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Reichsbürger muss vor das Amtsgericht
Mann rammt im Mai auf der Flucht mit einem Auto einen Streifenwagen – Staatsanwaltschaft erhebt Anklage
Schwaebische Zeitung (Sigmaringen)25 Sep 2019Von Dirk Thannheimer
FOTO: JOCHEN LÜBKE/DPA
Ein sogenannter Reichsbürger aus dem Raum Ostrach muss sich vor dem Amtsgericht Bad Saulgau verantworten. Er hatte im Mai auf der Flucht vor der Polizei einen Streifenwagen gerammt. Außerdem wird ihm versuchte Erpressung vorgeworfen, weil er Behördenleitern damit gedroht haben soll, Militär aufzubieten und seine Interessen mit Waffengewalt durchzusetzen.
BAD SAULGAU - Die Staatsanwaltschaft Ravensburg hat Anklage gegen einen sogenannten Reichsbürger erhoben. Das bestätigt Karl-Josef Diehl auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Die Liste der Vorwürfe gegen den Mann aus dem Raum Ostrach, der am 8. Mai dieses Jahres in Bad Saulgau mit seinem Auto auf der Flucht vor Polizeibeamten einen Streifenwagen gerammt hatte, ist lang: Neben Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und vorsätzlicher Körperverletzung muss sich der 59-Jährige auch wegen versuchter Erpressung und Bedrohung sowie Urkundenfälschung vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Bad Saulgau verantworten. Der Termin für die öffentliche Verhandlung steht noch nicht fest.
Der Reichsbürger war am frühen Morgen des 8. Mai mit einem Auto unterwegs, für das seit Herbst 2018 kein Versicherungsschutz mehr bestand. Das Auto gehörte zudem einer Konkursmasse einer Schweizer Firma an und hätte aufgrund eines Rechtshilfeersuchens aus der Schweiz beschlagnahmt werden sollen. Gegen den Reichsbürger wurde in der Schweiz wegen Erpressung und Bedrohung ermittelt, weil er Behörden nach Auskunft der Staatsanwaltschaft damit gedroht haben soll, Militär aufzubieten und seine Interessen mit Waffengewalt durchzusetzen. Und auch ein Bankinstitut in Vorarlberg erstattete aus den gleichen Gründe Anzeige gegen den Mann, nachdem ihm die Bank weitere Kredite verweigert hatte.
Polizist bringt sich in Sicherheit
Als ihn die Polizei am 8. Mai in der Ortsdurchfahrt von Bolstern bei einer gezielten Kontrolle stoppte, hielt der 59-Jährige zwar an, lehnte allerdings wegen seiner Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene jegliche Zuständigkeit der Polizei ab und berief sich stattdessen auf seinen angeblichen „Diplomatenstatus“. Beim Versuch eines Polizeibeamten, den Zündschlüssel abzuziehen, um die Weiterfahrt zu unterbinden, fuhr der Reichsbürger unvermittelt los. Der Polizist konnte sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Der Reichsbürger setzte seine Fahrt fort, wurde aber von der Polizei verfolgt. In der Sießener Straße umfuhr er eine Polizeisperre, indem er über einen Gehweg fuhr.
Einer Streifenwagenbesatzung gelang es kurz danach, sich neben das Auto des Reichsbürgers zu stellen. Doch er lenkte ruckartig nach links und rammte dabei einen Streifenwagen. Nachdem der Reichsbürger danach noch eine rote Ampel überfahren hatte, konnte er letztendlich von den Polizeibeamten in der Paradiesstraße gestellt und trotz seines Widerstands festgenommen werden. Noch am selben Abend wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft Ravensburg nach richterlicher Anordnung sowohl das Anwesen des im Raum Ostrach wohnhaften Mannes und seine Geschäftsräume in Bad Saulgau durchsucht. Es wurden aber keine Waffen gefunden. Bei der Gemeindeverwaltung in Ostrach ist indes bekannt, dass sich der 59-Jährige seit mehreren Jahren zur Reichsbürgerszene zählt. Ostrachs Bürgermeister Christoph Schulz hatte damals auf Anfrage der SZ mitgeteilt, dass der Mann schon mehrfach Probleme gemacht habe – etwa wegen Zahlungsverweigerungen und finanziellen Ansprüchen, die er gegenüber der Gemeinde Ostrach geltend machen wollte. Nach SZ-Informationen soll das Haus des Reichsbürgers am 9. Oktober zwangsversteigert werden.
Keine Fluchtgefahr
Der 59-Jährige wurde nach der vorläufigen Festnahme wieder auf freien Fuß gesetzt, weil es keinen Haftgrund gab und kein dringender Verdacht für eine Fluchtgefahr bestand. Der Reichsbürger erhält demnächst eine Vorladung vom Amtsgericht Bad Saulgau. „Wir haben das Verfahren übernommen und ein Schöffengericht bestellt, weil ein Verbrechenstatbestand vorliegt“, sagt KarlJosef Diehl.
Der 59-Jährige habe, so Diehl, bei den Vernehmungen zu den Tatvorwürfen keine Angaben gemacht. Die Staatsanwaltschaft habe außerdem angeregt, den Mann begutachten zu lassen. Wann genau die Verhandlung sein wird, konnte Klaus-Peter Zell, Direktor des Amtsgerichts Bad Saulgau, noch nicht sagen. „Ich muss erst einen Pflichtverteidiger bestellen“, sagt Zell, der die dicke Akte jedenfalls schon studiert hat.