Der Kolumnist äußert sich nur noch selten, hat aber intensiv das Prüfungsverfahren beschrieben, wenn Anzeigen unserer Kundschaft eingehen:
Außerdem hat er sich zu den Aufregungen um den Mißbrauch im Erzbistum München und Freising geäußert:
Spoiler
Damit sind, wenn auch nur mittelbar, Stichworte gefallen, die den sensibilisierten Weltbürger in uns elektrisieren. Das trifft sich gut, denn die Partei Bündnis90/Die Grünen hat seit Kurzem nicht nur mehrere Bundesminister, sondern auch eine stellvertretende Parteivorsitzende, deren Tätigkeitsschwerpunkte mit »globale Gerechtigkeit« und »feministische Außenpolitik« angegeben werden. Eine interessante Mischung und eine schöne Ergänzung zur schwulen, saarländischen und völkerrechtswissenschaftlichen Außenpolitik! Die deutsche feministische Außenpolitik ist deshalb, wie die zuständige Ministerin mitteilte, »fassungslos, aber nicht wehrlos«.
»1914«. »Vorabend« von Europas Untergang. Zar, Kaiser und Könige in Schicksalsverstrickung, deren kausale und emotionale Verknotungen auch 108 Jahre nach dem Attentat von Sarajewo niemand, noch nicht einmal Herfried Münkler, in Gänze darzulegen vermöchte. Ein Jahrhundert im Traumaschatten von Verdun! Vom 11. November 1918 zum 22. Juni 1940, mit der Eisenbahn nach Compiègne und zurück.
Umso bemerkenswerter, dass uns Völkerrechtlerinnen, Leitartikler und Showmaster darauf aufmerksam machen, dass in der Ukraine die Pilotfolge des Sequels gestartet sei: Der »Große Krieg« ist ausgebrochen. Gerade noch hatte die Wehrkundetagung in München den Menschen guten Willens letztmalig Gelegenheit gegeben, dem dunklen Reich im Osten nicht allein mit Folgen, sondern sogar mit Konsequenzen zu drohen. Ach, was sage ich: Mit ernsten, sehr ernsten, schwersten, unvorstellbaren, nie dagewesenen Folgen, sollte Wladimir Sauron es wagen, weiterhin Nato-Aspiranten zum Hinterhof seines ihm vom Großmachtschicksal zugewiesenen Einflussgebiets zu erklären.
Deutschland, schon 1914 weit vorn dabei, ist bereit, größte Opfer für eine wertegestützte Globalpolitik zu bringen: Käuferstreik gegen Gazprom, Frieren für die Freiheit, Helme. Seit 26. Februar nun auch Boden-Luft-Raketen, Panzerfäuste und weiteren Kleinkram aus den oberhessischen Depots zur Bekämpfung des – wie wir aus der »FAZ« am Sonntag gelernt haben – »Monsters« aus dem Osten. Und natürlich Swift, damit Russland endlich da ankommt, wo Nordkorea und der Iran schon sind.
Im Orchestergraben rumoren die Generäle: Es fehlt eine schlagkräftige Panzertruppe, meint der Inspekteur des Heeres. Und natürlich eine Luftwaffe, die diesen Namen verdient, ergänzte Herr General a.D. Kujat, geb. 1942, Aufsichtsratsvorsitzender bei Heckler & Koch a.D. Es geht nichts über ein ordentliches Timing. Ein Sondervermögen von 100.000 Millionen für die dringendsten Anschaffungen der Bundeswehr wurde angekündigt. Vor einer Woche noch war das trickreiche Sondervermögen zur Weltklimarettung so was von verfassungswidrig!
Die Grünen wären, wenn ich Frau Ministerins Mimik richtig deute, einem kleinen Gegenschlag nicht von vornherein abgeneigt; sicher könnte Joschkas Einverständnis mit ein paar humanitären Tornadoeinsätzen eingeholt werden. Die Friedenspartei SPD will es bisher nicht gleich übertreiben: Die Bundesinnenministerin hat, nachdem Untergangsreporter auf die Idee kamen, es drohe Deutschland nach der »Zeynap« – und der »Antonia«-Katastrophe nun die Überschwemmungskatastrophe von vier Millionen ukrainischen Flüchtlingen, am Dienstag klargestellt, die Aufgabe Deutschlands liege bei der freundlichen Unterstützung der Ukraine-Anrainerstaaten. Will sagen: viel Spaß, Polen!
