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Man gründet ja nicht alle Tage einen Verein", sagte schulterzuckend ein 33-Jähriger aus Zwiesel am Mittwoch vor dem Amtsgericht. Weil die Zeiten im Jahr 2020 aber besondere waren, verspürte er das Bedürfnis, sich zu engagieren. Daher habe er "ohne nachzudenken" einem Landshuter eine E-Mail mit einer Blankounterschrift von sich zukommen lassen, nachdem ihm dieser auf einer Demo in Regen von seinen Plänen, einen Verein zu gründen, und dass er dafür viele Unterschriften brauche, erzählt hat. Folgt man der Einlassung des 33-Jährigen, so verlor er jedoch schnell das Interesse. Gleichwohl ließ der 61-jährige Landshuter den Zwiesler bei der Gründung des Vereins, der sich laut Homepage "um die Rechte und Belange der Menschen in der Corona-Krise und auch danach einsetzt", am 8. Dezember als Vorstandsmitglied eintragen - und muss sich nun wegen Urkundenfälschung verantworten.
Dem Paar wird Untreue in vier Fällen zur Last gelegt
Mit auf der Anklagebank sitzt als weiteres Vorstandsmitglied die Lebensgefährtin des 61-jährigen Selbständigen. Auch sie muss sich wegen Urkundenfälschung verantworten; zudem legt die Staatsanwaltschaft dem Paar Untreue in vier Fällen, jeweils in Mittäterschaft, zur Last.
Als die Staatsanwältin die Anklage verlesen wollte, fiel ihr Verteidiger Edgar Siemund ins Wort: Er wolle einen Befangenheitsantrag gegen Richter Andreas Steiger stellen. Jetzt werde erst einmal die Anklage verlesen, reagierte dieser freundlich, aber bestimmt. Danach durfte Steiger erfahren, dass er schon im Vorfeld einen "unbedingten Verurteilungswillen" gegenüber Siemunds Mandanten gezeigt habe. Steiger habe die Staatsanwaltschaft um Präzisierung der Anklage gebeten, da bei Überweisungen, die sein Mandant und die Mitangeklagte angeblich auf Kosten des Vereins getätigt hatten, jeweils das Datum gefehlt habe, so Siemund. Damit habe er "die Grenze der Gewaltenteilung" überschritten.
Was die Anklage betrifft, so ist die Satzung des Vereins vermeintlich von dem Zwiesler unterschrieben, ebenso wie ein Dokument, das seinen angeblichen Rücktritt als Vorstand bescheinigt. Laut Staatsanwaltschaft war der 33-Jährige aber weder bei der Gründungsversammlung des Vereins noch bei seinem Austrittsbeschluss anwesend.
Bezüglich der Untreuevorwürfe legt die Staatsanwaltschaft den Angeklagten zur Last, das Vereinsvermögen um insgesamt 2 729,38 Euro geschmälert zu haben, indem sie Ausgaben aus der Vereinskasse gezahlt haben sollen, die nicht der Satzung entsprachen. Laut Anklage waren dies im November 2021 der Kauf von Munition sowie das Bezahlen diverser Bußgeldbescheide von diversen Landratsämtern. Damit, so die Staatsanwaltschaft, hätten die Angeklagten gegen die Satzung verstoßen, die besagt, dass das Geld ausschließlich für gemeinnützige Zwecke zu verwenden ist.
Auf Demos habe es damals zunehmend "Angriffe von außen" gegen den Verein gegeben, sagte der Angeklagte. So sei etwa mehrmals an der Hebebühne manipuliert worden. Die Munition sei lediglich als "Selbstverteidigungsinstrument" gedacht gewesen. Und die Bußgeldbescheide hätten sich auf Vergehen bezogen, die ebenfalls auf Aktionen des Vereins zurückzuführen seien.
Fazit des 61-Jährigen: Man habe ausschließlich im Sinne des Vereins gehandelt. Mit dem Zwiesler habe er telefonisch besprochen, dass er dessen Blankounterschrift für den Verein verwenden werde. Zudem habe er diesem noch die Vereinsunterlagen zugesendet. "Da habe ich einfach nicht nachgedacht", räumte der 33-Jährige auf diesen Vorhalt hin ein. Dass er kein Interesse mehr an dem Landshuter Verein hat, hatte der Zwiesler dem Angeklagten erst danach mitgeteilt - als dieser Ausweiskopien von ihm wollte. Da hatte er seine Blankounterschrift aber schon längst abgegeben.
Unbestritten ist, dass sich der Verein wie versprochen für "Rechte und Belange der Menschen … auch danach einsetzt": Nach wie vor "spazieren" der Angeklagte und seine Mitstreiter Montag für Montag durch die Innenstadt, um auf "rote Linien" aufmerksam zu machen.
Was die möglichen strafrechtlichen Vergehen des Vereinsvorsitzenden und der Schriftführerin betrifft, so wird der Prozess fortgesetzt.
Es gilt die Unschuldsvermutung.