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02.11.2016, Landgericht Halle, 4. Verhandlungstag Erlebnisbericht von Florian Steinlein
Von: 07.11.2016 Veröffentlicht in: Allgemein, Erfahrungsberichte1 Kommentar
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Ich möchte ein weiteres Mal allen Interessierten die Möglichkeit bieten, einen etwas anderen Einblick in die Geschehnisse des laufenden Gerichtsprozesses zu erhalten. Nach wie vor bin ich der Ansicht, dass es bereits genug als objektiv verkaufte, gefühllose Berichterstattung in dieser Welt gibt. Dazu werde ich auch diesmal nicht zusätzlich beitragen. So will ich an dieser Stelle nochmals klar betonen, dass es sich um meinen subjektiven Erlebnisbericht handelt. So sehr ich mich auch darum bemühe, letztendlich kann ich die juristischen Ereignisse dieses Tages bzw. den bisherigen Prozessverlauf insgesamt nicht detailliert wiedergeben, da mein rechtliches Wissen dafür nicht ausreicht. Darum kann ich das Geschehen erneut nur aufgrund meiner umfangreichen Prozessaufzeichnungen und Erinnerungen in meinen Worten sinngemäß wiedergeben – so wie ich es verstanden habe.
Habt bitte Verständnis dafür, dass ich mit jeweils einigen Tagen Verspätung nur Ausschnitte aus dem gesamten Prozessverlauf vermitteln kann – schließlich gilt es die Vision vom Königreich Deutschland weiter umzusetzen und auszubauen. Dem gilt unser aller Wirken – vor allem gerade eben das von Peter …
Bevor ich nun mit der Berichterstattung beginne, möchte ich Ihnen noch eine Frage mit auf den Weg geben. Sie eröffnete sich mir erstmals während des 1. Verhandlungstages, als Peter seine Absichten erklärte und ich feststellte, dass diesen teils mit großer Skepsis begegnet wurde. Ich will sie Ihnen vermitteln, weil sie mir während dieses 4. Verhandlungstages immer wieder präsent wurde: „Ist der Egoismus, die selbstsüchtige Denk- und Handlungsweise, in unserer Welt bereits derart ausgeprägt – ja geradezu zum Standard und „Guten Ton“ geworden, dass sich manche Menschen schlichtweg schon gar nicht mehr vorstellen können, wie überhaupt ein Mensch aus Altruismus, aus selbstloser Denk- und Handlungsweise, handeln kann?“
Der Andrang an diesem 4. Verhandlungstag ist wesentlich geringer als zur Prozesseröffnung. Von den 32 Zuschauerplätzen sind etwa die Hälfte belegt. Erschreckend wenig Interesse dafür, dass es hierbei im Grunde um ein zinsfreies und auf Realwerten basierendes Geldwesen geht. Die Presse ist zumindest durch einen Journalisten vertreten. Als dieser in der Mittagspause geht, bedanke ich mich bei ihm, dass wenigstens er anwesend war. Ich bin aufrichtig dankbar dafür.
Als Peter wie erwartet erneut in Hand- und Fußfesseln hereingeführt wird, lächelt er zwar, aber er wirkt irgendwie müde und erschöpft. Er blickt ins Publikum und ruft erfreut: „Schön, dass ihr alle da seid!“ Neben seiner Annett sind insgesamt 9 am Königreich Deutschland Mitwirkende angereist, darunter auch 4 von außerhalb Wittenberg. Über diese, scheint er sich besonders zu freuen. Ja, tatsächlich spürt man geradezu, wie ihn dies zu bestärken scheint. Kaum sind seine Hände frei, wird Peter ernst, baut seinen Laptop auf und sichtet die für ihn bereitstehenden Akten. Diese Szene wirkt kühl, denn man könnte meinen, er schaltet in den „Arbeitsmodus“. Dabei tut er nur das, was er immer tut. Man versucht zwar es zu verhindern, doch gerade jetzt ist Peter in seinem „Element“: er tut, er handelt.
Ich versuche nachzuempfinden, wie es ihm abseits des Prozesses gehen mag. Dann, wenn man ihn von seinem „Element“ fernhält. Schnell lasse ich davon ab, denn ich werde von tiefer Traurigkeit ergriffen. Der vorherige Verhandlungstag ist nur einen Tag her. Wie ich erfahren habe, war neben Annett auch seine Mutter anwesend. Zudem wurde seine Tochter befragt. All die Dinge, die Peter seit Jahren durch sein Tun erschafft, sollten doch klar und deutlich für sich selbst – für ihn – sprechen. Stattdessen mussten seine Lieben ihn nun dafür in Hand- und Fußfesseln sehen.
