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Mit der Mail ging ein Umlaufbeschluss an die Vorstandsmitglieder. Gegen die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Silvia Pantel, eine von Maaßens Stellvertreterinnen, und Michael Schwarzer, Beisitzer, wird ein Parteiausschlussverfahren wegen schweren parteischädigenden Verhaltens eingeleitet, und sie verlieren ihre Mitgliedsrechte sofort. Heißt: Beide durften darüber nicht mit abstimmen, auch nicht über die Entscheidung beim jeweils anderen. Von ursprünglich elf stimmberechtigten Vorstandsmitgliedern verblieben somit nur noch neun – und Maaßen sicherte sich eine Mehrheit für den Rauswurf-Beschluss.
Parteijustiziar Claus-Peter Martens, der zuletzt in Abstimmungen gegen Maaßen gestimmt hatte, meldete am Sonntagmittag große Bedenken an: Derartige Entscheidungen könnten nicht im Umlaufverfahren und ohne Anhörung der Betroffenen an einem Wochenende umgesetzt werden, notwendige Voraussetzungen lägen auch nicht vor. Zu diesem Zeitpunkt war der Internetauftritt der Werteunion bereits geändert: Pantel und Schwarzer entfernt. Martens, der auch Mitglied in Schiedsgerichten von CDU und FDP Berlin war, sagte über das Vorgehen des Juristen Maaßen: "Ich bin entsetzt, dass Grundsätze des rechtsstaatlichen Verfahrens so missachtet werden."
Verantwortliche für Schlüsselfunktionen ausgetauscht
Am Montagmorgen wurde Martens daraufhin in einer Video-Vorstandssitzung als Bundesjustiziar ersetzt. In der Sitzung machte Maaßen mit der neuen 5:4-Mehrheit Tabula rasa: Pantel und Schwarzer waren schon nicht mehr zu der Zoom-Konferenz eingeladen und konnten sich auch nicht einwählen. Der verbliebene Vorstand bestätigte den Umlaufbeschluss vom Wochenende – und machte weiter, Maaßens Personalwünsche umzusetzen. Pressesprecher und IT-Verantwortlicher – von ihren Aufgaben entbunden und ersetzt. Schatzmeister Bernd Pfeiffer – entbunden und durch den Maaßen-Getreuen Udo Kellmann ersetzt, der auch im Förderverein Regionalbeauftragter West ist.
Als kommissarische Geschäftsführerin ließ Maaßen Stefanie Huss einsetzen. Sie ist beim Verein Werteunion zugleich Regionalbeauftragte für den Osten und die Schwester von Matilda Huss. Mathilda Huss ist eine enge Maaßen-Vertraute, die Hausherrin in der Potsdamer Villa Adlon. Die Villa war im Januar 2024 durch "Correctiv"-Recherchen über ein "Geheimtreffen" zu "Remigration" bekannt geworden: Der rechte Kampfbegriff bezeichnet die massenhafte Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund. In den Vorstellungen von Martin Sellner, Referent in Potsdam, schließt das auch solche mit deutscher Staatsangehörigkeit ein.
Außerdem fasste der Vorstand offenbar einen Beschluss, dass sich Jörg Meuthen parteischädigend verhalten habe. Damit könnte auch dessen Rauswurf vorbereitet werden. Maaßen ließ zudem die Aufnahme neuer Mitglieder in den Vorstand beschließen, er verfügt jetzt über eine deutliche Mehrheit. Der abgelöste Parteijustiziar Claus-Peter Martens: "Maaßen verhält sich wie jemand, der aus einem Legokasten Figuren auf ein Brett setzt, gerade wie er will. Und er glaubt, er kann das einfach machen."
Pantel: "Könnte spekulieren, dass Maaßen Hülle für die AfD will"
Die über das Wochenende abgesägte bisherige stellvertretende Vorsitzende Pantel sagte t-online: "Maaßen hofft, dass er mit seinem völlig willkürlichen Vorgehen durchkommt und Fakten schafft und der Rechtsstaat nicht funktioniert." Sie wirft ihm zudem vor, er nutze eine "Einschüchterungs- und Zermürbungsstrategie, die er vielleicht beim Geheimdienst gelernt hat". Maaßen habe sie nach dem ersten weitreichenden Beschluss gegen seine Person im Vorstand zum Rücktritt aufgefordert und ihr gesagt, er könne auch anders. Das zeige sich jetzt.
