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Die Corona-Assis: Durch eure Dummheit droht Deutschland der Zusammenbruch
Die Maßnahmen zum Schutz vor Coronavirus haben viele Gegner - besonders unter Leugnern der Covid-19-Pandemie
Das Coronavirus ruft in Baden-Württemberg und anderen Bundesländern viele Leugner auf den Plan. Ihr Verhalten ist ignorant und gefährlich.
Zum Schutz vor dem Coronavirus gelten in Baden-Württemberg, Bayern und anderen Bundesländern strenge Regeln
Corona-Leugner tun im Netz und bei Protesten ihren Unmut kund und bringen damit Menschen in Gefahr
Die Wissenschaft erlaubt einen Blick in ihre psychischen Abgründe
Stuttgart - Es ist Zeit, ein neues Wort einzuführen: Corona-Assi. Ja, das klingt nicht sehr nett. Aber mit Verlaub - die Angesprochenen haben es verdient. Das Coronavirus sorgt in Baden-Württemberg und anderen Bundesländern seit Wochen für einen Ausnahmezustand. 191.000 Todesopfer forderte die Covid-19-Pandemie bereits weltweit.
Trotzdem redet eine stetig wachsende Gruppe von Menschen die Bedrohung durch das Coronavirus klein. Man spricht in diesem Zusammenhang bereits von Corona-Leugnern. Es sind Menschen, die beharrlich abstreiten, dass Covid-19 eine Gefahr ist und die das Coronavirus-Kontaktverbot in Baden-Württemberg und anderen Bundesländern für übertrieben halten. Sie steigern sich in aberwitzige Verschwörungstheorien hinein und beschimpfen andere auf üble Weise. Corona-Assis eben.
Coronavirus-Leugner in Baden-Württemberg: „Du paranoides Opfer“
Der Corona-Assi beruft sich auf Demokratie und Freiheit, sonnt sich in seiner vermeintlichen moralischen Überlegenheit. Mit seinen Drohungen im Netz lässt er allerdings tief in die Abgründe seiner Psyche blicken. Wer auf die Lebensgefahr durch das Coronavirus hinweist, erntet bei Facebook Kommentare wie diesen: „Du paranoides Opfer. Ich wünsche Dir, dass du Deinen science fiction Virus wirklich bekommst.“
Um es gleich vorwegzunehmen: Natürlich ist es angemessen, Eingriffe in die persönliche Freiheit im Rahmen des Coronavirus in Baden-Württemberg und anderen Regionen kritisch zu prüfen, wie beispielsweise Kolumnist Jan Fleischhauer fordert. Erst recht in Anbetracht der deutschen Vergangenheit. Darauf hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hingewiesen, die selbst Unterdrückung durch das SED-Regime erlebte.
Aber mal ehrlich - mit kritischem Hinterfragen hat das Gebrüll der Corona-Assis nichts zu tun. Sie versperren sich den Fakten mit einer Sturheit, die Angst macht. Und an Wahnsinn grenzt. Das Coronavirus sei harmlos, sagen sie. Covid-19 gibt es womöglich gar nicht, sagen sie. Und was ist mit den 29.912 Menschen, die sich in Baden-Württemberg mit dem Coronvirus infiziert haben - innerhalb von nur zwei Monaten? Was ist mit den 191.000 Toten weltweit? Das sind Zahlen, vor denen die Corona-Hater nicht die Augen verschließen können, sollte man meinen. Oh, doch, sie können.
Studien entlarven, wie Corona-Leugner ticken
Klimawandel-Leugner, Impfgegner, Corona-Verschwörer - Anhänger dieser Gruppen haben eine Gemeinsamkeit: Sie haben häufig eine sehr feste Vorstellung davon, wie die Welt funktioniert. Nur selten hat ihre Vorstellung mit wissenschaftlichen Fakten zu tun. Und noch seltener kann man ihnen erklären, warum sie falsch liegen und dabei mit tadellosen Studien argumentieren.
Denn die Wahrheit macht so gut wie nie Spaß. Sich einzugestehen, dass man Unrecht hatte, schadet dem Selbstwertgefühl. Deshalb sind viele Menschen immun gegen Fakten – zumindest gegen manche – und wollen ihre Meinung unbedingt verteidigen.