Wie mag ihm da zumute gewesen sein?
Klar weiß er, dass er unschuldig ist! Doch ist das in seiner Lage wirklich ein ausreichender Lohn, ein ständiger Trost?
Als die Personalien der ersten Zeugin festgestellt werden, nimmt sich Peter schelmisch freudig die Zeit, nonverbal mit seiner Annett zu „funken“. Danach wird er, wie so oft an diesem Verhandlungstag, aufmerksam zuhören und parallel dazu viel in seinen Laptop tippen. Sogar so viel, dass ich zwischendurch schon daran glaube, er würde Protokoll führen.
Von den 8 geladenen Zeugen sind 6 vermeintlich „geschädigte Anleger“, die je zwischen 5.000 und 142.000 € überlassen haben. Das Prozedere der Befragung war bei allen nahezu identisch. Zunächst wurde nach dem ersten Kontakt und dem darauffolgenden Grund für die Mitgliedschaft im Verein NeuDeutschland gefragt. Zur Erinnerung: Die Vorwürfe gegen Peter beziehen sich nur auf den Zeitraum vom 27.04.2009 bis 25.04.2013 – also rein die Zeit der Kooperationskasse. Das Königreich Deutschland wurde am 16.09.2012 gegründet, die Königliche Reichsbank erst ein Jahr später eröffnet.
Fast alle Überlasser haben davon über das Internet erfahren und sich bei einem Besuch von Veranstaltungen vor Ort von den Zielen des Vereins NeuDeutschland überzeugt. Identifizieren konnte sich jeder Zeuge individuell mit Projekten wie Gesundheit, natürliche und gentechnikfreie Lebensmittelversorgung, zinsfreies und durch Realwerte gedecktes Geldsystem, alternative Energieversorgung, usw.. Alle waren angetan von der Förderung des Gemeinwohls sowie der Erforschung und dem Aufbau alternativer staatlicher Strukturen. Dies galt damals für den Verein NeuDeutschland und heute in Bezug auf das Königreich Deutschland.
Nahezu unisono bezeugen alle Überlasser, über die bedingte Rückzahlung informiert worden zu sein – sowohl schriftlichen als auch in der mündlichen Erklärung des Kapitalüberlassungsvertrags. Alle haben verstanden, dass sie eben keinen unbedingten Rechtsanspruch auf Rückgabe haben. Ihr Geld sollte ja investiert werden und demnach war es völlig verständlich, dass es eben nicht jederzeit zurückgezahlt werden konnte. Wenn alle Kapitalüberlasser jederzeit die Gelder zurück erhalten könnten, dürfte der Verein entweder nichts mit dem Geld anfangen oder wäre, samt seiner Projekte, ständig von Insolvenz bedroht gewesen. So war jeder Kapitalüberlasser im Vorfeld dazu bereit, gegenüber den Interessen des Vereins zurückzutreten (juristisch: Nachrangabrede), sollte dies erforderlich sein. Die Kapitalüberlasser waren sich bewusst, dass sie im Extremfall sogar mit einem „Totalverlust“ rechnen mussten.
Einige der vernehmenden Richter und Anwälte sind von diesen unerwarteten Aussagen der „geschädigten Anleger“ deutlich erkennbar überrascht und irritiert. Immer wieder werden die einzelnen Überlasser gefragt, ob sie einmal zu einer Vereinssitzung geladen worden wären, wer denn Vorsitzender gewesen sei und ob sie einmal bei dessen Wahl anwesend waren. Auch, ob sie je einmal einen „Rechenschaftsbericht“ über die Verwendung der von ihnen überlassenen Mittel gesehen hätten. Die Tätigkeiten und Projekte des Vereins wurden, aufgrund der oft großen räumlichen Distanz zu Wittenberg, zumeist über das Internet verfolgt. Weitere Informationen erhielten die Kapitalüberlasser, so wie alle Vereinsmitglieder, in Newslettern, Mails und Telefonaten. Erlebt wurde der Stand der Projekte während gelegentlicher oder regelmäßiger Besuche von Veranstaltungen (z.B. Tag der offenen Tür) in Wittenberg und durch die Gespräche mit den fest vor Ort eingebundenen Vereinsmitgliedern. All dies hat die Überlasser hinreichend überzeugt, dass sowohl im Sinne ihrer Interessen als auch im Einklang mit der Vereinssatzung gehandelt wurde. Was den Vorsitz des Vereins und dessen Sitzungen betraf, so waren sich die Befragten unschlüssig. Es schien ihnen eben nicht besonders wichtig zu sein.
