Die Diskussion im Tweet mit der Polizei Sachen im von @Metamaterie gezeigten Screen ist hochinteressant.
https://twitter.com/rechtsrocktnich/status/1142405098817150977
Die Bundespolizei die darf das wohl irgendwie, sind ja auch nur "echte Templer" als "Beschützer" des Abendlandes.
Also. Der hat da die folgenden sechs vom Twittermob inkriminierten Symbole:
1.) Eine Glatze
2.) Einen Rauschebart
3.) Blutgruppenpatch ("B")
4.) (Thin) Blue Line Paracord Armband
5.) "Molon Labe" Spartaner
6.) "Recte Faciendo Neminem Timeas" Tempelritter Patch
Die Pegizei behauptet, das habe keine strafrechtliche Relevanz. Da hat sie Recht, denn das ist weder für sich, noch in Kombination strafrechtlich relevant (müsst Ihr mir jetzt glauben, ist aber so).
Die Pegizei behauptet weiter, für die Beurteilung der dienstrechtlichen Relevanz sei, da der fragliche Beamte wohl Bundespolizist ist, die Bundespolizei zuständig. Auch da hat sie Recht, denn jede Polizei hat eigene Vorschriften und die dienstrechtlichen Konsequenzen (Disziplinarverfahren) macht halt immer nur der eigene Dienstherr und nicht ein fremder (also der Bund, wenn man Bundespolizist ist oder eben das eigene Land und nicht ein anderes Land, wenn man Landespolizist ist).
Aber schauen wir uns die Symbole mal näher an:
1.) Glatze
Die Zeiten, in denen man Nazis an der Haartracht erkennen konnte (so es diese Zeiten überhaupt jemals gab) sind vorbei. Der Nazi, in dem wir uns hier in diesem Faden eigentlich unterhalten, trägt Haare auf dem Kopf. Ich kenne Menschen mit Glatze, die aufrechte Demokraten durch und durch sind. Das mit der Glatze ist für sich genommen oberflächlich. Interessant wird die allerhöchstens in Kombination mit dem Rest, so an dem was "rechtes" dran ist.
2.) Rauschebart
Den trägt man in sehr vielen Millieus mit sehr zweifelhaftem Ruf: Obdachlose,
Abgeordnete, Rocker, Hipster… Für sich also auch kein "Symbol" einer rechten Gesinnung. Insgesamt ist das mit den Äußerlichkeiten ja doch eher zweifelhaft. Ich würde mich lieber auf Tätowierungen verlassen, wenn überhaupt.
3.) Blutgruppenpatch
Das ist bei militärischen Verbänden inzwischen absolut üblich. Insbesondere in der medialen Darstellung der US-Armee sind solche Patches omnipräsent. Ich bin sicher, dass der eine oder andere Bundeswehrangehörige sowas auch trägt, weil es einfach sinnvoll ist. Denn zwar weist die Erkennungsmarke ("Hundemarke" / "Dog Tag") von Bundeswehrangehörigen die Blutgruppe aus – die muss man aber erst unter der Uniform hervorholen. Wenn dem Verwundeten aufgrund von z.B. Sprengfallen akut ein Arm oder Bein abhanden gekommen kann so ein Patch auf der Uniform das Leben des Sanitäters deutlich erleichtern und das des Verwundeten deutlich verlängern. Die gleiche Funktion haben auch die Patches "NKA" (no known allergies) bzw. "NKDA" (no known drug allergies) oder "NOPEN" (no penicillin), die dem Sanitäter sagen, welche Dinge er in den Verwundeten reintun kann und welche er besser draußen lassen sollte.
Natürlich kann man hier über die Blutgruppentätowierung der SS wieder einen Nazibezug konstruieren. Aber auch bei der SS, behaupte ich, waren die Beweggründe (ausnahmsweise) mal praktisch motiviert und nicht nazi-ideologisch. Wer mit diesem Bezug solche Patches verbietet, müsste auch gegen Brot sein, denn das haben die Nazis auch gegessen.
Dieses Patch hat also durchaus einen praktischen Hintergrund. Ob es den auch bei Polizeieinsätzen gibt, sei mal dahingestellt. Ich tendiere eher zur Bewertung "lächerlich, weil übertrieben", kann aber den legitimen Zweck (s.o.) nicht außer Acht lassen und muss auch anmerken, dass es da um eine Naziveranstaltung handelt. Man hört ja immer wieder, die seien manchmal der Gewalt nicht abgeneigt…
4.) (Thin) Blue Line Paracord Armband
Paracord-Armbänder sind einerseits ein modisches Accessoire von/für "Naturburschen", i.e. Leuten, die Überleben können, Survival usw. Das Ding kann in begrenztem Maße als Schweißband und auch als Schutz fungieren. Entflochten ergeben sich Fallschirmleinen. Schnur ist für diverseste Dinge ungeheuer praktisch. Ob man sowas im Polizeieinsatz braucht, sei mal dahin gestellt. Aber das Accessoire ansich ist in BOS- und KatSchutz-Kreisen quasi allgegenwärtig. Irgendwer trägt immer eins.
