Scheint typisch zu sein für die afd.
Es geht um die Einladung eines afd-Abgeordneten an eine Schulklasse.
Erst kommt eine "false flag"-Einladung, dann kann man nicht zuhören, sodann folgt beleidigt sein und natürlich zur Dienstaufsicht zu rennen:
Spoiler
Abgeordnete laden Schüler ein, damit die den Politikbetrieb in Berlin kennenlernen. Lange war das eine Praxis, die geräuschlos ablief. Doch das ändert sich gerade.
Freiberg. Mittagessen in einem Restaurant in Kreuzberg, Besuch des NS-Dokumentationszentrums "Topographie des Terrors", schließlich die Plenarsitzung des Bundestages: Den Schülern des Geschwister-Scholl-Gymnasiums aus Freiberg wurde einiges geboten vergangene Woche in Berlin. Bevor der Tag in der Kuppel des Reichstagsgebäudes ausklang, war noch der Termin im Abgeordnetenbüro. "Diskussion mit MdB" hieß es im Programm.
Klassenfahrten wie diese gibt es seit langem. Jeder Bundestagsabgeordnete darf jährlich drei Gruppen mit je 50 Personen aus seinem Wahlkreis nach Berlin einladen. Das Presse-und Informationsamt der Bundesregierung organisiert diese politischen Infotouren und stellt einen Betreuer. Programm, Unterkunft, Verpflegung und Bahnfahrt zahlt der Staat aus Steuermitteln.
Mehr als 2200 Berlin-Reisen hat das Bundespresseamt nach eigenen Angaben in diesem Jahr durchgeführt, Abgeordnete aller Parteien machten davon Gebrauch. Die Fahrt der Freiberger jedoch sorgte für Diskussionen. Denn sie fuhren auf Einladung des Abgeordneten Heiko Hessenkemper von der AfD.
Albrecht Koch, Kantor des Freiberger Doms mit den berühmten Silbermann-Orgeln, machte im Vorfeld via Facebook seinem Ärger öffentlich Luft. Ausgerechnet das Schollgymnasium, das den Titel "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" trägt, lasse sich von einer Partei hofieren, die diesem Netzwerk die Fördermittel streichen wolle. "Die AfD zündelt polemisch und spaltet, anstatt sachorientiert aufzuklären und zu verbinden", schrieb Koch. Sein Fazit: "Nicht alles, was sich demokratisch legitimieren lässt, ist moralisch richtig. Und nicht alles, was politische Bildung sein will, bildet politisch." Andere in der Stadt sehen das ähnlich.
Die Fahrt der Scholl-Gymnasiasten war eine von rund 200, zu denen AfD-Abgeordnete Gäste nach Berlin einluden. "Grundsätzlich ist es richtig, dass es solche Einladungen gibt", sagt Frank Wehrmeister, Leiter des Freiberger Berufsschulzentrums "Julius Weisbach". Hessenkemper, ein Professor an der Bergakademie, sei jedoch ein besonderer Fall. Er hatte in Reden von "Umvolkung" gesprochen und von "Perversion der politischen Klasse". Wehrmeister fragt: "Ist das ein Politiker, der unseren Schülern im Sinne der politischen Bildung etwas vermitteln kann?"
Auch die Berufsschule hatte eine Einladung aus Hessenkempers Büro bekommen, lanciert allerdings über einen Lehrer, der selbst AfD-Mitglied ist. Im Kollegium begann eine heftige Kontroverse, eine Fachleiterin sprach sich vehement gegen die Fahrt aus. Bevor noch eine Entscheidung getroffen war, drang das bis zur AfD durch, die das als Absage auffasste. Hessenkemper reichte daraufhin eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Schulbehörde ein. Diese wurde abgewiesen, Wehrmeister aber fühlte sich überrumpelt von der AfD. Für künftige Anfragen wurden Regeln festgelegt: Keine Fotos von Abgeordneten mit Schülern zu Werbezwecken, Eltern und Ausbildungsbetriebe müssen mit der Fahrt einverstanden sein.
Letztlich hat Hessenkemper bisher keine Schüler persönlich in Berlin empfangen, da er seit langem krank ist. Die Freiberger Gymnasiasten, 38 Schüler der 12. Klasse und zwei Lehrer, trafen stattdessen die AfD-Abgeordneten Tino Chrupalla aus Görlitz und Frank Pasemann aus Sachsen-Anhalt, der dem rechten Parteiflügel um Björn Höcke angehört. Chrupalla spricht hinterher von einer guten Möglichkeit für die AfD, mit jungen Leuten ins Gespräch zu kommen "und Vorurteile gegenüber unserer Partei zu entkräften". Die Schüler hätten aber auch kritische Fragen gestellt, etwa warum die AfD Projekte wie "Schule ohne Rassismus" ablehne. Ihre Antwort, man sei gegen die Förderung politisch einseitig agierender NGOs, hätten die Schüler zur Kenntnis genommen. Chrupallas Eindruck: "Schüler, die uns näherstehen, blieben eher ruhig und haben sich den Linksorientierten untergeordnet."
Die Leiterin des Schollgymnasiums, Kerstin Salomon, berichtet, die Schüler hätten sich mit dem Programm der AfD auseinandergesetzt und sich mit der Argumentation der beiden Abgeordneten nicht zufriedengegeben. "Hochachtung vor unseren Schülern", habe ihr eine Kollegin geschrieben, die dabei war.
Ähnliche Erfahrungen machte man zuvor am Martin-Luther-Gymnasium in Frankenberg. Dort sagt der Gymnasiast Roman Häußler nach der Berlin-Fahrt und einem Treffen mit dem AfD-Abgeordneten Ulrich Oehme: "Natürlich wurde vorher diskutiert, aber wir haben uns auch informiert. Am Ende war es eine neutrale Veranstaltung."
Kommentar: Raus aus der Komfortzone
Ausflüge, Vollverpflegung und Hotel: Fahrten zum Bundestag waren früher eine bequeme Sache. Heutzutage wird man dabei auch schon mal mit Programmen und Parolen konfrontiert, die man mindestens für grenzwertig halten kann. Doch diese Auseinandersetzung muss sein. Wer ihr aus dem Weg geht, stärkt nur die AfD in ihrem Mythos als einzig wahre Opposition, der verwehrt wird, was ihr - wie allen demokratisch gewählten Parteien - zusteht. Schüler wie Lehrer müssen raus aus der Komfortzone, sich der Herausforderung stellen und klare Umgangsregeln definieren. In Zeiten wie diesen funktioniert politische Bildung nicht mehr als Wohlfühlprogramm.