Die Überlasser werden gefragt, warum sie das Geld dort „angelegt“ haben, ob sie es denn nicht zurückhaben möchten oder warum sie nicht einfach eine Schenkung getätigt haben. Sinnbildlich für die insgesamt sehr ähnlichen Aussagen aller Überlasser sollen hier einige Zitate wiedergeben werden. Unter anderem war man „… von den normalen Banken und deren Anlagekonzepte nicht überzeugt.“ Man „… brauchte es gerade eh nicht“, „Bei mir liegt es nur rum!“ und man „… wollte etwas Positives …“ damit tun – etwas Sinnvolles unterstützen. Die Überlassungen wurden „… nicht als Schenkung, aber auf unbestimmte Zeit als Anlage gesehen.“ Auf das Nachhaken eines Richters, gegenüber einer Überlasserin, dass man ja keine Zinsen bekommen hätte, stellt die Befragte klar, dass sie den Begriff „Anlage“ in diesem Fall „Als Anlage für die Idee!“ sehe und „… Gewinn sollte das Gemeinwohl sein!“
Bei all den entlastenden Aussagen kann so mancher der vernehmenden Richter und Anwälte das Ausmaß der persönlichen Verwunderung kaum noch verbergen. Gestik und Mimik sprechen deutlicher als (Rechts-)Bände: große Augen, offene Münder, ungläubiges Kopfschütteln – alles in Verbindung mit bestimmten Positionen, in denen der Kopf auf die Hand gestützt wird. Es ist schwer zu beschreiben, doch jeder gute Schauspieler kann etwas Vergleichbares sofort aus dem Stegreif imitieren.
Es mag bei all dem Ernst der Lage unglaublich klingen, doch manche Situationen im Saal gleichen den Szenen einer Komödie. Durch eine gewisse Art von Situationskomik muss ich mehrfach mit mir ringen, um nicht laut los zu lachen. Die prustenden Geräusche meiner Umgebung erschweren dies zusätzlich. Ein paar Anekdoten möchte ich Ihnen gern vermitteln: Die ersten Überlasser werden vom Gericht viel gefragt und zuletzt, ob sie denn ihr Geld zurückerhalten hätten. Wenn dies verneint wird, gibt es von dieser Seite keine weiteren Fragen. Die Verteidigung fragt, ob das Geld denn jemals zurück gewollt wurde. Sie wird ebenfalls verneint. „Danke, keine weiteren Fragen!“
Eine weitere solche Situation entsteht, als eine vermeintlich „geschädigte Anlegerin“ ihre Unwissenheit über die Fragen nach Vereinssitzungen, Vorstandswahlen, „Rechenschaftsberichten“, usw. eingesteht. Als Reaktion auf das sichtbare Unverständnis eines Richters in Bezug auf ihre Antwort, stellt sie im Nachsatz sinngemäß klar, dass sie ja all die letzten Jahre auch noch ein „normales Bankkonto“ habe. Wer in dieser Bank gerade Vorsitzender sei, wann und wie dieser gewählt wurde und was gerade mit ihrem Geld getan würde, wisse sie ja auch nicht.
Andere Fragen dienen, teilweise versteckt, der Feststellung, ob über den Inhalt des Kapitalüberlassungsvertrages denn wirklich ordentlich aufgeklärt wurde bzw. ob denn die Kooperationskasse eventuell mit einer Bank hätte verwechselt werden können. Obwohl beides von allen Befragten immer wieder bestätigt wird, scheint man an den Aussagen dennoch zu zweifeln. So fragt Peter einfach direkt, ob es zu einer solchen Verwechslung kam. Klare Antwort: „Nein“.
Ähnliche Winkelzüge enthalten auch die Fragen des Psychologen, der mit deutlicher Verspätung zur Verhandlung kam. Warum er wieder direkt neben der Oberstaatsanwältin sitzt und sogar bei Dokumenteneinsicht mit vor an den Tisch der vorsitzenden Richterin geht, bleibt für mich weiterhin ein Rätsel. Offensichtlich ist sein Gutachten bezüglich Peter noch nicht abgeschlossen. Allerdings frage ich mich dann, wieso die vorsitzende Richterin zur Prozesseröffnung versichern konnte, dass Peter von diesem Gutachten nichts zu befürchten habe?
