Donaldsimus gibt es ja schon. Offenbar gibt es auch "Bannonismus".
Und ein Kloster in Italien soll die neue Kaderschmiede werden.
Spoiler
Bis zu 350 Studierende sollen hier in Zukunft Blockkurse in Philosophie, Wirtschaft, Geschichte und Theologie besuchen. «Selbstverständlich unter einer populistisch-nationalistischen Perspektive. Wir werden das spirituelle Zuhause des Bannonismus sein», erklärt Harnwell stolz. Der 65-jährige Amerikaner glaubt, dass die westliche Kultur durch zunehmenden Atheismus von innen und «islamischen Faschismus» von aussen existenziell bedroht sei und man ihr mit einer Rückkehr zum Nationalismus und zu christlichen Werten neuen Halt verschaffen müsse.
Mit dem nach hinten gegeelten Haar und dem intensiven Blick wirkt Harnwell auch vom Äusseren her wie ein jüngeres Abbild von Bannon. Wenn er von seinem Idol spricht, beginnen seine Augen zu glänzen. Sein erstes Treffen mit diesem genialen Vordenker 2014 sei lebensverändernd gewesen, schwärmt der Brite.
Gegen Darwin, Islam, Elite
Während Harnwell uns durch die kalten, leeren Räume des riesigen Klosters führt, erklärt er uns, dass hier künftig Gladiatoren zur Verteidigung der christlich-jüdischen Basis der westlichen Zivilisation ausgebildet würden. Das heisst konkret, in seinen Worten, zum Kampf gegen radikale Säkularisten, gegen die korrupte, globalisierte Elite, gegen Massenzuwanderung aus Afrika und gegen die zunehmende Islamisierung des Westens.
«Wir befinden uns in einem kulturellen Krieg. Auf der einen Seite steht der christlich-jüdische Grundsatz, dass der Mensch nach dem Vorbild Gottes geschaffen worden ist. Auf der anderen Darwins monströse Evolutionstheorie», sagt der Mittvierziger, der in einer nicht sehr religiösen Mittelklassefamilie in Leicestershire aufgewachsen und erst als Erwachsener zum Katholizismus übergetreten ist. In seinem früheren Leben hat er Chemie studiert, heute traut er der Wissenschaft nicht mehr, weil sie politisch manipuliert sei.
Harnwell hat zuvor für einen konservativen britischen Abgeordneten im EU-Parlament gearbeitet. Politiker, die christliche Werte verteidigten, würden in Europa heute als Rechtsextremisten beschimpft und marginalisiert, sagt er. Dagegen habe er etwas unternehmen wollen. Er zog nach Rom und gründete das Dignitatis Humanae Institute, um christlichen Politikern dabei zu helfen, «im christlichen Sinne» zu wirken. Seinem Netzwerk gehören auch erbitterte Gegner des Papstes an, wie etwa der erzkonservative amerikanische Kardinal Raymond Burke. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Benedikt schere sich Franziskus leider nicht um die Verteidigung der westliche Zivilisation, klagt Harnwell.
Ein langfristiges Ziel
Während Bannons politische Organisation, «Die Bewegung», euroskeptische nationalistische Parteien vor den Europawahlen stärken und zusammenbringen soll, ist das Ziel der Akademie längerfristig gesetzt. Sie soll laut dem umstrittenen amerikanischen Ideologen die nächste Generation von Kulturkämpfern und Anti-Establishment-Politikern rüsten. Es wird sich zeigen, ob sie erfolgreicher sein wird als Bannons Brüsseler Projekt. Dieses krankt daran, dass die nationalistischen Bewegungen in verschiedenen europäischen Ländern wenig gemein haben und sich zudem auch nicht von einem Amerikaner anführen lassen wollen.
So schnell wird das Traumprojekt von Bannon und Harnwell am Fusse des Apennins jedenfalls nicht starten. Die Renovation des denkmalgeschützten Klosterkomplexes wird sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Es müssen Aulen und Unterkünfte für die Studierenden gebaut werden. Die Arbeiten haben noch nicht begonnen, weil die nötigen Verträge und Bewilligungen noch fehlen. Die ersten Kurse sollen in diesem Sommer deshalb in Rom stattfinden. 2020 will man dann den Betrieb hier oben eröffnen. Auch dieser Zeitplan scheint jedoch ziemlich optimistisch.
Das Angebot werde sich an Politiker, Beamte, Akademiker und Journalisten aus aller Welt richten, erklärt Harnwell. Die Kursteilnehmer könnten ihr Wissen über die westliche Zivilisation erweitern und lernen, wer ihre Feinde seien und wie sie gegen diese ankämpfen könnten. Bannon werde dabei natürlich auch einen Kurs über den Umgang mit den modernen Medien geben.
