@ Panthoteus:
Hast Recht.
http://www.welt.de/wirtschaft/article143000596/Die-Wahrheit-hinter-Nahles-Mindestlohn-Wunder.htmlDie Zahl der Aufstocker ist also durch den Mindestlohn um sagenhaft gewaltige 3,55 Prozent zurückgegangen. Um 45.000 auf 1.223.000, die jetzt immer noch nach getaner Arbeit aufs Amt schlürfen, um sich ihre Miete abzuholen. Würden die zu Hause bleiben, hätten sie mehr Geld in der Tasche, denn im SGB II werden die Fahrtkosten bekanntlich noch mieser angerechnet als im Steuerrecht. Das sehen auch die Arbeitgeber ein: Im Gegenzug zu diesen 45.000 weniger Aufstockern sind 160.000 Minijobs weggefallen.
Das ist aber nicht Sürmelis Problem. Bei dem sollte das Amt (welches auch immer) mit sehr spitzem Bleistift darauf achten, daß ihm seine Hinzuverdienste korrekt angerechnet werden. Vielleicht ergäbe sich bei näherem Hinschauen ja ein nennenswertes Erstattungspotential. Und da wäre das Amt in der komfortablen Lage, daß es bei ihm nichts zu pfänden braucht, sondern einfach in Zukunft weniger überweisen kann.
@ NinjaAndy:
Gegen die Theorie, daß Hartzer per se oder mehrheitlich faul seien, dürften die genannten 1,2 Mio Leute sprechen, die arbeiten, obwohl sie davon gegenüber dem Vollbezug finanziell nichts haben (wenn sie sich dabei nicht noch schaden). Und was die Betrüger angeht, ob sie nun auf der Reichsdeppenschiene oder anderweitig unterwegs sind, so haben die eben keinen anderen Weg gefunden, um ihren Verpflichtungen aus § 2 SGB II nachzukommen:
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen.
Sinnigerweise hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, zwischen den Wörtern "alle" und "Möglichkeiten" das Attribut "legal" einzufügen, warum auch immer. In der Jobbörse stehen derzeit 2,9 Mio Bewerberprofilen ca. 1,1 Mio Stelleneinträgen und 280.000 Ausbildungsstellen gegenüber. Wenn man dann noch berücksichtigt, daß mit der Besetzung einer offenen Stelle oft bis zu sechs Dienstleister beauftragt werden, die dann alle in der kostenlosen jobbörse annoncieren und das die Zeitarbeitsfirmen ins Blaue hinein suchen, um im Fall des Falles Adressen an der Hand zu haben, dann wird einem klar, daß das rein rechnerisch schon nicht aufgeht, auch wenn nicht jede offene Stelle dem Amt gemeldet wird.
Nun könnte man sich ja noch - wie Sürmeli - selbständig machen. Aber für ein seriöses, tragfähiges Geschäftsmodell braucht man auch heute noch Kapital, fachliche Fähigkeiten und eine robuste Gesundheit. Daran fehlt es den meisten Hartzern fast vollständig. Vor Jahren hat man dann - meist im Vorfeld von Wahlen - Leute mit Zuschüssen dazu geködert, sich mit den abstrusesten Ideen aus dem Bezug zu verabschieden. Daraus resultieren jetzt 10% der Aufstocker, die man als "hilfsbedürftige Selbständige" bezeichnet - 2 Prozent der Leistungsempfänger, die der Verwaltung richtig Arbeit machen und denen man (betriebswirtschaftlich nachvollziehbar) ihre "Selbstständigkeit" zu verleiden sucht.
Nach meiner Auffassung muß man also einen offenbaren Betrug als solchen auch strafrechtlich definieren und dann die Betrüger auch konsequent zur Rechenschaft ziehen. Die von Euch verhaßten "Gerichtsrentner" wissen, daß es daran heute noch gewaltig klemmt und es auch gestandenen Geschädigten oft nicht gelingt, gegen Zechpreller jeder Art durchzukommen. Ohne den Staatsanwälten böses unterstellen zu wollen, nehme ich mal an, daß im Zivilrecht da noch wesentlich mehr Energie investiert wird (weil werden kann), als bei der Strafverfolgung.
Auf der anderen Seite sollte man sich überlegen, wie man den Bauernfängern ihren Morast austrocknet. Das müßte damit einhergehen, weniger Leute in prekäre Verhältnisse rutschen zu lassen. Wer arbeitet, muß vom Lohn sowohl leben als auch trocken und warm wohnen können. Aber dem steht entgegen, daß das die Gemeinschaft Geld kostet (egal ob über höhere Löhne, geförderte gemeinnützige Beschäftigung oder pure Transferleistungen) und die nicht nur den Einzelnen treffenden Betrugsschäden demgegenüber kaum ins Gewicht fallen.