Und vielleicht ist das ein Schlüssel, der die Welt zum Genesen bringt. Mit diesem grausamen Blutritualen aufhören, das kommt aus einer Zeit, aus einer Gesellschaft, mit der wir nichts mehr zu tun haben wollen, die Leid und Elend schafft.
Herrjeminezeiten! Trotz all seiner "Rechtscherche" hat der selbsternannte Retter aller kleinen Jungs irgendwie nicht begriffen wie fundamental der Unterschied zwischen der Beschneidung bei Männern und bei Frauen ist. Das ist absolut nicht zu vergleichen! Auf dem Niveau könnte man glatt auch jedes gestochene Ohrloch zu einer blutrünstigen Verstümmelung hochjazzen.
Und es ist absurd Beschneidungen ständig mit jüdischen Ritualen gleich zu setzen. Satte 30 Prozent aller Männer weltweit sind beschnitten. Und in vielen Ländern wie den USA ist seit vielen Generationen die überwiegende Mehrheit aller Männer beschnitten, ohne dass irgend ein Hahn danach kräht. Und - Überraschung - nur die wenigsten dieser Milliarden Männer sind Juden.
Aber dazu müsste man wohl wissen, dass auch die Christen am 1. Januar die "Beschneidung des Herrn" feiern und dass die meisten Beschneidungen aus religiösen Gründen in den USA von Evangelikalen vorgenommen werden (warum geht Nerling nicht mal seine Brüder im Geiste missionieren?). Selbst im sehr beschneidungskeptischen Deutschland sind etwa 15 Prozent aller Männer beschnitten.
Aber ursprünglich verantwortlich für die weit verbreitete Beschneidung von Männern und Jungen sind mitnichten jüdische Rituale oder archaische Gesellschaften, "die Leid und Elend schaffen", sondern schlicht rechtschaffene englische Ärzte aus dem neunzehnten Jahrhundert. Die hatten nämlich in etlichen Kolonien mit vielen Harnwegserkankungen zu kämpfen, die sehr unangenehm sein können und vor der Entdeckung von Antibiotika auch durchaus lebensgefährlich werden konnten.
Der Bakterienzoo in den Proben war beeindruckend und es konnte leicht nachgewiesen werden, dass tropische Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit das ideale Klima für die Vermehrung dieser Bakterien darstellen. Angesichts der damaligen hygienischen Bedingungen schlußfolgerten die Ärzte durchaus richtig, dass die medizinische einfache und seit langem bekannte Beschneidung den Infektionen entgegen wirken würde. Was dann an einer Schar (mutmaßlich eher mittelbegeisterter) Männer erprobt und (nach den damaligen Kolonialstandards) wissenschaftlich belegt nachgewiesen wurde.
Die Beschneidung von Männern war aus nachvollziehbaren Gründen kein besonderer Hit. Aber nachdem die Berichte nach England erstattet worden waren und die Experten sich an einen grünen Tisch gesetzt hatten, erging der royale Ratschlag an die Kolonien aus wichtigem medizinischen Grund alle männlichen Säuglinge zu beschneiden. Und das wurde fast überall flächendeckend umgesetzt. Mit dem gewünschten Ergebnis, dass innerhalb von zwei Jahrzehnten die Zahl der gefährlichen Harnwegserkankungen drastisch sank, was die letzten Zweifel am Wert der Beschneidung zerstreute.
Ganz außer Acht blieb dabei aber, dass auch die deutlich verbesserte Hygiene ihren Anteil an der Entwicklung hatte. Und auch als Antibiotika und andere potente Medikamente den Infektionen ihren Schrecken nahmen, wurde nicht am Segen der Beschneidung gezweifelt. Bis in die 80er wurden in manchen Ländern alle männliche Kinder routinemäßig beschnitten wenn die Eltern nicht explizit widersprachen. Die meisten Ärzte dort empfehlen die Beschneidung. Und in vielen ehemaligen Kolonien werden Skeptiker von Beschneidungen noch heute ähnlich argwöhnisch beäugt wie Impfskeptiker. "In unserem Land müssen die Jungen beschnitten werden, weil es gesund ist."
Nach den heutigen medizinischen Erkenntnissen ist die Sinnhaftigkeit unter den heutigen Bedingungen kaum noch gegeben und in manchen Ländern sind die zuvor hohen Raten von Beschneidungen schon deutlich gesunken. Aber nicht überall.
Denn in mehrheitlich beschnittenen Gesellschaften gibt es natürlich auch den sozio-kulturellen Druck, dass die eigenen Kinder nicht anders als die anderen aussehen sollen. Und von dem Druck können sogar rein deutsche Pornostars ein Lied von singen, weil Unbeschnittene im riesigen Markt der USA deutlich weniger Chancen haben; außer vielleicht in expliziten Freak-Auftritten. Da sollen manche sogar für die sonst so ungeliebte Männerbeschneidung optiert haben. Wäre das nicht ein viel passenderes Betätigungsfeld für den geläuterten Ex-Pornojunkie auf Antibeschneidungsmission?