Widerruf der Waffenbesitzkarte gegenüber einem Mitglied der "Gemeinde Karlsruhes auf Erden", das auch mit Wolfgang Plan in Kontakt stand. Nach der Streitwertberechnung des VG ging es um insgesamt neun Waffen
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VG Karlsruhe Beschluß vom 25.10.2017, 3 K 10913/17
Leitsätze
Es kann dahinstehen, ob allein die Zugehörigkeit zur sog. Reichsbürger-Bewegung ausreicht, um die waffenrechtliche Zuverlässigkeit zu verneinen.
Von einer fehlenden waffenrechtlichen Zuverlässigkeit ist auszugehen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Erlaubnisinhaber die Autorität der Bundesrepublik Deutschland verneint und damit die bestehende Rechtsordnung offensiv umzubauen sucht.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.500 EUR festgesetzt.
Gründe
1.
1
Der - sachdienlich ausgelegte - Antrag des Antragstellers,
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die aufschiebende Wirkung seiner Klage (3 K 11994/17) vom 06.09.2017 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.06.2017 anzuordnen bzw. wiederherzustellen,
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ist zulässig. Die Statthaftigkeit des Antrags folgt aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 sowie Abs. 5 VwGO. Der in Ziffer 1 des Bescheids ausgesprochene Widerruf der Waffenbesitzkarten ist von Gesetzes wegen sofort vollziehbar (§ 45 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG). Hinsichtlich der Verfügungen in Ziffern 2 und 3 hat die Antragsgegnerin in Ziffer 4 des Bescheids die sofortige Vollziehung angeordnet.
2.
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Der Antrag hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die vorzunehmende Interessenabwägung, in deren Rahmen den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren eine wesentliche Bedeutung zukommt, ergibt im vorliegenden Fall, dass die öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung des Bescheids der Antragsgegnerin vom 29.06.2017 das gegenläufige private Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug des angegriffenen Widerrufs der Waffenbesitzkarten nebst Folgeanordnungen verschont zu bleiben, überwiegen. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird die Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg haben. Denn es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids.
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a) Die Antragsgegnerin hat die mit den Waffenbesitzkarten erteilte waffenrechtliche Erlaubnis aller Voraussicht nach zu Recht widerrufen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier des Widerspruchsbescheids (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.2007 - 6 C 24/06 -, NVwZ 2007, 1201).
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Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz - wie hier die Waffenbesitzkarte (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 WaffG) - zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Der Verwaltung ist insoweit kein Ermessen eingeräumt. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG setzt eine waffenrechtliche Erlaubnis voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) besitzt.
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aa) Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a)); mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren (Buchst. b)) oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c)).
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§ 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG umschreibt insoweit im Hinblick auf die erforderliche Prognose Formen des Umgangs mit Waffen und Munition, die von vornherein im Hinblick auf den Gesetzeszweck spezifisch waffenrechtlich so bedenklich, nämlich in hohem Maße gefährlich für die Allgemeinheit sind, so dass, anders als in den Fällen des § 5 Abs. 2 WaffG, eine Widerlegung im Einzelfall nicht zugelassen wird (sog. absolute Unzuverlässigkeit; vgl. auch die Begründung des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung zur Neuregelung des Waffenrechts, BT-Drs. 14/7758 S. 54). Bei der auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellenden Prognose ist der allgemeine ordnungsrechtliche Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren (vgl. BT-Drs. 14/7758 S. 51). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jeder Zeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.01.2015 - 6 C 1.14 -, juris Rn. 17 und Beschluss vom 31.01.2008 - 6 B 4.08 -, juris Rn. 5; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.09.2006 - 11 S 64.06 -, juris Rn. 4). Dabei ist in Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern es genügt eine hinreichende auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen und Munition, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.01.2015 – 6 C 1.14 -, juris Rn. 17; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.08.2011 - 1 S 1391/11 -, juris Rn. 4).
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bb) Unter Zugrundelegung dieser gesetzlichen Anforderungen ist hier von einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers auszugehen.
