Autor Thema: Thomas Fischer  (Gelesen 29753 mal)

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Re: Thomas Fischer
« Antwort #210 am: 11. Januar 2021, 10:56:16 »
Man konnte eine Äußerung unseres Kolumnisten zum neuerlichen Schirachschen Werk erwarten, wenn auch aufgrund voraufgegangener Auseinandersetzungen mit des Autors Schaffen auch mit einer Zurechtrückung des Dargestellten.

Dazu siehe zuvor
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-10/ard-fernsehen-terror-ferdinand-von-schirach-fischer-im-recht/komplettansicht

und
https://meedia.de/2018/05/24/strafe-fuer-was-auch-immer-die-moerderisch-triviale-gebrauchsliteratur-des-ferdinand-von-schirach/




Zitat
TV-Justiz
Folterkunde, einmal anders

Eine Kolumne von Thomas Fischer
Der Dichter Ferdinand von Schirach hat die ARD zu einem weiteren Meilenstein der Fernsehgeschichte inspiriert. Zehn Millionen schauten zu beim Waterboarden eines Bösewichts. Was konnte man diesmal lernen?
08.01.2021, 15.16 Uhr

Das Fernsehjahr begann mit einem Donnerschlag. Nichts weniger als eine »historische Programmierung« war angesagt, und der Programmdirektor der ARD, Volker Herres, erläuterte den Grund für das »spannende Experiment« im Interview so: »Wir versprechen uns größtmögliche Aufmerksamkeit für das zentrale, gesellschaftlich relevante Thema von Recht und Gerechtigkeit« (Das Erste). Das hört man gern: Auf Recht und Gerechtigkeit als »zentrales Thema« der ARD hätten wir bislang nicht getippt. Aber möglicherweise zählt die Programmdirektion ja auch die 1000 »Tatort«-Folgen dazu.
Spoiler
Am 3. Januar 2021 jedenfalls war einmal mehr der Dichter Ferdinand von Schirach auserwählt, uns gesellschaftliche Relevanz mittels eines »Experiments« nahezubringen. Über die Versuchsanordnung herrschte eine gewisse Uneinigkeit: Im Film wurde das Experiment als »Projekt« des Autors Schirach bezeichnet, weil 300 Kinobesucher in bewährtem Schirach–Setting mit der hochgradig relevanten Frage: »gerecht oder ungerecht« konfrontiert wurden. In früheren interaktiven Gerechtigkeits-Events lautete die Frage »richtig oder falsch« oder »schuldig oder nicht schuldig«. Das programmhistorisch Interessante am Projektcharakter war auch diesmal die verfehlte Fragestellung auf der Grundlage einer grob manipulativen Tatsachenpräsentation.

Nach Bekundung der Programmdirektion bestand das Experiment darin, dass zeitgleich zwei Versionen eines Spielfilms ausgestrahlt wurden, in denen angeblich aus unterschiedlicher Sicht derselbe Fall dargestellt wurde: im Ersten »Die Sicht des Kommissars«, in den dritten Programmen »Die Sicht des Verteidigers«. Das Experiment bestand, so sagte der Programmdirektor, darin, dass die Zuschauer sich »für diesen oder jenen Sender entscheiden« sowie wählen konnten, welche Perspektive sie lieber anschauen wollten. Fast hätte man sich denken können: Der Kommissar auf dem »Tatort«-Sendeplatz hat gewonnen. Man weiß nicht recht, ab man die »Experiment«-Behauptungen überhaupt ernsthaft beantworten soll. Wir belassen es bei dem Hinweis, dass erstens das Einschalten eines Films, den man nicht kennt, wenig über die Meinung sagt, die man zu einer an seinem Ende gestellten fiktiven Frage hat, und dass zweitens die Antwort auf die Frage, ob am Sonntag um 20.15 Uhr wohl mehr Menschen das Erste oder ein Drittes einschalten, mit deutlich weniger Aufwand zu prognostizieren wäre. 

Worum ging es?
Die Frage nach dem Inhalt ist deshalb schwieriger, als man denkt, weil er nach besten Kräften verschleiert wurde.  Programmdirektor Herres nannte es »einen Entführungsfall«, die Berichterstattung im Vorfeld kündigte eine Aufarbeitung des »Falls Daschner« bzw. des »Falls Gäfgen« an. Schirach verlegte das Ereignis in eine andere Stadt und tauschte das Geschlecht des Opfers aus, gestaltete die Story ansonsten aber so, dass 95 Prozent der Zuschauer das Ganze für eine nachgespielte Dokumentation des 18 Jahre alten Falls aus Frankfurt halten mussten. (Hierzu aus dem Handbuch fürs skrupelarme Geldverdienen: Wenn du die Leiche nicht persönlich interviewen kannst, zeig die Mutter beim Weinen oder lies das Tagebuch vor.) Es war wohl kein Zufall, dass die ARD und der Dichter uns nicht erklären, warum Namen und Orte ausgetauscht wurden. Eine Erklärung hätte nämlich neben der Frage der Gerechtigkeit auch die Frage nach der Ekelschwelle angesichts der voyeuristischen Wichtigtuerei mit dem Leiden Dritter aufgeworfen.

Die Schirach-Story ist rasch erzählt und erneut von erstaunlicher Schlichtheit, die sich hinter allerlei Bühnentheatralik verbirgt: Eiskalter Täter entführt zwölfjähriges Kind reicher Eltern und versucht, Lösegeld zu erpressen. Das Kind, dem er persönlich bekannt ist, tötet er unmittelbar nach der Entführung. Schwer erschütterter Kommissar, der mit einer (!) Kollegin ermittelt, ist aus Gefühls-Gründen »überzeugt«, dass ein fies dreinblickender junger Security-Mann der Täter sei. Der leugnet. Der Kommissar (Vorgesetzte scheint er nicht zu haben) stellt einen »Antrag« an die Polizeipräsidentin (!), den Beschuldigten foltern zu dürfen. Da der Antrag abgelehnt wird, geht der Kommissar morgens um 05.30 Uhr in die Untersuchungshaftanstalt, trägt sich ins Besucherbuch ein und unterzieht den Gefangenen einem etwa vierminütigen »Waterboarding«, also einem Scheinertränken, das dem Fernsehzuschauer aus Guantanamo-Berichten geläufig ist. Der Beschuldigte gesteht und verspricht, aus welchen rätselhaften Gründen auch immer, ewiges Stillschweigen über die Folter. Das tote Kind wird aufgrund des Geständnisses gefunden, der Täter angeklagt. Die Lichtgestalt des Stücks, der Verteidiger des Angeklagten (einmal mehr Rechtsanwalt Biegler genannt, des Dichters repetitiver Traum vom Alter Ego), befragt den Kommissar dermaßen geschickt sowie unter Vorweisung des Besucherbuchs, das er, anders als das Gericht, bei der Hand hat, dass der Polizist/Zeuge die Folter zugibt. Dann geht’s schnell: Beratung, Urteil, Freispruch, Abspann, Ende.

Die alternative Version »aus Sicht des Verteidigers« erspart uns die angestrengt empathischen Blicke des Kommissars (»habe auch eine Tochter in dem Alter«) und fügt den Aspekt hinzu, dass der Verteidiger beim Speisen Stress mit seiner Gattin hat, weil er den Kindermörder verteidigt. Ansonsten bleibt es im Wesentlichen gleich. In der Mediathek läuft eine dritte, verkürzte Version, angeblich »auf die Rechtsfrage reduziert«, um, so Herres, den »Sehgewohnheiten des Streamingpublikums« entgegenzukommen (scil.: das schafft keine 90 Minuten).

Hinzugefügt war schließlich eine seltsame Dokumentation über den Fall Gäfgen/Daschner, ergänzt um die Fälle der Entführung von Richard Oetker am 14. Dezember 1976  (Urteil des Landgerichts am 9. Juni 1980) und der Entführung und Ermordung von Anneli-Marie Riße am 13. August 2015 (Urteil des Landgerichts am 5. September 2016). Der Dichter selbst erläuterte dem Publikum, dass die Frage, ob Folter erlaubt sei, mit »Nein« zu beantworten sei. Das war angesichts der Spielfilm-Aufbereitung ein bisschen überraschend, aber hochgradig mehrheitsfähig, weil Schirach/Biegler ja vom Fach (Jurist) ist und daher eine Seite der Sache kundtut, die im Fernsehkosmos als »formaljuristisch« firmiert und sich notorisch durch schwere Moraldefizite zu erkennen gibt. Der Dichter vertritt dann aber, persönlich und heftig rauchend, parallel auch noch die moralische, also »gerechte« Sache. Über die Schicksalsfrage, ob das Recht gerecht sei, durften dann 300 preisgünstige »Projekt«-Statisten per Stimmzettel abstimmen und erwartungsgemäß der Ansicht sein, der Kommissar habe zwar »rechtlich« falsch, gerechtigkeitsmäßig aber richtig gehandelt. Kaum erwähnenswert, dass selbstverständlich alle fanden, es sei ungerecht, dass der schuldige Mörder im Film freigesprochen wurde. Herr Biegler im Film und Herr Schirach im Abspann sagen dazu aber mit milder Stimme, die Würde des Menschen sei unantastbar und die Folter eine sehr unzuverlässige Beweismethode. 

Tatsächlich verhält sich alles ein wenig anders: Der Kindesentführer und -mörder Gäfgen sitzt eine lebenslange Freiheitsstrafe (mit Bejahung besonders schwerer Schuld) ab. Er war nach observierter Lösegeldübergabe festgenommen worden. Bei seiner Vernehmung bestritt er zunächst alles, dann »gestand« er unglaubwürdige Einzelheiten. Der stellvertretende Polizeipräsident D. ordnete, weil er annahm, das Kind lebe noch, an, dass der Vernehmungsbeamte dem Beschuldigten mit »Schmerzen, wie er sie noch nie erlebt habe«, drohen solle, damit er das Versteck des Opfers preisgebe. So geschah es, Gäfgen verriet aus Angst das Versteck; er hatte das Kind aber bereits kurz nach der Entführung getötet. Sein erzwungenes Geständnis wiederholte Gäfgen später ohne Zwang.

Die Strafkammer des Landgerichts hielt das ohne Zwang erneuerte Geständnis trotz der früheren rechtswidrigen Drohung für verwertbar. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten wurde vom 2. Strafsenat des BGH verworfen, auch seine Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Für die rechtsstaatswidrige Behandlung durch die Polizei erhielt er später eine Entschädigung, die mit seinen Schulden verrechnet wurde; an seiner Verurteilung änderte das nichts. Der die Drohung ausführende Polizeibeamte und der diesen anweisende Vorgesetzte D. wurden unter Vorbehalt geringer Geldstrafen schuldig gesprochen und verwarnt.

Fragen
Der Film und das sogenannte »Projekt« trugen den Titel »Feinde«. Die Auskunft darüber, was dieser Titel bedeuten soll, sind Autor und ARD schuldig geblieben. Die dem Spielfilm beigefügte Dokumentation warf überdies Fragen nach der Seriosität des angeblichen »Projekts« auf: Zum einen wurde mit keinem Wort erwähnt, dass und warum die Schirachsche Version in einigen wichtigen Punkten vom authentischen Fall abwich. Zum anderen blieb rätselhaft, was die beiden weiteren Entführungsfälle überhaupt mit dem Schirachschen Fall und der angeblich »zentralen Frage nach Recht und Gerechtigkeit« zu tun haben sollten: Um Folter ging es da nicht. Offenbar wurden wahllos irgendwelche schlimmen Entführungsfälle ausgesucht, um den Zuschauern noch ein bisschen mehr »authentisches« Gruseln zu bieten und ihnen nahezubringen, dass Entführer böse Menschen sind, die man im Eifer schon mal ein bisschen foltern kann.   

Und zum Dritten wurde die einzig halbwegs spannende Frage nicht einmal erwähnt: Wie sähe es aus, wenn sich im Film herausstellte, dass der gefolterte Verdächtige unschuldig war? Mit höchster Wahrscheinlichkeit nämlich würden dann die Projektteilnehmer wie die Zuschauer das gerade Gegenteil dessen meinen, was sie im Film erklärten. Denn so sicher die meisten Menschen sind, dass Schuldige büßen müssen, so sicher sind sie, dass Unschuldigen nichts angetan werden dürfe.

Damit nähern wir uns einer der beiden entscheidenden Fragen: Wer ist hier schuldig, und woher wissen wir das? Hierzu gibt der Dichter Schirach eine kindlich schlichte Antwort: Sein Angeklagter ist in allen Versionen schuldig, weil es so im Drehbuch steht und die Zuschauer ihn deshalb bei der Tat beobachten können. Ohne dass es problematisiert wird, trennt der Film hier also in zwei Perspektiven: Der wissende Zuschauer kennt die Schuld des Verdächtigen und beobachtet den unwissenden Kommissar bei dessen gut gemeinter Aufklärungsfolter. Kaum ist das Wasser verschüttet und der Schuldige abgetrocknet, fügen sich die beiden Stränge aber wieder: Der Schuldige hat gestanden. Die eigentlich wichtige Frage, ob man durch Folter beweisen kann, dass ein Verdächtiger schuldig ist, verdreht Schirach in die Frage, ob man einem Schuldigen durch Folter ein Beweismittel abnötigen darf. Da die Verdrehung vor den Zuschauern angelegentlich verborgen wird, bemerken diese nicht, dass die Frage so falsch ist wie die Antwort dumm.

Das komplizierte Verhältnis zwischen materieller Wirklichkeit, festgestellter Wahrheit, Beweislage, Prozessrecht und materieller Strafdrohung ist den weitaus meisten Bürgern unbekannt, da sie seit Jahrzehnten mit immer denselben Verdrehungen bei Feierabendlaune gehalten werden. Sie halten die Frage nach der Zulässigkeit von Beweiserhebungen und Beweisverwertungen daher für eine juristische »Spitzfindigkeit«, die mit der Gerechtigkeit nichts zu tun habe und ihrer eigenen Aufmerksamkeit nicht bedürfe. In diesem Irrglauben werden sie vom Dichter Schirach regelmäßig bestärkt, der das Spektakel dazu noch mit der Weihe des Authentischen umnebelt.

Das Ergebnis ist die überaus schlichte »Überzeugung«, dass dem Schuldigen Schlimmes gebührt und dem Unschuldigen Gutes. Falls das Gesetz (»Recht«) das nicht hergibt, darf man »moralisch« ein bisschen nachhelfen, denn es trifft ja keinen Falschen. Auf das Argument des Verteidigers mit der »Menschenwürde« des Täters antwortet daher der TV-Kommissar aus der Tiefe der Zuschauerseele: Und was ist mit der Menschenwürde des Opfers?

Das ist leider deutlich daneben: In der Wirklichkeit ist der Gefolterte nicht Täter, sondern Beschuldigter, also ein Verdächtiger. Ob er dem Opfer als Täter gegenübersteht, ist gerade die Frage. Wer sie schon vorab beantwortet, hat es natürlich leicht: Warum soll man dem Schuldigen nicht Leid zufügen? Die Folter ist an dieser Stelle nichts anderes als die Untersuchungshaft in den üblichen Erregungsforen: Eine vorweggenommene Strafe, die gerecht ist, weil der Bestrafte der schuldige Täter ist.

Die Zuschauer stimmen also letzten Endes über sich selbst ab: Sie sind allemal unschuldig, also dürfen sie nicht gefoltert, eingesperrt, erschossen, verprügelt oder gequält werden. Die Bösen und Schuldigen, die Täter, dürfen sich »formaljuristisch« beschweren, aber nicht moralisch. Von hier aus ist es nur ein logischer Schritt zu der Frage, woher die »formaljuristische« Sichtweise eigentlich ihre Berechtigung bezieht. Die Antwort kann man jeden Tag auf »Querdenker«- und Pegida-Demos, in AfD-Anträgen oder Chaträumen hören und lesen: Formaljuristischer Verdächtigenschutz ist die Pervertierung des Rechtsstaats zum Täterschutz, ausgedacht von einer an sich selbst und an wirklichkeitsfernen Abstraktionen besoffenen Elite. 

Antworten
In Wahrheit ist es anders, und sehr bedauerlich ist, dass diejenigen, die auf solche Verdrehungen hereinfallen, gerade die sind, die am häufigsten in das von ihnen selbst hingehaltene Messer laufen.

Tatsächlich ist die Behauptung grob falsch, wonach Folter kein geeignetes Mittel der Wahrheitserforschung sei – angeblich, weil gefolterte Menschen bereitwillig alles sagen und tun, um dem Schmerz zu entkommen. Wäre es derart simpel, hätte man schon vor langer Zeit wegen Ungeeignetheit mit dem Foltern aufgehört. Es ist eine abwegige Behauptung, jahrhundertelang hätten die Folterspezialisten aller Länder ganz übersehen, dass man unter der Folter lügt. Wer das glaubt, mag sich einmal ein wenig mit den Regeln der Folter im frühneuzeitlichen Inquisitionsprozess befassen. Folter ist ein hochwirksames und sehr zuverlässiges Mittel zur Wahrheitserforschung. Voraussetzung ist, dass der Folterer nicht ein schwachköpfiger Sadist, sondern ein intelligenter Polizist ist, der über Foltern hundertmal mehr weiß als jeder Gefangene und erst recht als jeder Filmzuschauer.