Zur Farbgebung: Es gibt im amerikanischen Raum das Bild der "(thin) Blue Line", der (dünnen) blauen Linie. Die Farbe spielt auf die (inzwischen auch hier) vorherrschende Uniformfarbe an, die Linie symbolisiert die Polizei als Grenze zwischen Ordnung und Chaos. Das Bild: Wir (die Polizei) sind die Grenze, die Gewalt, Chaos und Regellosigkeit nicht überschreitet; wir halten die Ordnung aufrecht. Vom Grundsatz her ist das das, was wir von Sicherheitskräften erwarten. An einem entsprechenden Selbstverständnis ist mE nichts auszusetzen.
Im fraglichen Twitterfaden heißt es zuweilen, das sei auch Symbol für den/einen polizeiinternen Korpsgeist, sich gegenseitig nicht zu belasten. Ein anderer wendet ein, wer von den Polizisten diese blue line übertrete, werde ausgeschlossen, da er die geschlossene Reihe des Schutzes verlassen habe. Das erscheint mir beides, auch parallel, vertretbar. Jedes Gruppenselbstverständnis kann von einzelnen Gruppenmitgliedern unterschiedlich bewertet werden. Ein Einwand kam auch, dass die "Blue Lives Matter"-Bewegung (Reaktion von Cops auf die "Black Lives Matter"-Bewegung) diese Symbolik benutze. Ich kenne diese Bewegung kaum, würde aber zunächst ungeprüft plumpen Whataboutism und rechte und rassistische Tendenzen vermuten; einfach weils passen würde. Das Symbol ist also wohl sehr missverständlich. Aber für "verbrannt" halte ich es nicht.
Auch hieraus möchte ich also keinen Nazi-Verdacht ableiten.
5.) "Molon Labe" Spartaner-Patch
Ich verweise statt aller auf Wikipedia. Kurzfassung: Plutarch erzählte, Xerxes habe zu Leonidas gesagt "Gebt mir (Eure) Waffen (dann verschone ich Euer Leben)." Er erzählt weiter, Leonidas habe gesagt: "Molon labe." ("Komm, und hol sie Dir."). Das ist also ein Symbol für Unbeugsamkeit. Das ist auch etwas, was wir von Polizisten erwarten, dass sie Druck standhalten und nicht weglaufen, wenn es bedrohlich wird.
Nun mag man einwenden, dass die Symbolik (auch!) von rechten Gruppierungen verwendet wird. Gerade den Bezug auf Sparta setzt die IB schon in ihrer Symbolik (das IB-Lamda sei damals verwendet worden, behaupten die). Aber gleich zwei Armeen zweier demokratischer Staaten (US, GR) nutzen den Spruch als offizielles Motto eigener Einheiten. Das macht den Patch gerade nicht zu einem Nazi-Patch.
6.) "Recte Faciendo Neminem Timeas" Tempelritter Patch
Übersetzt: Handle recht und fürchte niemanden. Wohl u.a. das Motto von
Gosche von Buchwaldt, einem dänischen Diplomaten, der u.a. einen Defensivpakt mit Brandenburg aushandelte. Es soll aber auch schon auf Münzen geprägt worden sein.
Der Satz ist der Interpretation ja durchaus zugänglich. Das zweifelhafte "Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten" lässt sich daraus ebenso ableiten, wie der Ethos, stets das Richtige zu tun und dabei von Bedrohungen oder Gefahren unbeeindruckt zu bleiben.
Das Kreuz dürfte das Tatzenkreuz der Templer sein. Die sind nun schillernd. Der
Neutemplerorden gehört
lt. Wikipedia zu den Vorläufern der NSDAP. Ebenso verstanden bzw. verstehen sich Terroristen und Massenmörder wie Breivik und iirc auch der aus Neuseeland/Australien in der Tradition des Ordens. Es gibt aber eben nicht nur diese Interpretation. Der Templerorden ist für viele ein (sehr zweifelhaftes) Symbol für Ritterlichkeit. Ich habs ja nicht mit der Romantik, wisst Ihr ja, aber der Grundgedanke dessen, was wir romantisiert als Ritterlichkeit verklären, ist durchaus etwas, was einem Polizisten gut zu Gesicht stehen dürfte.
Ich halte diesen Patch für noch den fragwürdigsten. Und die ganzen anderen Patches machen das Bild nicht unbedingt besser. Aber:
Die Interpretation "so wie der aussieht, ist der ein Nazi" muss nicht zwangsläufig zutreffen. Es mag auch sein, dass der Mann unbeugsamer Demokrat, tapferer Beschützer der Schwachen und leidenschaftlicher Metalhead ist. Beides lässt sich aus seinem Erscheinungsbild interpretieren, beides können wir nicht wissen, ohne mit dem Mann geredet zu haben.
Die Heftigkeit des Twitterfadens finde ich daher höchst unreflektiert und schlicht peinlich.