Heute fand vor dem Amtsgericht Dresden die Verhandlung gegen den Holocaustleugner Alfred Schäfer statt. Der Volxleerer hatte das vor ein paar Tagen im
Video angekündigt und zur Beteiligung aufgerufen, ebenso findet sich ein entsprechender Aufruf Schäfers bei Youtube und auch in verschiedenen rechtsextremen Blogs (einfach mal nach Gerichtsverhandlung Alfred Schaefer Dresden googeln).
Beschuldigt ist Schäfer der Leugnung des Holocausts auf einer Kundgebung am 11.02.2017 von Gerhard Ittner in Dresden. Dabei ging es um die Bombardierung Dresdens. Er hatte für diese Aussage einen Strafbefehl über 5000 Euro erhalten, diesen aber offenkundig nicht akzeptiert, so das es zu einer Hauptverhandlung kam.
Ich habe aus Zeitgründen nur in den ersten beiden Stunden der Verhandlung anwesend sein können, allerdings hat das ausgereicht um einen ziemlich guten Eindruck zu bekommen. Zum Urteil wird es dann später sicher das übliche Mimimi geben.
Vorweg ein paar Bemerkungen zu Umfeld und Auftreten des Publikums. Am Amtsgericht wusste man ganz offensichtlich, mit wem man es da zu tun hatte und war entsprechend vorbereitet. Vor dem Haus stand eine zusätzliche Polizeistreife. Die Sicherheitskontrolle am Eingang war normal, alle Metallgegenstände in eine Kiste packen, danach durch den Metalldetektor gehen, wer da Alarm ausgelöst hat, wurde nachkontrolliert. Vor dem Saal wurden die Ausweise kontrolliert und kopiert, Handies mußten bei den Justizwachmeistern abgegeben werden und durften nicht mit in den Saal. An der Hürde der Ausweiskontrolle scheiterte hier bereits der erste Zuschauer, der nur meinte, er "sei kein Personalausweisträger", sein Versuch mit dem Führerschein (immerhin ein echter) reinzukommen, wurde nicht akzeptiert. Er beschwerte sich dann lautstark, das er dann ja 500km umsonst gefahren sei (eher vergeblich, aber solche feinen Unterschiede versteht unsere Kundschaft ja nicht) und wo er sich beschweren könne. Das führte von Seiten der Justizwachtmeister nur zu Schulterzucken und einem Hinweis auf die Geschäftsordnung.
Hier anwesend war eine Klientel überwiegend alter Männer, aber auch einige jüngere, die optisch und vom Kleidungssil her gut in die rechte Szene passen. Krönung war ein alter Mann mit einem selbstgedruckten Sweatshirt mit der Aufschrift "Preußen lebt". Ebenfalls anwesend war der Volxleerer (und wenn ich mich nicht irre, auch sein junger Groupie, dafür bräuchte ich aber nochmal ein Bild von ihr). Die "Szene" machte den Eindruck von Leuten, die sich untereinander gut kennen, der Volxleerer ist von mehreren Personen mit Namen und Handschlag begrüßt worden. Anwesend waren ca. 25-30 Zuschauer, das Verfahren ist tatsächlich in einen größeren Saal verlegt worden.
Anwesend war auch Presse und drei Fotografen (hier verwahrten sich einige der Zuschauer lautstark dagegen ungefragt fotografiert zu werden...), wobei ich denke, das es ein "echter" Journalist war und dann zusätzlich 2-3 weitere die "systemkritischen" Blättern zumindest nahestanden (die haben teilweise auch entsprechend unmutige Äußerungen von sich gegeben). Die Sitzungspolizei (also Justizwachmeister) haben hier kontrolliert und nur Journalisten mit bundeseinheitlichem Presseausweis in der ersten Reihe Platz nehmen lassen, alle anderen mussten nach hinten. Das gab auch Gemurre. Mal schauen, was sich dazu dann im Netz wiederfindet.
Zur Sicherheit im Gerichtssaal ist zu sagen, das die Justizwachmeister und der Chef der Sitzungspolizei entsprechend deutlich aufgetreten sind (vor dem Saal waren es zum Einlaß mindestens 4 Wachtmeister, im Saal waren immer mindestens 2 Wachtmeister anwesend) und klar gemacht haben, wer hier der Chef im Ring ist. Ansprachen erfolgten direkt und unmißverständlich, versuchte Einmischungen (so nach der Art: "das hat sie doch gar nicht so gesagt") wurden ebenso direkt unterbunden.
