19.11.202007:50
„Werkzeug zur Panikmache“
Kritik am Corona-Lockdown: Anwalt Reiner Füllmich greift Virologen Drosten und RKI-Chef Wieler scharf an
Volker NiesvonVolker Nies
Mit einer Sammelklage in den USA und einer Klage vor deutschen Gerichten will der Göttinger Anwalt Dr. Reiner Füllmich (62) mit einem Anwaltsteam Schadenersatz für Unternehmen geltend machen, die Einbußen durch den Corona-Lockdown hatten. In dieser Woche will er die ersten Klagen einreichen.
Im Corona-Interview mit der Fuldaer Zeitung attackiert Dr. Reiner Füllmich Lothar Wieler und Christian Drosten heftig.
Der Anwalt sagt, dass der Chef des Robert-Koch-Instituts und der Charité-Virologe „falsche Behauptungen“ aufstellen.
„Die PCR-Tests sind offensichtlich nur ein Werkzeug zur Panikmache“, lautet eine der Corona-Thesen von Reiner Füllmich.
Herr Füllmich, Sie vertreten Firmen, die Einbußen durch Corona-Auflagen haben. Wen verklagen Sie mit Ihrem Team?
Wir verklagen diejenigen, die behaupten, der PCR-Test erkenne Infektionen. Das sind vor allem der Virologe Prof. Dr. Christian Drosten und Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts. Im Visier der Klagen stehen auch die Politiker, die sich auf Drostens und Wielers Rat verlassen haben. Vor Gericht werden wir fragen, warum die Politik nicht auch andere Experten gehört hat – etwa den Nobelpreisträger und Stanford-Professor John Ioannidis: Ihm zufolge ist das Virus viel weniger gefährlich, als es Drosten und das RKI behaupten. Er hat errechnet, dass 0,14 Prozent der Corona-Kranken sterben. Damit ist das Coronavirus nicht gefährlicher als eine Grippe.
Corona-„Panikmache“: Füllmich greift Wieler (RKI) und Drosten (Charité) scharf an
Die Einschränkungen wurden von Bund und Ländern angeordnet. Warum verklagen Sie nicht die?
Wir wollen die Personen in die Pflicht nehmen – zivil- und strafrechtlich –, die in jedem Fall verantwortlich sind. Wir fangen da an, wo wir sicher Erfolg haben werden.
Was werfen Sie den medizinischen Experten vor?
Wenn wir den Herren Drosten und Wieler vor Gericht nachweisen, dass sie vorsätzlich gelogen haben, dann liegt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach Paragraph 826 BGB vor. In der Beweisaufnahme wird sich natürlich auch die Politik verantworten müssen.
Selbst wenn der Rat von Drosten und Wieler falsch wäre, sind sie doch nicht verantwortlich für den Lockdown.
Die Politik hat dem Rat zum Lockdown von Drosten und Wieler vertraut. Die beiden stellten zwei falsche Behauptungen auf: Sie sagen, es gebe asymptomatische Infektionen – also Menschen ohne Krankheitszeichen könnten das Virus verbreiten –, und die Infektion könne über PCR-Tests festgestellt werden. Die Menschen, die diese Falschbehauptungen verbreiteten, haften dafür. Wir werden vor Gericht auch beweisen, dass die PCR-Tests nicht geeignet sind, um eine Infektion nachzuweisen.
Das Robert-Koch-Institut erklärt, die Genauigkeit des PCR-Tests liege bei korrekter Durchführung und Bewertung bei fast 100 Prozent.
Um die korrekte Durchführung geht es aber gerade. Im PCR-Verfahren werden Spuren des Viren-Erbguts vermehrt – in vielen Zyklen. In Deutschland werden offensichtlich alle Tests durch sehr viele Zyklen auf hohe Werte getrimmt, um möglichst viele positive Ergebnisse hervorzubringen. Ein positives Ergebnis bedeutet aber nicht, dass der betroffene Mensch in jedem Fall ansteckend ist. Selbst genetische Bestandteile einer früheren Grippe können zu einem positiven Ergebnis führen.
Die hohe Zahl der Zyklen bei der Analyse ist das Problem?
