Eigentlich wollte ich ja meine Nerven hier lieber schonen...
Nein, die AfD ist in meinen Augen nicht mal eine echte politische Partei im klassischen Sinne, also Meinungsvertreter einer politischen Idee. Sie ist in meinen Augen eher ein Form von organisiertem Chauvinismus und in ironischer Abwandlung eines bekannten alten Zitats die "Fortsetzung des gewalttätigen Hooliganismus mit anderen Mitteln".
Und die AfD ist im Osten vermutlich auch nur deswegen so stark, weil hier die alten Fußballfanszenen, so stark sind, in dem dieser Hooliganismus schon seit Jahrzehnten gedeiht und ausgelebt wird, und hier eine ganz andere soziale Bedeutung haben, eine verbindende. Zudem konnte diese Szene zuvor jahrzehntelang ungestört und zusammen mit der organisierten Rechten, dem Rocker- und Türstehermillieu und der organisierten Kriminalität eigene, sogar wirtschaftliche Strukturen aufbauen, die inzwischen im Osten bis in den Mittelstand verfestigt sind. Außerdem konnten dieses Szenen auch in der Öffentlichkeit soziale Räume besetzen, wo zuvor der Staat, die Kirchen oder andere Träger des bürgerlichen Lebens nach 1990 fehlten und nicht wieder an Stärke gewinnen konnen oder wo sich nach 1990 der Staat immer mehr zurückgezogen hat, entweder aus finanziellen oder aus personellen Gründen. Eine wichtige Einschätzung zum Fall Chemnitz:
https://www.mdr.de/sachsen/chemnitz/chemnitz-stollberg/interview-verfassungsschutz-sachsen-fussball-hooligan-100.htmlInterview mit Michael Döring vom sächischen Verfassungsschutz "Die Schnittmenge zwischen gewaltbereiten Hooligans und Rechtsextremisten ist in Sachsen überdurchschnittlich hoch"
Sind gewaltbereite rechtsextreme Hooligans ein Chemnitzer Problem? Oder wie beurteilt der Verfassungsschutz die Geschehnisse im Stadion des CFC? Wir haben mit Martin Döring vom sächsischen Verfasssungsschutz gesprochen?
Verfassungsschutz Martin Döring
Bildrechte: Martin Döring
Thomas Haller hat HooNaRa (Hooligans, Nazis, Rassisten) gegründet und war lange Zeit für die Sicherheit im Chemnitzer Stadion zuständig. Der CFC hat sich erst spät distanziert. Ist das ein Problem des CFC?
Wir haben in der Vergangenheit zum Beispiel in Dresden mit "Faust des Ostens" oder in Leipzig mit "Scenario Lok" bereits andere rechtsextremistische Fangruppierungen gehabt. Insofern ist es nicht nur ein spezifisch Chemnitzer, sondern ein sächsisches Problem. Doch das Phänomen gibt es nicht nur in Sachsen, das gibt es auch in anderen Bundesländern.
Aber hier im Umfeld der Chemnitzer Fanszene, das kann man in der Tat sagen, gibt es doch eine gewisse Ausprägung der Schnittmenge zwischen Hooligans, gewaltbereiter Fanszene auf der einen Seite und dem Rechtsextremismus auf der anderen Seite.
Gibt es in Chemnitz eine besonders große Schnittmenge zwischen Hooligens und Rechtsextremen?
Es gibt seit Jahr und Tag eine Schnittmenge zwischen gewaltbereiten Hooligans und dem Rechtsextremismus. In unterschiedlicher Ausprägung, aber durchaus im Freistaat Sachsen mit einer überdurchschnittlichen Ausprägung, soweit wir das aktuell beurteilen können.
Gibt es jetzt konkrete Konsequenzen nach den Ereignissen vom Wochenende für die Arbeit des Verfassungsschutzes?
Konsequenzen gibt es unmittelbar nicht. Wir beobachten gemäß dem gesetzlichen Auftrag extremistische und rechtsextremistische Bestrebungen. Inwieweit die jüngsten Vorkommnisse hier im Fußballstadion Teil eines rechtsextremistischen Geschehens sind, das bedarf sicher noch der behördeninternen Auswertung.
