtstechnisch läuft das über eine Regelung der sogenannten »Wiederaufnahme zu Ungunsten des Beschuldigten« (§ 362 StPO). Da gibt es schon ein paar Möglichkeiten im geltenden Recht (bitte lesen Sie es nach!), wenn nämlich einem ersten Strafprozess schwerste Mängel von Beweismitteln oder Formen zugrunde lagen oder ein Freigesprochener nach Rechtskraft ein Geständnis ablegt.

Nun soll das noch schöner werden, also gerechter. Der Mörder, das weiß der »Tatort«-Gucker, hat es zwar meist auch nicht leicht im Leben, muss aber gleichwohl zur Strecke gebracht sein, bevor es um 21.45 Uhr losgeht mit der Talkshow. Deshalb muss die total authentische Kommissarin auch mal Fünfe gerade sein lassen bei der StPO-Anwendung, und auch der Innenminister geht nicht mit dem Grundgesetz unter dem Arm umher, wenn er die Sturm-, Asylbewerber- und Steuersünderfluten bekämpft.

Es taucht da freilich gleich eine nächste Sprachhürde auf, die sich als veritable Sinnhürde entpuppt. Angeblich, so meldet es die elektrisierte Presse, geht es darum, zu Unrecht freigesprochene Mörder im Namen der Gerechtigkeit noch einmal neu anzuklagen und es diesmal richtigzumachen, sie also zu der verdienten lebenslangen Freiheitsstrafe zu verurteilen. Allerdings muss man bedenken, dass die Institution, die das bewirken soll, nicht ein Haufen Bürger mit Baseballkeulen, Messern und Hellebarden ist, sondern der deutsche Staat in Gestalt der Strafjustiz. Und der hat es ja nun einmal in diesem Fall nicht mit einem unbestraften Mörder zu tun, sondern mit einem rechtskräftig Freigesprochenen, also Unschuldigen. Denn wenn die sogenannte Unschuldsvermutung noch den geringsten Sinn haben soll, dann muss der Freigesprochene ja wohl mindestens als so unschuldig gelten wie jeder Beschuldigte vor Verurteilung. Anders gesagt: Man darf das Ergebnis der angeblichen »Gerechtigkeit« nicht schon wieder vorweg hineindenken, bevor überhaupt festgestellt ist, was geschehen ist.

Die vorgeschlagene neue Regelung sieht eine Wiederaufnahme vor,

»wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen dringende Gründe dafür bilden, dass der freigesprochene Angeklagte wegen Mordes (…) verurteilt wird.«

Der frühere Freispruch muss sich nicht auf eine Mordanklage beziehen; es reicht, wenn der damals angeklagte Tatkomplex nicht bewiesen werden konnte und nun die Möglichkeit besteht, dass da vielleicht doch (auch) ein Mord dabei war. Ob »der freigesprochene Angeklagte verurteilt wird«, ist natürlich beim zweiten und dritten Mal genauso offen wie beim ersten Mal. Wenn »dringende Gründe« immer zwingende Gründe wären, müsste ja auch jede U-Haft-Anordnung zur Verurteilung führen, und das ist bekanntlich nicht so. Urteile sprechen bei uns Gerichte, nicht Staatsanwälte oder Polizisten, die wegen »dringender Gründe« lebenslang vermeintlich ungerechtfertigte Freisprüche »korrigieren« möchten. Auch die fleißigen Investigativ-Teams, die sich selbstlos auf die Nachprüfung längst verflossener Prozesse spezialisieren, ergründen bestenfalls neue Vorwürfe, produzieren aber keine »gerechten Verurteilungen«.

Durchblick
Ne bis in idem: »Niemand darf wegen derselben Straftat aufgrund der allgemeinen Gesetze zweimal bestraft werden«, sagt Art. 103 Abs. 3 GG. Das trifft den Fall der Wiederaufnahme nach Freispruch nicht ganz. Aber es gilt bei uns, wie auch international, der Grundsatz erweitert: Niemand darf zweimal wegen desselben Tatvorwurfs vor Gericht gestellt werden. Generationen von Krimiguckern haben mit den Hollywoodfantasien rund um diesen Grundsatz gelebt, der in den USA sehr strikt gehandhabt wird, wie vieles im Strafrecht, das hierzulande einem hochgradig bedenkenträgerischen Vorbehalt der (vermeintlichen) materiellen (inhaltlichen) Gerechtigkeit gegen die (»bloße«) Form ausgesetzt ist.

Für den Grundsatz gibt es gute Gründe in der Form und der Verfahrensökonomie. Es gibt aber auch gute Gründe im Inhalt. Die Taten werden nicht frischer, die Beweise nicht besser, das Strafbedürfnis nicht größer im Laufe der Zeit; das ist wie bei der Verjährung. Irgendwann ist es halt vorbei mit der Aufarbeitung und der Abrechnung, und es ist der Gesellschaft als Ganzer egal, ob vor 200 Jahren ein Raub unaufgeklärt oder eine Vergewaltigung unbestraft blieb. Gäbe es keine Verjährung, würde sich das Strafsystem in einer Endlosschleife zu Tode prozessieren.