Es geht beim Foltern nicht darum, eine einzige, unwiederholbare Auskunft zu erlangen. Es geht um die ganze Wahrheit. Deshalb fragt man den Verhörten etwas, was man schon weiß. Wenn er lügt, prüft man es nach, quält ihn stärker und gibt ihm eine neue Chance. Immer wieder fragt man ihn nach Dingen, Namen und Ereignissen, die längst bekannt sind. Jede seiner Lügen wird aufgedeckt, jedes Mal wird die Folter schlimmer. Sagt er die Wahrheit, gibt man ihm Zuwendung und Hoffnung, nie weiß der Gefolterte, was die Vernehmer wissen. Es ist dann eine Frage der (kurzen) Zeit, bis der Gefangene nur noch die Wahrheit sagt. Anders gesagt: Folterer haben eine Folterausbildung. Sie wissen, was Vernehmungspsychologie ist. Sie haben die absolute Macht.

Auch deshalb ist die Schirachsche Geschichte grob unterkomplex. Denn es geht nicht um nette Kommissare, die »auch eine Tochter« haben. In der Wirklichkeit war es der Dienstvorgesetzte D., der den Kommissar anwies, mit Folter zu drohen. Es kommt nicht darauf an, ob er selbst oder der Polizist ein netter Mensch ist oder Mitleid hat mit dem entführten Kind oder dem gefolterten Beschuldigten. Es geht um Rechtfertigung staatlicher Eingriffe, nicht um die Nervenschwäche eines Einzelnen oder um sein Gewissen. Rechtmäßigkeit ist die Frage nach der Regelhaftigkeit, nicht nach dem subjektiv Zumutbaren.

Anders gesagt: Wenn es rechtmäßig wäre, Beschuldigte zu foltern, der Staat es also dürfte, dann wäre er dazu auch verpflichtet, wenn die regelhaften Voraussetzungen vorliegen. Dann könnten die Eltern des entführten Kindes eine einstweilige Verfügung erwirken, dass dem Verdächtigen der Reihe nach die Finger gebrochen werden sollen, bis er seine Komplizen oder das Versteck verrät. Dann hätte auch der Verteidiger oder sonst eine Person kein Recht zur »Nothilfe«, und der Gefolterte kein Notwehrrecht gegen die Qualen. Was rechtmäßig ist, kann nicht zugleich Unrecht sein.

Dazu kommen alle Weiterungen: Wenn Foltern ein Recht des Staates ist, kann der Vorgesetzte seine Untergebenen zum Foltern anweisen. Der Staat muss dann auch regeln, wie lange, wie weit und in welchem Verhältnis gefoltert werden darf: Wie viele Finger darf man brechen, wie viele Stromschläge versetzen, wie lange das Ertränken simulieren für welches Rechtsgut? Der mutmaßliche Mitorganisator des Terroranschlags auf das WTC, Chalid Scheich Mohammed, soll insgesamt 183-mal der Wasserfolter unterzogen worden sein (»FAZ«, 20. April 2009). Der Staat ist, auch wenn er schlecht ist, keine spontan agierende Mörderbande. Er verwaltet Macht. Der Rest folgt daraus: Schirach lässt im Film die (wohl aus Veröffentlichungen des Kolumnisten stammenden) Argumente vortragen, der Staat wäre zu »Folterschulungen« und einer »Folterordnung« (in welcher Form auch immer) verpflichtet. Beides kann in der Geschichte der Gestapo und der Stasi nachgelesen werden.

Es geht also nicht darum, ob Folter »ungeeignet« ist. Folter funktioniert gut, und sie bedient sich aller wissenschaftlichen Erkenntnisse und rationalen Zwecksetzungen, die erforderlich sind, um sie erfolgreich zu machen. Die Gleichsetzung mit frühneuzeitlichen Vernichtungsstrafen und stumpfsinniger Barbarei verharmlost und verzerrt die Sache. Das könnte man eigentlich schon wissen, wenn man »Der Fixer« von Bernard Malamut (1966) oder »1984« von George Orwell (1949) gelesen hat.

Und es geht auch nicht darum, ob Tätern Leid angetan oder Schmerz zugefügt werden darf. Die Frage, die sich tatsächlich stellt, ist einfach zu beantworten: Jeder Leser oder Zuschauer möge sich vorstellen, irgendein Kriminalkommissar habe das »Gefühl«, dass er Mitglied einer Räuberbande sei oder dass sein Sohn ein Kind sexuell missbraucht habe. Wäre es moralisch in Ordnung, wenn der Polizeibeamte dem verdächtigen Leser/Zuschauer mit einem Hammer den kleinen Zeh zerschlägt, um herauszufinden, ob er etwas Sachdienliches weiß? Wenn nein: warum nicht? Wem dazu nur einfällt, dass ihm sein eigener kleiner Zeh lieb, der von anderen aber egal ist, hat diese Kolumne vergebens gelesen.

Allen anderen kann angeboten werden: Weil der Staat (nicht: Kommissar Meier) seine Bürger in Friedenszeiten (und meistens auch im Krieg) nicht wie Sachen, Objekte, Sklaven, Tiere behandeln darf, egal aus welchem (guten) Grund. Das ist es, was wir »Menschenwürde« nennen. Es ist kein frommer Wunsch und keine »Anspruchsgrundlage«, sondern eine Umschreibung des Fundaments dessen, was wir als moderne staatliche Verfassung verstehen: Inhalt, Ziel, Versprechen, Wirklichkeit von 500 Jahren »bürgerlicher« Revolutionen in Europa, Amerika und anderswo. Menschenwürde in diesem Sinn hat nicht den weihevollen, quasireligiösen Ewigkeitscharakter, der dem Begriff oft anhaftet.

Es geht also nicht um den Mörder X oder den Kindesentführer Y in Filmen und Fallgeschichten, sondern ganz direkt um jeden Bürger. Wer den des Mordes verdächtigen Herrn G. »moralisch« foltern lassen will, müsste auch zustimmen, dass er selbst gefoltert wird, sein Ehepartner oder Kind. Man kann die Folter nicht aus immanenten Gründen der »Ungeeignetheit« und nur mühsam aus überzeitlichen Gründen der Moralphilosophie ablehnen. Es geht um die Staatsverfassung und die Grundlagen der Demokratie.

Kunst
Von Schirach ist, was Johannes Mario Simmel in den frühen Jahren war: Ein Trivialautor, der vorgibt, Menschen »abzuholen, wo sie sind«, und mit angestrengt moralisierender Pose den Ungebildeten enthüllt, dass das Leben kompliziert, seine Probleme aber mit gutem Willen auf übersichtliche Fragen reduzierbar seien. Zu diesem Zweck erfindet er angebliche »Abgründe«, die bei näherem Hinsehen Karikaturen derselben sind. Es ist leider nicht wirklich verwunderlich, dass dieses Eventangebot, aufgepeppt mit einer zweifelhaften »interaktiven« Demokratisierung der Entscheidung vorgestanzter Antworten, das Gefallen von Impresarios findet, die in Ethikseminaren zur Abschreckung noch immer das »Millionenspiel« (WDR, 1970) vorstellen, in Talkshows treuherzig beteuern, was sie »aus Gladbeck« angeblich alles gelernt haben, und dann freudetrunken zehn Millionen Zuschauer »Experimente« über Folter veranstalten und über »Recht und Gerechtigkeit« abstimmen lassen. Die Schirachschen Millionenspiele könnte man ignorieren, wenn sie nichts wären als Unterhaltung. Tatsächlich sind sie aber eine Aushöhlung der Wirklichkeit durch Vortäuschung und Verfälschung fiktiver Authentizität. »Historisches Programm« der ARD sollte es nicht sein, interaktive Gerichts- und Moralshows anhand des Leidens von Verbrechensopfern zu veranstalten.
[close]
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/ferdinand-von-schirach-feinde-gegen-die-zeit-in-der-ard-folterkunde-einmal-anders-a-04d86cc9-486d-44e6-b383-2db04fc149b7
Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

„Nur weil es Fakt ist, muß es noch lange nicht stimmen!“ (Nadine, unerkannte Philosophin)
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: Rolly, Rechtsfinder

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Re: Thomas Fischer
« Antwort #211 am: 16. Januar 2021, 15:57:39 »
Zitat
Bis auf wenige Ausnahmen, die gerichtlich überprüft und ggf. aufgehoben werden, sind die Beschränkungsmaßnahmen rechtmäßig und geboten, und es sind noch viel härtere Maßnahmen ebenso rechtmäßig, wenn es demnächst erforderlich wird. Es besteht nämlich eine Großgefahrenlage, wie sie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg bestanden hat, und sie ist von einer Unübersichtlichkeit und Bedrohlichkeit, die sich in typischer Weise von anderen Katastrophen (Erdbeben, Großbrand, Sturmflut usw.) unterscheidet: Sie ist zeitlich unbegrenzt, überall und unsichtbar.  Das erzeugt eine außerordentlich große Unsicherheit und Angst: Unausweichlich.  Es hat nicht den geringsten Sinn, im Keller laut zu pfeifen: Die Ungeheuer, die dort nicht sind, hören es nicht, und diejenigen, die wirklich dort sind, lassen sich durch Pfeifen nicht vertreiben.

Erinnert mich jetzt an unsere Reptos im Keller, wenn der Kolumnist solche Pfähle einschlägt:   ???


Zitat
Corona
Mutationen und wir

Eine Kolumne von Thomas Fischer
Kaum hat das neue Jahr angefangen, da geht es schon wieder los: Wir wissen mal wieder nicht, wie es vorwärts gehen soll, dahin, wo wir waren. Aber wer ist überhaupt »Wir«? Und waren wir schon jemals irgendwo?
Spoiler
15.01.2021, 20.44 Uhr


Was ist eigentlich los? Die DFB-Nationalmannschaft der Männer hat das Deutsche im Deutschen befleckt und verdient samt ihrem Trainer die Liebe nicht mehr, im Handball zeigen sich gefährliche Risse, und die Sportschau meldet: »Die deutschen Biathlon-Frauen: Die Krise ist da«. Das Sommermärchen ist im Sumpf der taktischen Demenz versunken, Steffi Jones über Nacht verschwunden, Mick Schumacher immer noch nicht bei Ferrari. Sehr traurig! Um nicht zu sagen: Besorgniserregend. Dazu noch dieser Trump! Was werden wir tun, auf welche Eskalationen warten, wenn er ins Reich der Fakes davongetrippelt ist mitsamt seinem blauen Sonntagsmantel und seinem intelligenzgeminderten Wortschatz?

Reißt uns der Kampf der CDU-Titanen durch die nächsten Wochen? Sind Frühling und Sommer gerettet durch tägliche Bulletins über den Zustand der Kanzlerkanditaten von B wie Baerbock über L wie Lindner bis W wie Weidel? Schwer zu glauben. Andererseits: Weitermachen wie bisher ist auch keine Lösung für den Dopaminhaushalt. Seit fünf Jahren müssen wir vorliebnehmen mit dem 24-Stunden-Genöle über die Bundeskanzlerin, den Ausländer als solchen, die alten und die weißen Männchen. Mal ehrlich gesagt: Man kann es nicht mehr hören.

Und was uns früher zusammenschweißte im deutschen Herz Europas: Kulenkampff, der Golf II, der neue Fassbinder oder das Ringen der gedopten Tarifparteien: Dahin, gone, perdu. 23 Prozent, so lese ich heute, fühlen sich durch YouTube ausreichend über das Geschehen und die Bedeutung der Welt orientiert; der Rest zappt auf 250 Kanälen durch 10.000 Foren, glaubt, was er will, und will, was er kennt.

Katastrophen
Nun gibt es, wie Sie wissen, mindestens zwei Auswege aus dieser Lage. Der eine ist die Seuche, genannt »die Pandemie«. Ich weiß nicht genau, ob mehr als 23 Prozent der Bevölkerung wissen, was das Wort bedeutet. Es ist keine EU-Behörde und auch kein eingetragenes Warenzeichen für Masken oder Impfstoff-Fläschchen. Es bedeutet: Zeitlich unbegrenzte Epidemie mit weltweiten Ausmaßen, also das, vor dem uns im Jahr 1995 in Wolfgang Petersens »Outbreak« Herr Dustin Hoffman und Frau Rene Russo gerade noch mal gerettet haben. Wenn man die beiden durch Spahn und Merkel ersetzt, wird der Film nicht zwingend spannender, allerdings ist die Chance eindeutig höher, dass die Sache auch diesseits von Streamingdiensten gut ausgeht.

Der zweite ist die Beschäftigung damit, wer eigentlich an allem schuld sein könnte. Insbesondere: Wer so anders ist als man selbst, dass man ihm die Sache in die Schuhe schieben kann. Welche Sache, ist zunächst mal egal: Irgendeine halt.

Die Sache, die zurzeit extrem wichtig ist, ist die Corona-Seuche. Sie ist nicht deshalb wichtig, weil sie so oft in der Zeitung oder im Internet steht, sondern steht dort so oft, weil sie so wichtig ist. Soziale Naturereignisse wie diese sind große Katastrophen und können Gesellschaften langfristig verändern. Das ist eine banale Erkenntnis und oft wiederholte Erfahrung. Ebenso gewöhnlich ist es, dass sich Menschen als Individuen und als Gruppe nicht ohne Weiteres und ohne inneren Widerstand ein- und umstellen. Alles empört sich dagegen, dass das Leben sich brutal ändert, dass neue Gefahren und aufgezwungene Regeln entstehen, fremde Verantwortlichkeiten und neue Pflichten verteilt werden. Die Geschichte hat gezeigt, dass diese Gegenbewegungen sogar bei wirklich katastrophalen Lagen fortbestehen. Sie haben zwei Gesichter: Einerseits machen sie die Lage objektiv nicht besser, sondern schlechter. Andererseits zeigen sie Widerstandswillen, Durchhaltevermögen, aktive Hoffnung – in welcher verdrehten Form auch immer.

Selbst die sogenannten Querdenker sind ja nicht alle doof oder nur böswillig. Einem erheblichen Teil ihrer Argumente geht allerdings massiv die Luft aus. Bei weit über 1000 täglichen Toten dürften selbst die Glaubensstärksten nicht mehr ernsthaft behaupten wollen, die kleine Grippe sei eine Erfindung der CDU- und SPD-Diktatur. Wenn die Kontakteinschränkungen nicht bestünden, wären es ja schon längst 3000 Tote am Tag. Dann würde eine Million jährlich »mit Corona sterben«, und selbst für die hochintelligenten Bevölkerungsstatistiker der AfD bleibe kein Raum mehr, in welchen sie die Toten der übrigen 1000 Todesursachen verschieben könnten.

Nun wird im Angesicht der Mutationen aus Großbritannien und Südafrika schon wieder gehadert mit allerlei Maßnahmen: 15 Kilometer-Regel, Einschränkung des öffentlichen Personenverkehrs, Ausgangssperren. Dazu kann man nur sagen: Selbstverständlich! Die Beschwernisse, die dagegen geltend gemacht werden, sind überwiegend Kleinigkeiten gegenüber den Folgen, die einträten, wenn man nicht endlich einmal Ernst machen würde. Eine Lehre des letzten Jahres lautet: Durch halbherzig-furchtsames Taktieren lässt sich nichts verbessern und das Virus nicht überzeugen. 

Ich meine damit nicht, dass nicht viele Menschen hart getroffen sind, persönlich und wirtschaftlich. Aber natürlich sind es nicht entfernt so viele, wie herumjammern und ihre eher kleinkarierten Beschwerden mit angeblich altruistischen, sozialbezogenen »Sorgen« tarnen würden. Das Abitur 2021 könnte in 10 Jahren nicht genügend viel »gelten«! Schüler langweilen sich bis zum Abwinken, und Studienanfänger hocken allein in Wohnheimzimmern und sehen die Unis nur von außen!  Ämter arbeiten langsamer, und massenhaft Einzelhändler haben kaum Umsatz und Einkommen. Ja: Stimmt alles. Es gibt aber keine Möglichkeit, das zu verhindern, ohne ein vollständiges Chaos anzurichten.

Bis auf wenige Ausnahmen, die gerichtlich überprüft und ggf. aufgehoben werden, sind die Beschränkungsmaßnahmen rechtmäßig und geboten, und es sind noch viel härtere Maßnahmen ebenso rechtmäßig, wenn es demnächst erforderlich wird. Es besteht nämlich eine Großgefahrenlage, wie sie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg bestanden hat, und sie ist von einer Unübersichtlichkeit und Bedrohlichkeit, die sich in typischer Weise von anderen Katastrophen (Erdbeben, Großbrand, Sturmflut usw.) unterscheidet: Sie ist zeitlich unbegrenzt, überall und unsichtbar.  Das erzeugt eine außerordentlich große Unsicherheit und Angst: Unausweichlich.  Es hat nicht den geringsten Sinn, im Keller laut zu pfeifen: Die Ungeheuer, die dort nicht sind, hören es nicht, und diejenigen, die wirklich dort sind, lassen sich durch Pfeifen nicht vertreiben.

Identitäten
Nun gibt es auch für solche Lagen eine Vielzahl von Erfahrungswerten und Erkenntnissen, insbesondere auch darüber, wie Menschen und Gesellschaften sich in Katastrophenzeiten verhalten. Es ist nämlich gerade nicht so, dass die Katastrophe die Stunde der Gemeinschaft, des Zusammenhaltens und der Mitmenschlichkeit ist. Sie ist im Gegenteil meist die Stunde der Panik, der Hartherzigkeit, der Dummheit und der Ausgrenzung: Wer ist schuld? Wer ist bevorteilt? Wer hat es leichter? Wer kann sich retten? Nur in schönen Filmen und moralischen Verklärungen machen die Momente überwältigender Solidarität den Kern des Verhaltens aus. Dass dies so ist, zeigt allerdings auch, wie wichtig diese Momente genommen werden.