Aber gut ist es schon einmal, dass darüber diskutiert wird, dass mutmaßlich auch die Vereinsverantwortlichen ein gewisses Maß an politischer Sensibilität an den Tag legen und gegebenenfalls auch Vorkehrungen treffen, dass so etwas nicht mehr passiert und vereinsintern auch genauer hinschauen, mit wem sie im Bereich der Fangruppierungen zusammenarbeiten.
Je, es ist immerhin gut, dass wie endlich anfangen, zu diskutieren. Und wenn wir also anfangen, nach dem Ursachen zu suchen, dann schaut man zuerst zwar immer auf die materielle Seite des Problems hier im Osten, auf die Probleme in der Lebenssituation und die fehlenden Arbeitsplätze, das ist zwar ein bisschen richtig, aber nur die halbe Seite.
Nicht nur die Städte waren nach 40 Jahren einer linken(!) Diktatur im Osten gründlich ruiniert, leider auch viele Seelen. Das Problem, welches sich heute im Osten offenbart, hat in meinen Augen sehr viel mit einem ganz bestimmten Erziehungsstil in dieser 2. Diktatur und dessen negativen Auswüchsen durch ein, meines Erachtens völlig zu unrecht in Bausch und Bogen hochgelobten Bildungssystems zu tun. Es ist zwar gut schön, wenn man gut und richtig rechnen kann, das kann man sich aber ein wenig antrainieren. Aber es ist leider immer ziemlich dumm, wenn man gar nicht weiß und nicht richtig einordnen kann, was man da eigentlich rechnet.
Im Osten wurde allerdings ein Mensch für die Diktatur selbst erzogen, und der sollte also und vor allem funktioneren. Das Bildungsziel war so ein leicht zu beeinflussendes Rädchem im Getriebe oder ein tapferer Soldat für die Weltrevolution, nicht mehr und nicht weniger. Zu diesem Zweck wurde eben auch ausschließlich nur funktionale Intelligenz vermittelt und die Schule bis hin zur Freizeit militärisch durchorganisiert, d.h. eigenes und reflektiertes Denken war schlicht unerwünscht, ja gefährlich. Sport und paramillitärische Ausbildung wurde intensiv gefördert und dort wiederum ein Menschenbild als Ideal vorprojiziert, dass 1:1 den Leni Riefenstahl- Filmen entnommen zu sein schien: körperbetont, athletisch und deutsch. Der Sport und parmillitärische Ausbildung spielten sogar eine regelrecht überproportionale Rolle in der DDR, wer sich dem entzog, wurde sogar bestraft. Außerdem wurden auch Schülern mit ganz gottenschlechten Leistungen und/oder problematischen Charakter aber bei (scheinbar) "richtiger" Einstellung zum System und/oder den "richtigen" Eltern alle Aufstiegschancen geebnet, angehende Jungkader oder "Sportler" wurde alles "durchgehen" gelassen und sie notfalls unter Zudrücken aller Hühneraugen und mit dem Trumdrehkran auch noch zum "Bildungsziel" getragen. Die Gleichmacherei einer funktionierenden Masse und die Eliteförderung für die oft schon früh auserwählten Kader war das erklärte Ziel, die Bilder von den tollen Sportfesten und den großen Massendemonstrationen sollten das propagandistisch heile Bild von der schönen DDR in die Welt transportieren und über eine besondere Gruppendynamik die Gesellschaft zusammenhalten. Das weite Feld von Bespitzelungen sogar unter Kindern und Jugendlichen und deren Folgen bei Tätern und Opfern lasse ich an der Stelle mal raus.
Schließlich wurde systematisch alles nur minimal abweichende Verhalten von Kindern und Jugendlichen panisch verfolgt, sogar solches, dass allein aus intellektueller und kultureller Unterforderung in einem auf den denbaren kleinsten Nenner herunter gebrochenen und von Hurra- Patriotismus und Vulgärkommunismus geprägten Gleichmachereisystem herrührte. Das Sagen hatten daher also schon früh immer die scheinbar "Richtigen" und die Söhne von "Genosse Horst und dergleichen", die anderen, die Sensiblen, die Kreativen oder Klugen sind, sofern die Eltern nicht mit ihnen ausreisten dann oft in die letzten Nischen oder in die innere Emigration gegangen. Diese "Elitenverschiebung" wirkt leider bis heute heute nach.