»Ne bis in idem« hat aber noch eine weitere wichtige Quelle: Es geht dabei nicht nur um eine »Fairness im Spiel« nach dem Motto: Der Staat hat eine Chance, dann reicht’s. Es geht auch darum, dass die materielle Gerechtigkeit, die »Wahrheit«, das Strafbedürfnis, nicht unabhängig von der Form existieren: Strafrechtliche (!) Schuld gibt es nur im Strafrecht, und Strafrecht gibt es nur entweder als prozessuale Form oder als Willkür.

Wenn »Gerechtigkeit« bedeutete, dass alles Strafbare irgendwann bestraft werden muss, dann gäbe es keinen Grund, diesen Grundsatz nur bei Mord anzuwenden, nicht aber bei schwersten Körperverletzungen, Sexualstraftaten, Existenz-vernichtenden Vermögensstraftaten. Die derzeitigen Behauptungen, die Erweiterung der Wiederaufnahme solle nur für unverjährbare Taten gelten, ist ohne Plausibilität, denn mit der Gerechtigkeit hat das Argument gar nichts zu tun, und man könnte die Wiederaufnahmemöglichkeit einfach an die Verjährungsfrist koppeln. Jeder, der heute Eide schwört, es handle sich um eine »ganz begrenzte Ausnahme«, weiß genau, dass spätestens in zwei Jahren die nächsten Erweiterungen folgen werden. Warum auch nicht?

Der Rechtsausschuss hat eine Anhörung durchgeführt: Zwei Sachverständige fanden den Vorschlag verfassungswidrig, drei das Gegenteil. Außerdem äußerte sich ein »Betroffenen«-Vertreter beglückt. Ausnahmsweise will ich hier einmal die These vertreten, dass es darauf nicht wirklich ankommt. Die Rechtsdogmatik findet einen Weg auch im Unwegsamen; das ist ihre Natur.

Tatsächlich geht es nicht um Spitzentänze des Rückwirkungsverbots, sondern um den Grundsatz, der stets und heute als ganz besonders dringlich thematisiert wird: Was verstehen wir unter »Gerechtigkeit«? Dem Strafrecht als Ganzem wird mehr und mehr als zentrale Aufgabe zugemessen, »niemanden davonkommen zu lassen«, jede »Schuld« aufzudecken und zu verfolgen, Sicherheit und Gerechtigkeit, ein gutes Gefühl und einen angeblichen »Glauben an den Rechtsstaat« herzustellen. Die Wertungen, die dahinterstehen und immer schon mitgedacht sind, werden gar nicht mehr erörtert, obwohl sie das eigentlich Entscheidende sind. »Gerechtigkeit« kann man eben auch ganz anders definieren: als Verfahrens-Gerechtigkeit, als Gleichmäßigkeit, als Sicherheit der Form statt als Forderung nach ihrer Auflösung.

Ausblick
All das steht in engstem Zusammenhang mit den sich überschlagenden Forderungen nach Authentizität, Einmaligkeit, Einzelfall-Billigkeit. Singuläre Einzelfälle werden zu angeblichen Gemeinschaftsdramen der Gerechtigkeit hochgejazzt. Unsere Strafprozessordnung enthält und begünstigt sehr zahlreiche Ungerechtigkeiten, die ungleich wirkmächtiger und schädlicher sind als die Möglichkeit, dass vielleicht alle 10 Jahre einmal möglicherweise (!) ein Mörder zu Unrecht (?) freigesprochen (!) wird. Stattdessen wird rechtzeitig zur Wahl ein Vorschlag für die Galerie lanciert.

Zurück zum Anfang: Es schien dem Autor symbolisch nicht uninteressant, wie zeitgleich im Rechtsausschuss des Bundestags über die Gerechtigkeit der Mordverfolgung mittels Wiederaufnahme rechtskräftiger Freisprüche diskutiert und ein paar Straßen weiter des Vernichtungsfeldzugs von 1941 gedacht wurde. Gewiss wird der einen oder anderen Betroffenengruppe und ihren tapferen Beauftragten schon morgen einfallen, was man sonst noch alles tun könnte für die materielle Gerechtigkeit.
[close]

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/wiederaufnahme-nach-mord-freispruch-gerechtigkeit-neuer-versuch-a-51d5df32-2a3b-4095-a64f-cee13bc69692
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #233 am: 7. März 2022, 10:52:10 »
Der Kolumnist äußert sich nur noch selten, hat aber intensiv das Prüfungsverfahren beschrieben, wenn Anzeigen unserer Kundschaft eingehen:

Zitat
Wann und zu welchem Ende »der Staatsanwalt ermittelt«, steht eigentlich halbwegs genau in den §§ 152, 160 und 170 Strafprozessordnung (StPO). Er fängt damit an, wenn ein »Anfangsverdacht« erkennbar ist (§ 152 Abs. 2), und hört auf, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind (§ 170). Zwischendurch erforscht er den Sachverhalt (§ 160 Abs. 1). Ein bisschen schwierig ist es am Anfang, weil man nicht ganz genau weiß, ob und wann man anfangen soll oder nicht. Bei jeder Staatsanwaltschaft gehen jeden Tag Anzeigen des Kalibers ein, dass alle Richter des örtlichen Gerichts sich der Rechtsbeugung schuldig gemacht hätten, weil sie den Reichsbürger X zur Zahlung der Müllgebühren verurteilt haben. Oder, dass der Nachbar sich mittels Grillen von Bratwürsten der schweren Körperverletzung schuldig gemacht habe. Solche Anzeigen »geben keinen Anlass«, den Sachverhalt zu erforschen. Sie werden in einem »Vorprüfungsverfahren«, das in den beiden genannten Fällen ungefähr 30 Sekunden dauert, ad acta gelegt.

https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/ermittlungen-gegen-gruenen-bundesvorstand-hoppla-die-portokasse-a-1f03a7ea-ffa9-4b59-be82-3c5a5c2de954


Außerdem hat er sich zu den Aufregungen um den Mißbrauch im Erzbistum München und Freising geäußert:
Zitat
„Fast alle Taten, die im neuen oder in alten Gutachten erwähnt sind, sind strafrechtlich erledigt: Täter sind abgeurteilt, Beschuldigte verstorben, mutmaßliche Taten verjährt.“

Zitat
„Sexualstraftaten durch katholische Kleriker dürften in den letzten 25 Jahren nicht häufiger geschehen sein als Sexualstraftaten durch Mediziner oder Sozialarbeiter, Sportlehrer oder Polizeibeamte. Die Wahrscheinlichkeit, von einem schwulen Kleriker begrapscht zu werden, mag größer sein als die, Opfer eines Eisenbahnunglücks zu werden, ist aber nicht annähernd so hoch wie die, im Automobil oder an Krebs zu sterben.“

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/katholische-kirche-luegende-paepste-ehrliche-welt-gastbeitrag-a-cb08bdac-df36-4039-b0cd-4bc775068a75


Und jetzt zum russischen Angriff auf die Ukraine:


Zitat
Krieg gegen die Ukraine

Schon wieder 1914

Ein Gastbeitrag von Thomas Fischer
Ob die europäische Welt am Rande des nächsten Untergangs steht oder ob dieser schon eingetreten ist, scheint noch streitig zu sein. Eigentlich hatten wir dafür ja gerade keine Zeit. Aber so schnell kann’s gehen!

27.02.2022, 20.37 Uhr

Vorabend
»1914«, eine an analytischer Kraft schwer überbietbare Metapher, durfte letztens mehrfach als Headline herhalten und das Werk der Angst verrichten. Allerdings muss der Überfall auf die Ukraine ohne Attentat auskommen, weil der Kaiser von Russland, soweit wir wissen, keinen männlichen Erben hat. Sein Bruder, der Kaiser von China, hat seinen Titel abgelegt und wird dem Vernehmen nach zurzeit »Vorsitzender, der zehntausend Dinge gleichzeitig tun kann«, geheißen: Allmächtiger. Von Thronfolgern ist insoweit noch nichts bekannt geworden, und der 14. Dalai Lama zählt nicht.

Spoiler
Damit sind, wenn auch nur mittelbar, Stichworte gefallen, die den sensibilisierten Weltbürger in uns elektrisieren. Das trifft sich gut, denn die Partei Bündnis90/Die Grünen hat seit Kurzem nicht nur mehrere Bundesminister, sondern auch eine stellvertretende Parteivorsitzende, deren Tätigkeitsschwerpunkte mit »globale Gerechtigkeit« und »feministische Außenpolitik« angegeben werden. Eine interessante Mischung und eine schöne Ergänzung zur schwulen, saarländischen und völkerrechtswissenschaftlichen Außenpolitik! Die deutsche feministische Außenpolitik ist deshalb, wie die zuständige Ministerin mitteilte, »fassungslos, aber nicht wehrlos«.

»1914«. »Vorabend« von Europas Untergang. Zar, Kaiser und Könige in Schicksalsverstrickung, deren kausale und emotionale Verknotungen auch 108 Jahre nach dem Attentat von Sarajewo niemand, noch nicht einmal Herfried Münkler, in Gänze darzulegen vermöchte. Ein Jahrhundert im Traumaschatten von Verdun! Vom 11. November 1918 zum 22. Juni 1940, mit der Eisenbahn nach Compiègne und zurück.