Nun begibt es sich zurzeit, dass die sich fortentwickelnde Corona-Katstrophe auf Gesellschaften trifft, die in einem außerordentlichen Maß mit den seltsamsten Fragen nach »Wir« und »Anderen« befasst ist. »Identität«, Zuhausesein, Wir-Gefühl scheinen als Forderung, Beweggrund, Furcht allgegenwärtig. An jeder Straßenecke wird eine Minderheit entdeckt, und diejenigen, die alle Minderheiten im Brei eines absurden »Volkstums« ersticken wollen, sind, ihrem Geschrei nach zu urteilen, die allerärmste Minderheit. Ausgrenzung und Eingrenzung ist die alles überragende Triebkraft der Argumente, Bewertungen, Gespräche und Theorien.

Das ist natürlich kein Zufall, sondern die Ernte dessen, was den Menschen hierzulande und anderswo seit 40 Jahren gepredigt wurde: Fortschritt ist Vereinzelung und Auflösung; Authentizität ist Kaufverhalten und Einsamkeit. Auf diese Weise regieren wir die Welt. Da ist es natürlich kein Wunder, wenn sich die Menschen fürchten und je nach Temperament und Umständen reagieren. Corona wirkt da nur als ein gewaltiger Brandbeschleuniger, und die Hoffnungen, dass alles wieder werde »wie früher«, sind umso verzweifelter und trügerischer. Eine interessante Diskussion ist, ob die bräsige Sorglosigkeit der Ostdeutschen gegenüber den Gefahren der Seuche ein Effekt der dortigen AfD-Stärke sei. Das ist eine Fragestellung, die Ursache und Wirkung auf bekannte und faszinierende Weise verdreht. Ein Schuh wird andersherum daraus: Die AfD-Stärke ist Folge derselben Unwilligkeit, sich in den Strudel der Globalisierung ziehen und verschlingen zu lassen, wie es die kindische Hoffnung ist, wenn man nur fest genug die Augen zukneife, werde das Virus schon irgendwie an Sachsen oder Thüringen vorbeifliegen. 

So verbindet sich auf wundersame, aber aus der Draufsicht durchaus folgerichtige Weise die Panik über den Verlust von Lebenssicherheit mit der Angst vor der Seuche. Beide führen, je für sich, zur permanenten Suche nach Gruppen von »Schuldigen«, nach Grenzen zwischen Innen und Außen, Selbst und Anders, Vertraut und Fremd. Die USA führen das Spiel ja wie auf einer globalen Bühne vor; eigentlich ist es, etwas abstrahiert gesehen, nicht schwer zu verstehen. Der angebliche Kampf gegen die Eliten ist nicht Ausdruck der behaupteten Selbstermächtigung der Massen oder der Individuen, sondern Ausdruck der großen Angst, dass die Eliten sich verabschiedet haben in eine Sphäre der privilegierten Willkür. Wer sich ein Bild davon machen möchte, mag noch einmal die im Jahr 1726 veröffentlichte Reise von Jonathan Swifts »Gulliver« auf die Insel »Laputa« lesen: eine schwebende Insel von 7 km Durchmesser, auf welcher die Herrscher des Staats am Himmel über ihren Untertanen standen und sie von dort aus knechteten. Manche Bilder sind nicht so neu, wie man angesichts der breaking news glauben soll.

Rechtsstaat
Diese Kolumne handelt, wie ihr Name verspricht, meistens vom Recht. Nun ist das Recht über all den Viren und Identitäten und gegenseitigen Ein- und Ausgrenzungen ein wenig in Verruf geraten. Das ist kein Zufall und auch nicht durch eine geheime Verschwörung verursacht, sondern – Sie ahnen es – für solche Lagen typisch. Was wenn nicht die Regeln des Staats, sollte in Zweifel, Krisen und Widerstände geraten, wenn eine Gesellschaft sich im Zustand ungeklärter Gärung und furchterfüllter Beunruhigung befindet? Nun laufen 500 »selbsternannte« Identitäts-Vertreter umeinander und rufen, das Recht sei ganz falsch und bevorzuge die »anderen« und müsse endlich so werden, dass sich alle Wohlmeinenden wieder zuhause fühlen unter dem einen Himmel. Allerdings hat dieser Himmel zufällig stets genau dieselben Farbe und dieselben Regeln wie die jeweils krakeelende Gruppe. Jeder macht sich lustig über all die selbsterfundenen »Opfer«-Identitäten und angeblich »authentischen«, förderungswürdigen Interessengruppen. Und behauptet zwei Sätze später, die eigene »Wir«-Identität sei aus objektiver Sicht unzweifelhaft die bedeutendste.

Vielleicht sollte man einmal den Blick darauf lenken, dass die Menschen im Allgemeinen gar nicht so blöd sind, wie es gelegentlich scheint, und dass sie eine sehr lange, im Ganzen recht erfolgreiche Erfahrung damit haben, wie es ist, zugleich allein und zusammen, abhängig und unabhängig, bedroht und machtvoll zu sein – kurz gesagt: in Gesellschaften zu leben, die aus sich selbst vor der Ewigkeit keine Garantien und keine Stabilitäten entwickeln können. Das (fast) älteste, jedenfalls das sichtbarste und erfolgreichste Mittel, Unsicherheiten und Krisen der Gesellschaft und des Zusammenlebens zu zähmen, zu beruhigen und zu lösen, ist das Recht: Regeln darüber, wie man etwas regelt. 

Es ist gewiss kein Zufall, dass besonders viele Menschen, die die Lage als krisenhaft oder furchterregend empfinden, besonders oft und laut nach einem anderen, besseren, richtigen oder einfach nach mehr Recht rufen. Das beginnt bei der so genannten Bekämpfung jeder Art von tatsächlichen oder eingebildeten Gefahren und endet bei der Forderung, selbst Einzelheiten der Sprache, der Moral oder des Sozialverhaltens sollten rechtlich geregelt und Abweichungen sanktioniert werden. Insoweit erleben wir also, Behauptungen zum Trotz, eine geradezu erstaunliche Renaissance von Vertrauen in oder Hoffnung auf Recht.

Eine gute Gelegenheit also, sich darauf zu besinnen, dass nicht alles neu erfunden werden muss! Dass es ein ziemlich verlässliches, orientierendes, furchtminderndes Unterfangen sein kann, sich mit dem Recht einmal ernsthaft zu beschäftigen und auf seine Strukturen zu setzen. Das bedeutet keineswegs, ein blindes Vertrauen in eine »Obrigkeit« zu haben. Es heißt auch nicht, dass sich die ganze Gesellschaft mit kleinteiligen Regelungsinhalten und rabulistischen Auslegungskünsten beschäftigen sollte oder könnte. Gemeint ist die grundlegende, friedensstiftende Natur des Rechts im Allgemeinen und der Institutionen des Rechts, die es ermöglichen, Interessen anders als durch Gewalt und Leid auszugleichen. Was geschieht, wenn die Verlässlichkeitsstrukturen des Rechts selbst delegitimiert und zerstört werden, hat uns der staatszersetzende Präsident der USA soeben mehr als deutlich vorgeführt. Kräfte, die Ähnliches anstreben, gibt es auch in Europa und Deutschland. Sie tun es aus denselben Gründen und denselben Verkennungen, und nicht alle sind ohne Weiteres leicht erkennbar. Wer hierzulande von einer »Verfassungskrise« schwadroniert, lügt oder träumt. Es gibt Auseinandersetzungen in der Sache und Rechtsstreit im Einzelnen. Die Institutionen des Rechts funktionieren.

Man sollte also, meine ich, die kindischen Identitätsdebatten als das nehmen, was sie sind: Zeichen von Angst. Das gilt über die ganze Bandbreite vom angeblichen Individualgeschlecht bis zum angeblichen Volkswesen. Angst zu haben ist nicht verwerflich, aber erklärungsbedürftig, und Panikreaktionen sind nicht Zeichen von Geistesgegenwart, sondern des Gegenteils. Seien wir froh, dass wir nicht jeden Tag die Verfassung neu erfinden und das Infektionsschutzgesetz neu beraten müssen! Die bei weitem allermeisten unter uns – der Kolumnist gewiss eingeschlossen – wären davon absolut überfordert. Schon das tägliche Besserwissen bringt uns an den Rand unserer Leistungsfähigkeit. Will sagen: Es geht jetzt tendenziell um wirklich Wichtiges.
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https://www.spiegel.de/panorama/justiz/coronavirus-in-deutschland-die-mutationen-und-wir-kolumne-a-cc60720a-e623-4c67-b66e-e56d498cac98
Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

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Re: Thomas Fischer
« Antwort #212 am: 22. Januar 2021, 16:57:14 »
Zitat
Bis auf seltene Ausnahmen ist jedem klar, dass man Viruserkrankungen nicht heilen kann, indem man Desinfektionsmittel injiziert.
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/juristen-welterklaerer-problemerfinder-bedenkentraeger-kolumne-a-ba056123-3fda-4099-9782-b171e6e44e03


Wen oder was könnte er jetzt damit meinen?   :scratch:


Zitat
Juristen
Welterklärer, Problemerfinder, Bedenkenträger

Eine Kolumne von Thomas Fischer
Wenn eine Angelegenheit kompliziert wird, liegt es, so sagt der Volksmund, meist an Juristen. Generalabrechnungen mit ihnen sind daher Pflicht eines jeden Besserwissers. Warum studieren trotzdem so viele das Fach?
Spoiler
22.01.2021, 15.14 Uhr

Heute, sehr geehrte Leser, habe ich mir vorgenommen, weder über Mord noch über Corona zu schreiben, sondern über etwas Erfreuliches. Zum Beispiel über das Wesen der Juristen, also etwas wirklich Harmloses und Spannendes. Natürlich hängt wieder einmal alles mit allem zusammen, denn wie Sie wissen, ist seit Einführung der sogenannten »Maßnahmen« im Februar 2020 die Zahl der Juristen in Deutschland ähnlich explodiert wie die Zahl der Epidemiologen seit der Entdeckung der Stadt Wuhan kurz zuvor. Obwohl manches für das Gegenteil sprechen würde, haben dadurch leider weder die berufsmäßigen Juristen noch die hauptberuflichen Epidemiologen entscheidend an Ansehen gewonnen. Vielmehr ist die Epidemiologie in 500 Schulen der Exponentialkunde zerfallen, während sich die Rechtskunde zugleich in ebenso viele Meinungsgruppen der Gefahrbekämpfungswissenschaft differenzierte. Zeit also, einmal zu den Quellen zurückzukehren und uns zu fragen, was die Juristen an sich, vor allem aber die Juristen in uns allen wertvoll macht in dieser Zeit.

Anstoß
Ende 2018 studierten ungefähr 110.000 meist junge Menschen an insgesamt 43 juristischen Fakultäten in Deutschland Rechtswissenschaften. 62.000 von ihnen waren Frauen, 48.000 Männer; weitere Geschlechter wurden nicht gezählt. Erfreulich viele Ausländer waren darunter, darunter nicht wenige aus China und Japan. Im Januar 2020 waren in Deutschland 166.000 Rechtsanwälte zugelassen, dreimal so viele wie 1990. Der Anteil der Juristen in sonstigen Berufen ist schwer zu schätzen: Viele sind in öffentlichen Verwaltungen beschäftigt, auch die Zahl der nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Unternehmensjuristen dürfte groß sein. Wahrscheinlich gibt es in Deutschland mehr als 300.000 als Juristen berufstätige Menschen, halb so viele befinden sich in Ausbildung. Das Studium wird von knapp 30 Prozent der Studierenden abgebrochen, meist schon in den ersten Semestern; die Anzahl der erst nach Abschlussprüfungen endgültig Scheiternden ist daher nicht sehr groß. Für diese Gruppe ist der Misserfolg aber oft bitter, weil sich hier das Fehlen der Eignung erst am Ende der Zwanziger-Lebensjahre herausstellt und die Neuorientierung dann schwerfällt. Insgesamt spricht also viel dafür, dass die Zahl der Juristen in Deutschland auch zukünftig noch ansteigen wird.

Angriff
Das Ansehen der Berufsjuristen in der öffentlichen Meinung ist notorisch bestenfalls durchwachsen. In den Kategorien »Vertrauen« und Sozialprestige kommen sie – allerdings mit großen Unterschieden nach Berufsgruppen – noch einigermaßen über die Runden; bei der Beurteilung berufsunspezifischer Qualitäten in den Fächern des allgemein Menschlichen fallen die Bewertungen oft deprimierend aus. Das könnte einem aus mindestens zwei Gründen herzlich egal sein: Zum einen, weil andere Berufsgruppen keinesfalls besser dran sind (ich sage nur: »die Mediziner«, »die Soziologen«, »die Beamten«, »die Lehrer«); zum anderen, weil das Maß der öffentlich bekannt gegebenen Verachtung erfahrungsgemäß oft in direkt proportionalem Verhältnis zum Mangel an Kenntnis und Fantasie steht. Das sieht der Kritiker natürlich anders, der sich überdies darauf berufen kann, dass die Zahl der Kranken durch eine Zunahme an Ärzten nicht sinkt, sondern ständig steigt, schon allein deshalb, weil wellenförmig immer neue und daher umso heilungsbedürftigere Krankheitsbilder das Land strapazieren (ich sage nur: Laktoseintoleranz, ADHS in Kombination mit Ritalin-Allergie, LDL-Cholesterin unter 88 oder über 92, Parodontitis im Greisenalter, usw.). Ähnlich mittelstandsfördernde Innovationen sind auch im Rechtswesen verbreitet.

Ein Überblick über die fünf wichtigsten Vorbehalte gegen Juristen ist schnell geschafft. Erstens: Schon die Sprache, in welcher sich Juristen mit ihrer Umwelt verständigen, gilt dem sogenannten gesunden Menschenverstand gern als Vorstufe zur Geisteskrankheit. Angeblich bleibt sie normalen Menschen unverständlich, selbst wenn sie scheinbar vertraute Vokabeln benutzt. Zweitens: Statt Gerechtigkeit nur Argumente, mal so, mal so, und im Ergebnis kommt es immer auf irgendetwas an, was gerade nicht zur Hand ist. Drittens: Argumente gegen Geld, Interessenvertretung aus purer Geldgier. Viertens: Handlanger der Macht, Unterdrücker der Geknechteten, Vernebler der Aufklärung. Fünftens: Welt- und Lebenskomplizierer, Alleswisser, Rechthaber. 

Abwehr
Aus Sicht der so Beschriebenen sieht das ganz anders aus. Schon die Gattungsbeschreibung erscheint willkürlich, wenn man die tatsächlichen Berufs- und Lebensbiografien betrachtet und vom Gesichtspunkt einer meist Jahrzehnte zurückliegenden Grundausbildung absieht. Eine in einer Einzelkanzlei tätige Familienrechts-Anwältin hat mit einer Vorsitzenden Richterin am Finanzgericht nicht mehr gemein als ein Mechatroniker mit einem Elektroingenieur, und ein bei einer Wirtschaftsprüfergesellschaft tätiger Unternehmensjurist kann sich mit einem Staatsanwalt für BtM-Delikte in aller Regel auch nur über Fußball, Corona oder den Zinssatz für Immobilienkredite unterhalten.

Die Sprache ist ein Zaubermittel, nicht nur, aber jedenfalls auch im juristischen Beruf. Dass sie, jedenfalls zum Teil, auch Fachsprache ist, trifft zu, ist aber eigentlich kein Problem. Die Mehrzahl der Menschen ist nicht zu dumm, den Unterschied zwischen Diesel und Super zu verstehen, zwischen Wasserstoff und Sauerstoff oder zwischen Retriever und Bernhardiner. Also wird es wohl mit dem Unterschied zwischen Besitz und Eigentum, Kauf und Miete, Raub und Diebstahl ebenfalls klappen. Auch was eine Urkunde, eine Grundschuld, ein Wegerecht oder ein Schadensersatz sind, kann unschwer lernen, wer jederzeit routiniert über Schwarze Löcher, Nullzinspolitik, Nahostkonflikte und den Stand der IT-Technik zu parlieren weiß.

Es sind – auch dies entgegen populärer Missverständnisse – natürlich nicht die Wörter, die schwierig sind. »Abwägungsvorbehalt« ist, genau betrachtet, eigentlich nicht schwieriger als »Authentizitätseinbuße« oder »Automatisierungsexperte«, und »Zustellungsurkunde« kann sich der durchschnittliche Abiturient ebenso gut merken wie »Zinsabschlagsvorbehalt« oder »Zwischenhandelsvolumen«. Von der Durchseuchung des Alltags mit fremdsprachigen Begriffen aus der Finanz-, Medizin-, Psycho- und Kulturwelt wollen wir gar nicht sprechen; dagegen hält sich das Rechtswesen mit seinen paar bildungsbürgerlichen Brocken Küchenlatein bescheiden und ringt um phonetische Volksnähe.

