Laut Brief des Herrn M der BaFin enthielt eine Vertragsvariante keinen Rechtsanspruch. Allerdings kann es sich trotzdem um unerlaubte Versicherungsgeschäfte gehandelt haben, zum Beispiel wenn es sich um einen überraschende Klausel gehandelt hat.
Sicher, kann. Aber damit alleine, zu der Überzeugung ist wohl nun auch die StA gelangt, bekommt sie ihre Klage nicht durch. Wenn das Geschäft nicht per se unerlaubt war, braucht es andere Argummente, um justiziabel zu sein.
1. Das ist ein Zirkelschluss, dass unerlaubte Geschäfte unerlaubt sind ist Tautologie.
2. Die Staatsanwaltschaft klagt nicht, sie klagt an. Geklagt wird im Zivilrecht, angeklagt im Starfrecht.
Die StA macht sich da die Rechtsauffassung des Zeugen G zu eigen. Von daher brauchte sie für die angestrebte Verurteilung nichts extra ausrechnen. Diesmal hat sich die StA besser vorbereitet, in der Hoffnung auf eine höhere Verurteilung.
Der Zeuge kann das so allgemein, als denkbare Möglichkeit, in den Raum stellen. Aber die StA wird - wer sonst - im Zweifel die Umstände glaubhaft machen müssen, die eine Klausel überraschend werden ließen. Nötigenfalls im Einzelfall. Auf die Aussagen der Betroffenen kann sie sich da nicht verlassen.
Glaubhaft machen gibt es im Strafrecht auch nicht. Glaubhaftmachung ist eine abgeschwächte Form des Beweises. Im Zivilrecht muss derjenige der eine
Tatsache behaupt diese Behauptung glaubhaft machen. Erst im Falle des Bestreitens durch die Gegenseite ist Beweis anzutreten.
Ob eine Vertragsklausel jetzt unter den § 305c I BGB fällt ist aber eine Rechtsfrage und keine Tatsachenfrage. Rechtsfragen sind aber nicht dem Beweis zugänglich, deswegen kann über Rechtsfragen kein Beweis erhoben werden.
Die Staatsanwaltschaft äußert also ihre Ansicht zu einer Rechtsfrage und begründet diese. Das macht sie aber nicht in der Beweisaufnahme sondern im Schlussvortrag. Das Gericht entscheidet dann, ob es der Ansicht folgt oder nicht. Ein guter Verteidiger wird jeder Rechtsauffassung der StA sicher eine gegenteilige Auffassung gegenüber stellen und diese gleichfalls begründen.
Im Falle von AGBs kommt noch hin zu, dass diese objektiv und nicht subjektiv auszulegen sind. Da AGBs für eine Vielzahl Verträge gedacht sind kommt es nur darauf an, wie ein verständiger Durchschnittsempfänger die Sache sehen würde und nicht auf jeden einzelnen konkreten Empfänger. Es ist daher nicht notwendig die einzelnen Kunden der NDGK zu befragen, was sie denn erwartet hätten.
Tatbestandsmerkmale des § 305c I BGB sind
1. Eine ungewöhnliche Klausel
2. Ein Überraschungsmoment
Bei 1. geht es darum, ob eine solche Klausel ungewöhnlich ist. Üngewöhnlich kann die Klausel dann sein, wenn sie unvereinbar ist mit dem Leitbild des Vertrages, der Höhe des Entgelts,
im Widerspruch zum Lauf der Verhandlungen oder
zur Werbung des Anbieters.
Bei 2. geht es darum, ob der Kunde mit einer solchen Klausel rechnen konnte, die Klausel muss somit einen Überrumpelungseffelkt beinhalten. Dies kann durch die drucktechnische Darstellung oder die Anordnung im Vertrag bewirkt sein. Eine Überrumpelung liegt vor allem vor, wenn nach dem Verlauf der Verhandlungen eine solche Klausel nicht zu erwarten war.
Nach § 305c II BGB gehen Unklarheiten übrigens zu Lasten des Verwenders der Klausel, also zu Lasten von Peter. Im Zweifel ist die Klausel unwirksam und damit der Ausschluss der Leistungspflicht nicht gegeben. Das ist auch kein Widerspruch zu "Im Zweifel für den Angeklagten", da es sich hier um eine Rechtsfrage und nicht um eine Beweisfrage handelt.
Das Problem sehe ich weniger in der Vertretbarkeit der Auffassung der StA als vielmehr in darin, dass sich zwei Strafrechtler über Zivilrecht unterhalten, das ist etwa so wie wenn Blinde über Farbe reden. Nicht umsonst hat Richter R in der 1. Instanz immer von Orchideenrecht gesprochen, damit meinte er nicht nur das VAG.
Peters Verteidigungslinie ist übrigens nicht, dass die Klausel nicht überraschend war, sondern dass der § 305c BGB nicht anwendbar sei wegen des Vorrangs der Individualabrede.
Eine Täuschung der Kunden ist beim Betrieb eines unerlaubten Versicherungsgeschäftes nicht notwendig, braucht daher auch nicht nachgewiesen zu werden.
Ja, sicher. Aber wenn das Geschäft sich zunächst als unerlaubt darstellt und nur über den Umweg einer überraschenden Klausel justiziabel werden soll, kann man nicht sagen, daß es auf diese Täuschung nicht ankomme.
Wenn es eine Täuschung wäre, dann bräuchten wir uns nicht drüber zu unterhalten, ob § 305c BGB anwendbar ist oder nicht, dann wäre es ein Fall des § 123 BGB. Überrumpelung ist für den Juristen nicht gleich Täuschung.
Der Vorteil für Peter ist, dass dieser urteilsentscheidende Punkt eine Rechtsfrage und keine Tatsachenfrage ist. Mit Rechtsfragen kann sich das OLG Naumburg in der Revision befassen, mit Tatsachenfragen nicht. Somit gibt es hier eine weitere Instanz, die ihre Rechtsauffasung dazu bilden kann.