Umso bemerkenswerter, dass uns Völkerrechtlerinnen, Leitartikler und Showmaster darauf aufmerksam machen, dass in der Ukraine die Pilotfolge des Sequels gestartet sei: Der »Große Krieg« ist ausgebrochen. Gerade noch hatte die Wehrkundetagung in München den Menschen guten Willens letztmalig Gelegenheit gegeben, dem dunklen Reich im Osten nicht allein mit Folgen, sondern sogar mit Konsequenzen zu drohen. Ach, was sage ich: Mit ernsten, sehr ernsten, schwersten, unvorstellbaren, nie dagewesenen Folgen, sollte Wladimir Sauron es wagen, weiterhin Nato-Aspiranten zum Hinterhof seines ihm vom Großmachtschicksal zugewiesenen Einflussgebiets zu erklären.

Deutschland, schon 1914 weit vorn dabei, ist bereit, größte Opfer für eine wertegestützte Globalpolitik zu bringen: Käuferstreik gegen Gazprom, Frieren für die Freiheit, Helme. Seit 26. Februar nun auch Boden-Luft-Raketen, Panzerfäuste und weiteren Kleinkram aus den oberhessischen Depots zur Bekämpfung des – wie wir aus der »FAZ« am Sonntag gelernt haben – »Monsters« aus dem Osten. Und natürlich Swift, damit Russland endlich da ankommt, wo Nordkorea und der Iran schon sind.

Im Orchestergraben rumoren die Generäle: Es fehlt eine schlagkräftige Panzertruppe, meint der Inspekteur des Heeres. Und natürlich eine Luftwaffe, die diesen Namen verdient, ergänzte Herr General a.D. Kujat, geb. 1942, Aufsichtsratsvorsitzender bei Heckler & Koch a.D. Es geht nichts über ein ordentliches Timing. Ein Sondervermögen von 100.000 Millionen für die dringendsten Anschaffungen der Bundeswehr wurde angekündigt. Vor einer Woche noch war das trickreiche Sondervermögen zur Weltklimarettung so was von verfassungswidrig!

Die Grünen wären, wenn ich Frau Ministerins Mimik richtig deute, einem kleinen Gegenschlag nicht von vornherein abgeneigt; sicher könnte Joschkas Einverständnis mit ein paar humanitären Tornadoeinsätzen eingeholt werden. Die Friedenspartei SPD will es bisher nicht gleich übertreiben: Die Bundesinnenministerin hat, nachdem Untergangsreporter auf die Idee kamen, es drohe Deutschland nach der »Zeynap« – und der »Antonia«-Katastrophe nun die Überschwemmungskatastrophe von vier Millionen ukrainischen Flüchtlingen, am Dienstag klargestellt, die Aufgabe Deutschlands liege bei der freundlichen Unterstützung der Ukraine-Anrainerstaaten. Will sagen: viel Spaß, Polen!

Man muss dafür Verständnis haben. Deutschland hat mit der von Frau Dr. Merkel angelockten letzten Flutwelle von 2015 schon den Rand seiner Existenz erreicht; da sind diesmal andere dran! Hubschrauber können wir nicht schicken, weil wie immer alle zum TÜV müssen, und Panzergrenadiere auch nicht, weil die potenziell zu verheizende junge Generation erstens null Bock und zweitens keine Zeit hat.

Und Frau Faeser hat nun gerade auch Wichtigeres zu tun, als Flüchtlingslagerpläne für Vareniki essende Ukrainer zu planen. Ihr ist Frau Dr. Bubrowski auf den Fersen, die auch vom Völkerrecht her kommt und bei der »FAZ« für die harten Analysen zuständig ist. Seit sie Fleißkärtchen für Bundesrichter verteilte, ist sie zur Hauptstadt-Deuterin aufgestiegen und erfreut hier wie dort mit hellsichtigen Ergründungen. Neuerdings widmete sie sich fortgesetzt mit bis zu drei Artikeln an einem Tag (8. Februar) dem Verdacht schwerer Verfassungsuntreue der Ministerin, die einst in der Zeitung der dezent geriatrischen »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes«, die bis vor 33 Jahren (!) auf der Empfängerliste von Herrn Schalck-Golodkowski stand und Ehrengast auf jedem proletarischen »UZ-Fest« war, einen allgemein als richtig angesehenen Beitrag veröffentlicht hat. Die Bedeutung dieses Themas kann man ahnen, seit man von Herrn Putin erfahren hat, die Ukraine sei von Wladimir I. Uljanow gegründet worden, ein Versehen, das nach hundert Jahren nun einer Korrektur bedürfe, die, wie wir vom weiland Stabschef Colin Powell gelernt haben, mit chirurgischer Präzision auszuführen sei.