Sehr bedauerlich ist es, dass junge Juristen noch immer auf die Mär hereinfallen, die Verwendung einer rührend altertümlichen Kanzleisprache könne dem gemeinen Rechtsunkundigen als Zeichen der juristischen Gelehrtheit erscheinen. Sie treiben es mit der sprachlichen Camouflage zwar nicht so abwegig wie die Soziologen oder die Unternehmensberater, aber das eine oder andere Strohfeuer lässt sich notfalls über dem fachlichen Blindflug abbrennen. Besser wäre es, das sein zu lassen. Man muss nicht in jedem zweiten Satz das Wort »vorbehaltlich« verwenden, und auch »unter Berücksichtigung des Umstands, dass« will sparsam eingesetzt sein.

Schwierig an der juristischen Sprache ist für viele ihr Zusammenhang, besser gesagt: Der Umstand, dass es zwischen den Satzinhalten eine systematische Struktur und zwischen den Begriffen einen Zusammenhang gibt. Beides erscheint vielen geheimnisvoll, oft willkürlich: Kaum hat man die Anwendung einer Regel im Fall X verstanden, muss man hören, dass sie im Fall Y nicht gelte, es sei denn, dass die Ausnahme Z vorliegt, von der aus den Gründen Eins bis Vier abgewichen werden könne. So etwas überfordert den Alltagsmenschen allerdings entgegen zahllosen Behauptungen nicht schon schlechthin, da es in Wahrheit in hohem Maß dem Organisationsprinzip seiner täglichen Lebenswelt entspricht: Wir essen montags Pasta, wenn die Mama nicht im Büro gegessen hat und der Yogakurs der Tochter ausfällt, dann aber nur mit Bärlauchpesto, es sei denn, dass der Sohn zum Abendessen kommt und nicht schon bei seiner Freundin gegessen hat. Ganz normale Juristerei.

Es ist jedoch so, dass Nichtjuristen in aller Regel keinen Zusammenhang zwischen der Lebenswelt von Frau A und derjenigen von Herrn B sehen. Aus diesem Grunde können sich beide eine Stunde lang über die Probleme mit ihren Vermietern oder die Unterhaltspflicht ihrer Ex-Ehepartner unterhalten, ohne dass irgendetwas anderes geklärt wird, als dass das Leben schwer sei. Der Sinn des Rechtsgesprächs ist nicht, eine Lösung für eines der Probleme zu finden. Er erschließt sich Gender-intuitiv: Wenn A und B Frauen sind, geht es um die Herstellung zwischenmenschlicher Wärme. Sind beide Männer, geht es um den Austausch überragender Kenntnisse angeblich ähnlicher Fälle sowie von Hinweisen auf garantiert hilfreiche Beziehungen. Sollten A und B sich mit der Zuschreibung verschiedener Geschlechter einverstanden erklärt haben, versagt die Fantasie und wir kommen ohne Mediatorin nicht aus.

Beim nächsten Treffen wird das Ganze fast gleichlautend und mit demselben Ergebnis wiederholt. Schlichte Rechtsauskünfte können dem Leid nicht abhelfen, denn der Gesetzgeber hat einmal mehr versagt und die extrem individuell gelagerten Fälle von A und B nicht ausdrücklich geregelt. Außerdem ist mit Händen greifbar, dass ein Abschluss der Kommunikation durch Hinweise auf übersichtliche gesetzliche Regelungen die Bedürfnisse nach empathischer Wärme und souveräner Selbstdarstellung nicht annähernd befriedigen würde. Es muss daher vermieden werden, eine eventuell passende Rechtsnorm im Original zur Kenntnis zu nehmen oder ein höchstrichterliches Urteil für relevant zu halten, solange es darin um Drei- statt um Vierzimmerwohnungen ging oder die unterhaltspflichtige Person weiblich statt männlich war.

Die Sache endet also wie immer: Frau A und Herr B fragen zunächst alle ihre Verwandten und Freunde mehrmals nach deren Rechtsauffassung, lösen den Streit in 97 Prozent der Fälle, indem sie ihre jeweiligen Feinde zeitlebens nicht mehr grüßen, und nehmen sich in den restlichen drei Prozent auf Empfehlung der besten Freundin / eines alten Kumpels besonders gerissene Rechtsanwälte, die geheime Zaubertricks kennen und den Gegner in jedem Schriftsatz viermal beleidigen. 

Mittelfeld
Spezifisch juristisch ist also eigentlich die Denke. Zwischen einem Verwaltungsrechtler und einem Elektroingenieur klafft ein mentaler Abgrund, der sich nach dem Ende des Universalgelehrtentums nicht mehr überbrücken lässt. Juristen denken »deduktiv«, also pyramidenförmig von oben nach unten. Sie sind stets auf der Suche nach einem begrifflichen »System«, das sich als einigermaßen schlichte Hierarchie von Tatsachenbeschreibungen und Normebenen verstehen lässt. Es ist Juristen egal, wie ein Auto heißt und welche Vorzüge es hat, solange es ausreicht zu wissen, dass es eine bewegliche Sache ist. Das klingt einfach, ist aber schwierig zu lernen und das Vertrackte am Jurastudium: Das Verhältnis von Konkretheit und Abstraktion muss ganz neu und abweichend vom alltäglich Gewohnten gelernt werden.

Hinzu kommt, entgegen der Sage, das Erfordernis erheblicher kreativer Fantasie, denn Rechtswissenschaft wie Rechtskunde leben nicht im Reich kleinstteiliger Merksätze, sondern im Universum von sprachlicher Assoziation, Analogie, Vergleich und Fantasie: Wie wäre es, wenn der Sachverhalt an einer Stelle etwas anders wäre? Wo befindet sich der Kernbereich der Norm, und wo ist ihre Grenze? Warum liegt die Grenze hier und nicht woanders? Welche systematischen Argumente können gefunden werden für das Bestehen oder Nichtbestehen von Zusammenhängen zwischen bestimmten Tatsachen und bestimmten (erwünschten oder gefürchteten) Normfolgen?

Laien erscheinen die zur Verfügung stehenden Argumente und Diskussionsfiguren oft unverständlich und daher beliebig oder unendlich. Statt zur Beurteilung einer Wohnungskündigung den Gleichheitssatz und das Verhältnismäßigkeitsprinzip, mindestens aber die guten Sitten heranzuziehen, redet der Richter über Eigenbedarf und Beweislast. Und kaum will der Beklagte über die Einzelheiten der Treppenhausbeleuchtung berichten, wird sein gutes Recht mit dem Hinweis auf Treu und Glauben verkannt. Aus der Sicht der Betroffenen scheinen die Ebenen der Argumentation durcheinanderzupurzeln wie Bälle in einer komplizierten Jonglage.   

Tatsächlich hat das Argumentieren natürlich Sinn und System; es ist nur nicht so ohne Weiteres und voraussetzungslos erkennbar. Das ist in der Menschenwelt schon seit langer Zeit so und nicht zu ändern. Es überfordert die Menschen auch nicht zwangsläufig. Bis auf seltene Ausnahmen ist jedem klar, dass man Viruserkrankungen nicht heilen kann, indem man Desinfektionsmittel injiziert. Und nur wenige meinen, die Leistung des Haushaltsstaubsaugers lasse sich dadurch steigern, dass man ihn an die Starkstromsteckdose des Elektroherdes anschließt. Beide Erkenntnisse setzen die Ahnung vom Vorhandensein eines Systems voraus, dessen Einzelheiten nicht verstanden werden müssen, um sich beruhigt zu fühlen. Beim rechtlich-normativen System gilt das ähnlich, selbst wenn es hier um Grundsätzlicheres und um die Orientierung in der sozialen Welt insgesamt geht. Wichtig ist in allen Fällen, zwischen blindem Glauben und kindlicher Selbstüberschätzung einen realitätstüchtigen Weg zu finden.

Reservebank
Warum studiert man Jura? Selbstverständlich wegen Ruhm, Reichtum, Macht! Also aus denselben Gründen, die zum Studium der Augenheilkunde, der Strömungstechnik oder der alten finnischen Geschichte motivieren. Dass man »die Welt ein Stück gerechter machen möchte«, dürfte als Motiv 19-jähriger Abiturienten eher selten sein und sich erst in der Phase der späten biografischen Verklärung als Kindheitstraum rekonstruieren. Tatsache ist: Die meisten Jurastudenten kommen aus Familien mit »akademischer« Bildung – Achtung: Sprachkompetenz, Frustrationstoleranz, langfristige Planung! Tatsache ist auch: Die meisten Jurastudenten kommen immer noch aus der »gehobenen« Mittelschicht: Die Eltern sind Juristen, Ärzte, Lehrer, höhere Beamte. Deutlich weniger Facharbeiterschicht, deutlich weniger Unternehmerfamilien; fast keine aus »bildungsfernem« Milieu. Das hat sich in den letzten 50 Jahren ein wenig, aber nicht radikal geändert. Inzwischen erfreulich viele Kinder und Enkel von Immigranten.

Natürlich gibt es keine Standardmotive. Es gibt aber Standardbilder möglicher juristischer Berufe. Sie sind meist realitätsfern, romantisiert oder verzerrt. TV-Serien menschelnder Rechtsanwälte mit goldenem Herz und fiesen Gegnern. Fernseh-Richter und -Staatsanwälte mit schweren psychischen Auffälligkeiten, ausgestattet mit Luxuslimousinen und unbegrenzter Macht, handverlesene Fälle lösend. Gerissene Anwälte im Auftrag jeder Art von Mafia. Leben zwischen flatternden Roben, dunkelblauen Kostümen, treuherziger Piefigkeit und zynischer Häme. Das mag es schon auch irgendwie geben, allerdings auch bei Apothekern oder Archäologen. Eine realitätsnahe Perspektive findet man als junger Mensch, falls man nicht familiäre Erfahrungen einbringt, in dem meist bestehenden Vakuum zwischen sachlicher Ahnungslosigkeit und fiktiver Rollenfantasie kaum.

Natürlich spielt Macht eine Rolle. Recht ist geronnene Macht und symbolische Gewalt. Wer das Recht kennt, weiß, wie der Staat funktioniert. Der Student im zweiten Semester, der in der Übungsklausur zum Ergebnis kommt: »Der T ist wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zu bestrafen« oder »G kann von S die Zahlung von 50.000 € verlangen«, verspürt in sich eine Ahnung der Macht, verbunden mit dem Versprechen, daran teilhaben zu dürfen. Das ist Reiz und Verlockung, Furcht und Verantwortung. Wenn es schlecht läuft, wird das Letztere abtrainiert; wenn es gut geht, bleibt es prägend. Das ist eine Frage des individuellen Charakters, aber auch des Systems, in dem dieser lernt und Erfahrungen macht.

Juristen sind konservativ. Das bedeutet zunächst nur, dass sie das Bestehende als Sinn-voll gegeben ansehen: Eine Regel zu haben, welche die Welt ordnet, ist besser, als keine Regel zu haben. Die Kehrseite ist die Abneigung gegen Innovation: Juristisches »Bedenkenträgertum« ist das Schreckgespenst jedes Unternehmensvorstands oder Politikerplans, zugleich aber die Lebensversicherung gegen allfälliges Scheitern. Fragen wie: Warum denn überhaupt? Kann man das nicht so lassen? Haben wir das nicht immer anders gemacht? Wie wäre es denn, wenn…? lassen so manches »Macher«-Meeting erstarren und führen zu typischen Arbeitsaufträgen wie dem, »die Sache mal zu prüfen und die Machbarkeit darzulegen«. Auch diese Rolle gefällt vielen. Im Maschinenraum komplizierter Gesellschaften arbeiten Juristen. Der Preis für die Kunst, mit dem Schiffsdiesel von Mensch zu Mensch sprechen zu können, ist es, nicht auf der Brücke zu stehen und zum Horizont zu zeigen.

Tribüne
Verglichen mit der Zeit vor 200 Jahren besteht die deutsche Gesellschaft in ihrer Mehrheit aus ziemlich rechtskundigen Menschen, auf jeden Fall aus Rechtskundeenthusiasten: Wer was wann warum dürfe oder nicht, welches Gesetz völlig falsch oder dringend erforderlich sei, welches Gericht wo wann wie und warum versagt habe, sind allgegenwärtige Themen. Das Interesse an rechtlichen Fragen wächst mit der Segmentierung, Individualisierung, Unübersichtlichkeit des gesellschaftlichen Lebens. Zugleich steigen Furcht und Enttäuschung, weil ein beruhigender Überblick erst dann gelingt, wenn man die Zusammenhänge versteht; gerade das wird aber auch hier immer schwerer.

Für die Erfordernisse unserer Zeit ist aber schon die durchschnittliche Kenntnis vom Recht sehr gering und zudem vielfach falsch. Unter »Recht« wird oft nicht mehr verstanden als eine konkretistische, am kleinteiligen Interesse klebende Besserwisserei, die sich aus angeblichen »Tricks«, vorgeblicher Schlauheit und mechanischem Auswendiglernen speist. Auf dieser Ebene bewegt sich leider oft auch, was – wenn überhaupt – an rechtlicher Bildung in den Schulen vermittelt wird. Dass Sozialkundelehrer ein tieferes Verständnis von normativen Zusammenhängen vermitteln können, ist wohl eher ein seltener Glücksfall.

Das ist nicht nur theoretisch zu wenig. Es reicht auch praktisch nicht. Die Mehrzahl der Menschen in Deutschland weiß nicht, wie und warum das Recht funktioniert, was es vom Befehl unterscheidet und auf welche Fragen es zu seiner Beurteilung ankommt. Jeder kennt die aktuelle Höhe von Verkehrs-Geldbußen, aber kaum jemand den Unterschied zwischen Ordnungs- und Strafrecht, Repression und Prävention, Parteiprozess und Amtsermittlungsgrundsatz, Beweislast und Aufklärungspflicht. Es mangelt am Verständnis von Sinn und Zusammenhang.

Deshalb ist es im Grunde sehr zu begrüßen, wenn aus Anlass gesellschaftlicher Krisen, seien sie wirtschaftlicher, sozialer oder ordnungspolitischer Art, das Recht sowie seine Begründungs- und Argumentationszusammenhänge auf die Ebene allgemeiner öffentlicher Diskussion gehoben werden. Natürlich wird dabei auch allerlei Unsinn produziert; Emotionen und Empörungen werden angestachelt, die Stärken rechtlicher Regelungssysteme in vorgebliche Quellen der Schwäche und Unsicherheit umgedeutet. Damit muss man leben. Es ändert nichts daran, dass das Rechtssystem absolut unabdingbare, herausragende, auf unendlicher Erfahrung beruhende Strukturen der Argumentation, der Rationalität und der Konfliktregulierung bietet.

Es bleibt freilich sinnlos, wenn von der Ebene des individuellen Interesses stets nur auf die der »Gerechtigkeit«, also vom Ameisenhaufen ins Sonnensystem gesprungen wird: Das zeigt nicht Überblick, sondern Ahnungslosigkeit. Wie man das Recht nicht ohne die Bedingungen und Bezüge der Gerechtigkeit verstehen kann, so bleibt die Gerechtigkeit ohne Interesse und Verständnis des Rechts eine hohle Parole. Falls das ein wenig nach dem Wort zum Sonntag klänge, könnte ich es nicht ändern; es wäre aber dennoch ein Missverständnis. Ich wünsche uns viele menschenfreundliche Jurastudenten.
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https://www.spiegel.de/panorama/justiz/juristen-welterklaerer-problemerfinder-bedenkentraeger-kolumne-a-ba056123-3fda-4099-9782-b171e6e44e03
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #213 am: 29. Januar 2021, 16:36:07 »
Schon gestern hat unser Kolumnist das Urteil im Verfahren um den Lübcke-Mörder kommentiert:


Zitat
Lübcke-Verfahren
Eine sinnlose, erschreckende Tat

Ein Kommentar von Thomas Fischer
Im Verfahren wegen des Mordes an Walter Lübcke ist das Urteil des Tatgerichts verkündet worden. Gibt es Neues? Eine erste Annäherung.
28.01.2021, 19.14 Uhr
Spoiler
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten Stephan Ernst am 28. Januar 2021 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Außerdem hat das Gericht den Vorbehalt der Anordnung von Sicherungsverwahrung ausgesprochen. Nähere Analysen sind vor Kenntnis der schriftlichen Urteilsgründe nicht möglich. Ein paar erste Anmerkungen kann man formulieren.

Wer die Nachricht von dem Urteil kurz nach der mündlichen Verkündung las oder hörte und überrascht war, kann kein Kunde des Deutschlandfunks sein. Denn dieser hatte am 25. Januar, also drei Tage zuvor, in einer Bildunterzeile auf seiner Website geschrieben: »Im Prozess um die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten und CDU-Politikers Walter Lübcke ist ein Urteil gesprochen worden.« Auch den Urteilsinhalt kannte der DLF bereits: »Mittäter und Mitwisser blieben ungeklärt«, und: »Viele Fragen blieben offen. Sie muss jetzt die Politik klären.« Dafür erfuhren wir aber bereits das Tatmotiv, die Beweislage bezüglich des weiteren dem Angeklagten Ernst vorgeworfenen Tötungsdelikts sowie das Ergebnis hinsichtlich des wegen Beteiligung angeklagten Mitangeklagten H.