Der Psychologe fragt in die Richtung, welchen Eindruck die Überlasser von Peter gewonnen haben. Weil viele Peter positiv und angenehm kennen gelernt haben, sich teils sogar sehr beeindruckt von ihm zeigen, tippt er eifrig auf seinem Laptop. Im Verlauf der Verhandlung wird eröffnet, dass der Psychologe versucht herauszufinden, ob Peter mit seinem charismatischen Auftreten die Überlasser zum „Anlegen“ verführt oder gedrängt hat. Peter fragt dann, ob die Überlasser wegen ihm oder wegen der Vereinsziele eingetreten und Geld überlassen hätten. Es werden nahezu übereinstimmend die Ziele des Vereins ausgesagt. Er fragt eine Überlasserin sogar direkt, ob sie von ihm zur Kapitalüberlassung gedrängt wurde. „Um Gottes Willen, nein! Ich war doch mehrfach vor Ort und habe gesehen, was alles benötigt wird.“ Sie hat es freiwillig getan und wollte unterstützen. Danach folgen keine weiteren Fragen mehr in diese Richtung.
Ich grinse in mich hinein, weil Peter am 1. Verhandlungstag noch bedauert hat, dass er kein studierter Jurist ist und sich dennoch selbst verteidigen müsse, weil es ansonsten keiner verlässlich tun würde. An dieser Stelle bin ich froh, dass es so ist. Anstatt mit irgendwelchen Winkelzügen um den „heißen Brei“ herumzureden, stellt Peter einfach offene und direkt verständliche Fragen.
Bei all der Situationskomik dürfen die wahren Tragödien aber keinesfalls vergessen werden. So konnte dem Rückzahlungswunsch eines Kapitalüberlassers leider nicht in der gewünschten Höhe nachgekommen werden, als dieser vor einer Herausforderung stand. Jedoch konnte er diese anders meistern und hegt heute keinen Groll wegen dieser Situation. Niemand der an diesem Tag aussagenden Überlasser tut das. Einige sagen zwar, dass sie das Geld irgendwann gerne wieder hätten, allerdings beklagen sie vor den Richtern deutlich, wie dies unter diesen Umständen noch möglich sein soll. Denn erst durch die verschiedenen Polizeiaktionen, die angeblich im Interesse der „geschädigten Anleger“ durchgeführt wurden, seien sie als Überlasser wirklich geschädigt worden. Schließlich wurden dadurch ja nicht nur sämtliche Sachwerte beschlagnahmt, sondern auch Produktionsmaschinen und andere Werkzeuge, die einen Mehrwert hätten erzeugen können.
Eine Überlasserin hat ihr Geld indes vollständig zurückerhalten und doch stellt einer der Richter argwöhnisch fest, dass dies ja in zwei Raten erfolgte und es ein weiteres Jahr gedauert hat. Die Dame äußerte sich sehr zufrieden darüber, wie dies gelöst wurde. Der Art und Weise ihrer Aussage zufolge, ist ihr dies nach wie vor unangenehm. Wie wollte mit diesem Geld langfristig helfen, stattdessen benötigte sie es dann kurzfristig für eine unvorhergesehene medizinische Behandlung. Verständnis suchend blickte sie dabei zu Peter, der ihr zu verstehen gab, dass sie deswegen keinesfalls ein schlechtes Gewissen zu haben braucht. Dennoch hätte sie das Geld wohl lieber anders verwendet.
Peter blickt in den ruhigen Momenten des Tages durch die Zuschauerreihen und begrüßt nach und nach jeden Einzelnen. Ansonsten tippt er nahezu ununterbrochen mit konzentriertem Blick auf seinen Laptop. Ich freue mich. Nach fast 5 Monaten, kann er nun endlich richtig arbeiten und sich vernünftig auf seine Verteidigung vorbereiten – dachte ich zumindest. Denn es stellt sich heraus, dass in der Mittagspause ein Techniker den Laptop reparieren oder konfigurieren soll. Peter äußert Bedenken wegen seiner Daten, da er seine Fragen digital erstellt hat. Ihm wird versichert, dass er den Laptop nach der einstündigen Mittagspause wieder voll nutzen könne, da der Techniker sowieso nur ca. 15 Minuten brauchen würde. Es vergehen ca. 1,5 Stunden, bis der Laptop wieder da war. Ein Zeuge wird entlassen, ohne das Peter diesem seine vorbereiteten Fragen stellen konnte. Peter mag ein fotografisches Gedächtnis haben, doch wie könnte er unter diesen Umständen jede der vielen vorbereiteten Fragen im Kopf behalten?!