Die Corona-Hater merken gar nicht, was da in ihrem Kopf passiert. Man könnte fast sagen: Sie können nichts dafür. Neue Informationen, die ihrer gefestigten Ansicht widersprechen, verarbeiten Menschen in ihrem Gehirn völlig anders als solche, denen sie zustimmen. Das zeigt eine Studie der Uni Koblenz. Menschen erinnern sich automatisch an Argumente, die ihre Meinung stützen und zweifeln an der Glaubwürdigkeit der neuen Quelle, die ihrem Standpunkt widerspricht.
Die Studie zeigt auch: Wenn eine neue Information unangenehme Konsequenzen hätte, lehnen Menschen sie eher ab. Es ist komfortabler, zu denken, das Coronavirus sei gar nicht so schlimm, als sich selbst durch Kontaktverbot, Abstandsregeln und Maskenpflicht einzuschränken.
Coronavirus in Baden-Württemberg: Wie tödlich ist Covid wirklich?
In der Corona-Krise erklären sich Laien zu Medizinern oder Virologen, verzapfen pseudowissenschaftlichen Unsinn, bei dem man sich die Haare raufen möchte. Ein Beispiel ist die Behauptung, die Corona-Todesopfer wären sowieso an Altersschwäche gestorben. Ein Trugschluss.
Selbst bei der aktuell für Deutschland angenommenen Corona-Sterblichkeitsrate von etwa 2,8 Prozent wären die Auswirkungen von Covid-19 auf längere Sicht dramatisch. So starben durch die Hongkong-Grippe von 1968 mehr als eine Million Menschen weltweit - und damals betrug die Sterberate weniger als ein halbes Prozent. Die sogenannte Übersterblichkeit lag allein in Deutschland bei 40.000 Todesopfern. Das bedeutet: Es starben 40.000 Menschen mehr als durch die normale Sterblichkeit in Folge von Alter, Unfällen und anderen Krankheiten. Wären es nicht schon 40.000 Menschenleben wert, Einschränkungen wie das Kontaktverbot durchzuhalten?
Mit Zahlen und Fakten hat man gegen Corona-Assis keine Chance. Staaten auf der ganzen Welt riegeln ihre Grenzen ab, verhängen Ausgangssperren und nehmen wirtschaftliche Verluste in Milliarden-Höhe in Kauf. In Italien transportiert das Militär Leichen ab, in den USA werden Särge in Gräbern übereinandergestapelt. Und das soll alles eine Täuschung sein? Ein Irrtum? Die kollektive Welt-Verschwörung?
Was sind das für Menschen, die sowas glauben? Es sind Menschen wie T., der auf Selfies spitzbübisch in die Kamera grinst, Trainingsjacken trägt, Tiervideos teilt. Und dann stellt T. unfassbar falsche Behauptungen auf wie diese: „In Wahrheit kennt keiner einen, der jemanden kennt, dem es von irgendwelchem Corona schlecht ginge.“ Was T. nicht aus persönlicher Erfahrung kennt, gibt es nicht. Basta.
T. postet bei Facebook Verschwörungstheorien zu 5G, Impfungen und Ufos. Und nun eben zum Coronavirus. Er pöbelt andere Facebook-Nutzer an: „Corona macht Opfern wie dir Angst. Jetzt ist mir klar, wofür ihr das ganze Klopapier braucht. Zum ♥♥♥n vor Angst."
Eines fällt auf: Es sind oft genau die Menschen, die noch vor kurzem gegen Flüchtlinge und Zuwanderer gehetzt haben, die nun an die Corona-Verschwörung glauben. Nur, dass sie jetzt erst richtig gefährlich werden. Angesichts der weltweiten Covid-19-Pandemie drehen diese Menschen durch. Es scheint, als wären die letzten Schleier der Zivilisation gefallen und sie könnten jetzt ungeniert ihr paranoides Weltbild ausleben.