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Es kann vorliegend dahinstehen, ob der Antragsteller der sog. „Reichsbürger-Bewegung“ angehört bzw. mit dieser sympathisiert. Das Landeskriminalamt und das Polizeipräsidium Karlsruhe gehen in Mitteilungen an die Antragsgegnerin davon aus, dass der Antragsteller der Reichsbürger-Bewegung bzw. dem Kreis der „BRD-Leugner“ zuzurechnen ist. Dafür könnte sprechen, dass der Antragsteller als Kontakt im Speichermedium eines als Reichsbürger bekannten Täters eines Tötungsdelikts zum Nachteil eines Polizeibeamten in Bayern erschienen ist. Die Zugehörigkeit zur Reichsbürger-Bewegung bestreitet der Antragsteller im vorliegenden Verfahren jedoch ausdrücklich. Ebenso wenig ist zu entscheiden, ob eine Anhängerschaft der sog. Reichsbürger bzw. eine reine Sympathie für sich genommen ausreichen, um von einer Unzuverlässigkeit im waffenrechtlichen Sinn auszugehen (in diese Richtung Nieders.OVG, Beschluss vom 18.07.2017 - 11 ME 181/17 -, juris Rn. 12 f.; VG Augsburg, Beschluss vom 07.09.2017 - Au 4 S 17.1196 -, juris Rn. 23 f.; VG Stuttgart, Beschluss vom 07.04.2017 - 5 K 2101/17 -, juris Rn. 8; VG Minden, Urteil vom 29.11.2016 - 8 K 1965/16 -, juris Rn. 40 ff.; kritisch dagegen VG München, Beschluss vom 05.09.2017 - M 7 S 17.1331 -, juris Rn. 30 f.; VG Gera, Urteil vom 16.09.2015 - 2 K 525/14 -, juris Rn. 21).
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Denn die Kammer geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG bereits dann vorliegen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Erlaubnisinhaber die Autorität der Bundesrepublik Deutschland verneint und damit die bestehende Rechtsordnung offensiv umzubauen sucht. Denn in diesem Fall ist nicht gesichert, dass der Erlaubnisinhaber die maßgeblichen Regelungen, insbesondere des Polizei- und Waffenrechts, für sich als bindend ansieht und sein Verhalten danach ausrichtet. Konkreter Verstöße gegen waffenrechtliche Vorschriften bedarf es dann nicht (ähnlich VG Cottbus, Beschluss vom 20.09.2016 - VG 3 K 305/16 -, juris Rn. 19).
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Der Antragsteller ist ausweislich der notariell beurkundeten Gründungsurkunde Mitbegründer der am 16.12.2013 gebildeten „Gemeinde Karlsruhes auf Erden“. Die Gründungsurkunde der Gruppierung sowie deren Schreiben an verschiedene Behörden lassen auf eine fehlende Anerkennung der bestehenden staatlichen Rechtsordnung der Bundesrepublik schließen. Vieles spricht dafür, dass sich die Mitglieder der „Gemeinde Karlsruhes auf Erden“ gegen die verfassungsrechtliche Ordnung richten und diese zu ersetzen suchen.
