Ich packe es mal hier rein, weil ein großer Teil der Covidi.oten ja nicht nur "Reichsbürger" oder "rechts" sind, sondern weil sich ja auch Tolzin mit seinem Quark da jetzt wieder besonders hervortut.
Ein interessanter Artikel bei der NZZ zu Corona und den Impfgegnern.
Spoiler
So ticken die Impfskeptiker: Ihre grossen Ängste, woher sie kommen – und bei wem alle Argumente für die Katz sind
Kaum eine medizinische Errungenschaft hat so stark zur Gesundheitsvorsorge beigetragen wie die Schutzimpfung. Dennoch zögern nicht nur notorische Corona-Zweifler, sich impfen zu lassen. Die Pandemie lässt alte Ängste wieder aufleben.
Die Absicht der Kinderklinik Plus Pediatrics in Pittsburgh (Pennsylvania/USA) war löblich. Die Ärzte posteten vor drei Jahren ein Video auf Facebook, das Eltern über den Nutzen der HPV-Impfung aufklärt, die beispielsweise der Prävention gegen Gebärmutterhalskrebs dient. Doch statt wie erhofft die Impfrate zu erhöhen, lösten sie einen Shitstorm aus. Im Nu überzogen die Impfskeptiker das Video mit Tausenden von Anti-Impf-Kommentaren.
Die Episode ist typisch: Wo immer Behörden und Mediziner mit ihren gutgemeinten Impfkampagnen die Bevölkerung aufklären wollen, werden sie von den Impfskeptikern unter Beschuss genommen. Zwar gehört die Erfindung der Schutzimpfung zu den grössten Erfolgen der Medizingeschichte. Und dennoch sollte nicht jedes Zaudern vorschnell mit verschwörungstheoretischer Wissenschaftsfeindlichkeit gleichgesetzt werden.
Angst vor dem Impfstoff
Unter den Impfgegnern finden sich viele Esoteriker, Naturheiler und Homöopathen. Und viele Impfgegner lassen sich von solchen Anbietern beraten. Der Gedanke, wonach Impfstoffe unnatürlich seien, gilt als eigentliche Quelle für die Impfskepsis. Schon 1877 wurde davor gewarnt, den Körper «mit thierischem Auswurfstoff, der nun einmal nicht in’s gesunde Blut gehört, zu verunreinigen». Heute gehört der Schweizer Naturheiler Daniel Trappitsch vom Netzwerk Impfentscheid, auf dessen Website diverse Wortmeldungen von Verschwörungstheoretikern aus ganz Europa verlinkt sind, zu den Stars der Szene. Trappitsch war der Frontmann im Referendumskampf gegen das Epidemiengesetz.
Solche Aktivisten sorgen für Schlagzeilen. Der Basler Infektiologe Philip Tarr warnt aber davor, zu stark auf sie zu fokussieren. Der Chefarzt am Baselbieter Kantonsspital untersucht im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP 74 die Gründe für die Skepsis gegenüber der HPV-Impfung. Ausserdem erforscht er, welches die Beweggründe für Eltern sind, ihre Kinder nicht impfen zu lassen. Er hat mit unzähligen Komplementär- und Alternativmedizinern gesprochen und dabei ein «überraschend positives Bild» von ihrer Arbeit gewonnen: «Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass alle Impfungen skeptisch oder gar ablehnend gegenüberstehen.»
Viele von ihnen besprächen Impfstoffe in einer für ihre Patienten nicht bedrohlichen Weise und würden die individuellen Informationsbedürfnisse und Anliegen gut berücksichtigen. In Europa nehmen zwischen 25 und 35 Prozent der Bevölkerung alternativ- und komplementärmedizinische Angebote in Anspruch. Tarr erachtete es deshalb als zwingend, Komplementär- und Alternativmediziner in künftige Impf- und Kommunikationsstrategien einzubeziehen.
Bei der Corona-Impfung erscheint ein intensiver Austausch besonders wichtig: Die beiden derzeit erfolgversprechendsten Impfstoffe setzen auf eine neue und noch nie eingesetzte Methode – das sogenannte mRNA-Verfahren. mRNA-Impfstoffe geben einigen Körperzellen Teile der Erbinformationen des Virus mit. Sie liefern den Bauplan für einzelne Virusproteine. Diese sogenannten Antigene aktivieren das Immunsystem. Doch die neue Methode löst bei vielen Leuten Ängste aus – beispielsweise, dass der Impfstoff ins Erbgut des Menschen eindringe und dieses verändere. Es gibt derzeit allerdings keine Hinweise für eine solche Wirkung.
