Also, wenn wir diesen Blödsinn ernst nehmen sollen, dann bedeutet dies, dass es nur 298 Städte und Gemeinden in der BRD gibt. Alternativ könnte man noch darüber nachdenken, dass es die Gesamtzahl aller Kreise ist (wobei "Kreis" je nach Bundesland eine doch recht unterschiedliche Einrichtung sein kann ...).
Begriffe wie natürliches Quorum, Rundungsfehler u. dgl. haben diese D...n offenbar auch noch nie gehört. Die 5%-Hürde ist nämlich nicht einmal das Hauptproblem des deutschen Wahlrechts. Nehmen wir ein hypothetisches Parlament mit 100 Sitzen. Idealerweise würde man für 1% der Stimmen genau 1 Sitz erhalten.
Leider sind Wahlergebnisse selten so, dass sie genau volle Prozentwerte ergeben. In unserem gedachten Fall von 100 zu vergebenden Sitzen stellt sich die Frage, wie man etwa damit umgeht, wenn eine Partei so wenig Stimmen erhalten hat, dass sie nicht einen Anteil von 1% aller Stimmen erhalten hat, sondern etwa 0,6 oder gar nur 0,4% der Stimmen.
Eine weit verbreitete Auffassung ist die des "vollen Preises": Wer nicht einmal so viele Stimmen aufbringt, dass es für einen vollen Sitzanspruch reicht, soll auch keinen Sitz erhalten. Das ist der Grundgedanke, der etwa auch dem früheren Verteilungsverfahren D'Hondt für den Bundestag zugrunde lag.
Das Problem verschärft sich allerdings, wenn mehrere Parteien oder Listen nicht den Anspruch auf einen Sitz erworben haben. Um bei unserem gedachten Beispiel zu bleiben: Wenn es neben z. B. zwei starken Parteien mehrere Splittergruppen gibt, die jeweils weniger als 1% der Stimmen erhalten, dann kann es aber schon so sein, dass diese Splittergruppen zusammen gerechnet deutlich mehr als 1% der Stimmen erhalten haben. Für den Umgang mit solchen Situationen gibt es durchaus verschiedene Vorschläge, zum Beispiel den, dass man für jede Stimme eine Alternativ- oder Ersatzstimme abgeben könne, die zählt, wenn die Partei bzw. Liste, die man gewählt hat, den Einzug ins Parlament nicht schafft. Dabei läge es z. B. nahe, die Ersatzstimme der Liste zu geben, die relativ am stärksten ist. Wenn wir etwa Listen A, B, C und D haben, die je 0,7, 0,4 und 0,3% der Stimmen erreichen, aber die Wähler der Listen B, C und D jeweils der relativ stärksten Liste A ihre Ersatzstimme geben, käme diese Liste auf 0,7+0,4+0,3=1,4% um bekäme so doch noch einen Sitz, der dann den starken Listen E und F nicht zufällt.
Man kann sich aber auch auf den Standpunkt stellen, der übrigens auch vom BVerfG geteilt wird, dass es kein Problem ist, wenn solche Splittergruppen nicht vertreten sind.
Nun denken wir das Ganze noch etwas weiter: Teilen wir unser gedachtes Staatsgebiet in zehn Provinzen ein, die alle etwa gleiche Bevölkerungszahl haben. Nun lassen wir in jeder Provinz je zehn Sitze wählen.
Nun ist für den Gewinn eines Sitzes ein Stimmenanteil von 10% nötig. Dabei verschärft sich das "natürliche Quorum", das zu einem garantierten Sitzgewinn führt, von 1 auf 10%. Bei manchen Wahlergebnissen könnte es nun sogar vorkommen, dass gar keine Sitze vergeben würden, wenn alle Listen weniger als 10% der Stimmen erreichten. (Nur zur Erinnerung: Die SPD ist kürzlich teilweise auf 12% abgeschmiert. So unrealistisch ist obiges Szenario also nicht.) Wenn wir ein stark zersplittertes Parteiensystem haben, dann ist dies leicht möglich.
Daher muss man sich um Rundungsfragen kümmern. Wenn nun etwa eine Liste 5% erhalten hat, steht ihr dann nicht aufgerundet ein Sitz zu? Man kann auch über die Rundungsgrenze streiten: Genügt die Hälfte des Sitzanspruchs schon oder muss dieser um mindestens eine Stimme überschritten werden? Setzt man die Rundungsgrenze sogar etwas höher an, also etwa bei 60% eines Sitzanspruchs?
Dabei kann es nun immer noch sein, dass zwar eine Reihe Listen Sitze erzielt, dass aber wegen vieler Ergebnisse unter der Rundungsgrenze einige Sitze nicht vergeben werden. Dann stellt sich die Frage, nach welchem Verfahren Restansprüche vergeben werden. Zum Beispiel kann man die verbleibenden Sitze einfach den stärksten noch nicht berücksichtigten Restansprüchen zuweisen.
Das ist aber den Leuten, die sich ernsthaft mit Wahlverfahren befassen, schon lange bekannt, daher hat man ja auch das Verteilungsverfahren für den Bundestag geändert.
Drei Punkte sind m. E. zum gegenwärtigen Bundestagswahlverfahren festzuhalten:
- Ausdrückliche Sperrklauseln sind gegenüber den "natürlichen Quoren" vorzuziehen.
- Durch die Verrechnung der Ergebnisse im gesamten Bundesgebiet und durch die neue Regelung zur Verrechnung von Überhangmandaten sollten grobe Verzerrungen zwischen den Listen weitgehend ausgeschlossen sein.
- Die Befreiung nationaler Minderheiten von der Sperrklausel, die Grundmandatsklausel und der Erhalt von Direktmandaten auch ohne Wahlliste machen es grundsätzlich möglich, dass auch Minderheiten, nur lokale starke Parteien und selbst Einzelkandidaten gewählt werden können, was in vielen Ländern nicht einmal theoretisch möglich ist.