Nikolai meint, dass Frauen im Gericht (Beisitzerin, Staatsanwältin, Polizeibeamtin) fehl am Platze seien.
Überrascht das irgendwen irgendwie? Erstens hat Nikolang seine Einstellung gegenüber Frauen ja bereits deutlich gemacht, zweitens gehört diese ja zur Grundüberzeugung jedes Rechtsextremen, drittens werden in Pornos, die er nach eigenem Eingeständnis längere Zeit geschaut hat, die Beteiligten als Objekte dargestellt. Passt alles.
Außerdem ist er überrascht, dass der Vorsitzende Richter den Holocaust als offenkundige Tatsache sieht und für ihn sogar die NS-Gewaltherrschaft ein Bestandteil des Holocaust sei. Das war dem Nikolai neu.
Zum ersten Satzteil des ersten Satzes ist anzumerken, dass der Holocaust für so ziemlich die ganze Welt offenkundig ist, nur nicht für Leute vom Schlage Nikolang. Allerdings ist für ihn auch noch so manches nicht offensichtlich.
Zum zweiten Teil des ersten Satzes stellt sich mir die Frage, ob der Richter dies wirklich so gesagt hat oder nicht. Allerdings kann man es schon so sehen, denn der Holocaust im engeren Sinne hat ja ein weites "Vorfeld": Bevor Juden vernichtet wurden, wurden sie ja schon jahrelang auf andere Weise ausgegrenzt, entrechtet, vertrieben, schikaniert und noch weit länger stigmatisiert, verunglimpft usw. Ich sage nur mal: Nürnberger Gesetze: "Blutschutzgesetz" z. B. Der Nationalsozialismus hatte ja in der Tat eine antisemitisch-antijüdische Grundüberzeugung, indem er Juden als Ursache aller Übel in der Welt ansah. Das betont z. B. Timothy Snyder im ersten Kapitel seines umfangreichen Werkes "Black Earth".
Die Verteidigungsline ist laut Nikolai das Herumreiten auf dem Begriff "Leugnung".
Typische RD-Wortklauberei. "Wer Schweres auf dem Herzen trägt, am besten seinen Duden frägt":
leug|nen ⟨sw. V.; hat⟩ [mhd. löugenen, lougenen, ahd. louganen, verw. mit ↑ lügen]:
a) (etw., was einem zur Last gelegt od. über einen behauptet wird) für nicht zutreffend od. bestehend erklären: standhaft, weiterhin hartnäckig l.; seine Schuld, eine Tat, seine Identität l.; er leugnete nicht, den Mann gesehen zu haben/dass er den Mann gesehen hatte; ⟨subst.:⟩ alles Leugnen half ihr nichts;
b) (etw. Offenkundiges wider besseres Wissen) für unwahr od. nicht vorhanden erklären u. nicht gelten lassen (meist verneint): eine Tatsache, den Holocaust l.; ihre Tüchtigkeit hat niemand geleugnet; ich kann nicht l. (gebe gerne zu), dass es mir gut geht; es war nicht zu l. (stand eindeutig fest), dass Geld fehlte; eine nicht zu leugnende Tatsache;
c) (etw., was als Lehre, Weltanschauung o. Ä. od. allgemein anerkannt ist u. vertreten wird) für nicht bestehend erklären: das Dasein Gottes, die Unsterblichkeit l.; diese Staaten leugnen Grundrechte des Menschen.
Kurz: Leugnen bedeutet abstreiten, verneinen.
Polizist(inn)en und Staatsanwält(innen) haben bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen das Recht (und die Pflicht) zur Remonstration. Wie das bei Richtern ist, die an der Widerspruchsfreiheit von Gesetzen zweifeln (d.h. sie haben über einen Fall zu urteilen bei dem das zugrundeliegende Gesetz in Widerspruch zu anderen Gesetzen, z.B. dem Grundgesetz steht) weiß ich nicht.