Alles klar also, schon drei Tage vor Urteilsverkündung! Der DLF, Mutter des Qualitätsjournalismus, hat damit selbst »Bild« überholt. Man muss allerdings sagen, dass der Sender sich damit durchaus in den Sound der Verhandlung einpasste. Diese hatte ja, wie man sich erinnert, mit der bemerkenswerten Aufforderung »Hören Sie nicht auf Ihre Anwälte, hören Sie auf mich!« des Vorsitzenden an die beiden Angeklagten begonnen. Er hatte auch gleich erläutert, wie er sich das vorstellte, wenn man auf ihn hört: »Ein freimütiges Geständnis wirkt sich immer günstig aus.«

Der Scherz mit dem günstigen Ausgang
Zumindest einer konnte also bei der Urteilsverkündung rundum mit sich zufrieden sein: »Ich habe gesagt: Ein Geständnis wirkt sich perspektivisch immer zugunsten des Angeklagten aus«, sprach der Vorsitzende (nach Meldung der »SZ«) bei der »mündlichen Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Urteilsgründe«, wie es in der Strafprozessordnung heißt (Paragraf 268 Absatz 1 Satz 2). Nun könnte man es gewiss für einen ziemlich misslungenen Scherz halten, die Verhängung von lebenslanger Freiheitsstrafe bei gleichzeitiger Feststellung »besonders schwerer Schuld« für einen »günstigen« Ausgang zu halten.

Dieser Eindruck könnte sich sogar noch verstärken, wenn man bedenkt, dass die Reststrafenaussetzung zur Bewährung bei lebenslanger (!) Freiheitsstrafe praktisch genau dieselbe Prognose zukünftiger Rechtstreue voraussetzt wie die Nichtanordnung oder Aussetzung der Sicherungsverwahrung. Die mögliche (!) »Günstigkeit« für den Angeklagten liegt also irgendwo in einer unabsehbaren (!) Zukunft bei einer wissenschaftlichen Feinabstimmung zwischen zwei »Prognose«-Begriffen (!). Dies noch eine »Gunst« zu nennen bedarf schon einer gesunden Portion Optimismus (beim Angeklagten) und Selbstgewissheit (beim Richter). Da aber jedenfalls das Letztere außer Frage steht, kann man sicher sein, dass der Scherz mit dem günstigen Ausgang nicht witzig gemeint war. Allenfalls »Bild« könnte der »Günstigkeits«-Theorie zustimmen; dort war in freudiger Erwartung berichtet worden: »Staatsanwalt will Lübcke-Killer für immer wegsperren« (22. Dezember 2020).

Jedenfalls dürfte die zitierte goldene Regel des Vorsitzenden über die Wirkung von Geständnissen (jeder Art) auch gegen den Rat der Verteidiger den meisten Strafverteidigern vermutlich keinen Anlass geben, sie an ihre Mandanten weiterzureichen.

Hoffentlich kein mehrbändiges Urteil
Über die Geständnisse des Angeklagten Ernst ist hinreichend berichtet worden. Es ist hier gewiss nicht der Ort, in das allgemeine Beweiswürdigen und Besserwissen einzustimmen, das seit Monaten in der und für die interessierte Öffentlichkeit aufgeführt wird. Der Strafsenat hat alle Geständnisse, Widerrufe, Abänderungen und Einschränkungen gehört und gewogen und ist zu einem Ergebnis gekommen, wie es seine Aufgabe war. Die Erwägungen, die die fünf Richter zu ihrer Entscheidung bestimmten, wird man in den schriftlichen Urteilsgründen nachzulesen haben. Man kann nur hoffen, dass sie nicht den Versuch unternehmen, als weiteres Beispiel für die Kraft der Gerichte zur zeitgeschichtlichen Forschung in die Geschichte einzugehen, will sagen: Man muss nicht über jeden Mord 800 Seiten Urteilsgründe schreiben, nur weil die Hauptverhandlung lang war. Die Frankfurter Richter sind aber erfahrungsgemäß nicht so anfällig für die Freude an mehrbändigen Urteilswerken wie Gerichte aus manchen anderen Bezirken.

»Der erste rechtsradikal motivierte politische Mord an einem Politiker seit Walther Rathenau« – dies war einer der Lieblings-Slogans einer der historischen Betrachtung zugewandten Presse in den Monaten des »Lübcke-Verfahrens«. Was dieser Versuch einer Sensationalisierung eigentlich ausdrücken oder bewirken sollte, blieb im Dunkeln. Soll das eine Art von schaurigem »Rekord« aufzeigen, eine kriminelle Höchstleistung, eine sensationelle Neuheit? Wir haben in der Vergangenheit einen ersten politisch motivierten Mord an einem Generalbundesanwalt, einen ersten Mord an einem BDI-Präsidenten, einen ersten rechtsradikalen Sprengstoffanschlag auf ein Oktoberfest, eine erste rechtsradikale Mordserie an Immigranten, einen ersten islamistischen Massenmord in Berlin und vieles andere erlebt. Was soll die Herausstellung eines Merkmals des Opfers, um die Tat nicht als zweite oder wiederholte, sondern als »erste« einer imaginären Serie darstellen zu können? Es ist eine eher abstoßende Methode der Aufwertung von Nachrichten, aus dem fiktiven Einstellen eines schlimmen Ereignisses in eine angebliche Reihe einen zusätzlichen Sensations- und Gruseleffekt zu generieren: »Erste Tote«, »erste Unruhen«, »erste Plünderungen«…

Wie das verwertet wird und dass die Betonung des Zeitabstands zum Mord an Rathenau im Jahr 1922 (auch) eine etwas andere Nuance anschlägt, ist klar: Der Mord an Walter Lübcke wird vielfach als »Zeichen« und Menetekel, als äußerer Ausdruck und Höhepunkt einer rechtsextremen Radikalisierung und Gewaltbereitschaft beschrieben, die »nun erstmals« wieder wie in der Weimarer Republik zum Mittel des politischen Mordes greife. Ob diese Schlussfolgerung so stimmt, scheint mir nicht sicher, und die dahinterstehenden Analogien erscheinen mit vorschnell, alarmistisch einerseits und verharmlosend andererseits.

Ein Fanatiker und dummes, armes Würstchen
Waren fanatische Rechtsradikale zwischen 1949 und 2019 friedlicher? Und sind sie heute eher der Ansicht als in den Sechzigern oder den Neunzigern, »Fische im Wasser« eines angeblichen Volkszorns gegen die üblichen Objekte ihrer Vernichtungsfantasien zu sein? Muss, soll, kann der Mord von Kassel die Deutschen mehr aufrütteln als das offene Auftreten der »Wehrsportgruppe Hoffmann«, die »Hetzjagd von Guben« oder die Brände von Lichtenhagen? Ich weiß es nicht. Man sollte Menschen wie dem Angeklagten Ernst nicht den Eindruck vermitteln, sie stünden in einer historisch bedeutsamen Reihe und an der Spitze einer Bewegung, deren mörderische Manifestationen sich über ein Jahrhundert erstrecken. Der wegen Mordes verurteilte Angeklagte Ernst ist, nach allem, was man als Zeitungsleser weiß, nicht nur ein gewaltbesessener Fanatiker, sondern auch ein eher dummes, armes Würstchen, wie fast alle Menschen mit ähnlich verkrüppeltem Weltbild und Motivationsapparat. Ihm eine Rolle als Figur der politischen Zeitgeschichte zuzuschreiben, wäre zu viel der Ehre für ihn und seine Gesinnungsgenossen.

Der Rest des Urteilsspruchs ist, wie er ist: Auch dazu konnte man schon tage- und wochenlang das Wesentliche lesen. Die Form der Vernehmung des Opfers des dem Angeklagten vorgeworfenen zweiten Tötungsdelikts durch den Vorsitzenden des Senats und die Verteidiger des Angeklagten mag, wenn man den Berichten folgt, weniger Zufall als vorweggenommenes Ergebnis gewesen sein. Und die bemerkenswerte Figur des Mitangeklagten Markus H., der sich aus dem Gestrüpp der Ernst'schen Geständnisse auf wunderbare Weise in die Freiheit rettete, wird noch nachwirken. »Kein objektives Beweisergebnis« sprach, so wusste es die Mehrzahl der »Prozessbeobachter« schon seit Längerem, für seine Tatbeteiligung. Nun ja, wir werden sehen, was das OLG dazu schreibt.

In Erinnerung bleiben wird die Hauptverhandlung nicht zuletzt wegen des sehr bedenklichen Umgangs des Gerichts mit einem zwischenzeitlich ausgeschiedenen unliebsamen Strafverteidiger, dem der Angeklagte, angespornt vom Vorsitzenden und seinem zweiten Strafverteidiger, auf überaus seltsame Weise das »Vertrauen« entzog, nachdem ihm der Senatsvorsitzende zu verstehen gegeben hatte, dieser Verteidiger werde ihm »schaden«. Der Vertrauensentzug wurde darauf gestützt, dass der Rechtsanwalt nach Ansicht des Vorsitzenden »nicht sachgerecht« verteidigte – eine Beurteilung, die dem Gericht allenfalls in extremen Ausnahmefällen zusteht und keinesfalls darauf gestützt werden kann, dass ein Verteidiger Beweisanträge stellt, die »daneben« liegen. Mit dieser Begründung könnte man in zahllosen Verfahren wegen politisch motivierten Taten die jeweiligen Verteidiger hinausschießen. Wie auch immer: Nachdem sich alle einig waren, wird niemand das mit einem Rechtsmittel rügen. Und die Frage, wie, wann und bei wem sich der Senat um einen Ersatz für den vielleicht (!) zu entlassenden Verteidiger bemühte, wird sicher auch nicht zu den »offenen« gezählt werden, die nach Prozessende angeblich noch zu klären sind. Sagen wir vorsichtig: Ein Highlight der Verfahrenskunst war das nicht.

Hinterbliebene müssen keine »Leistung« vollbringen
Bemerkenswert war im Übrigen auch die Berichterstattung über die Rolle der Nebenkläger, also der Familie des Tatopfers. Fast kein Bericht, in dem nicht hervorgehoben wurde, dass sie »an fast jedem Verhandlungstag anwesend« waren, und in dem nicht gelobt wurde, dass sie sich »der Konfrontation mit dem Angeklagten aussetzten«. Auch hier schwingt eine seltsame Stimmung mit, die als Mitgefühl und Solidarität zu beschreiben schwerfällt. Hinterbliebene eines Mordopfers müssen keine »Leistung« vollbringen, für die sie von der Presse zu loben sind oder nicht. Es ist, allgemein, weder gut noch schlecht, weder Verdienst noch Zumutung, »sich der Hauptverhandlung auszusetzen«, wenn man Nebenkläger ist. Für manche Betroffene mag es eine Qual sein, für andere eine Erleichterung, für wieder andere der Versuch, das eigene Erleben und das furchtbare Geschehen in einen äußeren und inneren Sinnzusammenhang zu bringen, der das Verstehen, Bewältigen und Weiterleben ermöglicht.

Das »Aufarbeiten« geht nun seinen politischen Gang; es kann einem im Wahljahr Übles schwanen. Angeblich sind ja »viele Fragen offengeblieben«, da sind sich der Deutschlandfunk und der Vorsitzende der hessischen AfD einig, der im Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags »die Versäumnisse der Sicherheitsbehörden« aufarbeiten möchte. Darauf, auf die Beiträge der genannten Partei zum Aufklärungsprozess sowie auf den Abschlussbericht des Ausschusses samt den Minderheitsvoten freuen wir uns schon.

Der AfD-Vorsitzende hat übrigens der Presse mitgeteilt, jedes geringere Strafmaß gegen den Angeklagten Ernst wäre »der Bedeutung des Mordes (an Walter Lübcke) nicht gerecht geworden«; es sei »ein wichtiges Zeichen gegen Extremismus«. Ganz toll! Gewiss werden die Vorsitzenden der nachbarlich verbundenen AfD-Landesverbände Hessen und Thüringen schon heute zu einer maskengeschützten Kundgebung gegen rechtsextreme Gewalt aufrufen. Die sieht man dann die blauen Fahnen im Wind des Rechtsstaats flattern.

Wie geht es weiter? Die zu Rechtsmitteln berechtigten Verfahrensbeteiligten werden überlegen, ob sie Revision gegen das Urteil einlegen; dafür besteht eine Frist von einer Woche. Dann wartet man auf die schriftlichen Urteilsgründe; anschließend bleibt ein Monat Zeit, die Revision zu begründen. Eine neue Beweisaufnahme gibt es im Revisionsverfahren nicht; die Öffentlichkeit wird zumindest vorläufig mit den »offenen Fragen« leben müssen. Ein guter Ansatz zur Steuerung der Neugierde wäre, wenn die Bürger, jeder für sich, einmal überlegen würden, welches denn eigentlich jene »offenen Fragen« sind, die es nun zu klären gilt.

Ein Minimum an Respekt
Dass die Spannung der Bevölkerung darauf, was der Untersuchungsausschuss des Landtags an Wahlkampfmunition auffahren und einbringen wird, besonders groß sei, wird man nicht annehmen müssen. Auch die Rätsel im Ablauf des abgeurteilten Mordes werden, sobald die Nachrichtenlage weitergezogen ist, zu Recht und rasch an Interesse verlieren. Bleibt die Frage, ob es andere Rätsel und Fragen gibt, die näher an den Bürgern selbst liegen. Sie betreffen nicht allein die verdrehten, fremdenfeindlichen Abgründe in der Gedankenwelt der Angeklagten von Frankfurt. Sondern, wie eigentlich jeder weiß, die Notwendigkeit eines Minimums an mitmenschlichem und mitbürgerlichem Respekt im Allgemeinen.

Die Entgrenzung, Hemmungslosigkeit und Freude an der fantasierten oder realen Gewalt, die aus abseitigen Gründen geschürt wird und als Spiegel der gesellschaftlichen Verunsicherung viele Bereiche erfasst, fängt im relativ Kleinen an, hat aber auf Dauer und in der Breite verheerende Wirkungen. Das sollte den Blick nicht nur auf das Statuieren von »Exempeln« richten, sondern auch allgemein auf die Suche nach »Sündenböcken«, nach hysterischer Dramatisierung alles Negativen und auf das Gift einer heimlichen Freude am Niedergang.
[close]

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/eine-sinnlose-erschreckende-tat-a-c30048d4-3113-4094-a11c-79398b09d2cd
Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

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Re: Thomas Fischer
« Antwort #214 am: 6. Februar 2021, 15:20:06 »
Unser Kolumnist will wieder einmal bei der allgemeinen Empörung nicht mitmachen:


Zitat
Missbrauch in der katholischen Kirche
Absolute Absolution

Eine Kolumne von Thomas Fischer
Im Schatten des Kölner Doms ist der Teufel los, die Aufklärung der örtlich-katholischen Missbrauchs- und Vertuschungsgeschichte stockt. Das Publikum debattiert derweil über Gutachten – die es gar nicht kennen kann.
05.02.2021, 15.23 Uhr
Spoiler
Predigten
Ich muss gestehen, dass ich nicht zu den regelmäßigen Lesern des Blattes »Christ und Welt« (C & W) zähle, der »Wochenzeitung für Glaube, Geist und Gesellschaft«. Es fehlt mir an einer der drei genannten Profilvoraussetzungen. Wenn aber der Partner einer bekannten Münchner Rechtsanwaltskanzlei drei Seiten lang berichtet, er sei Opfer eines »Gewaltangriffs« des Erzbischofs von Köln geworden, bin ich natürlich elektrisiert wie alle anderen, die sich Tag für Tag im publizistischen Kampf gegen die allgegenwärtige Gewalt aufreiben: Die psychische und emotionale, die wörtliche und bildliche, die angedeutete und drohende, heimliche und gefühlsmäßige, akustische und sensitive, konkludente und sprachliche Gewalt hat ja Besitz ergriffen von der ganzen Gesellschaft, die so gern friedlich wäre, aber einfach nicht gelassen wird »in diesen Zeiten«. Dass jetzt sogar Kardinäle gewaltsam gegen Rechtsanwälte vorgehen, ist wirklich unerhört oder, um einmal eine ganz seltene Formulierung der objektiven Beschreibung zu zitieren, »eine neue Qualität«.

Wir lesen also und sind besorgt: »Das ist ein Gewaltangriff« in »C & W« vom 4. Februar. Auf allen drei Fotos sieht Herr Rechtsanwalt Wastl von Westpfahl Spilker Wastl (WSW) zum Glück unversehrt aus; das ist beruhigend. Der Gewaltangriff vom 30. Oktober 2020, so erfahren wir alsbald, bestand darin, dass der Kardinal Woelki aus Köln ein Gutachten, das WSW in seinem Auftrag erstellt hatte, »unter Verschluss« zu halten beschloss. Dieser Angriff hält seither an, was Rechtsanwalt Wastl verbittert und die deutsche Öffentlichkeit auf das Unterhaltsamste durch die Zeit des Heimbüros bringt, vor allem, seit der Kardinal zu Weihnachten verkündete, er entschuldige sich.

Na ja, nicht so direkt und nicht so, wie es »Bild« für weihnachtlich angemessen gehalten hätte, also mittels tränenüberströmten Herumrutschens auf den Fliesen des Doms plus Selbstgeißelung. Er entschuldigte sich dafür, dass die Schafe und Schafinnen seines Sprengels unter allerlei Vorwürfen leiden mussten, die auch gegen ihn, den Kardinal, erhoben wurden. Das war eine schöne Formulierung, deren Auslegung ein theologisches Consilium generale glatt drei Tage und Nächte lang beschäftigen könnte. Nach kurzer Atemstockung einigte sich die publizistische Laienschar auf die Interpretation, es tue dem Bischof leid, dass er Anlass für unberechtigtes Missvergnügen gegeben habe. Das ist zwar noch nicht ganz, was man als beispielhaften Anlass für

eine donnernde Absolution ansehen könnte, lässt diesen Weg aber zumindest theoretisch offen.