Angst vor den Ärzten
Der Respekt – um nicht zu sagen: die Angst – vor der Übermacht der Ärzte ist so alt wie die Medizin selbst. Ärztinnen und Ärzte sind Autoritätspersonen und wurden lange Zeit gar als «Halbgötter in Weiss» wahrgenommen. Ist man krank oder leidet unter Schmerzen, gibt man sich gerne in ihre Obhut. Die Hoffnungen auf Gesundung überlagern mögliche Befürchtungen. Aber Medizin auf Vorrat in einen gesunden Körper zu spritzen, noch dazu besonders häufig bei Kleinkindern? Das weckt weitaus stärkere Abwehrreflexe.
Für den Infektiologen Tarr ist eine solche Reaktion jedoch nicht a priori etwas Negatives – obwohl er selber nicht am Sinn von Impfungen zweifelt. Gesundheitsbehörden und gewisse Ärzte hätten Schwierigkeiten, mit Patienten umzugehen, die eine aktive, eigenverantwortliche Rolle bei Entscheiden hinsichtlich ihrer Gesundheit übernehmen wollten, beobachtet er. Er hat sich mit vielen Patienten und ihrem Umfeld unterhalten. Dabei stellt er fest, dass sich viele Menschen von der Medizin nicht ernst genommen fühlen, wenn sie über ihre Ängste sprechen.
Gerade bei den Corona-Impfungen sei Skepsis im Moment aber berechtigt: «Die Impfstoffprojekte sind vielversprechend, aber wir wissen darüber tatsächlich noch zu wenig.» Tarr räumt auch mit dem Vorurteil auf, dass es Impfskeptikern oder -gegnern an den nötigen Kenntnissen fehle: «Oft ist das Gegenteil der Fall. Diese Patienten beschäftigen sich intensiv mit Impfungen und deren Folgen.» Doch während es in vielen Bereichen der Medizin normal geworden sei, gemeinsam mit den Patienten über mögliche Behandlungen zu entscheiden, landet man bei einer zögerlichen Haltung gegenüber einer Impfung rasch im Lager der Verschwörungstheoretiker. «Wir Ärztinnen und Ärzte müssen den Leuten stattdessen besser zuhören», sagt Tarr.
Angst vor dem Staat
Ende Monat will die Freiheitliche Bewegung Schweiz die Volksinitiative «Stopp Impfpflicht – Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» starten. Gemäss dem Initiativtext soll jeder Mensch die Freiheit haben, «selbst bestimmen zu können, was in seinen Körper gespritzt oder eingesetzt werden darf, ohne dass er bestraft werden kann oder eine soziale oder beruflich Benachteiligung entsteht».
Die Angst vor staatlichem Zwang ist ein Klassiker in der Impfdiskussion. Und tatsächlich ist sie nicht unbegründet, wie der Blick in die Geschichts- und Gesetzbücher zeigt. Schon vor fast 150 Jahren forderte ein Schweizerischer Verein gegen Impfzwang das Parlament auf, «jeden Bürger vor dieser Vergewaltigung seitens der Mediziner zu schützen», als ein Zwang zur Pockenimpfung eingeführt werden sollte. Das Gesetz wurde vom Volk schliesslich abgelehnt. Auch das Bundesgericht erachtete einen Impfzwang verschiedentlich als zulässig, so zum Beispiel 1982, als sich ein Waadtländer gegen die Diphtherie-Impfung wehrte. In Genf und in Neuenburg ist die Impfung gegen Diphtherie für Kinder bis heute obligatorisch.
Das geltende Epidemiengesetz sieht ebenfalls die Möglichkeit eines Impfobligatoriums vor – wenn auch in engem Rahmen. Diese Bestimmung veranlasste Impfgegner 2013 zum Referendum gegen das Gesetz. Es wurde in der Volksabstimmung zwar angenommen, doch vier als besonders staatskritisch geltende Kantone sprachen sich dagegen aus: Schwyz, Uri sowie die beiden Appenzell.
Staatlich geförderte Impfprogramme haben massgeblich zur Beseitigung vieler Infektionskrankheiten beigetragen. Doch das autoritäre Auftreten des Staates wird heute kritischer wahrgenommen. Lorenz Langer, Professor für öffentliches Recht an der Universität Zürich, hält ein Obligatorium «in einer Covid-19-Ausnahmesituation möglicherweise für gerechtfertigt». Dieses müsste aber auf bestimmte Gruppen beschränkt und zeitlich begrenzt werden. Der Zürcher Staatsrechtsprofessor Felix Uhlmann bezeichnet die Schwelle ebenfalls als «sehr hoch». Bundesrat und Kantone haben in der Corona-Krise mehrfach klargemacht, dass sie auf Freiwilligkeit setzen wollen.
Angst vor sozialem Druck
Ein wichtiges Argument für eine Schutzimpfung lautet, dass eine Epidemie nur abgebremst werden kann, wenn die Beteiligung gross ist. Doch bei der Corona-Impfung gehe es in Wahrheit gar nicht um Solidarität, behaupten Skeptiker. Denn weil Covid-19 für die meisten Leute ungefährlich sei, reiche es aus, wenn sich nur jene impfen liessen, die sich vor der Krankheit fürchteten. Diese Logik eignet sich gut, um sich gegen sozialen Druck zur Wehr zu setzen.