Einer der prominentesten Corona-Leugner stammt aus Baden-Württemberg: Xavier Naidoo zweifelt in Video-Clips die Existenz von Covid-19 an und will gegen die Maskenpflicht klagen, die unter anderem in Baden-Württemberg zum Schutz vor dem Coronavirus eingeführt wurde. Ja - genau der Xavier Naidoo, der vor Reichsbürgern in Berlin auftrat und immer wieder mit rechten Parolen auffiel. „Bringt uns verdammt nochmal Beweise, dass dieses Ding echt ist“, sagt der Popsänger in einem der Videos.
Die Corona-Krise hat einen fatalen Strudel ausgelöst. Niederländische Studien zeigen: Je stärker ein Mensch von seinen Vorstellungen überzeugt ist und je stärker er von anderen dafür angegriffen wird, desto heftiger wird er sich dagegen wehren, sich umstimmen zu lassen. Deshalb vermeiden es viele Menschen, sich Informationen auszusetzen, die nicht ihrer Meinung entsprechen - und lesen bestimmte Nachrichten gar nicht erst. Prasseln also beispielsweise auf allen Kanälen neue Informationen zum Coronavirus auf jemanden ein, der die Existenz des Coronavirus leugnet, entscheidet er sich ganz bewusst dafür, sie zu ignorieren.
Studie entschlüsselt Strategien der Corona-Leugner
Lässt sich die Konfrontation mit einem Meinungsgegner nicht vermeiden, kommt ein entscheidender Faktor zu den unbewussten Mechanismen hinzu: Bewusste Strategien. Das Gegenüber wird beispielsweise angegriffen, man holt sich Bestätigung von Gleichgesinnten, schreibt wie T. unsachliche Kommentare unter Artikel und sucht Gegenargumente.
Eine Studie der Psychologen Lee Ross und Craig Anderson ergab, dass Menschen selbst dann noch an ihrer Meinung festhalten, wenn sie wissen, dass sie falsch ist. Die Wissenschaftler präsentierten ihren Probanden verschiedene Anekdoten und forderten sie dazu auf, Argumente dafür zu finden, warum diese wahr sein könnten - und damit verfestigten die Teilnehmer ihre Meinung.
Als Ross und Anderson später alles zurücknahmen und erklärten, dass alles nur erfunden und erlogen war, ließen sich die Teilnehmer davon kaum beirren. Drei Viertel von ihnen beharrten auf der Haltung, die sie zuvor eingenommen hatten, obwohl ihr Fundament aus Fakten eingestürzt war. Oder wie T., mit unliebsamen Tatsachen konfrontiert, schreibt: „Fahr zur Hölle.“
Coronavirus: Falscher Vergleich mit Grippetoten geistern durchs Netz
In der Corona-Krise in Baden-Württemberg und anderen Regionen zeigt: Menschen glauben Gerüchte umso mehr, je öfter sie wiederholt werden. Seit Ende März sorgen beispielsweise Aussagen für Aufsehen, wonach das Coronavirus weniger gefährlich sei als die Grippe. Als vermeintlicher Beleg diente eine Zahl von 25.000 Grippetoten in den Jahren 2017/18, verglichen mit 149 Todesfällen durch das Coronavirus, Stand 25. März.
Experten warnen immer wieder, dass wir am Anfang der Pandemie stehen und von einer hohen Dunkelziffer ausgehen müssen – auch die Zahl der Todesopfer könnte sich deshalb noch drastisch erhöhen. Ende April, knapp einen Monat nach Verbreitung des Gerüchts, beläuft sich die Zahl der Corona-Todesfälle in Deutschland bereits auf 5.575.
Die Zahl der 25.000 Grippe-Toten bezieht sich dagegen auf einen Zeitraum von mehreren Monaten. Würde man die Todesfälle durch das Coronavirus auf mehrere Monate hochrechnen, käme man schnell auf eine ähnlich hohe Zahl. Allein dadurch, dass man einen Irrglauben wie den mit den Grippe-Toten wiederholt, kommt er den Betroffenen später bekannter und damit glaubwürdiger vor.