Gutachten
Ach, das Gutachten! Es handelt sich um ein Werk (§ 631 BGB), dessen Anfertigung die Erzdiözese Köln bei der Münchner Kanzlei in Auftrag gegeben hat. Ein Folgeauftrag sozusagen, nachdem die Kanzlei zunächst in München und Freising und sodann auch in Aachen nach dem Unrechten sehen durfte. Als das Werk vollendet war und seine Abnahme verlangt wurde, trat ein, was Herr Wastl von WSW von der »C & W« als »Gewaltangriff« bezeichnete: Der Besteller machte zunächst Vorbehalte und dann Mängel geltend und weigerte sich, in das von der Kanzlei errichtete Gedankengebäude feierlich einzuziehen. Wer jemals ein Eigenheim errichtet und gewagt hat, das Werk eines Installateurs oder Dachdeckers nicht abzunehmen, weiß, dass »Gewaltangriff« den Eindruck emotionaler Erschütterung recht zurückhaltend beschreibt, welche der Werkunternehmer empfindet und alsbald den allerschärfsten Rechtsanwalt, den er kennt, in passende Worte kleiden lässt.

Nun handelt es sich beim hiesigen Werkstück um ein ganz besonderes, und die drei Handwerker, die es erstellten, kommen aus einer Meisterschule höchster wissenschaftlicher Kunst. Ein Michelangelo, lieber Leser, bemalt nicht die Zimmerdecke, damit der Papst sie anschließend mit Seidentapeten überklebt, da mag der Werkbesteller noch so mit der Schönheit hadern!

Das Gutachten für das Bistum Aachen sollte sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen durch Kleriker zwischen 1965 und 2019 aufklären und trug den Untertitel »Verantwortlichkeiten, systemische Ursachen, Konsequenzen und Empfehlungen«. Entsprechend war der Auftrag für das Erzbistum Köln formuliert. Das Aachener Gutachten umfasst über 500 Seiten; es ist anzunehmen, dass das Kölner Pendant ähnlich umfangreich ist Der Kölner Erzbischof Kardinal Woelki veröffentlichte das Gutachten nicht, sondern beauftragte die beiden Strafrechtsprofessoren Matthias Jahn (Frankfurt) und Franz Streng (Erlangen-Nürnberg) mit einem methodenkritischen Gutachten zur Prüfung der fachlichen Qualität. Dieses Gutachten kam zu dem Schluss, dass die Münchner Kanzlei erhebliche methodische Fehler gemacht habe und dass ihr Gutachten teilweise tendenziös und daher fehlerhaft sei. Die Münchner Kanzlei wiederum wirft den beiden Hochschullehrern seither vor, ihrerseits methodische Fehler bei der Methodenüberprüfung begangen zu haben. Derweil hat die Diözese einen weiteren Gutachter, den Kölner Rechtsanwalt Björn Gercke, mit der Erstellung eines Zweitgutachtens beauftragt. Dieses soll am 18. März vorliegen. Das Publikum fiebert.

Das alles ist natürlich nicht geeignet, das Bedürfnis nach Klarheit zu befriedigen, welches allenthalben behauptet wird. Dies wiederum ist ein Boden, auf dem Verschwörungsfantasien blühen. Die entwirft ein jeder, wie er möchte und wie es ihm seine Voreinstellung nahelegt. Ganz überwiegend läuft das unter dem fiktiven Drehbuch »Mächtiger Kardinal versucht, Aufklärung zu verhindern«. Dass diese eher schlichte Geschichte einen erheblichen Realitätsgehalt hat, ist zu bezweifeln. Das gilt selbst unter der Bedingung, dass man von Verantwortlichen der katholischen und anderer Kirchen einiges an Dreistigkeit oder bigotter Selbstgerechtigkeit gewohnt ist.

Das Gutachten von WSW zum Erzbistum Köln kennen derzeit nicht viele; es ist nicht öffentlich. Rechtsanwalt Wastl deutete im »C & W«-Interview an, er habe einen (durchsetzbaren) rechtlichen Anspruch darauf, das Werk zu veröffentlichen. Das mag klären, wer will oder muss. Öffentlich ist jedenfalls das Gutachten zum Bistum Aachen; es steht unter anderem auf der Homepage von WSW. Öffentlich ist auch das Gutachten von Jahn und Streng. Es ist kurz, übersichtlich und auftragsgemäß aufs Thema »Methodenkritik« beschränkt.

Es geht also bislang noch gar nicht darum, ob die Inhalte stimmen, die Tatsachenermittlung sachgerecht und die Schlussfolgerungen plausibel sind. Es geht nur ums theoretische Handwerkszeug. Bei allem anderen kann schon deshalb niemand mitreden, weil das Werk ja gar nicht bekannt ist. Es ist auch stark zu bezweifeln, dass die Öffentlichkeit, die sich seit 15 Monaten über die Nichtveröffentlichung erregt, es kaum erwarten kann, die 511 Seiten zu lesen. Das Ganze wird vielmehr auf einem Niveau abgehandelt, auf dem ernsthafte Zweifel am Sachverhalt gar nicht mehr als diskutabel angesehen, vielmehr öffentlich Schlachten um das gebotene Maß von »Abscheu« und moralischer Verurteilung der »Verantwortlichen« gefochten werden. Am Rande geht es auch um viel Geld, um Schadensersatzforderungen, um den Zusammenhang von Zölibat, Hierarchie, Homosexualität und Pädophilie, um Biografien und Selbstbilder, Verhältnis von Kirche und Staat.

Ich will hier nur ein paar Bemerkungen zum strafrechtlichen Teil des WSW-Gutachtens für das Bistum Aachen machen, das insoweit möglicherweise vom Kölner Gutachten nicht sehr verschieden ist. Er erscheint mir suboptimal. Soweit »Grundzüge der Entwicklung des Sexualstrafrechts« abgehandelt werden (S. 102 ff.), benötigt das Gutachten vom Hochmittelalter bis zum StGB von 1871 genau neun Zeilen. Dann geht's unter Erwähnung des Jahres 1943 zügig weiter mit den Sechzigerjahren. Sachdienliche Erkenntnisse erlangt der Leser hier nicht; das gilt für den Abschnitt »Stellung des Opfers« gleichermaßen.

Zutreffend ist aber festgestellt, dass es keine allgemeine strafbewehrte Anzeigepflicht für sexuellen Missbrauch gibt, dass sich also innerhalb wie außerhalb der Kirche niemand schon deshalb strafbar macht, weil er eine ihm bekannt gewordene, vielleicht begangene Sexualstraftat nicht bei der Staatsanwaltschaft anzeigt. Sie kennen das, verehrte Leser, aus dem amerikanischen Bildungsfernsehen, wo abgebrühte Gangsterliebchen, kaum dass der gute Cop ihnen eröffnet hat, dass sie gleich »wegen Mitwissenschaft dran« seien, bedenkenlos sämtliche Freunde und Verwandte verraten. Hierzulande ist »Mitwissenschaft« in aller Regel straflos, was man schon an der Vielzahl der vollkommen wahrheitsgemäßen Autobiografien von Politikern erkennen kann.

Strafbarkeit kann daher nur unter drei Voraussetzungen gegeben sein:

Strafbarkeit wegen aktiver Beteiligung (insbesondere: Beihilfe) setzt voraus, dass eine Person vorsätzlich und durch aktives Tun eine andere Person bei deren Vorsatztat unterstützt;

Strafbarkeit wegen Beteiligung (Täterschaft oder Beihilfe) an einer Sexualstraftat durch Unterlassen setzt voraus, dass eine Person eine »Garantenstellung« hat, also rechtlich für die Sicherheit eines fremden Rechtsguts einzustehen hat (§ 13 StGB);

Strafbarkeit wegen Strafvereitelung (§ 258 StGB) setzt voraus, dass eine Person vorsätzlich und rechtswidrig verhindert, dass eine andere Person wegen einer Straftat bestraft wird. Das kann durch aktives Tun geschehen, aber auch durch Unterlassen, wenn eine »Garantenstellung« für die staatliche Strafverfolgung besteht.

Aus dieser Übersicht ergibt sich, dass es ganz so einfach nicht ist mit der »Verantwortlichkeit«. Das gilt nicht im Hinblick auf die Sexualstraftaten selbst, um deren Ermittlung und Aufklärung es in dem Gutachten aber auch gar nicht ging. Eine aus allgemeiner Empörung und Zorn über jahrzehntelange Vertuschung abgeleitete Annahme, »die Verantwortlichen« der katholischen Kirche seien im Grundsatz allesamt schuldig, trifft in dieser schlichten Schönheit nicht zu. Ebenso wenig ist es angebracht, strafrechtliche Verantwortlichkeit ohne Weiteres aus moralischem Versagen abzuleiten. Das kann jeder Leser leicht überprüfen, indem er Listen seiner moralischen Verfehlungen und seiner Vorstrafen anfertigt und einander gegenüberstellt.

Das Münchner WSW-Gutachten zum Bistum Aachen hielt es für »nicht vollständig überzeugend«, dass es eine strafrechtliche Anzeigepflicht für zukünftigen sexuellen Missbrauch nicht gibt (S. 111). Gleich im nächsten Satz führte es dann aber aus, einen praktischen Nutzen könne eine solche Pflicht allenfalls »in seltenen Ausnahmefällen« haben. Das ist überaus zutreffend, aber es ist sicher gut, dass wir mal drüber gesprochen haben.

Problematisch erscheinen die Ausführungen zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit nicht unmittelbar handelnder Personen. Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch durch Unterlassen sowie wegen fahrlässiger Körperverletzung soll »alles andere als fernliegend« sein. Wenn man die Rechtsprechung zur strafbaren Verantwortlichkeit von Strafvollzugsbediensteten oder Gutachtern im Zusammenhang mit Taten von Bewährungsversagern berücksichtigt, kann man hieran Zweifel haben. Der im Gutachten angeführte Beleg für das »realistische Strafbarkeitsrisiko«, eine Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO wegen Fehlens hinreichenden Tatverdachts, führt auch nicht recht weiter, ebenso wenig der Hinweis auf das »Lederspray-Urteil« des 2. Strafsenats von 1990. Die Berufung auf einen Beschluss des 4. Strafsenats vom 26.7.2007 (4 StR 240/07) ist erst recht irreführend, denn dort steht nur, dass ein Schulleiter sich wegen Beihilfe durch Unterlassen strafbar machen kann, wenn er vorsätzlich eine bestimmte Straftat fördert.

Ein solcher Vorsatz liegt aber in Fällen bischöflicher Milde gegenüber sexuell übergriffigen Klerikern in aller Regel fern. Dass schließlich der sexuelle Missbrauch »regelmäßig auch den Tatbestand der Körperverletzung (erfülle)«, was »keiner weiteren Erläuterung (bedürfe)« (S. 113 f.), ist eine ebenso überraschende wie unzutreffende Behauptung.

Professionelle Distanz
Es ist hier nicht der Ort für gutachtliche Äußerungen über ein Gutachten zu einem unbekannten Gutachten, und der Kolumnist will keinesfalls behaupten, er wisse irgendetwas Konkretes irgendwie besser als andere. Aber wenn denn »die professionelle Distanz bei uns oberstes Gebot (ist)« (Rechtsanwalt Wastl in »C & W«), dann ist »Gewaltangriff« definitiv nicht das richtige Wort dafür, dass der Auftraggeber des Gutachtens Zweifel daran hat, dass WSW die professionelle Distanz in allen Bereichen eingehalten hat.

Das betrifft übrigens auch die Frage der Veröffentlichung. Wastl:

»Im konkreten Fall geht es uns (mit der Nichtveröffentlichung) insbesondere aus zwei Gründen nicht gut: Einerseits weil wir den Betroffenen unser Wort gegeben haben, dass unser Gutachten erscheint. Und andererseits weil unsere fachliche Kompetenz massiv in Zweifel gezogen wird, ohne dass der Gegenstand der Kritik, unsere Arbeit, der Öffentlichkeit zur Prüfung vorliegt.«

Auch das klingt nicht überzeugend: Wer den Auftrag erhält, ein privates Gutachten zu erstatten, hat keinen Anspruch darauf, dass »die Öffentlichkeit« eine Prüfung (?) seines Werks durchführt; und er hat Menschen, von denen das Gutachten mittelbar handelt, auch nicht eigenmächtig zu »versprechen«, dass es veröffentlicht werde.

Zur Polemik und zum Vorwurf eines gewissen Sounds der Voreingenommenheit, der im Gutachten von Jahn/Streng erhoben wird, will ich mich nicht ausführlich äußern, da ich das Kölner Gutachten nicht kenne. Die Ansicht:
»Wenn Sie (…) nicht nur die rechtliche Seite beurteilen sollen, sondern auch das Verhalten nach moralischen Grundsätzen, gibt es sicherlich Situationen, in denen Sie eine härtere Sprache wählen müssen. Sie müssen deutlich machen, was überhaupt moralisch passiert ist. Eine härtere Sprache zeigt nicht, dass wir voreingenommen sind; sie beschreibt die Realität« (Wastl, C & W)
scheint mir allerdings für die Beschreibung eines wissenschaftlichen Gutachtens nicht ganz überzeugend, und dass die Kanzlei den Auftrag hatte, in »härterer Sprache« moralische (!) Verfehlungen aufzuzeigen, müsste noch dargelegt werden.

Die Interviewer von »Christ & Welt« scheinen die Botschaft, wer die Guten und wer die Bösen sind, jedenfalls verstanden zu haben. Sie fragen zum Abschluss:
»Sie sollten die Vertuschung der vergangenen Jahrzehnte aufklären. Und jetzt macht der Kardinal Sie zu Vertuschern wider Willen.«
Das ist vor dem Hintergrund, dass ja (angeblich) niemand das Gutachten kennt, dessen Inhalt angeblich »vertuscht« werden soll, eine kühne Behauptung.

Wir bewegen uns damit einmal mehr auf der Kreisbahn öffentlicher Vorurteile und Empörungsverlautbarungen, auf der zwischen der Behauptung, irgendetwas sei möglicherweise passiert, der Feststellung, der »Druck nehme zu«, und der Forderung, irgendjemand müsse von irgendetwas »zurücktreten« in der Regel nicht mehr als zehn Tage vergehen.

Wir hörten, der Kardinal habe in einer Art Selbstanzeige die Kurie gebeten zu begutachten, ob er wegen der Schonung eines inzwischen verstorbenen, zuvor vernehmungsunfähig dementen mutmaßlichen Täters (Tatzeit vor 45 Jahren) zu verurteilen sei. Ob der Bischof von Rom sich hierzu schon gutachtlich geäußert hat, ist mir unbekannt.

Meine persönliche Entrüstung über diesen Fall hält sich in Grenzen. Und damit will ich wahrlich nicht sagen, dass die missbräuchlichen und zerstörerischen Übergriffe von Klerikern gegen Kinder harmlos gewesen seien. Aber nach 45 Jahren, einer schweren Demenz und dem Eintreten des Todes könnte man die stellvertretende Rache gut sein lassen. Es gibt genügend Kinder im Jahr 2021, die der Fürsorge des Publikums bedürfen.
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https://www.spiegel.de/panorama/justiz/kardinal-woelki-vertuschung-nach-sexuellem-missbrauch-im-erzbistum-koeln-kolumne-a-2be0571e-da33-4111-a2fc-995698a0d42d
Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

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Re: Thomas Fischer
« Antwort #215 am: 19. März 2021, 18:51:00 »
Unser Lieblingskolumnist hat sich wieder zum Rummel um den Kardinal geäußert:


Zitat
Katholische Kirche
Schuld und Sühne

Eine Kolumne von Thomas Fischer
Die Erzdiözese Köln hat das lang erwartete Gutachten veröffentlicht. Dass es der Christenheit wirklich wichtig ist, was drinsteht, erscheint fraglich. Und vor allem: Was kommt nach der Empörung?
19.03.2021, 12.43 Uhr

Spoiler
Opfer?
Wie fast alle Religionen hat auch die christliche eine innige Verbindung zum Opfern. Zuvor war schon das Alte Testament, wie dem einen oder anderen vielleicht noch geläufig sein mag, voll von Opfern, Opfergaben, Opferaltären, Bitt-, Dank-, Sühne- und Reinigungsopfern. Schon dem Stammvater Abraham musste, als er in fremdschädigender Verzückung seinen eigenen Sohn zu schlachten und zu opfern anhub, sein Gott mit einem Wunder in den Arm fallen.

Seither ist unendlich viel geopfert, aber im Ergebnis recht wenig damit gewonnen worden, sollte man meinen, wenn man einmal von den Märtyrern absieht, die sich zum Zwecke des Zeichengebens selbst opfern. Das will heute natürlich hierzulande niemand mehr ernsthaft, und wer immer auf der weiten Welt solche Gedanken hat oder zu ihrer Verwirklichung ansetzt, gilt uns Alten und Jungen als verrückt, mindestens als hochgefährlich, meist beides zugleich.