Dazu gibt bestimmt noch ein mimimi, aber nach meiner Einschätzung sind die sehr freundlich und korrekt vorgegangen.
Da es nicht ganz pünktlich losging, konnte ich im Vorfeld einige O-Töne mithören, die auch wirklich ins Bild passten. Da war unter anderem "die werden sich wundern", "noch 1-2 Jahre, dann", "es gibt genug Laternen", klassische rechtsextreme oder reichsbürgerliche Sprüche. Auch schön war die Bemerkung eines Zuhörers das er "nicht verstehen würde, das das ganze nicht an einem Sonntag verhandelt würde, wenn dann viel mehr Leute Zeit zum zuhören hätten. Aber natürlich nach der Kirche". Hier ist der Kommentator so in seiner eigenen Blase gefangen, das er von einem allgemeinen "Volksinteresse" ausgeht.
Nerling wurde von der Presse nach Namen und Alter gefragt und hat noch ein Statement abgelassen. Was das für ein Blatt war, weiß ich hier aber nicht.
Zur Verhandlung: Auch hier eine Vorbemerkung: Der Richter wusste klar, mit wem er es zu tun hat und auch, was das für ein Publikum war (jedenfalls überwiegend) und hat dementsprechend eine sehr klare Kante gefahren und Störer entsprechend zurechtgewiesen.
Bei Eintritt des Gerichts hatten einige der Herren Probleme sich zu erheben und brauchten dazu eine extra Aufforderung.
Vor Verlesung der Anklageschrift beantragte der Verteidiger des Angeklagten, den Herren ohne Personalausweis doch zuzulassen, weil er seine Identität ja so klären könne.
O-Ton des Richters dazu: "Mit einem Führerschein darf er Auto fahren und nicht mehr", mit einem weiteren Verweis auf die allgemeine Hausordnung hat er das dann ohne weitere Diskussion beendet.
Zu diesem Zeitpunkt kam es dann zu einigem Getuschel und Geraune unter den Zuschauern, was eine direkte erste Ermahnung des Richters nach sich zog. Hier ist besonders eine etwas ältere Frau aufgefallen, die auch schon vorher versucht hat, sich bei den Wachtmeistern mit einzumischen.
Es folgte des Feststellung der Anwesenheit, die Überprüfung der Identität des Angeklagten, die Belehrung der Zeugen und die Verlesung der Anklage.
Darauf folgend stellte der Verteidiger den Antrag, die Anklage als unbegründet abzuweisen und begründete das länglich (die Verlesung hat bestimmt 20 Minuten gedauert). Begründet wurde das unter anderem mit den Artikel 2, 3, 5, 100 Grundgesetz, Völkerstrafgesetzbuch und noch weiteres. Die Protokollantin hatte das ganze glücklicherweise vorher schriftlich bekommen, sonst wäre das wohl recht hart geworden. Die Entscheidung dieses und weiterer noch angekündigter Anträge wird auf später verschoben.
In der Folge des Antrags kam es zu weiteren lautstrken Äußerungen aus dem Zuschauerbereich, was letztendlich dazu führte, das ein Zuschauer des Saals verwiesen wurde und dabei dann noch ein Ordnungsgeld von 900 Euro kassierte (fun fact am Rande: Der Richter hatte zunächst 300 Euro auf den Lippen, korrigierte das aber noch beim Verlassen des Saales aufgrund der Bemerkungen des Verwiesenen auf 900 Euro hoch) und es zu einer weiteren sehr deutlichen Ansage des Richters kam. Danach war allerdings Ruhe, die Drohung mit einer Geldstrafe bzw. Ersatzfreiheitsstrafe scheint bei den Reichis dann doch zu ziehen.
Weiter ging es mit Fragen zum Angeklagten, Familienstand, persönliche Verhältniss und ähnlichem. Hierbei ist Schaefer relativ widerwillig und vom Tonfall her trotzig, das kenne ich eher so von 3 jährigen Kindern. Letztendlich hat er aber alle Fragen des Richters beantwortet. Der Richter gibt zudem bekannt, das der Auszug aus dem Bundeszentralregister ohne Einträge sei.
Auf die Frage des Richters gibt Schaefer zu, auf der Kundgebung Ittners geredet zu haben, bestreitet aber die ihm zur Last gelegte Tat.