Dämmerung
Apropos Völkerrecht: Alte Männer und Frauen werden sich daran erinnern, dass vor langer Zeit eine in Guatemala hausende abtrünnige Bande selbst ernannter Freiheitsfreunde einen nördlichen Nachbarn bat, sie erstens als legitime Regierung von Kuba mit vorübergehendem Regierungssitz in Miami anzuerkennen und zweitens ein paar Friedenstruppen zum Schutz von Frauen und Kindern auf die Insel zu senden. Die Sache endete am 17. April 1961 suboptimal in der Schweinebucht, was einen berühmten Berliner dazu ermunterte, im Oktober 1962 Herrn Nikita Sauron auszurichten, sollte dieser es wagen, einen Fuß auf das von Gott selbst den Pilgrim Fathers geschenkte Kuba-Territorium zu setzen, werde man erst ihn, dann sich selbst und notgedrungen die ganze Welt vernichten. Auf Russisch würde man formulieren: Wer sich uns entgegenstellt, dem werden wir mit Maßnahmen antworten, die er in der Geschichte noch nie erlebt hat. Zum Dank wurde der gut gekleidete amerikanische Oligarchensohn am 26. Juni 1963 von Herrn Konrad Adenauer nicht im gleichnamigen Mercedes, sondern im Lincoln Continental X-100 durch das unteilbare Teil-Berlin gefahren, was sich allerdings automobiltechnisch als schlechtes Omen erweisen sollte.

Das ist lange her, und wir wollen auch nicht penetrant daran erinnern, dass, bevor The Land of the Free in ganzer Schönheit erstrahlte, zunächst die Bevölkerung eines ganzen Kontinents auszurotten war. Wir könnten aber vorsichtig daran erinnern, dass kürzlich, im Jahr 2003, die Weltmacht USA einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf ein Land unternahm, das ungefähr 10.000 Kilometer von der nächstgelegenen amerikanischen Grenze entfernt liegt, aber nur tausend Kilometer von Wolgograd, das früher einmal Stalingrad hieß. Mithilfe der Koalition der Willigen wurde die mission accomplished und nahm, wie kurz darauf in Afghanistan, ein Nationbuilding seinen Verlauf, dem inzwischen schätzungsweise eine Million Hobelspäne zum Opfer gefallen sind. Im Irak immerhin ohne Deutschland, was Frau Merkel übrigens gar nicht gut fand (»FAZ«, 27. März 2003).

Nun hört der Defaitist in mir den Chor der Willigen rufen: Keine Relativierung bitte! Gegenfrage: Warum nicht? Nehmen Sie, liebe Leser, eine beliebige Auswahl der deutschen Kampfesreden aus den vergangenen vier Tagen, und setzen Sie für jedes »Putin« einmal »China« oder »Saudi-Arabien« oder »USA« ein, für jedes Mal »Ukraine« wahlweise »Uiguren«, »Jemen« oder »Irak«. Ein Mensch, der einen Angriffskrieg beginnt, darf nicht mehr Mitglied der Völkergemeinschaft sein? Die Wertegemeinschaft der Welt kann es nicht ertragen, dass »Unschuldige« unter Unterdrückung, Gewalt und Eroberung leiden? Da lachen ja die Hühner, sagt die Weltgemeinschaft seit 80 Jahren. Im neuen Deutschland 2022 werden die ersten Vaterlandsverräter und pflichtvergessenen Defaitisten ausgespäht.

Einmal direkt und schrecklich realpolitisch gefragt: Welchen Anspruch genau hat noch mal das Nicht-Nato-Mitglied Ukraine darauf, dass Deutschland es mit Waffen beliefert, dessen politische Elite seit 75 Jahren geschworen hat, niemals wieder von Staats wegen »Waffen in Krisengebiete« zu senden? Aus welchem dunklen Grund ist eigentlich Russland nicht wegen des Tschetschenienkriegs oder des Georgienkriegs oder des Krimkriegs zum Erbfeind erklärt worden? Hat nicht kürzlich, während der Weltrodelspiele nördlich von Taipeh, der Vorsitzende von China öffentlich ausrichten lassen, selbstverständlich werde sein Reich sich die abtrünnige Provinz von Chiang Kai-shek und CIA wieder einverleiben, sobald es gehe? Hat Deutschland eigentlich auch Waffen nach Hongkong gesendet? Bei solchen Fragen schreit natürlich der gute Mensch von Spree und Rhein: »Zynismus!«. Andererseits: Irgendwoher müssen Lithium und Öl halt kommen, spricht derselbe, nun in seiner Gestalt als realpolitisches Monster: Gut, dass unsere Völkerrechtsfreunde aus dem saudischen Königshaus noch ein bisschen davon für uns haben, und gut, dass die chilenische Lithiumproduktion nicht unter der Herrschaft einer skrupellosen, gewaltfixierten Großmacht steht!

Nacht
Zurück zu »1914«. Faszinierend ist es zu beobachten, mit welch routinierter Angstlust die deutsche Friedenspresse binnen weniger Tage den Jargon der Generalstäbe übernommen und zum Maßstab des eigenen Expertentums gemacht hat. Die Frage »Was wird die nächste Eskalationsstufe sein?« wird zwar noch mit der Vokabel »Sorge« umkränzt, wirkt aber doch schon ein bisschen genervt, wenn bis zum nächsten News-Update keine weiteren Detonationen zu hören waren. Bilder sind leider knapp. Kriegsreporter haben’s auch nicht leicht.