In einer Studie wurden Teilnehmern mehrere Gerüchte inklusive Faktencheck vorgelegt. Schon nach 30 Minuten hatten viele von ihnen vergessen, welche davon wahr und welche falsch waren. Die Gerüchte, die den Probanden bekannt vorkamen, schätzten sie allerdings eher als richtig ein.
Es ist fatal, wie leicht Corona-Leugner an falsche Informationen gelangen können und durch soziale Medien Gleichgesinnte finden, die ihre Meinung stützen. Vor allem Falschinformationen sind häufig einfach verpackt – und Menschen können sich einfache Informationen besser merken als komplizierte.
Corona-Leugner: Inkompetente Menschen halten sich selbst für klüger
So zeigte eine Studie von 2007, dass sich Menschen übermäßig stark von Gerüchten beeinflussen lassen, selbst wenn sie dem widersprechen, was sie selbst gesehen haben. Stellt man komplizierten wissenschaftlichen Fakten ein simples Gerücht gegenüber, ist es wahrscheinlich, dass das Gerücht eher in Erinnerung bleibt. Es ist anstrengend, über schwer verständliche Zusammenhänge nachzudenken, und nicht viele Menschen tun das freiwillig. Schon gar nicht, wenn es am eigenen Standpunkt rüttelt.
Hinzu kommt, dass viele Menschen sich kompetenter fühlen, als sie sind. Gerade jene Menschen, die auf einem Gebiet besonders inkompetent sind, überschätzen ihre eigene Kompetenz systematisch, weil sie nicht wissen können, was richtige Kompetenz ist. In der Kognitions- und Sozialpsychologie wird dieses Phänomen Dunning-Kruger-Effekt genannt.
Wer hingegen besonders kompetent auf einem Gebiet ist, weiß, was er alles nicht weiß. Diese Menschen neigen eher dazu, die Grenze ihres Wissens wahrzunehmen und sich vorsichtiger auszudrücken - was in der Welt der Wissenschaft funktioniert, aber Faktenleugnern das Gefühl vermittelt, die Person hätte keine Ahnung.
Deshalb sind Corona-Leugner so gefährlich
Die Corona-Assis sind laut. Und das macht sie so gefährlich. Im Netz rufen sie dazu auf, das Kontaktverbot zu brechen, sich in der Öffentlichkeit zu versammeln und Anordnungen durch das Gesetz zu ignorieren. Dabei warnen Virologen und Politiker wie zuletzt der Minsterpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, vor einer zweiten Coronavirus-Welle. „Wenn wir jetzt nachlassen, kann die Pandemie mit aller Macht zurückkommen“, warnte er.
Die Folgen wären gravierend: Wenn zu viele Patienten auf einmal an Covid-19 erkranken, gibt es nicht mehr genug Intensivplätze, um allen zu helfen. Im überlasteten Frankreich schlossen Ärzte Erkrankte über 80 nicht mehr an Beatmungsgeräte an. Das mag für die Corona-Hater „der normale Lauf des Lebens“ sein - so lange, bis ihr eigener Vater, ihre Mutter, ihr Opa, sterben müssen, weil die Krankenhäuser überfüllt sind.
Ganz zu schweigen von den bislang unerforschten Langzeit-Folgen, die eine Erkrankung mit Covid-19 haben kann. Lungenfibrose, Organschäden, neurologische Störungen - all diese Erkrankungen haben Ärzte im Rahmen von Corona-Infektionen bereits beobachtet, auch bei jüngeren Menschen. Ein Klinikchef aus dem Südwesten kritisierte jüngst den Umgang mit dem Coronavirus: Er sieht die Covid-19-Pandemie nicht als vorübergehende Krise, sondern als Dauerzustand, in dem eine Rückkehr zum Alltag möglich sein muss.
Die Covid-19-Pandemie ist ernst und da gibt es nichts kleinzureden. Durch eine unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus könnte Baden-Württemberg, Deutschland und der Welt der Zusammenbruch des Gesundheitssystems und der Wirtschaft drohen. Aus 191.000 Corona-Toten könnten viele Millionen werden. Schuld wären die Ignoranz, die Überheblichkeit und ja auch die Dummheit einiger Unbelehrbarer. Es wird Zeit, ihnen etwas entgegenzusetzen.