Auch offene Gewalt gegen Schwache oder gegen "Andere", das Brechen des Willens waren im Osten nicht Ausnahme, sondern teilweise Methode und hatten sogar bisweilen institutionellen Charakter, z.B. in "Spezialeinrichtungen" dieses "Bildungssystems", ein Thema , das heute noch und mit heftiger Schuldabwehr totgeschwiegen werden soll:
https://www.focus.de/wissen/mensch/studie-zu-sexueller-gewalt-dunkles-kapitel-der-ddr-wo-der-sozialismus-kinder-vergewaltigte_id_10416388.htmlDie latente Drohung vom "Jugendwerkhof" schwebte oft über der gesamten Pubertät der meisten Heranwachsenden im Osten, oft offen ausgesprochen von einigen Lehrern, Erziehern oder Pionierleiterinnen, das sollte man nicht vergessen. Eine Greta in der DDR wäre schon längst in Torgau.
Die Folgen sind sehr nachhaltig, denn sie behinderten Eigenständigkeit und Kreativität, förderten bei den Heranwachsenden dafür in den wichtigen und entscheidenden Lebensphasen der sozialen Entwicklung vor allem einen bestimmten Menschentypus, den es allerdings in Ost und West gleichermaßen gibt und mit dessen besonderen, bisweilen kurisoen Extremformen wir uns hier irgendwie mal immer wieder beschäftigen dürfen. Diesem:
https://de.wikipedia.org/wiki/Autorit%C3%A4rer_CharakterAutoritäre Persönlichkeiten sind aber keine Forscher, die nach neuen Wegen suchen, neuen Mittelstand aufbauen und keine Start- Up- Unternehmer, die ohne 3- fach- Absicherung mittels abgegriffenen Subventionen wirklich stabile Leuchttürme aufbauen, die auch mal einen Sturm überstehen. Essind auch keine Menschen, die soziale Strukturen schaffen, die selbsttragend wirken und dann eigene Leuchttürme schaffen. Sie schaffen es oft nicht, selbst dauerhaft auf eigenen Füßen zu stehen und sich was substantiiert aufzubauen, oder zur Not nochmal mal wieder von vorn anzufangen.
Autoritäre Typen können leider immer nur ein Kommando ausführen oder selbst Kommando geben, sie können auch nicht kooperieren und wie autoritäre Charaktäre wirtschaften und/ oder selbst sogenannte "Strukturen" aufzubauen versuchen, haben wir an einem ganz typischen Fall in Wittenberg begleitend beobachten können. Kurz: Das wird nichts, da muss früher oder später doch wieder "der Föhrer" ran, also der "starke Mann"egal, ob der nun von rechts oder links kommt. Und "starker Mann" sein, genau das will nun die AfD sein und genau drauf springen ja auch so viele gefrustete AfD- Wähler an.
Und um den hartnäckigen Mythos von der angeblich "demokratischen Wende" und "friedlichen Revolution" im Osten endlich mal wieder ins richtige Licht zu rücken: das System DDR haben nicht die paar ganz tapferen Bürgerbewegten und Oppositionellen tatsächliche zum Einsturz gebracht, so schön das für uns klingen könnte. Nein, für die waren nämlich auch schon längst die Lager fertig:
https://www.tlz.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Stasi-wollte-kritische-DDR-Buerger-in-Isolierungslager-sperren-2071890298.
Das System kippte erst, als auch massenweise die Fußballfans auf die Straße gingen, zusammen mit den unzufriedenen Jungkadern und den vielen heimlichen Abtrünnigen des alten Systems und die aber nicht eine bessere Gesellschaft wollten, sondern von der Straße dann geradewegs wieder in die Arme vom nächsten "starken Mann" gerannt sind, nun dem reichen "Westonkel" Helmut, also dem mit den schönen Autos und den leckeren Bananen. Helmut war natürlich zutiefst gerührt und zutieftst dankbar für seine neuen Freunde und Anhängsel und die Fanszenen von 1989 und die verhinderten und gewendeten Jungkader aus dem Osten fühlen sich daher aus gutem Grund als die "wahren Sieger von 1989". Und weil die DDR links war und Onkel Helmut "Linke" nicht mochte, war man eben jetzt "nicht- links", und schupp die wupp war man gleich wieder auf der "richtigen Seite". Hauptsache dabei.
