Vielmehr nervt es mich ungemein, dass in der industriell betriebenen Landwirtschaft nicht nachhaltig gewirtschaft wird, was m.E. neben okölogischen Prinzipien in der Bodenbehandlung auch eine faire Bezahlung der Mitarbeiter einschließen sollte. Wenn sich Betriebe außerstande sehen vernünftige Löhne zu zahlen und für erträgliche Arbeitsbedingungen zu sorgen, sollten sie auch nicht jammern, wenn sie mal nicht auf ihre osteuropäischen Mindestlohnsklaven zurückgreifen können, die ggf. von der wenigen Knete noch Kosten für Unterkunft und Versorgung abgezogen bekommen.
Sag das bitte nicht in Hörweite eines durchschnittlichen Bauern. Die sind nämlich im Moment durchaus nah an der Verzweiflung und haben Zugriff auf Mistgabeln.
Das Problem ist, dass viele Betriebe gar nicht so nachhaltig wirtschaften können, selbst wenn sie es noch so wollten. Ich kenne Bauern, die versuchen nach Kräften, mehr zu bezahlen, um fachlich versierte Saisonkräfte an ihren Betrieb zu binden. Weil es auch bei vermeintlich einfachen Jobs wie in der Ernte (und auch sonst bei dem, was erledigt werden muss) durchaus auf Erfahrung ankommen kann.
Das Problem ist nur, dass das Geld, was man gerne seinen Erntehelfern zahlen würde, auch irgendwo reinkommen muss. Und die Bauern sitzen leider am falschen Ende der Lieferkette. Es gibt in Deutschland vielleicht vier, fünf große Abnehmer für Agrarprodukte (Getreide, Milch, Fleisch), das sind die Supermarktketten. Ich erspare uns jetzt solche Geschichten wie, dass Bauern zahlen mussten, um als Lieferanten in die Datenbanken dieser Abnehmer aufgenommen zu werden und verweise einfach darauf, dass ich heute im Supermarkt war. Ich habe u.a. einen Liter Milch gekauft und, kurz auf den Kassenbon geblickt, 79ct dafür gezahlt. Inklusive 7% Mehrwertsteuer, d.h. netto etwa 74ct.
Da hat jetzt aber der Supermarkt schon seinen Gewinn gemacht und auch die Stellfläche, Lagerhaltung (Kühlung!), Logistikkette und Personalkosten sind da auch schon eingerechnet. Der aktuelle Milchpreis
liegt bei ca. 33ct. Das kommt von den 79ct also faktisch beim Bauern an.
Wenn die
Jahresdurchschnittleistung pro Kuh und Jahr für Deutschland aus der Wikipedia von ca. 9.000 l (entspricht ca. 29,5 l am Tag) korrekt ist, dann bedeutet dass, dass eine einzelne Kuh im Schnitt am Tag beim aktuellen Milchpreis ca. 9,74€ Umsatz(!) beim Bauern macht. Ich fange jetzt nicht an zu rechnen, wieviel Futter zu welchem Preis eine Kuh am Tag verfrisst, was Wasser und Medikamente kosten, was die Kuh an sich in der Anschaffung oder der Aufzucht kostet und wie das mit dem Platz im Stall, den Melkmaschinen und den Leuten, die sowohl Melkmaschinen und Stall bewirtschaften kostenmäßig so aussieht.
Ja, die Bauern müssen großflächig umdenken und ihre Äcker und Viehbestände grundlegend anders bewirtschaften. Auch aus Klimaschutzgründen. Aber eben, in Sachen Personalkosten, auch aus sozialen Gründen stichwort faire Bezahlung für Knochenjobs.
Aber dann muss man ihnen auch die Möglichkeit zum Umdenken geben. Im Moment denken viele nur daran, wie sie den Hof irgendwie am Laufen halten können und bei gleichbleibenden Kosten vielleicht noch ein Quäntchen mehr Ertrag aus dem Boden und dem Vieh quetschen, damit es den Hof wenigstens im nächsten Jahr noch gibt.
Und die Verantwortung, dass viele Bauern im Moment nur ans Geld denken, weil sie daran denken müssen, weil das nämlich leider nicht auf ihren Feldern wächst, die liegt bei Lidl und Rewe und Kaufland und Netto und Aldi und Edeka und wie sie alle heißen. Und bei uns Verbrauchern, die ein Schnitzel für 2€ und Milch für 80ct für ein Menschenrecht halten.
Danke.