Natürlich ist die 1914er-Zinnsoldaten-Herrlichkeit noch nicht wieder hergestellt. Die »Experten« jeder Fachrichtung (außer Virologie) fachsimpeln zwar über die Zahl der einsatzfähigen Flugabwehrsysteme und entwerfen Pläne für den bevorstehenden Guerillakrieg der ukrainischen Taliban, sind aber bislang zu wenig embedded. Triumphierend wird berichtet, die Zivilbevölkerung der Ukraine sei aufgerufen worden, Molotowcocktails zu basteln. Im nächsten Clip dann wieder: die armen Kinder und Frauen.

Presse: Ausbruch der Putin-Wissenschaft: Wer kennt Putin? Wer durchschaut Putin? Was will Putin? Wie ist Putin denn so? Warum? Was hat er überhaupt? Wie heißt der Möbelschreiner von Putin? Und so weiter. Schuld an allem ist, der Kanzler hat es gesagt, ganz allein und ausschließlich Putin. Ein Wahnsinniger in einer goldenen Bahnhofshalle, eine Art Gaddafi, Hussein und kleiner Raketenmann in einem. Man könnte einwenden, dass Russland 150 Millionen Einwohner hat, gefestigte, hochgebildete Eliten, einen sehr großen militärisch-industriellen Komplex. Man könnte auf die Idee kommen, dass die Beschreibung, welche den Marineinspekteur Krause kürzlich den Job gekostet hat, der Wahrheit ziemlich nahegekommen sein mag. Stattdessen heißt die Großmacht Russland bei den »Zeitenwende«-Jüngern jetzt »Putin«, während Xi Jinping vorerst noch »China« heißen darf.

Morgenrot
Vor einer Woche noch sagte »Heinz« (Wolf), wenn er nach »Marietta« (Slomka) und ihrer Frage: »Gibt es neues in Kiew, Anna?« wie immer »mit dem Sport kam«: »Auch im Eiskanal von Peking ging es heute wieder turbulent zu.« Den Übergang hätte Herr Delling auch nicht besser hingekriegt. Heute natürlich: undenkbar! »Bild« schreitet voran, die Herren von Altenbockum und Kohler entwerfen in der »FAZ« seitenlang kühnste Pläne für die neue Weltordnung, die endlich wieder die ganz alte sein muss; sogenannte linke Friedensengel erklären reihenweise das Leben ganzer Generationen für schwer irrtümlich. Ein Ruck muss durch Deutschland gehen. Durch die Börsen geht er schon: Sehr schön, sagt man dort, werden wir dem Ende der Welt mit dem dringend erforderlichen Update von der Schippe rutschen.

Im Eiskanal von Peking kam Deutschland übrigens hinter Norwegen auf Platz zwei in der Sportart »Medaillen-Haben«. Norwegen ist Mitglied der Nato, die Ukraine nicht. Man kann aber nicht sagen, dass sich das ausgleicht. Man kann auch nicht bestreiten, dass die wichtigsten Nato-Staaten im Jahr 1990 mit Tränen in den Augen geschworen haben, sich keinesfalls über den Rand des friedliebenden Nie-Wieder-Krieg-Deutschland hinaus nach Osten ausdehnen zu wollen, was ihnen ein paar Jahre später genauso proletarisch ♥♥♥gal war wie Deutschland die pazifistischen Grundschwüre in den Fällen Kosovo, Afghanistan und Irak und den Russen die feministisch-außenpolitischen Sanktionen des Jahres 2022.

Tageslicht
Dadurch, dass auch andere Kriegsgründe erlogen und Überfälle völkerrechtswidrig waren, werden die russischen Propagandalügen und Annexionen allerdings kein bisschen rechtmäßiger. Und dadurch, dass Frau Merkel im Jahr 2003 die Opfer der irakischen Zivilbevölkerung zwar »extrem bedauerlich«, aber leider »unausweichlich« fand, werden Angst und Leid der ukrainischen Bevölkerung nicht weniger schlimm.

Allerdings schiene es mir, bei aller Hochachtung vor dem Mut der ukrainischen Regierung, angebracht, das hiesige Niveau der moralischen Fassungslosigkeit zu senken, zumindest im Ministersprech, in den Leitartikeln und in den Nachmittags-Spielshows. Die schwer überhörbare Angstfreude, mit welcher ab Tag X plus 2 in Deutschland das Gegenteil alles bislang Gültigen verkündet wurde, und die offenbar widerspruchsfrei herrschende Meinung der Moralexplosion, es sei »unausweichlich«, Lausitz wie Oberpfalz für die Schlacht gegen »Putin« vorzubereiten, erscheinen mir nicht nur voreilig, sondern auch verdächtig. Das wird nicht dadurch besser, dass Frau Kramp-Karrenbauer kräht, Deutschland habe militärstrategisch »versagt«, und die Nachfolgerin berichtet, die Struck-Guttenbergsche Verteidigungsarmee habe schon fast tausend Mann in Litauen unter Waffen.