Richter sind in ihrer Rechtsprechung unabhängig und nur dem Recht verpflichtet. (So viel bzw. wenig zum Argument, ein Gericht habe die Volksmeinung nicht berücksichtigt.) Was im Falle eines Konflikts eines anzuwendenden Gesetzes mit einer Bestimmung des Grundgesetzes gilt, ist im Grundgesetz geregelt: Ein Gericht hat nicht die Kompetenz, ein Gesetz kraftlos zu erklären. Dies ist dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Ggf. muss ein Gericht einen Vorlagebeschluss erwirken, das Verfahren aussetzen und die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen. Das Nähere ist in den einschlägigen Gesetzen geregelt.
Etwas anders sieht es aus, wenn einfach gesetzliches Recht sich widerspricht oder zu widersprechen scheint: Dann darf ein Gericht eine Entscheidung nicht mit der Begründung verweigern, der Gesetzgeber habe einen Fehler gemacht. Auch eine (echte oder scheinbare) Gesetzeslücke ist kein Grund, eine Entscheidung zu verweigern. In solchen Fällen muss das Gericht nach der bekannten juristischen Methodik vorgehen und entscheiden, welche Bestimmung anzuwenden ist, falls sich zwei Bestimmungen widersprechen. Eine Gesetzeslücke ist ebenfalls nach der bekannten juristischen Methodik zu füllen, z. B. durch Analogie oder durch Herleiten einer Lösung für den vorliegenden Fall aus übergeordneten Rechtsprinzipien. (Dies wird z. B. in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit öfter gemacht, wenn eine Schiedsvereinbarung vorsieht, dass das Schiedsgericht nach Billigkeit entscheiden solle. Das stellt in gewisser Weise die höchste Form juristischer Kunst dar.) Selbst ein möglicher Widerspruch zum Grundgesetz zwingt noch nicht unbedingt dazu, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Oft können die Gerichte selbst durch Auslegung der anwendbaren Bestimmungen diesen eine verfassungskonforme (bzw. grundgesetzkonforme) Auslegung im Einzelfall geben. Das hat z. B. das Bundesverwaltungsgericht in einigen wichtigen Fällen so gemacht.
Das ist also nichts, was der ausgebildete Jurist nicht hinbekäme, sondern genau dies lernt er in seiner Ausbildung. Man darf daran erinnern, dass die Vorläufer der modernen Rechtswissenschaften im Mittelalter mit der Wiederentdeckung des römischen Rechts in den so genannten "Pandekten" oder "Digesten" anfingen. Der dort gesammelte Stoff aus verschiedenen Quellen und Ursprungszeiten stellte die frühen abendländischen Juristen vor viele Probleme - Verständnis, Hintergründe, Übertragung auf eine ganz andere Gesellschafts- und Wirtschaftsform, Widersprüche zwischen den einzelnen Quellen -, wofür sie dann auch entsprechende Methoden entwickelten. Genau diese Methodik stellt historisch den Kern der Rechtswissenschaften bis heute dar.
Der so genannte "référé législatif" oder die "authentische Interpretation" ist übrigens heute weitestgehend abgeschafft. In einigen Verfassungen mag er noch aus historischen Gründen vorgesehen sein, in der Praxis kommt er aber m. W. nirgendwo in Europa noch vor. Dabei handelte es sich um ein Verfahren, das den Gerichten bei Entdecken von Widersprüchen oder Lücken in Gesetzen das Recht gab oder sogar vorschrieb, die gesetzgebende Gewalt (bzw. historisch: den Herrscher) anzurufen, der diese Frage dann entschied. Heute gilt dies eher als eine legalisierte Form der Willkür und damit als Quelle der Rechtsunsicherheit.
Gleichwohl kommt es natürlich immer noch gelegentlich vor, dass sich in der Praxis Probleme einer gesetzlichen Regelung zeigen, worauf der Gesetzgeber dann das Gesetz ändert, um diese Probleme zu beseitigen. Die Gesetzesänderung greift dann aber nicht in laufende Verfahren ein, sondern gilt erst für Fälle, die nach ihrem Inkrafttreten aufkommen.