Unvereinbarkeitsliste AfD Thüringen geht auf Distanz zu Arnstädter Stadtrat Klimpel
Markus Klimpel ist erster Mann der AfD-Stadtratsfraktion in Arnstadt und Vize-Fraktionschef seiner Partei im Ilm-Kreistag. Auch außerhalb der Parlamente war und ist er ein aktiver Mann. Klimpel sympatisiert beispielsweise mit einer Holocaust-Leugnerin und pflegt Kontakte zu Islamfeinden und Rechtsextremisten. Es gibt Verbindungen, die selbst für die AfD problematisch sind. Denn die betreffenden Gruppen stehen auf der offiziellen "Unvereinbarkeitsliste" der Partei.
von Bastian Wierzioch, Ludwig Kendzia und Axel Hemmerling
Der Thüringer AfD-Mandatsträger Markus Klimpel steht mit mehreren Vereinen und Organisationen in Verbindung, die auf der offiziellen "Unvereinbarkeitsliste" der AfD gelistet sind. Darauf angesprochen geht die Landespartei nun auf Distanz zu ihrem Fraktionschef im Arnstädter Stadtrat und Fraktionsvize im Ilm-Kreistag.
Kontakte Klimpels unvereinbar
Um zu verhindern, dass die AfD noch weiter ins Visier des Verfassungsschutzes rückt, führt die AfD seit 2015 eine "Unvereinbarkeitsliste". Dort finden sich dutzende radikale Organisationen, mit denen die Partei nicht in Verbindung gebracht werden möchte. Markus Klimpel aus Arnstadt scheint sich allerdings darum bis heute wenig zu kümmern. Das belegen Fotos und Chatprotokolle, die MDR THÜRINGEN vorliegen.
Aktiv bei Freien Kräfte Erfurt
"Linkes Gezeter, 9 Millimeter", skandierten sie. Kurz darauf schallte die Parole "Ein Baum, ein Strick, ein Antifa-Genick" über den Platz vor dem Erfurter Hauptbahnhof. Die Stimmung war aggressiv an diesem 29. September 2012. Rund 80 Rechtsextremisten waren einem Aufruf der rechtsextremen Vereinigung "Freie Kräfte Erfurt" gefolgt, die auf der "Unvereinbarkeitsliste" der AfD zu finden ist ("Freie Kräfte mit allen Regionalgruppen"). Kameradschaftsmitglieder aus mehreren Bundesländern, "Autonome Nationalisten", Hooligans sowie Aktivisten des von NPD-Mitgliedern gegründeten und inzwischen aufgelösten Vereins "Pro Erfurt" waren an diesem Samstag vor den Bahnhof in der Erfurter Innenstadt gekommen. Mittendrin: der heutige AfD-Fraktionschef in Arnstadt und stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Ilmkreis Markus Klimpel.
AfD Landespartei unwissend?
Der Verein "Pro Erfurt", den der Thüringer Verfassungsschutz als rechtsextrem einstufte, ist ebenfalls auf der "Unvereinbarkeitsliste" der AfD verzeichnet. Fotos, die MDR THÜRINGEN vorliegen, belegen, dass Markus Klimpel bei dieser Kundgebung im September mit dabei war, ebenso wie bei einer weiteren Demonstration der "Freien Kräfte" im Juni 2012. Dabei hatten sich extrem Rechte auf dem Parkplatz eines Einkaufscenters im Erfurter Ortsteil Roter Berg versammelt. Bei dieser Gelegenheit trug der heute 32-Jährige ein rotes, kurzärmliges T-Shirt, der bei Neonazis beliebten Modemarke "Thor Steinar". Zu beiden Kundgebungen im Jahr 2012 äußerte er sich auf Anfrage nicht. Ein Sprecher des Landesvorstandes, der AfD-Landtagsabgeordnete Torben Braga, teilte MDR THÜRINGEN dazu auf Anfrage mit: "Die Aktivitäten sind dem Landesvorstand der AfD Thüringen bisher in diesem Ausmaß nicht bekannt gewesen."