Deshalb warte ich, ehrlich gesagt, schon seit Längerem darauf, dass einmal eine der an der Spitze der Opferbewegung marschierenden Personen auf die Idee kommt, ein wenig etymologische Forschung zu betreiben, bevor sie andere Menschen und besonders gern sich selbst als permanentes »Opfer« von irgendwas und irgendwem bezeichnet und wieder andere wahllos der Missachtung dieses Opferseins bezichtigt. Leider tut sich in dieser Richtung gar nichts, sodass die Welt und ich weiter unter den sprachlichen Springfluten der Opferung leiden müssen. Wäre es nicht an der Zeit, einmal zu fragen, ob die Bezeichnung als »Opfer« nicht die Würde-Identität des selbstbestimmten Individuums tangiert?

Für den Fall, dass Sie, verehrte Leser, sich die Frage stellen, warum ich dies mitteile: In Köln hat der dortige Erzbischof und Kardinal das seit Monaten über alle Maßen herbeigesehnte »weitere Gutachten« über die »Aufarbeitung« von Fällen sexuellen Missbrauchs durch Kleriker in der Erzdiözese Köln veröffentlicht. Noch am vergangenen Wochenende durften wir in einer großen deutschen Tageszeitung ein weiteres ganzseitiges Werk über die verzweifelte Lage des Amtsgerichts Köln angesichts der langen Schlangen kirchensteuerzahlungsunwilliger Katholiken lesen, bebildert mit dem üblichen Konterfei des schuldigen Erzbischofs und angereichert mit allerlei Untergangsgemurmel des vielleicht frommen Autors. Auch zahllose andere große und kleine Pressemedien haben sich nicht lumpen lassen und berichten mehrmals täglich über den Stand des tsunamistischen Abfalls von der Heiligen Römischen Kirche, besonders in Köln und um Köln herum.

Täter?
Am Donnerstagvormittag wurde das hoffnungsvolle Herbeirufen eines endgültigen, katastrophalen Zusammenbruchs des zentral organisierten Christentums kurz unterbrochen von der Meldung: »In Köln hat Kardinal Woelki erste personelle Konsequenzen gezogen«. Oha! Herr Woelki hat »Konsequenzen gezogen«! Hat er sich, auf den Knien rutschend, auf den Weg nach Rom gemacht? Lässt er sich nach Limburg versetzen? Geht er in Frühpension, »tritt er zurück«? Nichts von alledem: Er hat vorerst mal zwei Personen von ihren Dienstaufgaben entbunden. Bei der Polizei im Krimi heißt das: Marke und Waffe abgeben, »suspendiert«. Später wird alles wieder gut.

Der Gutachter, Rechtsanwalt Prof. Dr. Gercke, hat pünktlich sein Gutachten vorgelegt; zugleich wurde es der Staatsanwaltschaft zur gegebenenfalls weiteren Veranlassung übersandt. Die Christenheit und der Chefredakteur von »Bild« mussten sage und schreibe drei Monate warten: Eternitas Ecclesiae!

Aus dem Gutachten ergibt sich, dass zwischen 1975 und 2018 nach den zur Verfügung stehenden Akten insgesamt 314 Personen – meist Jungen unter 14 Jahren – durch Straftaten des sexuellen Missbrauchs geschädigt wurden; die Anzahl der Tatverdächtigen liegt bei etwa 220. Natürlich lässt es sich kein Medium entgehen, die Taten allesamt »sexualisierte Gewalt« zu nennen, wie es heute üblich ist, wenn man zeigen will, dass man sich auf der Höhe der sprachlichen Sensibilität bewegt. Ob die »Gewalt« tatsächlich ist oder war, was die Menschheit seit mindestens 2000 Jahren »Gewalt« nennt, ist dabei gleichgültig. Wie es der deutsche Strafgesetzgeber kürzlich in unnachahmlicher Treuherzigkeit formulierte: Der Begriff »sexualisierte Gewalt« umfasst ab sofort auch Handlungen ohne Gewalt. Er wird verwendet, um gewaltloses (!) Missbrauchsverhalten zu »brandmarken«. Gesetz, Medien und Wissenschaft, Arm in Arm mit der Waschmittelwerbung. Am Anfang, so sagt uns das Buch der Bücher, war das Wort. Vermutlich wird es auch am Ende sein.

Bevor jetzt wieder ein Geschrei über die »Verharmlosung« anfängt: keine Angst, Leser und Bürger! Der Kolumnist ist ganz und gar gegen den Missbrauch von Abhängigkeit und Macht aus sexuellen Motiven. Er bedauert jede einzelne Person, die durch solche Taten in ihrer sexuellen Selbstbestimmung verletzt, in ihrem Vertrauen in die Welt verstört, in ihrem Lebensweg behindert wurde. Das bedeutet allerdings nicht, dass alle Verletzten gleich stark verletzt sind und gleich viel erlitten haben. Es gibt Unterschiede beim Schmerz der Verletzten wie bei der Schuld der Täter. Wer das nicht sehen will oder kann, gibt sich einem Fanatismus hin, der niemandem nützt, am wenigsten den Geschädigten.

314 geschädigte Personen sind viel. In 40 Jahren (1975 bis 2018) sind es – bezogen auf die Gesamtzahl von Fällen und daher »relativiert« – aber nicht viele. Im Jahr 2018 beispielsweise nennt die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) die Zahl von 16.833 Geschädigten durch Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Das ist natürlich nur eine (undifferenzierte) PKS-Zahl. Auf die an dieser Stelle schon mehrfach erläuterten Vorbehalte gegen die Statistik kommt es hier aber nicht an. Die Zahl zeigt, über welche Größenordnungen wir sprechen: Durchschnittlich acht dokumentierte Fälle von Missbrauch pro Jahr in den organisatorischen Strukturen der Erzdiözese Köln, einige Tausend pro Jahr insgesamt. Dass man an dieser Stelle sagen muss, jeder Fall sei einer zu viel, ist mir und Ihnen natürlich bekannt; es ändert aber nichts an den Verhältnissen.

Da die dokumentierten Fälle bis 1975 zurückreichen, sind viele – vermutlich die meisten – strafrechtlich verjährt. Wie es mit der kirchenrechtlichen Lage aussieht, will ich hier nicht aufdröseln; das gilt auch für die »Pflichtverletzungen« durch Nichtverfolgung, »Vertuschung« oder andere Handlungen, die einer Reihe von Klerikern vorgeworfen werden. Mit Freude habe ich am 18. März gehört, dass auch insoweit schon wieder eine »Rekordliste« aufgestellt wurde: Auf dem ersten Platz mit 24 Sünden steht der ehemalige Kardinal M., auf dem zweiten Platz gefolgt von einem Weihbischof mit 16 Punkten. Was denkt sich da der rheinische Katholik draußen in der Welt? Findet er das gut? Ist einer mit 24 Sünden schlimmer als einer mit 16 Sünden, muss er länger oder ärger in die Hölle? Oder muss ihm mehr und liebevoller vergeben werden?

Gläubige?
Und was ist überhaupt mit dem Kardinal Woelki? Es wird ihm vom Gutachter »kein Pflichtverstoß« nachgesagt. Es hat sich also herausgestellt, dass der Kardinal weder gelogen hat noch dass es falsch war, das erste Gutachten überprüfen zu lassen, noch dass die Entscheidung falsch war, es bis zum Abschluss der Überprüfung nicht zu veröffentlichen. Alles richtig, verehrte Katholiken! Eine etwas hölzern geratene Weihnachtsbotschaft darf man dem Kardinal vorwerfen, und dass er nicht verhindert hat, dass möglichst viele Fotos von ihm gemacht werden, auf denen er verkniffen aussieht und mit denen er denunziert werden kann. Auf dieser extrem schmalen Basis wird er seit fast einem halben Jahr durch den Dreck gezogen und auf dem Domplatz der allgemeinen Beschimpfung durch Leute ausgesetzt, die weder von der Kirche Ahnung haben noch vom Recht noch gar barmherzige Samariter der Geschädigten sind.

Gespannt habe ich die Nachrichten des Veröffentlichungstags verfolgt: Halbstündlich berichteten die Agenturen und Sender, als breche in Köln endlich wieder eine ordentliche Katastrophe aus. Voller Vorfreude erklangen die Meldungen über die »ersten personellen Konsequenzen«, die »dramatische Lage«, die »Welle der Austritte«. Die das berichten, sind nicht durchweg Kirchenfeinde. Ich tippe eher darauf, dass es den meisten schlicht gleichgültig ist: der Zusammenbruch des Kölner Doms ist zwar nicht so sensationell wie 9/11, aber allemal spannender als der Abriss einer Lagerhalle. Ob die Dynastie Ihrer Majestät der Queen zusammenbricht oder der Katholizismus in Deutschland, ist skandalmäßig irgendwie egal.

Morgen ist wieder Corona und nächste Woche Trainerrücktritt, und in Sachsen marschiert das Volk mitsamt seinen Landräten gegen die Staatskanzlei des dortigen Kurfürsten und kämpft für das Menschenrecht auf Masseninfektion und Grillfest, Strähnchen im Haar und Tod. Jeden Tag ersticken zurzeit 300 Menschen an den Folgen der Covid-Infektion. Das sind so viele, wie in Köln in 42 Jahren einen sexuellen Missbrauch durch Kleriker überlebt haben. Schon klar, liebe Sinnspruch-Kenner: Äpfel sind apfelförmig und Pflaumen sind pflaumenförmig. Aber Schmerz ist nie schön, und Angst bleibt Angst.

Was lernen wir jetzt eigentlich, einmal vorläufig gedacht, aus dem Kölner Gutachtendrama? Ein paar schöne Stimmen von Spontaninterviewten erklangen aus den Sendeanstalten: Nachdem es nun »so lange hin und her« gegangen sei mit all den Gutachten und diesem Woelki und so weiter, habe man mit der Kirche nichts mehr am Hut. Na gut. Kann man so sagen, muss man aber nicht wirklich. Nicht jedes Maß an Dummheit ist verzeihlich.

Denn eines ist ja klar: All die vielen Austretenden und tief Enttäuschten und Amtskirchenmüden sind seit vielen Jahrzehnten ein Teil dessen, was sie angeblich nun so spontan enttäuscht. Das tiefe Verlangen nach Demokratie und Empathie in der katholischen Kirche bringt sie auch nicht etwa dazu zu fragen, was es eigentlich heißen soll, dass »der Kardinal erste personelle Konsequenzen gezogen« habe. Ist Herr Dr. Woelki der Fürstbischof von Köln, ein Herrscher mit dem aufwärts oder abwärts gerichteten Daumen? Und wenn ja: Ergibt sich das am Ende aus dem kanonischen Recht? Ist es das Recht, nach dem die Katholiken leben? Ist der Weihbischof schon verurteilt?

Fegefeuer?
Das Interessanteste an der Sache ist – aus Sicht des Kolumnisten –, wie sich der zähnefletschende Zerfall des Glaubens in die Schafgestalt der mitmenschlichen Gefühligkeit kleidet und ernsthaft behauptet, es sei die »Enttäuschung« über die sexuellen Fehltritte und Jahrzehnte zurückliegenden fleischlichen Verbrechen alter Kleriker, was das Kirchenvolk zum Amtsgericht Köln treibe, um aus der Kirchensteuerpflicht auszutreten.

Denn wenn die Enttäuschten den »Glauben« hätten, in welchen hinein sie getauft wurden, wüssten sie ja, dass man aus der Kirche nur an der äußersten Oberfläche austreten kann, da, wo sie eine Buchhaltung betreibt und ein paar Banken und Immobilienverwaltungen. In der Tiefe aber kann man gar nicht austreten, nachdem jemand gesagt haben soll, sie sei von ihm selbst »auf diesen Felsen« gebaut. Und kein austretender Katholik ist ja »besser« als der alte Kardinal oder der neue, und erst recht nicht ohne Sünde. Es gibt keinen unter ihnen, der nicht seit jeher gewusst hätte, dass in Klosterschulen geprügelt und in Sakristeien gesündigt und in Kinderseelen Verzweiflung und Traurigkeit verbreitet wurde. Die das allesamt wussten, bimmelten ihr Leben lang mit den Glöckchen und bekreuzigten sich beim Eintritt in den Dom und ließen ihren Kindern ausrichten, da müsse man durch.

Es ist schwer, sich eine intensivere und auch verzweifeltere Heuchelei vorzustellen als das Theater um die »Aufarbeitung« der von Klerikern begangenen, durch die Struktur der Kirchen massiv begünstigten Straftaten. Dass die ganze »christlich-jüdische« Mehrheitsgesellschaft sich voll der Empörung und tiefen Bewunderung für die eigene Gutherzigkeit versammelt, um mit dem Finger auf ein paar mehr oder weniger durchschnittliche Funktionäre einer Charismaverwaltungs-Organisation zu zeigen und »Haltet den Dieb« zu rufen, hat schon was!

Unter ihren Füßen bricht derweil das ganze Fundament der alten Religionen zusammen. In wollene Socken und lilafarbene Schals gekleidete Sehnsüchtige schwören, beim Wandern oder beim Joggen, im Homeoffice oder mit dem vierten Lebensabschnittsgefährten könnten sie die Stimme des Herrn hören, der ihnen zuruft: Sei du selbst! Sei authentisch! Gönn‘ dir mal was Schönes! Dafür, liebe Christen, ist eure Religion aber nicht gemacht. Das ahnt man seit ungefähr 600 Jahren. Letztens hat sich die Sache wie die Globalisierung ein wenig beschleunigt, daher bricht hier wie überall eine panische Suche nach Schuldigen aus.

Nun wird man also noch ein paar Tage »aufarbeiten« und »personelle Konsequenzen ziehen«. Ja, und? Was dann? Gehen dann alle wieder in die Kirche und zur Beichte und fürchten sich vor dem Jüngsten Gericht? Welche Rettung hat sie zu bieten, die »aufgearbeitete« Kirche? Hat sie im letzten Jahr irgendetwas zur Seuche gesagt, was Ihnen in Erinnerung geblieben ist? Was soll denn werden, wenn die »Skandal«-Schlagzeilen verblasst sind und die nächste Schweineherde durchs Dorf getrieben wird? Weg mit den alten Männern, her mit schwulen jungen Priesterpaaren, queeren Kardinälen und lesbischen Päpstinnen! Ist es dann wieder gut? Kommen dann die Heiligen wieder und die Engel und die Freude auf die Ewigkeit? Ich habe Zweifel. Ob sich die Hölle und der Himmel allerdings dauerhaft werden ersetzen lassen durch Yoga, Compliance und Gruppentherapie, ist eine andere Frage.

Abschließend: Was ist jetzt eigentlich in Köln und anderswo? Ist jetzt alles klar? Wer genau ist jetzt »Opfer«, wer ist Täter, wer ist Schaulustiger? Was werden die Gesellschaft, die Rechtsgemeinschaft, die Kirche und die anderen tun, jetzt, da die Sehnsucht erfüllt und »die Verantwortlichen benannt« sind? An wem wird Rache genommen für die Sünden und Verbrechen der vergangenen 50 Jahre? Oder ist alles schon wieder vorbei, und der Modus der dauererregten Empörung schon wieder weitergezogen? Man darf gespannt sein.
[close]

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/schuld-und-suehne-a-7930e838-af46-4577-b381-789f0b1a50dd


Dazu ergänzend die Äußerungen des Gutachters in der LTO:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/erzbistum-koeln-rainer-woelki-missbrauch-gutachten-doch-oeffentlich-interview-gutachter-bjoern-gercke-bistumsanwalt-carsten-brennecke/


Wer sich das Gutachten mit 915 (!) Seiten antun will, die Erzdiözese Köln hat es hier zum Download bereitgestellt:
https://mam.erzbistum-koeln.de/m/2fce82a0f87ee070/original/Gutachten-Pflichtverletzungen-von-Diozesanverantwortlichen-im-Erzbistum-Koln-im-Umgang-mit-Fallen-sexuellen-Missbrauchs-zwischen-1975-und-2018.pdf
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #216 am: 16. April 2021, 17:31:39 »
Nachdem der Kolumnist uns letzte Woche gemahnt hat, doch besser erst einmal nachzudenken

https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/medienkompetenz-bei-nachrichten-ueber-kriminalitaet-und-straftaten-erstmal-nachdenken-kolumne-a-79eee0a2-770c-476c-bd79-678aed967918

erfahren wir heute von einem Berufswechsel:

Zitat
Ohnehin haben die Kanzleien in der südlichsten Hauptstadt Deutschlands kräftig auf dem Transfermarkt zugeschlagen. Gleich mehrere Sozietäten verstärkten sich mit namhaften Zugängen. Prominentestes Beispiel ist Ex-BGH-Richter Prof. Dr. Thomas Fischer, der rund vier Jahre nach seiner Pensionierung Strafverteidiger bei Gauweiler & Sauter wird.

https://www.lto.de/recht/kanzleien-unternehmen/k/juristen-transfermarkt-wirtschaftskanzlei-partnerwechsel-januar-februar-maerz-2021/


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Re: Thomas Fischer
« Antwort #217 am: 16. April 2021, 17:42:15 »
Da kann er gleich seine Seniorpartner verteidigen, gegen die derzeit wegen diverser Finanzangelegenheiten ermittelt wird...
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #218 am: 16. April 2021, 20:06:17 »
Jetzt ist erstmal der Dieter Wedel dran
https://www.welt.de/vermischtes/article230051687/Ex-Bundesrichter-Thomas-Fischer-verteidigt-Dieter-Wedel-vor-Gericht.html

Köstlich finde ich https://twitter.com/Dr_Huettl/status/1380502146819497985
Meinte Fischer doch im September 2019 noch:

„Glück gehabt - 10 Gründe warum ich froh bin nicht Strafverteidiger geworden zu sein“

 
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #219 am: 17. April 2021, 09:58:48 »
Das finde ich folgerichtig und konsequent (war das jetzt ein Hendiadyoin?).