Man muss dafür Verständnis haben. Deutschland hat mit der von Frau Dr. Merkel angelockten letzten Flutwelle von 2015 schon den Rand seiner Existenz erreicht; da sind diesmal andere dran! Hubschrauber können wir nicht schicken, weil wie immer alle zum TÜV müssen, und Panzergrenadiere auch nicht, weil die potenziell zu verheizende junge Generation erstens null Bock und zweitens keine Zeit hat.
Und Frau Faeser hat nun gerade auch Wichtigeres zu tun, als Flüchtlingslagerpläne für Vareniki essende Ukrainer zu planen. Ihr ist Frau Dr. Bubrowski auf den Fersen, die auch vom Völkerrecht her kommt und bei der »FAZ« für die harten Analysen zuständig ist. Seit sie Fleißkärtchen für Bundesrichter verteilte, ist sie zur Hauptstadt-Deuterin aufgestiegen und erfreut hier wie dort mit hellsichtigen Ergründungen. Neuerdings widmete sie sich fortgesetzt mit bis zu drei Artikeln an einem Tag (8. Februar) dem Verdacht schwerer Verfassungsuntreue der Ministerin, die einst in der Zeitung der dezent geriatrischen »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes«, die bis vor 33 Jahren (!) auf der Empfängerliste von Herrn Schalck-Golodkowski stand und Ehrengast auf jedem proletarischen »UZ-Fest« war, einen allgemein als richtig angesehenen Beitrag veröffentlicht hat. Die Bedeutung dieses Themas kann man ahnen, seit man von Herrn Putin erfahren hat, die Ukraine sei von Wladimir I. Uljanow gegründet worden, ein Versehen, das nach hundert Jahren nun einer Korrektur bedürfe, die, wie wir vom weiland Stabschef Colin Powell gelernt haben, mit chirurgischer Präzision auszuführen sei.
Dämmerung
Apropos Völkerrecht: Alte Männer und Frauen werden sich daran erinnern, dass vor langer Zeit eine in Guatemala hausende abtrünnige Bande selbst ernannter Freiheitsfreunde einen nördlichen Nachbarn bat, sie erstens als legitime Regierung von Kuba mit vorübergehendem Regierungssitz in Miami anzuerkennen und zweitens ein paar Friedenstruppen zum Schutz von Frauen und Kindern auf die Insel zu senden. Die Sache endete am 17. April 1961 suboptimal in der Schweinebucht, was einen berühmten Berliner dazu ermunterte, im Oktober 1962 Herrn Nikita Sauron auszurichten, sollte dieser es wagen, einen Fuß auf das von Gott selbst den Pilgrim Fathers geschenkte Kuba-Territorium zu setzen, werde man erst ihn, dann sich selbst und notgedrungen die ganze Welt vernichten. Auf Russisch würde man formulieren: Wer sich uns entgegenstellt, dem werden wir mit Maßnahmen antworten, die er in der Geschichte noch nie erlebt hat. Zum Dank wurde der gut gekleidete amerikanische Oligarchensohn am 26. Juni 1963 von Herrn Konrad Adenauer nicht im gleichnamigen Mercedes, sondern im Lincoln Continental X-100 durch das unteilbare Teil-Berlin gefahren, was sich allerdings automobiltechnisch als schlechtes Omen erweisen sollte.
Das ist lange her, und wir wollen auch nicht penetrant daran erinnern, dass, bevor The Land of the Free in ganzer Schönheit erstrahlte, zunächst die Bevölkerung eines ganzen Kontinents auszurotten war. Wir könnten aber vorsichtig daran erinnern, dass kürzlich, im Jahr 2003, die Weltmacht USA einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf ein Land unternahm, das ungefähr 10.000 Kilometer von der nächstgelegenen amerikanischen Grenze entfernt liegt, aber nur tausend Kilometer von Wolgograd, das früher einmal Stalingrad hieß. Mithilfe der Koalition der Willigen wurde die mission accomplished und nahm, wie kurz darauf in Afghanistan, ein Nationbuilding seinen Verlauf, dem inzwischen schätzungsweise eine Million Hobelspäne zum Opfer gefallen sind. Im Irak immerhin ohne Deutschland, was Frau Merkel übrigens gar nicht gut fand (»FAZ«, 27. März 2003).