Unter anderem. Die „New York Times“ berichtet, dass der Großteil der tatsächlich falsch-positiven PCR-Ergebnisse in den USA auf solch hohen Zyklus-Werten beruht. Dort wird diskutiert, Tests mit mehr als 30 Zyklen generell abzulehnen. Das Gesundheitsamt Frankfurt diskutiert mittlerweile und völlig korrekt, alles ab 25 Zyklen zu ignorieren.
Das bedeutet?
Wenn die Gefährlichkeit des Coronavirus bei 0,14 Prozent und damit auf dem Niveau einer Grippe liegt, und die PCR-Tests sind meist falsch positiv, dann wird etwas zur hochgefährlichen Erkrankung aufgebauscht, was es in Wahrheit nicht ist. Die PCR-Tests sind offensichtlich nur ein Werkzeug zur Panikmache.
Hintergrund: Dr. Reiner Füllmich
Der Rechtsanwalt Dr. Reiner Füllmich polarisiert. Für die Corona-Kritiker ist er ein Star. Aus Sicht seiner Gegner verbreitet er Thesen, die schon viele Male widerlegt seien. Seit 26 Jahren ist Füllmich als Anwalt in Deutschland und in Kalifornien tätig – darunter als Prozessanwalt gegen Konzerne wie die Deutsche Bank, Volkswagen und die HypoVereinsbank. Jetzt legt er sich mit den Corona-Maßnahmen des deutschen Staates an. Seine Erklärungen, durch falsche Messverfahren würden die Corona-Infektionszahlen künstlich erhöht, damit die Bürger die Einschränkung ihrer Bürgerrechte hinnähmen, werden im Internet und in den sozialen Medien weit verbreitet. Füllmich gehört zu den Gründern eines „Corona-Ausschusses“, in dem in Anhörungen vor allem Kritiker der Corona-Maßnahmen zu Wort kommen.
Noch einmal: Das RKI sagt, der PCR-Test sei höchst präzise, wenn er richtig gemacht wird.
Ja, warum macht man die Tests dann nicht richtig? Warum macht Drosten dann, wider besseres Wissen, 45 Zyklen? Warum wird, wider besseres Wissen, meist nur eine Gensequenz untersucht – und nicht sechs, wie es die Chinesen vorgeschlagen haben? Deren Methode ist viel präziser, aber es ist offenbar das Ziel in der westlichen Welt, möglichst viele positive, aber eben falsch positive Fälle zu produzieren. Bei dieser Pandemie handelt es sich um eine Test-Pandemie.
Wenn die positiven Ergebnisse meist falsch sind und Corona so gefährlich ist wie Grippe, wie kommt es dann zu den vielen Toten – in Italien, Spanien, den USA?
Hier in Deutschland ist im Jahresvergleich überhaupt keine Übersterblichkeit aufgetreten. Das liegt auch am guten Gesundheitswesen. Was das Ausland betrifft, so darf man die Kausalfrage keinesfalls vereinfachen. Missstände im Gesundheitswesen, aus Angst verordnete überschießende medizinische Behandlungen, dazu noch in Italien eine besonders alte Bevölkerung – das kann man nicht einfach alles unter der Gefährlichkeit eines Virus subsumieren, ohne weitere Umstände genauer zu beleuchten. Aber man brauchte offenbar Panikbilder, um die Bevölkerung im Schockzustand zu halten und um zu verhindern, dass jemand anfängt, Fragen zu stellen. Diese Schreckensbilder kamen aus Bergamo und aus New York. Ich war zu der Zeit in den USA. Ich lebe zum Teil dort und bin in Kalifornien als Anwalt zugelassen.
Was haben Sie dort gehört?
Mein Freund Wolfgang Wodarg, Lungenfacharzt und Ex-SPD-Bundestagsabgeordneter, hat beste Beziehungen zu Ärzten in New York. Einige Krankenhäuser waren überlaufen, keinesfalls alle. Das vom Militär entsandte Hospitalschiff mit 1000 Betten war mit 20 oder 30 Patienten belegt. Die betroffenen Krankenhäuser leiden noch dazu jährlich zur Grippesaison unter Zuständen, die Professor Ioannidis als „War-Zone“ (Kriegsschauplatz) beschrieb.