Wir, ihr, alle sind total »enttäuscht« darüber, dass »Putin« nicht so moralisch ist wie wir. »Frech ins Gesicht gelogen« wurde Baerbock und Scholz, also »dem Westen«. Kaum zu glauben! Das Zeitalter des Friedens sei vorbei, so wird im Chor »analysiert«. Unerwähnt bleibt, dass während der letzten 40 Jahre weder Deutschland friedlich gegen Dritte war noch überhaupt irgendwo auf der weiten Welt außer im westeuropäischen Auenland jenes Zeitalter des Friedens geherrscht hat, von dem wir uns jetzt zu verabschieden behaupten. Im Gegenteil sind viele Millionen Menschen in Dutzenden von Stellvertreter-, Bürger- und Eroberungskriegen getötet, Hunderte Millionen verletzt, verjagt, ausgehungert und jeglicher Lebensperspektive beraubt worden. Alles im Schatten und mit empathischer Begleitung der blühenden Landschaften und ihrer selbstmitleidigen Bewohner, die aus purer Langeweile einen ergiebigen Schneefall im Januar für eine »Katastrophe« halten, eine einigermaßen glücklich verlaufende Seuche für den Untergang der Freizeitwelt und die selbst gebaute Wegwerfgesellschaft für eine Hölle des »immer schlimmer«.

Nicht erst seit 1914 weiß man, dass Heldenmut und strategische Kriegskunst mit zunehmender Entfernung zur Front ansteigen und ihren Höhepunkt im Rentenalter erreichen. Der überwältigende Teil der hiesigen Bevölkerung ist in seinem Leben einer »kriegerisch« zu nennenden Gewalt nicht näher gekommen, als der Fernseher vom Wohnzimmersofa entfernt stand. Das ist erfreulich; dennoch darf man gelegentlich daran erinnern, dass die »Truman Show« ein Film ist und nicht unser Zuhause. »Ukraine« ist kein Computerspiel, in dem alles gleich wichtig ist: Festkleben auf der Autobahn, Weltverschwörung der Virologen und »1914«.

Es ist zu vermuten, dass der Krieg gegen die Ukraine von Russland gewonnen wird. Wenn Deutschland Panzerfäuste und 500 Raketen liefert, wird das trotzdem geschehen. Daher stellt sich die Frage, welcher Sinn und welche strategische Zielsetzung damit verfolgt wird. Moral ist nicht, was Nato-Stäbe vorrangig beschäftigt. Was also wird angestrebt: Afghanistan II? Asymmetrischer Krieg in Osteuropa für das nächste Jahrzehnt? Wäre ja denkbar, sollte aber diskutiert werden. Mit anderen Worten: Ist das jetzt »unser« Krieg? Deutschland schickt erst Helme, dann Boden-Luft-Raketen – wie wär’s mit ein paar Sanitätskompanien?

Russland wird keine Panzerverbände in Nato-Staaten entsenden. Und auch nicht zum Atlantik vordingen. Was stattfindet, sind Grenzverschiebungen im Großmachtpoker um die Ressourcen der Welt. Das ist schlimm genug, aber aufs Ganze gesehen nicht überraschend. Während der letzten Jahrzehnte fand das permanent statt: etwas weiter weg von Berlin, aber stets mit Unterstützung deutscher Hochtechnologie.

Russland, genannt »Putin«, hat, neben anderen, ganz zweifellos auch ein deutsches Trauma. Deutschland hat, aus ähnlichen Ursprüngen, aber ziemlich entgegengesetzten Gründen, auch ein russisches Trauma. Bemerkenswert ist, dass hinter den Hysterien der Oberfläche beide wirksam sind. Es steckt, so vermute ich, noch eine große Portion Wolgograd und St. Petersburg in den neudeutsch woken Knochen. Und am Ende wartet, so will mir scheinen, vielleicht doch so mancher, der es noch gar nicht weiß, ganz still bei sich auf einen neuen 4. August 1914.
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https://www.spiegel.de/panorama/krieg-in-der-ukraine-und-der-vergleich-mit-1914-a-efad9f8a-84fb-4ea3-b343-fbee8dcf3b49
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #234 am: 7. März 2022, 11:00:57 »
Zitat
Bei jeder Staatsanwaltschaft gehen jeden Tag Anzeigen des Kalibers ein, dass alle Richter des örtlichen Gerichts sich der Rechtsbeugung schuldig gemacht hätten, weil sie den Reichsbürger X zur Zahlung der Müllgebühren verurteilt haben. Oder, dass der Nachbar sich mittels Grillen von Bratwürsten der schweren Körperverletzung schuldig gemacht habe. Solche Anzeigen »geben keinen Anlass«, den Sachverhalt zu erforschen. Sie werden in einem »Vorprüfungsverfahren«, das in den beiden genannten Fällen ungefähr 30 Sekunden dauert, ad acta gelegt.