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Die Kammer folgert diese Annahme aus den in der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin enthaltenen Vorgängen zur „Gemeinde Karlsruhes auf Erden“. So setzt sich die Gemeinschaft ausweislich ihrer Gründungsurkunde (Seite 1) das Ziel, sich „von den Verbänden der Jurisdiktion, die Mich und Mein Recht unmündig halten“ zu befreien. Dass dies, wie der Antragsteller im Widerspruchsschreiben erläuterte, nicht auf Widerstand gegen Behörden oder Institutionen der Bundesrepublik schließen lasse, ist angesichts der weiteren Hinweise auf ein solches Ansinnen nicht glaubhaft. Denn auf Seite 2 der Gründungsurkunde heißt es, „Oberste Rechtwahl ist Naturrecht“ unter Anerkennung verschiedener, einzeln aufgelisteter Strafbarkeitsgebote. Vor der Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichts Karlsruhe ersuchten zwei „Sprecher“ der Gemeinschaft am 31.03.2014 um Feststellung, dass sie „als Bundesbeamter des Gerichtshof der Menschen (…) das Deutsche Volk vertrete und dadurch alle gesetzlich festgeschriebenen Regelungen auf Mich als Bundesbeamter des Gerichtshof der Menschen (…) unwiderruflich Anwendung finden“. In einem Schreiben an eine Mitarbeiterin der Kriminalpolizeidirektion Karlsruhe vom 13.03.2014 ersuchten die beiden „Sprecher“ der Gemeinschaft um einen Termin, um unter anderem eigene Ausweisdokumente und die „Liquidierung des politischen Landkreises Karlsruhe“ zu besprechen. In seinem Widerspruchsschreiben vom 04.07.2017 verweist der Antragsteller darauf, dass sich die „Gemeinschaft auf Erden“ nach noachidischen Geboten richte. Gemeint sind damit sieben allgemeingültige Gebote im Judentum, unter anderem die Einführung von Gerichten als Ausdruck der Wahrung des Rechtsprinzips. Die darin zum Ausdruck kommende fehlende Anerkennung und angestrebte Umwälzung der rechtsstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik wird untermauert durch Äußerungen im vorliegenden Verwaltungsprozess. So verweisen Antragsbegründung und Replik des Antragstellers auf die grundgesetzlichen Möglichkeiten zur „Umstrukturierung des Bundesgebiets“ und zur „grundlegenden Umwälzung“ des deutschen Gerichtssystems. Es sei deshalb nicht verwerflich, „die echte Gewaltenteilung endlich herzustellen und die Judikative zu einer rechten unabhängigen Säule des Staates zu machen und damit einer verfassungsmäßigen Stellung, die ihr zukommt“; die freiheitlich-demokratische Grundordnung habe nichts dagegen, „durch eine noch bessere Ordnung ersetzt zu werden“.
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Unter Zugrundelegung dessen bestehen für die Kammer im Rahmen der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung keine Zweifel, dass der Antragsteller die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung als für sich nicht bindend ansieht, diese vielmehr zu überkommen sucht und meint, sich nach von der genannten Bewegung aufgestellten Regeln verhalten zu können. Auch unter Berücksichtigung seiner Meinungsäußerungs- und Glaubensfreiheit bestehen deshalb erhebliche Zweifel an der Rechtstreue des Antragstellers, die eine Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit zulassen.
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cc) Damit kann letztlich dahinstehen, ob sich die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers - wie im Widerspruchsbescheid angenommen - auch aus dem Regelunzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG ergibt.
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b) Die mit dem Widerruf der Waffenbesitzkarten verbundenen unselbständigen Folgeanordnungen begegnen voraussichtlich keinen rechtlichen Bedenken. Der Antragsteller hat insoweit keine Einwendungen erhoben. Die Folgeanordnungen beruhen auf § 46 Abs. 1 Satz 1 (Rückgabe der Waffenbesitzkarte, Ziff. 2 des Bescheids) und § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG (Überlassung der vorhandenen Waffen und Munition an einen Berechtigten oder Unbrauchbarmachung, Ziff. 3 des Bescheids).
3.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Für den Widerruf einer Waffenbesitzkarte ist nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (vgl. Beschluss vom 19.06.2017 - 1 S 846/17 -, juris Rn. 17) - unabhängig von der Zahl der widerrufenen Waffenbesitzkarten - grundsätzlich der Auffangstreitwert in Höhe von 5.000 EUR zuzüglich 750 EUR für jede weitere Waffe als Streitwert in Ansatz zu bringen. Im Auffangwert ist zugleich die erste eingetragene Waffe mit enthalten (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.08.2011 - 1 S 1391/11 -, juris Rn. 10). Die Folgeanordnungen fallen ebenso wenig wie die Nebenentscheidungen für die Streitwertfestsetzung ins Gewicht. Damit hält die Kammer einen Streitwert in Höhe von 11.000 EUR für angemessen. Da eine Vorwegnahme der Hauptsache hier nicht vorliegt, ist die Hälfte dieses Streitwerts anzusetzen (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013).