Hintergrund: Die Kritik an den Positionen von Dr. Reiner Füllmich
An Füllmichs Argumenten gibt es aber heftige Kritik. Die weit überwiegende Mehrheit der Virologen hält die PCR-Tests für eine zuverlässige Methode, um eine Infektion mit Corona-Viren festzustellen. Auch das Robert-Koch-Institut tut das. Drosten widersprach den Kritikern in einem Podcast des NDR:
„Die Diagnostiklabore in Deutschland arbeiten nach der In-vitro-Diagnostika-Richtlinie mit zertifizierten Tests. Die arbeiten unter einem durchgehenden Qualitätskontrollsystem, das alle diese Spekulationen von irgendwelchen Verschwörungstheoretikern komplett systemisch ausschließt.“
Auch an Füllmichs juristischer Argumentation gibt es Zweifel: Prof. Dr. Robert Magnus von der Universität Bayreuth sieht schon die Kausalität nicht gegeben: „Politiker sind frei in ihrer Entscheidung – auch darüber, welche Experten sie befragen und ob sie ihrem Rat folgen“, erklärte er tagesschau.de.
Auch Burkhard Hess, Professor am Max Planck Institute Luxembourg, sieht die Klagen in den USA kritisch. Er verweist auf eine Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichts der USA. Demnach dürfen US-Gerichte grundsätzlich keine Sammelklagen ausländischer Geschädigter wegen ausländischer Delikte annehmen. Allerdings will Füllmich ja zunächst amerikanische Kläger vor US-Gerichten vertreten. Noch davor will er eine Klagewelle vor deutschen Gerichten lostreten.
Wie kam es denn dann zu den hohen Todeszahlen?
Auch diese Frage hat komplexe Hintergründe. Durch die Panik sind Leute in die Krankenhäuser gestürmt, die einen kleinen Infekt sonst zuhause auskuriert hätten. Auf den Stationen haben sie sich dann eventuell mit Krankenhauskeimen infiziert, oder sie wurden in zu hohen Dosen mit Mitteln behandelt wie Hydroxichloroquin, die die Sterblichkeit erhöht haben – vor allem bei Farbigen, die häufig unter Favismus leiden und deswegen dieses Medikament oft nicht vertragen. Auch wurden in Italien und in New York viel zu viele Patienten sehr früh an Beatmungsgeräte angeschlossen, die bei längerem Einsatz tödliche Folgen haben können.
Aber es gab nicht nur in New York, sondern überall in den USA viele Corona-Tote – bislang 240.000.
In den USA leben 330 Millionen Menschen, davon sterben täglich rund 7300 Menschen, das darf man nicht vergessen. Von den 9,9 Millionen positiv getesteten sind ungefähr 0,2 Prozent gestorben. Hier wird jedoch nicht spezifiziert, ob sie mit oder an Corona gestorben sind. Die absolute Zahl kann erschrecken, weil sie nicht ins Verhältnis gesetzt wird zu anderen Todesfällen.
Hintergrund PCR-Test
Beim Coronatest wird Substanz von der Schleimhaut des Patienten entnommen, meist aus dem Rachen. Darin wird nach Viren gesucht. Weil die Mengen zum Nachweis zu klein sind, wird die Erbsubstanz der Viren vervielfältigt – und zwar mit der Polymerase-Kettenreaktion (englisch: polymerase chain reaction (PCR).
Wann wollen Sie die Klage einreichen?
In dieser Woche. In den USA arbeitet unser Team mit dem Anwalt Robert F. Kennedy und dessen Team zusammen.
Dem Neffen des Ex-US-Präsidenten John F. Kennedy?
Ja. Bob Kennedy und ich haben uns am 29. August in Berlin kennengelernt, bei der Demo gegen die Corona-Maßnahmen in Deutschland. In den Mainstream-Medien gab es kein Wort darüber, dass ein Kennedy teilnahm. Die Medien sprachen von 30.000 bis 40.000 Teilnehmern, dabei wissen wir, dass es eher bis zu einer Million waren.
Warum klagen Sie in den USA?
In Amerika ist es viel leichter möglich, dass eine Vielzahl von Klägern ihre Interessen mit einer Sammelklage bündelt. In Deutschland gibt es nichts Vergleichbares. Auch das Beweisrecht ist, wenn ein Verbraucher gegen einen mächtigen Konzern klagt, in den USA fairer.
Wer sind die Kläger?