Die aufmerksame Leserin merkt sofort, von „gut“ habe ich nichts geschrieben.

Zu Erinnerung an den Gang der Geschichte:

in seiner Kolumne „Fischer im Recht“ hatte der Kolumnist seit Januar 2015 wöchentlich für die ZEIT geschrieben und damit für viele für Transparenz gesorgt („Wie ist der Instanzenweg“, „Was verdienen Richter“, „Was macht ein Revisionsgericht“  etc.)
https://www.zeit.de/serie/fischer-im-recht

Vielen Kollegen gefiel das gar nicht (die Aura des Numinosen sollte schließlich nicht durchbrochen werden) und vor allem nahmen sie ihm übel, daß er sich letztlich erfolgreich in die Position des Vorsitzenden Richters beim 2. Strafsenat eingeklagt hatte, dessen Stellvertretender Vorsitzender er einige Zeit gewesen war, dessen Stelle aber der Staat aus finanzieller Knickrigkeit oder falscher Rücksichtnahme nicht besetzen wollte. Außerdem gab es böse Beurteilungs-Zeugnisse.

Fischer aber war der Meinung, jeder Senat braucht einen Vorsitzenden, auch, wenn er das am Ende nicht selbst sein würde.

Als Kolumnist der ZEIT schon übte Fischer einige Male doch recht heftige Medienschelte. Bis zur causa Wedel.

Mehrere Journalistinnen der ZEIT hatten sich nämlich seiner Auffassung nach zu einem Tribunal zusammengefunden und über Dieter Wedel zu Gericht gesessen, ihn schließlich für überführt und also schuldig befunden.

Dies nun gefiel dem Strafrechtler Fischer so gar nicht, da seiner Meinung die Autorinnen fundamentale Gesetze des Strafverfahrens verletzt hatten, aufgrund derer erst die Schuld oder Unschuld ermittelt werden.  Das Manuskript reichte er wie üblich bei der ZEIT ein, die aber setzte ihm den Stuhl vor die Tür, denn so liberal war man dann doch nicht, daß die Kritik auch die eigene Redaktion hätte betreffen dürfen. Was viel über die ZEIT aussagt.

Seine Kritik veröffentlichte er schließlich bei Meedia in einem ersten
https://meedia.de/2018/01/29/das-sternchen-system-thomas-fischers-zeit-kritische-anmerkungen-zum-medien-tribunal-gegen-dieter-wedel/

und einem zweiten Teil:
https://meedia.de/2018/03/08/dieter-wedel-die-zeit-und-der-kameltester-thomas-fischer-ueber-die-selbstgerechtigkeit-eines-leitmediums/

Nach etlichen Beiträgen in Meedia landete er schließlich beim SPIEGEL (dort geht man mit der Kritik an eigenen Artikel – wie jüngst erst –  offenbar erheblich souveräner um als bei der ZEIT).

Die causa Wedel war also ursächlich für Fischers Abgang bei der ZEIT.

Zitat
Fischer trat Ende April 2017 in den vorzeitigen Ruhestand. Seit 2021 ist er als Of Counsel für die Kanzlei Gauweiler & Sauter tätig. Er gehört dort – neben der Strafverteidigerin Dörthe Korn und Peter Gauweiler – zum Verteidigerteam von Dieter Wedel, dem Vergewaltigung vorgeworfen wird.
https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Fischer_(Jurist)

Wenn ihn das Vorgehen der ZEIT-Journalistinnen aufregt und zu einem Artikel anregt, dann kann ich das nachvollziehen.

StGB und StPO sind nicht ohne Grund so wie sie sind, als über Jahrzehnte und Jahrhunderte gewachsene Erkenntnis seit den Hexenprozessen, was der Staat gegenüber dem Individuum darf und was nicht, was zur Ermittlung der Tatumstände zielführend ist und was nicht. Auch die Rechtsprechung der Bundesgerichte besteht nicht ohne Grund.

Das durchaus unseriöse Vorgehen der ZEIT-Journalistinnen sehe ich persönlich dabei im Zusammenhang mit anderen Fällen, in denen die Rechte der Verdächtigen durch die Medien sowieso und auch durch die Ermittlungsbehörden verletzt wurden.

Dabei hat sich namentlich die Staatsanwaltschaft Hannover unrühmlich hervorgetan, als die den Altbundespräsidenten Wulff anklagte und der schließlich im Raum stehende Bestechungsbetrag auf etwas über 700 € zusammenschrumpfte (wenn ich mich recht erinnere).

Nach meiner Erinnerung war es auch die forsche Staatsanwaltschaft Hannover, die gegen den SPD-Abgeordneten Edathy vorging und die Ermittlungsergebnisse an die Medien weitergab, obwohl das BKA explizit darauf hingewiesen hatte, daß die Bilder, die Edathy aus dem Netz heruntergeladen hatte, nichts Strafbares enthielten.

Das Verfahren wurde schließlich mit Einstellung gegen Geldauflage beendet, Edathys Ruf ist seitdem zerstört. Abgesehen davon, daß afd-Anhänger sowieso alle Anghörigen und Wähler der SPD als potentielle Kinderfic.ker einstufen, braucht Edathy sich in Deutschland nicht mehr sehen zu lassen.

Fischer hat seinem Unmut zunächst in der ZEIT:
https://www.zeit.de/2014/10/staatsanwaltschaft-fall-edathy

dann auch im SPIEGEL Luft gemacht:
https://www.spiegel.de/politik/es-gibt-kein-strafrecht-der-moral-a-30f477a4-0002-0001-0000-000128476243?context=issue

In die Reihe gehört auch die causa Cornelius Gurlitt – wiewohl sich Fischer dazu nicht geäußert hat –, der mit 9000 € die schweizer-deutsche Grenze überschritt, diesen Betrag brav anmeldete und von einem Fahnder verfolgt wurde, obwohl der erlaubte Betrag bei 10.000 € liegt, Gurlitt also nichts Verbotenes getan hatte. In der Folge wollte die Staatsanwaltschaft Augsburg, die das Verfahren führte, in der Öffentlichkeit erfolgreich dastehen und stach die Sache an den Focus durch, worauf gegen Gurlitt und seine „Raubkunstsammlung“ ein Mediensturm losbrach. Frau Mendelssohn von der 3sat Kulturzeit sprach noch immer von Raubkunstsammlung als längst klar war, daß von 1280 aufgefundenen Kunstwerken überhaupt nur ganze 7 der Raubkunst zuzurechnen sind, der Anteil also im Promillebereich liegt. Hätte die Provenienzforschung dem inzwischen verstorbenen Gurlitt vorgelegen, so hätte er vermutlich die Werke zurückgegeben, so, wie er es auch zuvor schon getan hatte, sobald Ansprüche geltend gemacht wurden. Gurlitt diskutierte nie, sondern gab die Werke ohne Sträuben zurück. Was man von den Sammlungen der Stadt München oder des Belgischen Staates nun überhaupt nicht sagen kann.

Nur war Gurlitt jetzt eben „dran“, die Medienmaschinerie brauchte endlich ein Opfer aus der Raubkunstdiskussion.

Gut möglich, daß Gurlitt infolge der Aufregungen verstarb, zuvor vermachte er noch der Schweiz die Werke, ich kann verstehen, daß er sie nicht in einem deutschen Museum hängen sehen wollte, denn eigentlich kann man von einer deutschen Staatsanwaltschaft die Achtung der Persönlichkeitsrechte des Verdächtigen erwarten.

Fischer mischte sich dann wieder kommentierend in die Berichterstattung über den „Mord vom Königsplatz“ in Augsburg ein (der sich dann als Körperverletzung mit Todesfolge herausstellte).

Von daher finde ich eine Verteidigung durch Fischer et. al. verständlich, um dem bereits durch die Medien vorverurteilten Dieter Wedel eine faire Verteidigung gem. StPO zu gewähren (denn eine andere Aufgabe hat ein Verteidiger ja nicht).

Bonusmaterial: Es ist für juristische Laien interessant, was zwei Verteidiger über den komplizierten Fall Tschäpe in der Öffentlichkeit zu berichten haben (obwohl da die Beweislage völlig anders lag als im Fall Wedel):

https://www.youtube.com/watch?v=LyphOjEyPrw&t=2122s

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Re: Thomas Fischer
« Antwort #220 am: 18. April 2021, 15:02:25 »
Da kann er gleich seine Seniorpartner verteidigen


Einen hat's jetzt erwischt:    :o


Zitat
Korruptionsverdacht

Vermögensarrest in Millionenhöhe bei Sauter

In der Maskenaffäre greift die Justiz gegen den Ex-Justizminister rigoros durch: Das Oberlandesgericht München hat einen sogenannten Vermögensarrest von rund 1,2 Millionen Euro verfügt. So etwas dürfte es in dieser Dimension in Bayern noch nicht gegeben haben.

Von Klaus Ott
Spoiler
Vor gut zwei Jahrzehnten leitete Alfred Sauter als Justizminister die oberste Dienstbehörde der Gerichte in Bayern. Jetzt lernt der CSU-Politiker und Landtagsabgeordnete die Justiz von der anderen Seite kennen, als Beschuldigter in einem Strafverfahren. In der Maskenaffäre hat das Oberlandesgericht (OLG) München einen sogenannten Vermögensarrest gegen Sauter in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro verfügt, der inzwischen auch vollzogen worden sein soll. Das bedeutet, die Justiz hat bei dem Abgeordneten und Anwalt Vermögen in dieser Höhe sichergestellt.

Ein Millionenarrest gegen einen einflussreichen CSU-Politiker, der mehr als zehn Jahre Kabinettsmitglied war, der im Bundestag saß und seit mehr als drei Jahrzehnten im Landtag, der bis vor kurzem dem CSU-Vorstand angehörte und etliche weitere Parteiämter innehatte; das dürfte es in Bayern noch nicht gegeben haben. Zweck der Maßnahme: Das OLG will verhindern, dass die fraglichen Geschäfte mit Corona-Schutzmasken zu einem Schaden beim Staat führen; letztlich also zu Lasten der Steuerzahler gehen. Bei den Maskendeals sind hohe Profite angefallen.

Sauter gehört zu einer Gruppe von Politikern und Geschäftsleuten, die im vergangenen Jahr Maskenlieferungen einer Firma aus Hessen an mehrere Ministerien in Bayern und im Bund vermittelt haben. Sauters Anteil als Anwalt und Vermittler betrug nach Erkenntnissen der Generalstaatsanwaltschaft München rund 1,2 Millionen Euro. Das Geld ging an die Firma Pecom, die weitgehend den beiden Töchtern von Sauter gehört. Für den langjährigen CSU-Politiker sind die Maskendeals jetzt aber erst einmal ein Minusgeschäft. Bei Sauter sollen allenfalls, wenn überhaupt, noch 100 000 Euro Anwaltshonorar aus dem Geschäft vorhanden sein.

470 000 Euro haben Sauter und seine Familie über die Pecom an die gemeinnützige Bürgerstiftung in Sauters Heimat Günzburg spenden lassen. Der Rest ging für vor allem für Steuern drauf. Die 470 000 Euro, die an die Bürgerstiftung gingen, hat sich die Justiz bereits gesichert. Dass die Justiz trotzdem so rigoros bei Sauter durchgreift, wird unter Juristen als "Übersicherung" bezeichnet.

Damit am Ende alle angeblich illegalen Profite abgeschöpft werden können, wird bei jedem Beteiligten so viel Vermögen wie möglich sichergestellt. Das geschieht rein vorsorglich für den Fall, dass irgendwer schon Geld beiseite geschafft haben sollte. Sauter könnte dann für seine Geschäftspartner in Haftung genommen werden. Die Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt wegen Korruptionsverdachts gegen Sauter, gegen den Bundestagsabgeordneten und langjährigen CSU-Politiker Georg Nüßlein und gegen drei weitere Beschuldigte.

Alle Beschuldigte weisen den Vorwurf zurück, die Vermittler-Provisionen seien Schmiergeld für Nüßlein und Sauter gewesen, damit die Abgeordneten ihren politischen Einfluss für die Maskendeals genutzt hätten. Sauter ist wegen der Maskenaffäre inzwischen aus der CSU-Landtagsfraktion ausgetreten und hat seine Parteiämter niedergelegt. Nüßlein ist sogar aus der CSU ausgetreten. Beide sind aber weiter Abgeordnete. Gegen Nüßlein ist ein Vermögensarrest in Höhe von 660 000 Euro ergangen. Diesen Betrag hatte eine Firma bekommen, die Nüßlein gehört. Er sollte nach Erkenntnissen der Ermittler eigentlich ebenso wie Sauter 1,2 Millionen Euro kassieren. Doch zur Restzahlung kam es dann bei Nüßlein nicht mehr.

In welcher Art und Weise der Vermögensarrest bei Sauter vollzogen wurde, ist nicht bekannt. Das OLG München und die Generalstaatsanwaltschaft nennen keine Details. Sie teilen nicht einmal mit, bei wem von den fünf Beschuldigten in welcher Höhe Vermögen gesichert wurde. Auch Sauter schweigt, solange die Ermittlungen laufen. Das ist die Regel. Im Falle eines Vermögenarrestes gibt es mehrere Möglichkeiten. Die Betroffenen können das Geld an die Landesjustizkasse in Bamberg überweisen. Oder eine Grundschuld auf Häuser und Wohnungen eintragen lassen; zugunsten der Justiz. Auch andere Lösungen sind denkbar.

Kenner des Ermittlungsverfahrens sagen, Sauter habe keine Probleme gehabt, die Arrestauflage zu erfüllen. Der Abgeordnete gilt wegen seiner ertragreichen Anwaltstätigkeit als sehr vermögend. Sollte das Ermittlungsverfahren zugunsten von Sauter und seinen Partnern ausgehen, was keineswegs ausgeschlossen ist, dann müssten die Vermögensarreste wieder aufgehoben werden.
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https://www.sueddeutsche.de/bayern/maskenaffaere-sauter-csu-vermoegensarrest-1.5267903
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #221 am: 19. April 2021, 22:38:08 »
Das Manuskript reichte er wie üblich bei der ZEIT ein, die aber setzte ihm den Stuhl vor die Tür, denn so liberal war man dann doch nicht, daß die Kritik auch die eigene Redaktion hätte betreffen dürfen. Was viel über die ZEIT aussagt.

Seine Kritik veröffentlichte er schließlich bei Meedia
Nicht, dass ich hier die ZEIT (die ich ansonsten eigentlich recht schätze) verteidigen möchte, aber war das vom Zeitablauf nicht eher umgekehrt? Ich hatte im Hinterkopf, dass sie ihn rausgeworfen (und ihm sein kostenloses ZEIT Abo gekündigt :rotfl:) haben, als er den bei ihnen abgelehnten Beitrag bei einem anderen Medium veröffentlichte. Was tatsächlich verständlich ist.

Es ist schon richtig, dass sich Herausgeber vor ihre Autoren stellen. Fischer war ja in seiner Schelte der "Kolleginnen" nicht gerade zimperlich.
Eine von VRiBGH Prof. Dr. Thomas Fischer erfundene Statistik besagt, dass 90% der Prozessgewinner die fragliche Entscheidung für beispielhaft rechtstreu halten, 20% der Unterlegenen ihnen zustimmen, hingegen von den Verlierern 30% sie für grob fehlerhaft und 40% für glatt strafbar halten.
 

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Re: Thomas Fischer
« Antwort #222 am: 20. April 2021, 07:06:22 »
Wenn Fischer nicht streitlustig wäre, wäre er als Autor uninteressant.

soɥdʎsıs sǝp soɥʇʎɯ ɹǝp 'snɯɐɔ ʇɹǝqlɐ –
˙uǝllǝʇsɹoʌ uǝɥɔsuǝɯ uǝɥɔılʞɔülƃ uǝuıǝ slɐ soɥdʎsıs sun uǝssüɯ ɹıʍ ˙uǝllüɟnzsnɐ zɹǝɥuǝɥɔsuǝɯ uıǝ ƃɐɯɹǝʌ lǝɟdıƃ uǝƃǝƃ ɟdɯɐʞ ɹǝp

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Re: Thomas Fischer
« Antwort #223 am: 20. April 2021, 08:12:24 »
Vielleicht sollte noch berücksichtigt werden, dass Medien und Staatsanwaltschaften durchaus unterschiedliche Rollen in einem Rechtsstaat haben. Das Strafrecht ist absichtlich lückenhaft gestaltet und es ist Aufgabe der Medien, auf solche Lücken hinzuweisen. Dem Argument, dass Medien erst einen Schuldspruch abwarten sollten, bevor sie einen Fall beurteilen, kann ich daher nicht folgen.

Es gehört auch zu einem demokratischen Rechtsstaat, dass die Medien Urteile kritisieren und auf eine Rechtsfortbildung hin wirken dürfen. Dies impliziert noch lange nicht, dass im Bildzeitungs-Stil eine Hexenjagd inszeniert wird. Jedoch ist noch lange nicht alles, was straflos ist, auch gesellschaftlich goutiertes Verhalten.
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Re: Thomas Fischer
« Antwort #224 am: 20. April 2021, 08:55:17 »
Um es auf den Punkt zu bringen: Schweinerei als solche ist nicht strafbar.
Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!
 
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