Nun hört der Defaitist in mir den Chor der Willigen rufen: Keine Relativierung bitte! Gegenfrage: Warum nicht? Nehmen Sie, liebe Leser, eine beliebige Auswahl der deutschen Kampfesreden aus den vergangenen vier Tagen, und setzen Sie für jedes »Putin« einmal »China« oder »Saudi-Arabien« oder »USA« ein, für jedes Mal »Ukraine« wahlweise »Uiguren«, »Jemen« oder »Irak«. Ein Mensch, der einen Angriffskrieg beginnt, darf nicht mehr Mitglied der Völkergemeinschaft sein? Die Wertegemeinschaft der Welt kann es nicht ertragen, dass »Unschuldige« unter Unterdrückung, Gewalt und Eroberung leiden? Da lachen ja die Hühner, sagt die Weltgemeinschaft seit 80 Jahren. Im neuen Deutschland 2022 werden die ersten Vaterlandsverräter und pflichtvergessenen Defaitisten ausgespäht.
Einmal direkt und schrecklich realpolitisch gefragt: Welchen Anspruch genau hat noch mal das Nicht-Nato-Mitglied Ukraine darauf, dass Deutschland es mit Waffen beliefert, dessen politische Elite seit 75 Jahren geschworen hat, niemals wieder von Staats wegen »Waffen in Krisengebiete« zu senden? Aus welchem dunklen Grund ist eigentlich Russland nicht wegen des Tschetschenienkriegs oder des Georgienkriegs oder des Krimkriegs zum Erbfeind erklärt worden? Hat nicht kürzlich, während der Weltrodelspiele nördlich von Taipeh, der Vorsitzende von China öffentlich ausrichten lassen, selbstverständlich werde sein Reich sich die abtrünnige Provinz von Chiang Kai-shek und CIA wieder einverleiben, sobald es gehe? Hat Deutschland eigentlich auch Waffen nach Hongkong gesendet? Bei solchen Fragen schreit natürlich der gute Mensch von Spree und Rhein: »Zynismus!«. Andererseits: Irgendwoher müssen Lithium und Öl halt kommen, spricht derselbe, nun in seiner Gestalt als realpolitisches Monster: Gut, dass unsere Völkerrechtsfreunde aus dem saudischen Königshaus noch ein bisschen davon für uns haben, und gut, dass die chilenische Lithiumproduktion nicht unter der Herrschaft einer skrupellosen, gewaltfixierten Großmacht steht!
Nacht
Zurück zu »1914«. Faszinierend ist es zu beobachten, mit welch routinierter Angstlust die deutsche Friedenspresse binnen weniger Tage den Jargon der Generalstäbe übernommen und zum Maßstab des eigenen Expertentums gemacht hat. Die Frage »Was wird die nächste Eskalationsstufe sein?« wird zwar noch mit der Vokabel »Sorge« umkränzt, wirkt aber doch schon ein bisschen genervt, wenn bis zum nächsten News-Update keine weiteren Detonationen zu hören waren. Bilder sind leider knapp. Kriegsreporter haben’s auch nicht leicht.
Natürlich ist die 1914er-Zinnsoldaten-Herrlichkeit noch nicht wieder hergestellt. Die »Experten« jeder Fachrichtung (außer Virologie) fachsimpeln zwar über die Zahl der einsatzfähigen Flugabwehrsysteme und entwerfen Pläne für den bevorstehenden Guerillakrieg der ukrainischen Taliban, sind aber bislang zu wenig embedded. Triumphierend wird berichtet, die Zivilbevölkerung der Ukraine sei aufgerufen worden, Molotowcocktails zu basteln. Im nächsten Clip dann wieder: die armen Kinder und Frauen.