Im Kern geht es (sinngemäß) um den Satz, "das Juden zu Schrumpfköpfen, Seide und Lampenschirmen umgewandelt worden seien". Hieran ziehen sich sowohl Schaefer als auch sein Anwalt wieder hoch, Schaefer sagt dazu wörtlich "wenn Wörter so teuer sind, sollten sie wenigstens stimmen". Bezug nehmen tun beide auf Seide, in der Beweisaufnahme wird aber später klar (als das Beweisvideo abgespielt wird) das er Seife gesagt hat und das ganze ein Transkriptionsfehler ist.
Zunächst werden (nacheinander) zwei Polizeibeamte befragt, die den entsprechenden Bericht verfasst haben, auf dessen Basis die Anklage beruht. Hierzu haben sie am 11.02.17 einen Videostream der Veranstaltung im Büro angeschaut und direkt danach aus der Aufzeichnung das entsprechende Wortprotokoll verfasst. Zu den Zeugen gibt es nur wenige Fragen durch den Richter, keine vom Staatsanwalt und einige zur Verfahrensweise und zum Vorgehen vom Verteidiger. Hier wird auch klar, das er darauf abzielt Unstimmigkeiten aufzudecken (was ja seine Aufgabe ist), nach meiner Einschätzung war er dabei aber wenig erfolgreich. Nach der Befragung werden beide Zeugen zunächst auf die Wartebank vor dem Saal verwiesen, falls es nach dem Video noch Fragen an sie gäbe.
Dann wird das Video abgespielt (hier zunächst die Bemerkung des Richters, das das ja durchaus öffentlich erfolgen könne, da ein guter Teil der Anwesenden das Video ohnehin kennen würde (!)).
Schaefer wirkt bei der Abspielung einigermassen hibbelig und sehr selbstzufrieden (so als ob jetzt endlich die Wahrheit ans Licht kommt) und sagt der er das ganze nie gesagt habe: Seide/Seife, zum Rest sagt er nie etwas.
Im Anschluß an die Videovorführung werden die Polizeibeamten als Zeugen entlassen, Schaefer entschuldigt sich wortreich "für den Missbrauch, dem sie ausgesetzt worden seien".
Im Anschluß an die Beweisaufnahme versucht Schaefer einen weiteren "Antrag" zu stellen, das das Verfahren einzustellen sei und holt über Grundrechte, Völkerstarfbuch etc., wird dann aber kurz vom Richter unterbrochen, der ihn klar darauf hinweist, das ein Antrag eine klare Grundlage zu nennen habe, sein Text aber eher einem Schlußwort des Angeklagten ähneln würde, für das er später selbstverständlich noch Gelegenheit habe. Der Anwalt schaut dann durch diesen "Antrag" und kann auch keine Grundlage finden, insgesamt wirken Angeklagter und Verteidiger eher schlecht koordiniert.
Schaefer beantragt dann noch einen Geschichtssachverständigen hinzuziehen um durch diesen klären zu lassen, ob seine Äußerungen in der Geschichtswissenschaft umstritten wären. Anschließend beantragt er eine kurze Sitzungsunterbrechung für eine Toilettenpause, die ich dann genutzt habe, um ohne geistige Schäden den Saal zu verlassen.
Vor dem Saal hat Nerling dann Schaefer auf die Schulter geklopft und "tolle Sache, Alfred" gesagt. Es macht klar, wo der Volxleerer steht, falls da noch irgendjemand Zweifel hatte.
Bewertung: Schaefer hat zunächst versucht, sich als armes Opfer einer Falschbeschuldigung (siehe Seide/Seife) zu machen, was offensichtlich nicht geklappt hat, da der späteren Feststellung des Richters "das es sich hier wohl um einen Schreibfehler handeln würde" weder Anwalt noch Staatsanwalt widersprochen haben.
Zusätzlich haben Anwalt und Schaefer versucht, alte Urteile und Stellungnahmen als Beweis dafür heranzuziehen, das der §130 StGB ein unzulässiger und einseitiger Paragraph sei, auf dessen Basis eine Verurteilung nicht rechtskräftig sei. Und zu guter Letzt haben sie versucht, die Zeugenaussagen unglaubwürdig erscheinen zu lassen, was aber mit Vorführung des Videos klar nicht geklappt hat, weil hier genau das zu hören war, was vorher berichtet wurde und in der Anklageschrift steht.
Insgesamt hat sich Schaefer als unbelehrbarer Holocausleugner präsentiert und sich damit sicher keinen Gefallen getan. Es könnte sein, das die Strafe geringer ausfällt, als im Strafbefehl, es würde mich aber insgesamt sehr wundern, wenn er am Ende nicht verurteilt werden würde.