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Insgesamt seien bundesweit rund 2.600 Personen aktenkundig Mitglieder gewesen. Deswegen wird M. des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung beschuldigt. Noch bevor es tatsächlich zum Verfahren kommt, kündigt der Angeklagte bereits an, sich vollkommen geständig zeigen zu wollen.
Scheindokumente zur Finanzierung
Die Staatsanwältin – sie soll hier auf Wunsch des Straflandesgerichts Wien nicht namentlich genannt werden, ebenso wenig wie auch die anderen an dem Verfahren beteiligten Mitarbeiter der Justiz, da es in der Vergangenheit sei zu Belästigungen aus dem Milieu gekommen sei – beschreibt den Sachverhalt folgendermaßen: Die Verbindung lehne "die Existenz Österreichs ab, bezeichnet den Staat als Firma und erkennt seine Institutionen nicht an".
Stattdessen habe man eine ganze Reihe an eigenen Scheindokumenten geschaffen, die legitimer sein sollten als jene der Republik. Beispielsweise konnte man für zehn Euro eine "Lebendmeldung", die beweise, dass man ein Mensch sei, erwerben. Auch wurden eigene Ersatzdokumente für den Personalausweis oder das Kfz-Kennzeichen verkauft. Auf diese Weise finanzierte sich der "Staatenbund Österreich".
Der angeklagte M. vergab für die Organisation "Landbucheinträge" für Grundstücke – eine Art Ersatz für Grundbucheinträge – um jeweils 100 Euro. Er war im Jahr 2016 dem Staatenbund beigetreten. Auslöser war sein Vater, der selbst "esoterisch" veranlagt sei und ihn beeinflusst hätte.
Auf die Frage, was ihn genau daran angesprochen hätte, erklärt M., dass er von der damaligen "Präsidentin" der Verbindung, Monika U., die zuvor bei der FPÖ aktiv war, angetan gewesen sei: Die charismatische Anführerin habe ihn davon überzeugt, dass der jetzige Staat nicht rechtens sei und dass es ein "besseres" System geben könne. Sein größter Fehler sei gewesen, das nie kritisch hinterfragt zu haben. "U. war Präsidentin auf Lebenszeit, ohne Wahlen", wirft die Richterin ein, um auf die Demokratiefeindlichkeit der Verbindung hinzuweisen.
Menschliche Dimension
"Das war nachher – als ich beigetreten bin, war davon noch nicht die Rede", sagt der Angeklagte. Später erläutert M. nochmal, dass ihn die menschliche Dimension des "Staatenbunds" angesprochen habe. Das würde etwa der Fokus auf Herzen bei unterschiedlichsten Dokumenten oder die Fingerabdrücke mit roter Farbe als Unterschrift zeigen: Es gehe um Brüderlichkeit, um Liebe. "Ich wollte der Menschheit helfen, einen besseren Weg einzuschlagen, das war, warum es mich angezogen hat."
Weniger brüderlich waren allerdings spätere Handlungen des "Staatenbunds Österreich": So akzeptierte man die Arbeit von Beamten und Amtsträgerinnen und -trägern nicht und reagierte mitunter aggressiv.
Ein geladener Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) erläutert die Methodik so: Musste ein Mitglied beispielsweise eine Strafe von 50 Euro zahlen, bekam der jeweilige Behördenvertreter die Antwort, dass das nicht angenommen werde und dass der oder die jeweilige Beamte sowieso im Auftrag einer "Firma" agiere. Obendrauf verlangte man einen Schadenersatz. Wurde die Strafe nicht zurückgezogen, wurde die jeweilige Person ungerechtfertigterweise im US-Schuldenregister "UCC" eingetragen und weiter bedroht, um Druck aufzubauen. In dieser Form hätte es ein derartiges Vorgehen "bis dato nicht gegeben".
Viele strafmildernde Faktoren
M. selbst gibt an, selbst nie so agiert zu haben. Belege dafür gibt es auch nicht. Spätere Pläne, das Grazer Straflandesgericht zu "besetzen", österreichische Politikerinnen und Politiker zu entführen, gefangen zu halten und durch ein selbst geschaffenes "Völkerrechtsgericht" zu verurteilen, habe er nie unterstützt. Die Anwerbung von Bundesheermitgliedern sei auch nicht in seinem Sinne gewesen.
Im März 2017 war es zu einer Razzia bei ihm zu Hause gekommen, und M. wurde verhaftet. Er habe vor allem während der Untersuchungshaft, die zwei Monate andauerte, durch den Abstand zu der Verbindung erkannt, "was für ein Blödsinn" das eigentlich sei. Durch die Isolation sei ihm klar geworden, wie "abstrus" die Ansichten der Staatsverweigerer sind.
Dass er gleich seine IT-Geräte zur Verfügung stellte, sich geständig zeigte und seit der Haft laut Informationen der Ermittlerinnen und Ermittler nicht mehr in Kontakt mit Mitgliedern der Vereinigung stand, wird als mildernd wahrgenommen. Auch komme ihm zugute, dass er seitdem einen Job gefunden und sich in die Gesellschaft eingegliedert habe. Diese Gründe nennt nicht nur die Richterin, sondern auch die Staatsanwältin während der Verhandlung.
Letztlich entscheiden sich die Geschworenen in Absprache mit den Schwurrichtern für eine Haftstrafe von zwei Jahren bedingt. M. nimmt das Urteil an, in seinem Schlussplädoyer bedankt er sich bei dem Staat, eingegriffen zu haben: "Wer weiß, wo ich hingekommen wäre."
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