Presse: Ausbruch der Putin-Wissenschaft: Wer kennt Putin? Wer durchschaut Putin? Was will Putin? Wie ist Putin denn so? Warum? Was hat er überhaupt? Wie heißt der Möbelschreiner von Putin? Und so weiter. Schuld an allem ist, der Kanzler hat es gesagt, ganz allein und ausschließlich Putin. Ein Wahnsinniger in einer goldenen Bahnhofshalle, eine Art Gaddafi, Hussein und kleiner Raketenmann in einem. Man könnte einwenden, dass Russland 150 Millionen Einwohner hat, gefestigte, hochgebildete Eliten, einen sehr großen militärisch-industriellen Komplex. Man könnte auf die Idee kommen, dass die Beschreibung, welche den Marineinspekteur Krause kürzlich den Job gekostet hat, der Wahrheit ziemlich nahegekommen sein mag. Stattdessen heißt die Großmacht Russland bei den »Zeitenwende«-Jüngern jetzt »Putin«, während Xi Jinping vorerst noch »China« heißen darf.
Morgenrot
Vor einer Woche noch sagte »Heinz« (Wolf), wenn er nach »Marietta« (Slomka) und ihrer Frage: »Gibt es neues in Kiew, Anna?« wie immer »mit dem Sport kam«: »Auch im Eiskanal von Peking ging es heute wieder turbulent zu.« Den Übergang hätte Herr Delling auch nicht besser hingekriegt. Heute natürlich: undenkbar! »Bild« schreitet voran, die Herren von Altenbockum und Kohler entwerfen in der »FAZ« seitenlang kühnste Pläne für die neue Weltordnung, die endlich wieder die ganz alte sein muss; sogenannte linke Friedensengel erklären reihenweise das Leben ganzer Generationen für schwer irrtümlich. Ein Ruck muss durch Deutschland gehen. Durch die Börsen geht er schon: Sehr schön, sagt man dort, werden wir dem Ende der Welt mit dem dringend erforderlichen Update von der Schippe rutschen.
Im Eiskanal von Peking kam Deutschland übrigens hinter Norwegen auf Platz zwei in der Sportart »Medaillen-Haben«. Norwegen ist Mitglied der Nato, die Ukraine nicht. Man kann aber nicht sagen, dass sich das ausgleicht. Man kann auch nicht bestreiten, dass die wichtigsten Nato-Staaten im Jahr 1990 mit Tränen in den Augen geschworen haben, sich keinesfalls über den Rand des friedliebenden Nie-Wieder-Krieg-Deutschland hinaus nach Osten ausdehnen zu wollen, was ihnen ein paar Jahre später genauso proletarisch ♥♥♥gal war wie Deutschland die pazifistischen Grundschwüre in den Fällen Kosovo, Afghanistan und Irak und den Russen die feministisch-außenpolitischen Sanktionen des Jahres 2022.
Tageslicht
Dadurch, dass auch andere Kriegsgründe erlogen und Überfälle völkerrechtswidrig waren, werden die russischen Propagandalügen und Annexionen allerdings kein bisschen rechtmäßiger. Und dadurch, dass Frau Merkel im Jahr 2003 die Opfer der irakischen Zivilbevölkerung zwar »extrem bedauerlich«, aber leider »unausweichlich« fand, werden Angst und Leid der ukrainischen Bevölkerung nicht weniger schlimm.
Allerdings schiene es mir, bei aller Hochachtung vor dem Mut der ukrainischen Regierung, angebracht, das hiesige Niveau der moralischen Fassungslosigkeit zu senken, zumindest im Ministersprech, in den Leitartikeln und in den Nachmittags-Spielshows. Die schwer überhörbare Angstfreude, mit welcher ab Tag X plus 2 in Deutschland das Gegenteil alles bislang Gültigen verkündet wurde, und die offenbar widerspruchsfrei herrschende Meinung der Moralexplosion, es sei »unausweichlich«, Lausitz wie Oberpfalz für die Schlacht gegen »Putin« vorzubereiten, erscheinen mir nicht nur voreilig, sondern auch verdächtig. Das wird nicht dadurch besser, dass Frau Kramp-Karrenbauer kräht, Deutschland habe militärstrategisch »versagt«, und die Nachfolgerin berichtet, die Struck-Guttenbergsche Verteidigungsarmee habe schon fast tausend Mann in Litauen unter Waffen.
