Bei den vorliegenden Infos frage ich mich allerdings, wo hier der Haftgrund zu sehen ist. Die 162 Fälle sind augenscheinlich bekannt, Verdunkelungsgefahr dürfte somit nicht gegeben sein. Fluchtgefahr?
Auf Basis der derzeitigen Erkenntnisse: Ziemlich sicher Fluchtgefahr. Wir reden vom Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse
im besonders schweren Fall in 162 Fällen. Würden alle 162 Fälle verurteilt, bedeutete das, dass gem.
§ 278 Abs. 2 S. 1 StGB (hier wohl einschlägig: gewerbsmäßig) der Strafrahmen 3 Monate bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe beträgt. Selbst wenn jeder Fall nur die Mindeststrafe von 3 Monaten einbrächte, kommt auch mit ordentlichem Rabatt in der Gesamtstrafenbildung ordentlich 'was zusammen.
Die "übliche" Faustformel(!) für die Berechnung der Gesamtstrafe lautet: zur höchsten Einzelstrafe wird die Summe jeweils der Hälfte aller sonstigen Strafen addiert. Machte 3 Monate + 161 × 1,5 Monate; schon dieser Überschlagsrechnung(!) "pi mal Daumen"(!) zur Folge also etwas mehr als 20 Jahre Knast.
Diese Formel wird hier nicht anzuwenden sein. Es werden sehr wahrscheinlich nicht alle 162 Fälle wirklich angeklagt bzw. viele Fälle würden vor Gericht vermutlich eingestellt werden. Man wird sich eine Handvoll drastischer und/oder besonders einfach zu beweisender Fälle herausgreifen, diese anklagen und verurteilen und dann irgendeine Haftstrafe ansetzen. Und da das Ganze gewerbsmäßig lief, wird das auch beim mildesten Richter gehörig scheppern. Wenn ich wetten müsste, würde ich nicht unbedingt auf Möglichkeit zur Bewährung setzen (gleichzeitig würde ich mit einer Anklage vor dem Schöffengericht rechnen, wenn ich ehrlich bin; mehr als vier Jahre dürfen am Amtsgericht nicht verhängt werden).
Angesichts einer ggf. mehrjährigen Haftstrafe und der Tatsache, dass die Beschuldigte auch ohne Strafverfahren um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten muss (geringer Bleibeanreiz) und dass sie als Ärztin wohl über erhebliches Vermögen verfügen dürfte (gute Fluchtmöglichkeiten) sowie die Beispiele vergleichbarer Fälle aus dem Querdenker-Milieu könnten durchaus einen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr rechtfertigen.