Wer also den Vorgang von 1989 anders betrachtet, versteht vielleicht auch das Phänomen AfD, deren Stärke im Osten, insbesondere in Sachsen und die der Partei zu Grunde liegende Idee von "politischer Wende 2.0". Es soll nochmal so "funktioneren".
Nach 1989 gab es ja dann von Onkel Helmut als Dankeschön Geld im Überfluss und "Aufbau Ost" satt. Nun ist der "Aufbauprozess" soweit abgeschlossen, die meisten Fassaden schmuck und das Geld fließt spärlicher und nun ist das Murren, oh Wunder, wieder groß.
Und jetzt kommen die o.g. "wahren Revolutionäre" von 1989 wieder ins Spiel und die sind jetzt alle so um die 50 und darüber, haben überwiegend Glatze, fahren ihren persönlichen "Kraft-durch-Feinstaub-Proletenpanzer" und sind natürlich jetzt echt sauer, dass plötzlich "Schulschwänzerinnen" ihren "wohlverdienten Wohlstand" in Frage stellen, statt alles dafür zu tun, um mal eine "ordentliche Ausbildung" machen zu können, zum Beispiel eine im Pflegesektor, um ihnen selbst in absehbarer Zeit im Heim den Hintern abwischen zu "dürfen", und sich bei der Gelegenheit natürlich in "guter alter Tradition" auch noch mal den Kittel begrabbeln zu lassen. Einige sehen sich vielleicht jetzt endlich in der Rolle derjenigen, auf die sie ihre ehemaligen Führungsoffiziere sogar mal vorbreitet hatten und die anderen wollen endlich wieder dem "starken Mann" nachlaufen dürfen, einen, der es wieder "krachen" lässt, und die ganzen "Verbrecher" bestraft, und wo man endlich mal wieder selbst "die Sau" rauslassen kann und dabei auch noch das Gefühl haben darf, gleich wieder "die Welt bewegt zu haben".
Darum sind leider auch die ganzen reflexartigen Rechts- Links, Ost- Westdebatten hier völlig falsch am Platze, sie lenken vom eigentlichen Problem ab und binden nur unnötig Kräfte. Sie sind sogar fatal, denn sie bedienen genau das gute alte Freund- Feind- Schema der Autoritären, dass diese zur inneren Orientierung brauchen und ohne dem der ganze Spuk vielleicht hier im Osten viel schneller wieder in sich zusammenfallen wäre, als der gelernte West- Altlinke das Wort "Nazi" schreiben kann.
Dass im Osten trotzdem noch ganz, ganz viele vernünftige, emotional intelligente und reflektierte Menschen mit demokratischer Grundhaltung leben, die die DDR psychologisch überlebt haben und trotzdem geblieben sind und trotzdem kämpfen, sollte aber unseren Rest Hoffnung an das "Gute im Menschen" eben gerade (noch) nicht verlieren und die Regionen ganz abschreiben lassen.
Soviel ist aber gewiss, auch das Gegenteil eines Problems ist am Ende keine Lösung.
Also statt Regionenbashing und Nazikeule sollte man sich mal fragen, was war an ´68 wiederum selbst so falsch, dass sich schon wieder die Autoritären gegenüber den 68-iger Antiautoritären soweit in der Vorderhand sehen, dass sogar die ganzen intellektuellen Gartenzwerge inzwischen wieder fröhlich hinter ihren Steinen hervorgekrochen kommen konnten und die Bodentruppen der Rechten laut die Messer wetzen? Wie kann man, nach dem gescheiterten Aufbau Ost, der am Ende viel Geld verbrannt und nur die Fassaden aufgehübscht hat, endlich an die richtige "Kernsanierung" gehen?
Und vielleicht ist ja die AfD am Ende hoffentlich doch noch "Die Kraft, die das Böse will und das Gute schafft".