Vermummt gegen Moscheebau
Markus Klimpels Auftauchen bei den rechtsextremen "Freien Kräften" liegt mehr als acht Jahre zurück. Damals gab es die AfD noch nicht. Der heutige Mandatsträger scheint sich aber einen gewissen Hang zum radikalen Aktionismus doch bewahrt zu haben. So verkleidete sich der Politiker am 2. September 2018 in Erfurt mit einem religiös anmutenden, langen, weißen Gewand. Mit einer Maske vermummte er sein Gesicht. In dieser Aufmachung zog er mit weiteren knapp 20 Aktivisten der Initiative "Erfurt zeigt Gesicht" in den Ortsteil Marbach, um gegen den dort geplanten Moscheebau zu demonstrieren. Die anderen hatten sich ähnlich ausstaffiert. Einer der Vermummten trug ein mannshohes schwarzes Kreuz mit sich herum. Die Gruppe stoppte schließlich vor dem Privathaus der Grünen-Landtagsabgeordneten Astrid Rothe-Beinlich, die sich für den Moscheebau stark gemacht hatte, und bedrohten sie verbal lautstark.
Eine Aktivistin hatte in das Megafon gerufen: "Das heute ist nur ein Vorgeschmack auf die Zukunft! Wir kommen wieder!" Die Polizei nahm Ermittlungen gegen zwei Kundgebungs-Teilnehmer auf. In einem Fall kam es zu einer Geldstrafe. Das zweite Verfahren wurde eingestellt.
Über die Gruppe "Erfurt zeigt Gesicht" teilte das Thüringer Innenministerium kurz nach der Attacke mit: "Der Landesregierung liegen Hinweise vor, dass Kontakte zwischen der Initiative und Einzelpersonen aus dem rechtsextremistischen muslim- und fremdenfeindlichen Spektrum bestehen." Die Thüringer AfD distanzierte sich von der Aktion vor dem Haus der Grünen-Politikerin. Der Landtagsabgeordnete Stefan Möller stellte fest, es sei "unanständig, solche psychologischen Attacken zu führen." AfD-Mann Klimpel wollte sich auf Anfrage nicht zu der Aktion in Erfurt-Marbach äußern, ebensowenig dazu, dass er sie gemeinsam mit Marco M. durchgeführt hatte, einer der Führungsfiguren von "Erfurt zeigt Gesicht".
Unterstützer von Marco M. und "Pax Europa"
Dass Markus Klimpel bei Marco M.s "Erfurt zeigt Gesicht" mitmischt, belegen nicht nur die Attacke auf Astrid Rothe-Beinlich, sondern auch die Kommunikation des AfD-Politikers auf der Facebook-Seite der Gruppe. Im März 2019 etwa bedankte sich "Erfurt zeigt Gesicht" bei Klimpel für dessen Mithilfe bei der mutmaßlichen Verteilung von nach eigenen Angaben 30.000 Flugblättern der "Bürgerbewegung Pax Europa e.V." ("danke. du bist einer unserer treuesten Befürworter von Anfang an."). Der "Landesverband Bayern" von "Pax Europa" wird vom bayerischen Verfassungsschutz als "verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebung" beobachtet und findet sich ebenfalls auf der offiziellen AfD "Unvereinbarkeitsliste".
Marco M. postete seinerseits am 19. September 2019 ein Foto, das ihn selbst und Markus Klimpel mit hochgereckten Daumen bei der Wahlkampfauftakt-Veranstaltung der AfD zur Thüringer Landtagswahl in der Stadthalle Arnstadt zeigt. Eine Liaison, die aus Sicht der AfD durchaus als heikel erachtet werden könnte, vertrat Marco M. doch in der Vergangenheit immer wieder nationalsozialistische, antisemitische und rassistische Positionen. Entsprechende Facebook-Posts unter eigenem Profilbild liegen MDR THÜRINGEN vor.
Unterstützer der "Schlesischen Jugend"
AfD-Mann Markus Klimpel scheint zudem enge Kontakte zu einer Führungsfigur der radikalen Organisation "Schlesische Jugend" zu unterhalten, die ebenfalls auf der AfD-"Unvereinbarkeitsliste" gelistet ist. Der Thüringer Verfassungsschutz stuft die Vereinigung als rechtsextrem ein und teilt mit, die Organisation werde "von aktiven Rechtsextremisten für Bestrebungen missbraucht, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind."
Rimbachs Mitarbeit im Stadtrat Arnstadt
Als Schlüsselfigur der rechtsextremen Vereinigung gilt ihr Vorsitzender Fabian Rimbach, auf den AfD-Mann Klimpel offenbar große Stücke hält. So berief seine Fraktion in Arnstadt Rimbach im vergangenen August zum "sachkundigen Bürger". In dieser Funktion soll der Rechtsextremist die Stadträte im Finanzausschuss beraten. Laut Thüringer Gemeindeordnung ist das möglich.