Die Entscheidung fällt sicher schnell. Aber dann muß der Einstellungsbescheid geschrieben werden und höchstwahrscheinlich kommt kurz darauf eine seitenlange Beschwerde.

Zitat
Sexualstraftaten durch katholische Kleriker dürften in den letzten 25 Jahren nicht häufiger geschehen sein als Sexualstraftaten durch Mediziner oder Sozialarbeiter, Sportlehrer oder Polizeibeamte.

Da bin ich mir nicht so sicher - ich kann mir durchaus vorstellen, daß der Beruf Pädophile anzieht. Wo sonst gehört es zur Arbeitsplatzbeschreibung, als unverheirateter Mann viel Kinder- und Jugendarbeit zu machen? Mehr noch, Kinder und Jugendliche dazu zu bringen, intimste Dinge zu beichten?
Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!
 
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #235 am: 7. März 2022, 11:17:59 »
Da bin ich mir nicht so sicher - ich kann mir durchaus vorstellen, daß der Beruf Pädophile anzieht.


Jein.
Der Anteil gegenüber der Gesamtgesellschaft dürfte vermutlich erhöht sein, aber es gibt ja nicht nur pädophile Priester, sondern auch reichlich homo- und  heterosexuelle – nicht umsonst gibt es stabil über die Jahrzehnte etwa 8000 organisierte „Priesterfrauen“, also Frauen, die mit einem kath. Priester zusammenleben und/oder von ihm Kindern haben:

https://www.vkpf.de/

https://www.zoelibat-frauen.de/

Und das sind nur die organisierten, daneben gibt es noch reichlich weitere.

Mißbrauch besteht ja auch in heterosexuellen Übergriffen, das wird leicht vergessen.
Und nicht jeder homosexuelle ist pädophil.
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #236 am: 7. März 2022, 11:21:47 »
Niemand außerhalb der katholischen Kirche hat etwas gegen Priester einzuwenden, welche mit Erwachsenen einvernehmlichen Sex haben - egal, ob hetero- oder homosexuell.

Sexuelle Delikte gegen Erwachsene werden bei Priestern auch nicht häufiger als bei anderen gesellschaftlichen Gruppen vorkommen, deshalb bezog ich mich nur auf Pädophile.

Und nicht jeder homosexuelle ist pädophil.

Dazu sagt Edith: hat auch niemand behauptet. Pädophilie kommt nach meiner Kenntnis bei Hetero- wie Homosexuellen gleich häufig vor.

Btw, ich "durfte" auch Sexualdelikte bearbeiten und hatte zwar viele Fälle von Kindesmißbrauch, aber nur wenige wirklich pädophile Täter. Die meisten Täter sind vielmehr armselige Würstchen und trauen sich nicht an Erwachsene ran.
« Letzte Änderung: 7. März 2022, 12:18:42 von Rabenaas »
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #237 am: 7. März 2022, 13:12:28 »
Zu Russland legt Fischer durchaus mit Recht seine Finger in manche offene Wunde, allerdings setzt er sich auch überhaupt nicht mit den Gründen auseinander, warum der Westen im Fall Ukraine sich stärker als anderswo engagiert - dazu gehören auch die Bündnissysteme und Machtverhältnisse (was soll man bitteschön gegen den dominanten und waffenstarrenden Partner in der NATO effektiv machen?), die räumliche Nähe zur EU, als auch die Vorgeschichte mit der Krim, Donbass und dem Abkommen mit den Atomwaffen, die Frage, wo Putin dann als nächstes weitermacht, die Geschichte um Juschtschenko, inwiefern China das als Test sieht, usw.  Fischer lässt das alles einfach bequem unter den Tisch fallen.

Da wird er seinem moralischen Zeigefinger selber nicht gerecht.

Die Sache ist halt doch etwas zu komplex für einen kurzen Fischer-Aufsatz. Und Außenpolitik nicht Fischers Expertise.
« Letzte Änderung: 7. März 2022, 13:14:48 von Sandmännchen »
soɥdʎsıs sǝp soɥʇʎɯ ɹǝp 'snɯɐɔ ʇɹǝqlɐ –
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #238 am: 7. März 2022, 13:50:04 »
Bei Fischer bin ich mir nie sicher, ob dass was er vorträgt nicht einfach eloquenter Stuss ist oder ob es so genial ist, dass ich es nicht verstehe.
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #239 am: 7. März 2022, 13:53:52 »
Manchmal so, manchmal so ... Interessant ist immer, wie er zu den Argumenten der anderen Seite Stellung nimmt. Hier leider gar nicht über "haben wir so noch nie gemacht".
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