Im weiteren Verlauf des Tages stellt sich heraus, dass es wohl die digitalen Fallakten waren, die durch den Techniker auf seinen Laptop kopiert wurden. Leider wurde ihm wieder einmal kein dazugehöriges Passwort gegeben. Selbst seine Rechtsanwälte und sogar die Oberstaatsanwältin bemühen sich darum zu helfen, doch offensichtlich funktionieren auch deren Passwörter nicht. Es wird in Aussicht gestellt, dass der Laptop vielleicht am nächsten Tag richtig konfiguriert werden könnte. Peter bittet eindringlich darum, damit er den Prozess voranbringen kann. Denn der Umstand, welcher nach wie vor am meisten bemängelt wird ist, die vermeintlich fehlende Buchhaltung, vor allem in Bezug auf die Jahre 2011/2012. Aus diesem Grund kann zur Zeit noch nicht nachvollzogen werden, wohin bestimmte von Konten abgehobene Geldbeträge geflossen sind. Peter erklärt, dass es entsprechende Listen gab. Diese wurden in den ersten Jahren nur schriftlich und später zusätzlich digital geführt, wofür einer der weiteren Zeugen sogar verantwortlich war. Allerdings weiß Peter derzeit noch nicht, ob sich diese Buchhaltungsunterlagen unter den Prozessakten befinden oder unter den Akten, die im Zuge einer anderen Razzia beschlagnahmt wurden. Peter möchte beim Auffinden dieser entlastenden Listen sehr gerne helfen, hatte jedoch nach eigener Aussage bisher nur Zugriff auf etwa 6% der vermeintlichen Beweismittel.
Besonders zu erwähnen ist hinsichtlich der abgehobenen Geldbeträge, dass nach den Jahren der Finanzkrise 2007/2008 darauf geachtet wurde, überlassenes Kapital – gerade auch im Interesse der Überlasser – eben genau nicht auf den Konten der gefährdeten Systembanken zu belassen. So wurden größere Geldbeträge immer wieder von den Konten abgehoben und bar im eigenen Tresor verwahrt, bis es gemäß der Vereinssatzung und der Wünsche der Überlasser verwendet wurde. So wurden in ungewöhnlicher Art und Weise auch große Investitionen bar bezahlt, was auch der letzte Zeuge des Tages, der Vorbesitzer des Geländes des ehemaligen Krankenhauses in Apollensdorf-Nord bestätigt. Nach dessen Aussage hat Peter ihm nahezu alle erfolgten Raten für die An- bzw. Abzahlung in bar getilgt.
Als Zusammenfassung des Tages ist klar festzustellen, dass die befragten Kapitalüberlasser die Kooperationskasse nicht mit einer Bank verwechselten. Zudem haben sie alle den einseitigen Kapitalüberlassungsvertrag vollständig verstanden und sind bewusst etwaige Risiken eingegangen, weil ihnen die Förderung des Allgemeinwohls wichtiger war. Darüber hinaus haben einige der „geschädigten Anleger“ dieses 4. Verhandlungstages deutlich klargestellt, von wem sie sich wirklich geschädigt fühlen.
Die Staatsanwaltschaft kann also auch an diesem Verhandlungstag keine belastenden Beweise liefern. Leider ist der Verbleib wichtiger Buchhaltungsunterlagen weiterhin unklar, jedoch hat der ehemalige Eigentümer bestätigt, dass er 5- und 6-stellige Summen von Peter in bar erhalten hat.
Es ist mir durchaus verständlich, dass im Rechtssystem der BRD arbeitende Personen schon vielerlei Erfahrungen mit Straftaten wie Betrug, Veruntreuung, Geldwäsche, usw. gesammelt haben. Somit kann ich nachvollziehen, wenn sie auch in diesem Fall bestimmte Anzeichen dafür wittern. Allerdings scheint es, als ob einige dieser Personen, angesichts der überhäufenden Vielzahl an entlastenden Aussagen des heutigen Tages, ihren bisherigen Erfahrungen eine völlig neuartige hinzufügen konnten. Jedenfalls lassen mich die vielen überraschten und irritierten Gesichter des 4. Verhandlungstages darauf schließen. Aus diesem Grund entschließe ich mich auch dazu, dass die zu Beginn genannte Frage des Tages für mich weiterhin unbeantwortet und damit offen bleibt.
Ein generelles Opfer der aktuellen Zeitqualität scheint jedoch die Menschlichkeit zu sein. Aufgrund eines falschen Feueralarms musste die Verhandlung für etwa eine halbe Stunde unterbrochen werden. Während alle Anwesenden vom Justizpersonal dazu gedrängt werden, zügig den Raum zu verlassen, habe ich Gelegenheit dabei zuzusehen, wie Peter in aller Ruhe, zusätzlich zu seinen Fußfesseln, die Handschellen angelegt werden.
„Glauben denn manche Menschen wirklich noch daran, dass es irgendwie ausreichen könnte, wenn jeder immer nur blind seinen Dienst nach Vorschrift tut?“