Pantel geht noch weiter: "Herr Maaßen macht auf mich nicht den Eindruck, dass er irgendwie am Fortkommen der Werteunion interessiert ist, nicht an Mitgliederwerbung oder auch an Veranstaltungen. Man könnte spekulieren, dass er eine fertige Hülle bereithalten will, wenn es zu einem Verbot der AfD kommen sollte."
Pantel will nun gerichtliche Schritte einleiten: Per einstweiliger Verfügung will sie die Beschlüsse aufheben lassen und die Mitgliederrechte für sich und Schwarzer wiederherstellen. Beim Parteischiedsgericht gibt es Zweifel an der schnellen Handlungsfähigkeit: Der Vorsitzende der Kammer ist vor wenigen Tagen zurückgetreten. In einem anderen Streit, dabei geht es um den Landesvorstand Nordrhein-Westfalen, habe das Schiedsgericht auch keinen Eilbeschluss treffen wollen. Pantel: "Maaßen denkt, er kann Fakten schaffen, weil die Justiz so überlastet ist. Deshalb hoffen wir, dass er sich täuscht und ein ordentliches Gericht entscheidet." Pantel war am Montag deshalb in Gespräch mit Juristen.
Bei den Vorwürfen wegen parteischädigenden Verhaltens gegen Pantel und Schwarzer geht es im Kern um die absurde Situation, dass bei der Partei in Nordrhein-Westfalen zwei Landesvorstände die Legitimität für sich beanspruchen. Pantel war im alten Vorstand Vorsitzende und wurde im März mit einem neuen Team erneut für den Vorsitz gewählt. Es ist der Streit im Bundesvorstand mit umgekehrten Vorzeichen. In den neu gewählten Vorstand rückten mehr Pantel-Getreue, sie kann als Vorsitzende ihre Vorstellungen umsetzen.
Spekulationen: Was passiert beim Förderverein?
Das Maaßen-Lager vertritt den Standpunkt, dass die Abwahl des alten Vorstands nicht rechtmäßig erfolgt sei und dieser sich somit weiterhin im Amt befinde. Dazu gibt es auch aus dem August einen Umlaufabschluss des Bundesvorstands. Anstelle von Pantel wurde in dem anderen Vorstand ein kommissarischer Vorsitzender eingesetzt. Pantel und Schwarzer wird vorgeworfen, einen konkurrierenden Vorstand zu führen. Gegen Pantel gibt es weitere Vorwürfe. So soll sie Mitglieder aufgefordert haben, einem früheren Vorstandsmitglied in anonymen Schreiben an dessen Frau Ehebruch nachzusagen. Außerdem habe sie ein Gespräch mitgeschnitten. Zudem geht es um angeblich nicht ordnungsgemäß beauftragte Kinowerbung. Maaßen hatte einen "Compliance"-Beauftragten zur Recherche eingesetzt, der direkt an ihn berichtete. Pantel weist die Vorwürfe als absurd zurück.
Auf ausführliche Schriftsätze zu Sachverhalten ans Landesschiedsgericht gebe es aber bisher keine Rückmeldung, so Pantel. Eine schnelle Entscheidung sei nicht zu erwarten. "Und damit arbeitet Maaßen."
Und die nächste Machtprobe steht bereits an, die Neuwahl im Verein, den es schon länger gibt als die Partei. Dort will sich der Vize-Admiral Kay-Achim Schönbach als Gegenkandidat von Maaßen zur Wahl stellen. Er war bereits auch stellvertretender Vorsitzender der Partei, ehe er dort und im Verein zurückzog. In seinem Team ist Simone Baum, Maaßens Stellvertreterin im Vorstand des Vereins. Im Verein wird kolportiert, Maaßen wolle Schönbach und Baum den Zutritt zur Halle in Weimar am 4. Oktober verweigern lassen.
Maaßen erklärte dazu auf Anfrage von t-online: "Ich habe ein Interesse daran, dass die bisherigen Konflikte im Förderverein friedlich gelöst werden und die Mitglieder einen guten neuen Vorstand wählen."
Verwendete Quellen
Eigene Recherchen
Über dieses Drama wird man vermutlich noch in Jahrhunderten Opern schreiben ...