Dabei scheint die Berufung Rimbachs sogar dem Landesverband der AfD ein Dorn im Auge zu sein. Die Berufung sei "dem Landesvorstand seit Ende 2019 bekannt und Gegenstand einer Prüfung durch den zuständigen Kreisverband und durch den Landesvorstand", teilte Sprecher Torben Braga auf Anfrage mit. Außerdem, so Braga, sei "die Arnstädter AfD-Stadtratsfraktion vom AfD-Landesvorstand unmissverständlich dazu aufgefordert" worden, "jegliche Zusammenarbeit mit dem Vorsitzenden der 'Schlesischen Jugend' zu beenden und auf seine Abberufung als 'sachkundigen Bürger' hinzuwirken."
Den Arnstädter AfD-Fraktionschef Klimpel scheint das nicht zu stören. Drei Tage vor Weihnachten setzte er einen Facebook-Post ab, der ihn und Rimbach im Tierpark "Fasanerie" in Arnstadt vor einem Gehege zeigt und kundtut, dass die Fraktion und ihr berufener Bürger mit 100 Euro eine Patenschaft für Hansi, den weißen Hirsch, übernommen habe.
"Freiheit" für Holocaust-Leugnerin
Markus Klimpel scheint wenig Gespür zu besitzen für die Gratwanderung, die die AfD angesichts vollführt, um sich als Gesamtpartei eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu ersparen. Derzeit stuft das Bundesamt für Verfassungsschutz nur die völkisch-nationalistische Strömung "Flügel" um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke sowie die AfD-Jugendorganisation "JA" als "Verdachtsfälle" ein. Klimpel macht aus seinen Sympatien keinen Hehl. Am 28. Mai 2018 beispielsweise postete Kimpel eine Solidaritäsadresse an die mehrfach verurteilte und inhaftierte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck.
Die heute 91-jährige Haverbeck sitzt derzeit wegen Volksverhetzung in mehreren Fällen in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Backwede ein. 1992 hatte die Rechtsextremistin den "Verein Gedächtnisstätte e.V" gegründet. Auch diese Organisation, die ihren Meldesitz in Guthmannshausen im Landkreis Sömmerda hat, findet sich auf der "Unvereinbarkeitsliste" der AfD. Der Verfassungsschutz teilt über den Verein mit, er biete "Rechtsextremisten verschiedener Strömungen eine etablierte Plattform zum Diskurs und erfüllt damit eine organisations- übergreifende Vernetzungsfunktion innerhalb der rechtsextremistischen Szene." Haverbeck war bis 2003 Vorsitzende des Vereins "Gedächtnisstätte".
AfD Thüringen geht auf Distanz
Torben Braga (AfD)
Landesvorstand und Pressesprecher der AfD Thüringen Torben Braga Bildrechte: MDR/Torben Braga
Welche Verbindung die Rechtsextremistin heute zu dem Verein hat, ist unklar. Dasselbe gilt für Markus Klimpel, der sich auch dazu auf Anfrage nicht äußerte. Ganz anders der Landesvorstand der AfD. Sprecher Torben Braga kündigte eine "weitere Prüfung durch die zuständigen Gremien der Partei" an. Untersucht werde, "inwiefern die geschilderten Aktivitäten auf eine Mitgliedschaft des Herrn Klimpel bei den genannten Organisationen schließen" ließen. Und weiter: "Unabhängig davon lassen einige der geschilderten Aktivitäten den Schluss zu, dass Herr Klimpel sich nicht mehr im von den Statuten und vom Grundsatzprogramm der AfD vorgegebenen Rahmen bewegt habe."
"Wir sind keine Nazis" - AfD-Politiker Klimpel unterzeichnet Erklärung
Am 8. Februar 2020 veröffentlichten die AfD-Fraktionschefs des Kreistages im Ilmkreis und der Stadtratsfraktionen von Arnstadt und Ilmenau eine Erklärung. Darin wehren sie sich gegen die historischen Vergleiche zwischen dem politischen Agieren der Thüringer AfD und der Nazis im Dritten Reich. Die Kommunalpolitiker schreiben, dass sie es nicht mehr hinnehmen würden, dass "derartige historisch falsche Behauptungen ohne Reaktion bleiben." Dafür würden sie alle demokratischen und juristischen Möglichkeiten nutzen. In dem Schreiben heißt es weiter, das man nicht bereit sei, dieses seit Jahren aufgebaute Lügengebilde durch Untätigkeit weiter zu fördern. Dafür gibt es, laut den Unterzeichnern, einen wichtigen Grund: "Wir sind keine Nazis." Unterzeichnet hat diese Erklärung auch der AfD-Fraktionschef im Arnstädter Stadtrat, Markus Klimpel.