Wir, ihr, alle sind total »enttäuscht« darüber, dass »Putin« nicht so moralisch ist wie wir. »Frech ins Gesicht gelogen« wurde Baerbock und Scholz, also »dem Westen«. Kaum zu glauben! Das Zeitalter des Friedens sei vorbei, so wird im Chor »analysiert«. Unerwähnt bleibt, dass während der letzten 40 Jahre weder Deutschland friedlich gegen Dritte war noch überhaupt irgendwo auf der weiten Welt außer im westeuropäischen Auenland jenes Zeitalter des Friedens geherrscht hat, von dem wir uns jetzt zu verabschieden behaupten. Im Gegenteil sind viele Millionen Menschen in Dutzenden von Stellvertreter-, Bürger- und Eroberungskriegen getötet, Hunderte Millionen verletzt, verjagt, ausgehungert und jeglicher Lebensperspektive beraubt worden. Alles im Schatten und mit empathischer Begleitung der blühenden Landschaften und ihrer selbstmitleidigen Bewohner, die aus purer Langeweile einen ergiebigen Schneefall im Januar für eine »Katastrophe« halten, eine einigermaßen glücklich verlaufende Seuche für den Untergang der Freizeitwelt und die selbst gebaute Wegwerfgesellschaft für eine Hölle des »immer schlimmer«.
Nicht erst seit 1914 weiß man, dass Heldenmut und strategische Kriegskunst mit zunehmender Entfernung zur Front ansteigen und ihren Höhepunkt im Rentenalter erreichen. Der überwältigende Teil der hiesigen Bevölkerung ist in seinem Leben einer »kriegerisch« zu nennenden Gewalt nicht näher gekommen, als der Fernseher vom Wohnzimmersofa entfernt stand. Das ist erfreulich; dennoch darf man gelegentlich daran erinnern, dass die »Truman Show« ein Film ist und nicht unser Zuhause. »Ukraine« ist kein Computerspiel, in dem alles gleich wichtig ist: Festkleben auf der Autobahn, Weltverschwörung der Virologen und »1914«.
Es ist zu vermuten, dass der Krieg gegen die Ukraine von Russland gewonnen wird. Wenn Deutschland Panzerfäuste und 500 Raketen liefert, wird das trotzdem geschehen. Daher stellt sich die Frage, welcher Sinn und welche strategische Zielsetzung damit verfolgt wird. Moral ist nicht, was Nato-Stäbe vorrangig beschäftigt. Was also wird angestrebt: Afghanistan II? Asymmetrischer Krieg in Osteuropa für das nächste Jahrzehnt? Wäre ja denkbar, sollte aber diskutiert werden. Mit anderen Worten: Ist das jetzt »unser« Krieg? Deutschland schickt erst Helme, dann Boden-Luft-Raketen – wie wär’s mit ein paar Sanitätskompanien?
Russland wird keine Panzerverbände in Nato-Staaten entsenden. Und auch nicht zum Atlantik vordingen. Was stattfindet, sind Grenzverschiebungen im Großmachtpoker um die Ressourcen der Welt. Das ist schlimm genug, aber aufs Ganze gesehen nicht überraschend. Während der letzten Jahrzehnte fand das permanent statt: etwas weiter weg von Berlin, aber stets mit Unterstützung deutscher Hochtechnologie.
Russland, genannt »Putin«, hat, neben anderen, ganz zweifellos auch ein deutsches Trauma. Deutschland hat, aus ähnlichen Ursprüngen, aber ziemlich entgegengesetzten Gründen, auch ein russisches Trauma. Bemerkenswert ist, dass hinter den Hysterien der Oberfläche beide wirksam sind. Es steckt, so vermute ich, noch eine große Portion Wolgograd und St. Petersburg in den neudeutsch woken Knochen. Und am Ende wartet, so will mir scheinen, vielleicht doch so mancher, der es noch gar nicht weiß, ganz still bei sich auf einen neuen 4. August 1914.