Es ist nicht einfach, dieses Argument zu entkräften. Denn bei einer Impfung hat jedermann in erster Linie sich selbst im Blick. Aus medizinischer Sicht spreche im Falle von Corona momentan aber vor allem ein Argument für eine gesamtgesellschaftliche Sichtweise, sagt der Basler Infektiologe Tarr: Das Immunsystem älterer Personen spreche generell weniger auf Impfungen an. Auch bei den Corona-Impfstoffen sei noch nicht klar, ob sie ältere Personen schützten. Genau diese Gruppe sei aber besonders gefährdet. Es sei also möglich, dass sie nur geschützt werden könne, wenn die Pandemie insgesamt gestoppt werde.
Dafür braucht es gemäss Schätzungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) eine Impfquote von 60 bis 70 Prozent. Wird sie nicht erreicht und folgen deshalb weitere Wellen, muss möglicherweise aber auch mit Folgeschäden abseits der Gesundheit gerechnet werden – beispielsweise bei Kultur, Gastronomie und Nachtleben. Die Solidarität beträfe in diesem Fall nicht nur den Gesundheitsschutz der Bevölkerung, sondern auch die Wirtschaft.
Angst vor Gott . . .
Verschiedene Gruppierungen lehnen Impfungen aus religiösen Gründen ab. Die Begründung lautet meist, Impfungen seien gegen Gottes Willen und unnatürlich. Zu den christlichen Impfgegnern gehören beispielsweise die Amischen in den USA oder Menschen im sogenannten Bibelgürtel in den Niederlanden. Diese Haltung führt dort immer wieder zu Ausbrüchen vermeidbarer Erkrankungen. Impfverweigerer finden sich beispielsweise aber auch unter ultraorthodoxen Juden. Die Skepsis dieser Glaubensgemeinschaft auch gegenüber Massnahmen gegen die Corona-Pandemie wie dem Verbot von Veranstaltungen hat dazu beigetragen, dass Israel weltweit eine der höchsten Infektionsraten aufweist.
Auch in der Schweiz war die Impfdebatte lange Jahre religiös unterlegt. Vor allem in der bäuerlich geprägten Landbevölkerung waren die Naturwissenschaften im 18. und 19. Jahrhundert vielfach eine fremde Welt. Es ist deshalb kein Zufall, dass man damals Pfarrer zu Hilfe holte, um der grassierenden Skepsis zu begegnen. In der Schweiz ist der Pfarrer Albert Bitzius das bekannteste Beispiel dafür: Unter seinem bekannten Pseudonym Jeremias Gotthelf unterstützte er im Auftrag der Berner Regierung auch eine staatliche Impfkampagne.
Heute spielen religiöse Gründe zwar eine untergeordnete Rolle, dennoch lohnt sich ein Blick auf die Vorgehensweise Gotthelfs. Im Roman «Anne-Bäbi Jowäger» muss eine Bauernfamilie vom Nutzen der Pockenimpfung überzeugt werden. Argumentiert wird darin interessanterweise nicht in erster Linie naturwissenschaftlich. Die Hauptrolle hat der Pfarrer, der auf die spezifischen Sorgen und Ängste der Familie eingeht.
. . . und die Angst vor der grossen Verschwörung
Auch das gibt es: Jene, bei denen sich diffuse Ängste zu einer seltsamen Verschwörungstheorie verdichten. Es sind Unbelehrbare, die den Nutzen der Impfung rundweg abstreiten und unhaltbaren Thesen nachhängen. Sie suchen sich im Internet und in obskuren Chats diejenigen Informationen zusammen, die ihrem unheimlichen Weltbild am besten entsprechen. Selbst der Idee, es werde eine neue Mückenart gezüchtet, um die Bevölkerung unbemerkt durchimpfen zu können, wird Glauben geschenkt.
Viele glauben, das Coronavirus existiere gar nicht oder die Behörden inszenierten eine Pandemie, damit die Pharmaindustrie Profite machen könne. Radikale Impfgegner vereinen sich in der gegenwärtigen Situation häufig mit Maskenverweigerern und Lockdown-Kritikern. Die Corona-Impfung tätowiere die Geimpften mit einer digitalen Identität, lautet eine der wirren Thesen.
Solche Impfgegner haben kein Gehör für Gegenargumente – egal, wie plausibel sie sind und woher sie kommen.
In den Kommentaren gibt es einen regelrechten Wettstreit um den Artikel vollumfänglich zu bestätigen. Da schlagen sie alle auf.
Es gibt allerdings auch mindestens so viele Impfbefürworter.
Die "Berufsbeschreibung" die die Gegner so von sich geben, zeigen aber auch, wie sehr der Artikel der Realität entspricht.