("Götti" "bzw. "Gotte" = Pate, meist in Zusammenhang mit der Taufe)
Spoiler
Eine Lachnummer namens Hitler
So beteiligt sich Major Pabst 1920 am rechtsextremen Kapp-Putsch, mit dem die demokratisch gewählte, SPD-dominierte Regierung hinweggefegt werden soll – ein Unterfangen, das mehr als tausend zivile Opfer fordert, dank einem Generalstreik jedoch scheitert. Pabst gelingt, mit falscher Brille und gefärbten Haaren, die Flucht aus Berlin; vor dem Zusammenbruch begegnet er aber noch einem jungen Agitator, der sich den Putschisten als Propagandist andienen will. Dass Pabst den Mann mit den Worten «so, wie Sie aussehen und sprechen, lachen die Leute Sie aus» zurück nach Bayern schickt, dürfte er später bereut haben. Denn die vermeintliche Witzfigur namens Adolf Hitler ergreift 1933 die Macht.
Dennoch gelingt es dem schneidigen Militär und geschmeidigen Geschäftsmann, sich dem neuen Regime anzudienen. Nachdem er im österreichischen Exil als faschistischer Heimwehrführer einige Jahre gegen die Demokratie agitiert hat, arbeitet er ab 1933 für die deutsche Rüstungsindustrie. So verschlägt es ihn 1943, mitten im Zweiten Weltkrieg, in die Schweiz. Er versorgt die Wehrmacht mit Werkzeugen und Maschinen, leitet die Waffenfabrik Solothurn, handelt mit dänischer Butter und pflegt Kontakte zu allerlei Geheimdiensten, vermutlich auch zur Gestapo.
Die Öffentlichkeit erfährt davon nichts – bis die sozialdemokratische Zeitung «Volksrecht» im September 1944 mit der sensationellen Enthüllung aufwartet, der «berüchtigte Putschmajor Pabst» sei in die Schweiz geflüchtet: jener Pabst, der für die Ermordung Luxemburgs und Liebknechts verantwortlich sei. Der Artikel versetzt die Behörden in helle Aufregung. Justizminister Eduard von Steiger (bgb.) schreibt an die Bundesanwaltschaft und an den Fremdenpolizei-Chef Heinrich Rothmund, Pabst sei umgehend auszuweisen, falls er auch nur «in geringem Masse» für den Doppelmord verantwortlich sei.
«Götti» Bircher hilft
Doch der deutsche Gast erweist sich als harter Brocken. Zum einen gelingt es ihm, seine Beteiligung am Luxemburg-Liebknecht-Mord glaubhaft zu leugnen. Zum anderen kann er auch in der Schweiz auf namhafte Unterstützer zählen: in der Rüstungsindustrie, bei der Fremdenpolizei und in der Politik, wo sich der einflussreiche BGB-Nationalrat Eugen Bircher besonders hervortut. Autoritär, antikommunistisch und deutschfreundlich gesinnt, kennt Bircher den ominösen Major Pabst seit dessen Freikorps-Zeit. In Briefen an von Steiger verklärt Bircher seinen deutschen Kameraden zum grossen Schweiz-Versteher und Hitler-Gegner, der doch eigentlich politisches Asyl verdient hätte.
Ob Pabst bei einer Rückkehr nach Deutschland tatsächlich gefährdet gewesen wäre, bleibt offen. Sicher ist: Er ist mit einigen Verschwörern bekannt, die Hitler am 20. Juli 1944 beseitigen wollen, taugt aber kaum als Nazi-Gegner. Zumal nicht nur die linke Presse, sondern auch das Schweizer Armeekommando immer wieder warnend darauf hinweist, Pabst sei ein «heimtückischer Gegner der Demokratie», der es meisterhaft verstehe, sich bei wichtigen Amtspersonen einzuschmeicheln.
Dass da etwas dran ist, zeigt der weitere Verlauf der Geschichte: Pabst kann seine Ausweisung dank ärztlichen Attesten (unter anderem von Dr. Bircher) immer wieder hinauszögern, bis der Krieg vorbei ist. Erst wird seine Frau krank, dann angeblich er selber, besonders nachdem die Franzosen seine Auslieferung verlangt haben. Offiziell «interniert» in einem Hotel in Escholzmatt, geht er weiter seinen Geschäften nach, trifft sich mit Geheimdienstleuten oder plant den Aufbau einer faschistischen Internationale für die Nachkriegszeit. Und obwohl auch die linksbürgerliche «National Zeitung» bereits Ende 1945 leicht verzweifelt fragt, warum die Schweiz nicht endlich von Elementen wie Pabst «gesäubert» werde und wer wohl sein schützender «Götti» sei, wird er 1948 als politischer Flüchtling anerkannt.
«Toller Stunk» für die SPD
Doch dieser Status wird bald obsolet: In der 1949 gegründeten BRD interessiert sich kaum jemand für die Vergangenheit von Leuten wie Pabst. 1955 kehrt er nach Düsseldorf zurück, um autoritäre Staaten wie Spanien, Südafrika und Ägypten mit Brandbomben oder Tretminen zu versorgen. Für den Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wird er nie zur Rechenschaft gezogen. Vielmehr macht er sich im Wahljahr 1969 mit der Bemerkung wichtig, wenn er «das Maul auftun» würde, «gäbe es einen tollen Stunk, vielleicht vernichtend für die SPD». Was er damit andeutete, bleibt bis heute umstritten: Hat Pabst, wie manche Historiker behaupten, Luxemburg und Liebknecht 1919 mit dem Einverständnis der gemässigten SPD-Regierung exekutieren lassen? Pabst hätte an dieser Diskussion sicher seine helle Freude gehabt.