Neben Bannon sollen weitere private Geldgeber das Projekt unterstützen. Wer sie sind, will Harnwell nicht sagen. Sein Institut muss für das Kloster 100 000 Euro Miete im Jahr zahlen. Was in Renovationsarbeiten investiert wird, kann abgezogen werden. Das heisst, Harnwell wird kaum mehr Miete zahlen müssen, wenn der Umbau erst einmal begonnen hat.
Widerstand und Protestmärsche
Die Kartause mit ihrer historischen Apotheke und der grossen alten Bibliothek zählt zu Italiens nationalen Monumenten und liegt an einem grossen Pilgerweg, dem Benediktweg. Im Jahr zieht sie bis zu 50 000 Besucher an. Für die Bewohner der umliegenden Gemeinden hat es zudem eine grosse emotionale Bedeutung.
Einige von ihnen sind gar nicht glücklich über die neuen Mieter. Daniela Bianchi, eine ehemalige Abgeordnete und Kulturverantwortliche der Region Latium, hat Ende Dezember einen Protestmarsch zum Kloster organisiert, an dem rund 350 Vertreter aus Politik und Kultur sowie von Verbänden teilnahmen. Weitere Demonstrationen sind geplant. «Die Kartause ist für Pilger, Kulturinteressierte, Kranke und Mediziner über Jahrhunderte hinweg ein Ort des Zusammentreffens und des Dialogs gewesen», sagt die einstige Mitte-links-Politikerin. Sie in ein obskures Trainingslager für Nationalisten zu verwandeln, widerspreche nicht nur der Natur dieses heiligen Ortes, sondern könne auch dem Tourismus schaden.
Die Gegner des Projektes fordern, dass die Vergabe an Harnwells Institut annulliert werde, weil bei der Eingabe des Projektes noch keine Rede von einer Populisten-Schule und von Bannon gewesen sei. Harnwell tut die Kritik als Propaganda der Linken im Vorfeld der Europawahlen im Frühjahr ab. Man habe von Anfang an eine Art Akademie geplant, und in den Verhandlungen mit dem Ministerium sei es weniger um die Nutzung als um Zusagen betreffend Unterhalt gegangen. Ihr Projekt werde der Region mehr Zulauf und damit auch mehr Wohlstand bringen. Er mache sich keine Sorgen, dass der Vertrag annulliert werde. Und Matteo Salvini, der starke Mann der populistischen Regierung in Rom, pflegt sehr freundschaftliche Kontakte zu Trumps ehemaligem Chefstrategen.
«Natürlich hat die Linke Angst vor Bannon. Ihre Masche ist es, sich als Vertreterin des Volkes zu geben, obwohl sie längst nur noch die Elite vertritt, wie etwa in der Frage der Zuwanderung», sagt Harnwell. Salvini sei der Einzige, der bei diesem Thema das Wohl der Italiener im Auge habe. Der Rechtspopulist nehme zudem auch als Einziger die Interessen der Christen ernst und wolle in staatlichen Gebäuden wieder Kruzifixe aufhängen.
Im Dorf wartet man erst einmal ab
In Collepardo, dem nächstgelegenen Ort mit 947 Einwohnern, gibt man sich vorsichtig. «Anfangs waren wir dem Projekt gegenüber positiv eingestellt», erklärt der Vizebürgermeister, Vincenzo De Parasis. «Bis heute hat sich aber rein gar nichts getan.» Weil das Ministerium die Gemeinde bei der Vergabe der Kartause nicht einbezogen habe, wisse man auch nicht, was da oben genau geschehen werde, fügt er hinzu.
Man wolle aber keine politische Position beziehen, betont De Parasis. Entscheidend für die Dorfbewohner sei, dass sie weiterhin Zugang zur Klosterkirche hätten, und diesbezüglich sei ihnen Harnwell bisher entgegengekommen. Wenn die Akademie zudem tatsächlich grossen Zulauf brächte, könnte dies mehr Stellen und mehr Umsatz bedeuten. Dagegen hätte man natürlich nichts einzuwenden, sagt der Gemeindevertreter.
Wie die Bürger von Collepardo wartet auch Benjamin Harnwell ungeduldig auf den Startschuss. Es sei schon ziemlich einsam hier, gibt er zu. Neben ihm und dem Prior lebt in der Kartause nur noch ein alter Koch, Gärtner und Wächter in Personalunion. Am meisten Zeit verbringt der Kulturkämpfer mit seiner Katze Filomena. Zudem lernt er biblisches Griechisch, um das Neue Testament im Original lesen zu können. Dass es im Kloster kein Mobilnetz gibt, findet er aber doch ziemlich frustrierend. In seinem Zimmer habe er wenigstens Internet, sagt er. Das ermögliche ihm auch, mehrmals täglich mit Bannon zu kommunizieren.
Bannon hatte bei seinem letzten Besuch in Rom im September behauptet, er werde von nun an einen Grossteil seiner Zeit in Italien verbringen. Seither hat er sich nicht mehr blicken lassen. Steve sei eben sehr beschäftigt, verteidigt Harnwell seinen Mentor und hält im Kloster weiter treu für ihn die Stellung.