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Das Ringen um den EU-Austritt hat nicht nur die Tories ausgelaugt und erschöpft, sondern auch die britische Wirtschaft. Die Unternehmen haben sich inzwischen daran gewöhnt, dass von der Regierung nicht viel zu erwarten ist, egal ob die/der Premier Johnson, Truss oder Sunak heißt. Alle drei haben es nicht geschafft, nach dem Brexit einen Weg zu weisen, wie Großbritannien ökonomisch wieder in die Gänge kommen kann.
Das liegt einerseits in der Natur der Sache, denn wer aus dem EU-Binnenmarkt - und damit dem größten Wirtschaftsraum der Welt - aussteigt, verliert nun mal an ökonomischer Kraft. Diesen Verlust zu ersetzen, ist nahezu unmöglich, jedenfalls kurzfristig. Andererseits hatten die Brexiteers ja versprochen, dass die neuen Freiheiten zu bisher nicht gekannten Benefits führen würden, auch wirtschaftlich. Doch worin diese bestehen sollen, das kann selbst der brexitbegeisterte Premier nicht klar beantworten. Im Gegenteil: Er musste sogar zugeben, dass die wegen des EU-Austritts gewachsene Zollbürokratie mit daran schuld ist, dass sich die Inflation in Großbritannien weitaus hartnäckiger hält als in Deutschland oder Frankreich. Zölle machen Waren eben teurer.
Spätestens im April dürfte Sunak auf breiter Front die Steuern senken
In keinem G-7-Staat ist die Inflationsrate derzeit so hoch wie im Vereinigten Königreich. Die Lebenshaltungskosten sind dermaßen stark gestiegen, dass längst von einer cost of living crisis die Rede ist. Diese Krise ist es auch, die die Menschen als größtes Problem im Land sehen. Dafür machen sie die Regierung verantwortlich. Das zeigen allerlei Umfragen. Für Sunak wird es deshalb äußerst schwer, diese schon ziemlich gefestigte Mehrheitsmeinung zu verändern.
Seit der Premier regiert, liegen seine Tories relativ konstant 20 Prozentpunkte hinter der oppositionellen Labour Party. Deren Chef Keir Starmer hat es geschafft, die Partei nach der Wahlniederlage 2019 neu aufzustellen. Auch in der Wirtschaftspolitik. So hat Starmer nicht nur jegliche Verstaatlichungspläne seines Vorgängers Jeremy Corbyn ad acta gelegt, er hat auch offensiv den Kontakt zu den Unternehmen im Königreich gesucht. Mit Starmer steht Labour wieder für einen wirtschaftsfreundlichen Kurs, den die Partei zuletzt unter Tony Blair hatte.
Auch wenn sich die Wirtschaft bereits auf einen möglichen Labour-Premier einstellt, wäre es töricht, Sunak schon jetzt abzuschreiben. Als früherer Hedgefonds-Manager ist er Utilitarist genug, um zu wissen, welche Wahlgeschenke er verteilen muss. Spätestens im April, wenn in Großbritannien das neue Steuerjahr beginnt, dürfte Sunak auf breiter Front die Steuern senken. Ob das genügt, um den Rückstand auf Labour aufzuholen, ist allerdings zweifelhaft. Erst im Herbst hatte die Regierung steuerliche Entlastungen angekündigt, doch die Meinungsumfragen änderten sich kaum.
Vielleicht ist es so: Seit fast 14 Jahren regieren die Tories jetzt schon ohne Unterbrechung in London, da wird es langsam Zeit für einen Wechsel. Keir Starmer hat zwar weder das Charisma eines Tony Blair noch dessen rhetorische Fähigkeiten, aber darum geht es auch nur bedingt. Es geht jetzt vor allem darum, ob Starmer den Menschen in Großbritannien das geben kann, wozu Sunak bislang nicht in der Lage war - nämlich das Gefühl, dass es nach Jahren des lähmenden Brexit-Streits wieder aufwärtsgehen kann.