Es geht um mehrere Sammelklagen. Die Kläger sind vor allem amerikanische Unternehmer, die ihren Schaden geltend machen. In dem Verfahren werden die Kläger sagen, dass es weltweit Millionen weiterer Geschädigter gibt. Sie werden beantragten, dass jeder, der in gleicher Weise durch die Drosten-Tests und die Lockdowns geschädigt ist wie sie selbst, ebenfalls als Kläger zugelassen wird. Auch deutsche Unternehmen.
An welchem US-Gericht wollen Sie klagen?
Das entscheidet sich in einigen Wochen. Aber zuerst schlagen wir hier in Deutschland zu. Die Tatsachenfeststellungen nutzen wir dann auch in den USA.
Wo in Deutschland wollen Sie klagen?
Wir verklagen die Verantwortlichen an den Gerichten, an denen dies möglich ist. Der Tatvorwurf lässt es zu, an allen 200 Gerichten in Deutschland auf Schadenersatz zu klagen, und das wird jetzt auch geschehen. Wir vertreten Unternehmen, die sagen: Mir reichts, ich will es wissen, und die Kosten spielen keine Rolle.
Wollen Sie vor Gericht Schadenersatz erstreiten, oder verfolgen Sie ein politisches Ziel?
Mir geht es um beides – besser gesagt uns: Wir sind eine Gruppe von mehr als 100 Anwälten. Ursprünglich ging es nur um Schadensersatz. Aber mindestens so wichtig ist die Frage der politischen Verantwortung.
Hintergrund: Die Schadensersatzklage
Als Honorar für die Beteiligung an ihren Sammelklagen – im US-Recht „class action suit“ – verlangen die Anwälte eine Vorauszahlung von 800 Euro plus Mehrwertsteuer. Sollte die Klage Erfolg haben, beanspruchen die beteiligten Kanzleien zudem zehn Prozent der erstrittenen Summe als Erfolgshonorar.
Die Verfahren können sich doch über Jahre hinziehen.
Ja. Aber wir glauben, dass sich schon früh Weichen stellen. Die Gerichte werden Beweisbeschlüsse treffen. Dabei geht es um die Frage: Was können diese PCR-Tests wirklich? Wir gehen davon aus, dass sich die Dinge sehr schnell bewegen werden, wenn etwa über die Verbindung von Christian Drosten und dem Unternehmer Olfert Landt öffentlich diskutiert wird.
Das Amtsgericht Dortmund hat am 2. November die Corona-Beschränkungen für ungültig erklärt, weil sie auf einer Verordnung der Regierung beruhen, nicht auf einem Gesetz des Bundestages. Wie bewerten Sie das Urteil – gegen das der Staatsanwalt allerdings bereits Beschwerde eingereicht hat?
Das ist ein sehr gutes Urteil. Es liegt auf einer Linie mit Entscheidungen des österreichischen Verfassungsgerichts und vieler amerikanischer Gerichte: Die Regierung darf für ein paar Tage Notfallmaßnahmen ergreifen. Längere Einschnitte, wie wir sie in Deutschland hatten und haben, darf nur der Gesetzgeber beschließen. Dort gibt es eine öffentliche Diskussion – auch über die Fragen: Was bringt eine Maske, und was zeigt ein PCR-Test?
Der Bundestag will das Infektionsschutzgesetz jetzt präzisieren: Die Einschnitte, die der Staat anordnen darf, sollen genauer bestimmt werden.
Das kommt zwar zu spät, aber immerhin erfolgt jetzt eine Diskussion darüber, was der Staat anordnen darf und was nicht.
Wird es wirklich eine offene Diskussion geben?
Das, was an der Oberfläche sichtbar ist, ist nicht die gesamte Realität. Die zweite und dritte Reihe in den Fraktionen hat da eine ganz andere Auffassung. Wir haben Signale von vielen Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU und der SPD, auch der Grünen, und natürlich der AfD bekommen. Die Abgeordneten fragen uns: Gibt es keine Alternativen zum Lockdown? Wie groß die Macht der ersten Reihe noch ist, das wird sich zeigen.
Das Interview mit Dr. Reiner Füllmich wurde Anfang November 2020 geführt. Es ist am 11. November 2020 in der gedruckten Fuldaer Zeitung erschienen und ebenfalls am 11. November 2020 in einer leicht gekürzten Version online auf fuldaerzeitung.de.