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Update: Freitag, 7. Januar 2022, 16.46 Uhr
Mutmaßlicher Holocaustleugner und drei Mitangeklagte vor Gericht
Mannheim. (dpa) Unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen hat am Freitag vor dem Landgericht Mannheim der Prozess gegen einen als rechtsextremistisch eingestuften, selbst ernannten "Druiden" und drei weitere Männer wegen Verstoßes gegen das Waffenrecht begonnen. Der 71-jährige Hauptangeklagte muss sich auch wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung verantworten.
Laut Staatsanwaltschaft (Az.: 4 KLs 530 Js 30566/17) soll er auf einer bei Neonazis beliebten Internetplattform den Holocaust geleugnet, zum Mord an Juden aufgerufen und gegen Flüchtlinge gehetzt haben. Mit seinen Äußerungen habe der Mann nationalsozialistische Verbrechen verharmlost und geleugnet, sagte Staatsanwalt Thomas Röber am Freitag vor der vierten Strafkammer. "Damit ist der öffentliche Frieden gestört worden."
Die zwischen Ende 2015 und April 2016 veröffentlichen Beiträge des 71-Jährigen waren laut Anklage geeignet, das Vertrauen der Menschen in die Rechtssicherheit zu erschüttern und das gesellschaftliche Klima zu vergiften. Im Juni 2019 hatte der den sogenannten Reichsbürgern nahe stehende Mann nach früheren Angaben im Netz den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke begrüßt. Am Rande der Verhandlung wies der Angeklagte, der mit langem weißen Haar, langem Bart und einer Halskette mit keltischen Motiven auftrat, den Vorwurf der Volksverhetzung zurück.
Er und die drei weiteren Beschuldigten sollen sich wegen eines aus ihrer Sicht drohenden Zusammenbruchs der staatlichen Ordnung mit einem ganzen Waffenarsenal ausgestattet haben - zum Selbstschutz, wie sie sagten. Die Polizei fand bei Hausdurchsuchungen im Jahr 2017 bei dem Quartett Tausende Patronen, selbstgebaute Pistolen, Schießkugelschreiber, einen Flammenwerfer und explosive Stoffe, darunter 1,4 Kilogramm Schwarzpulver.
Gegen den "Druiden" hatte die Bundesanwaltschaft bereits 2017 wegen Terrorverdachts ermittelt. Sie hatte ihre Ermittlungen gegen ihn und fünf mutmaßliche Komplizen wegen Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung aber seinerzeit nicht weiterverfolgt, weil sich der Terrorismus-Verdacht nicht hatte belegen lassen. Stattdessen gab sie das Verfahren ab an die Karlsruher Staatsanwaltschaft. Diese erhob Anklage beim Landgericht Mannheim gegen den 71-Jährigen und drei mutmaßliche aus dem Rhein-Neckar-Kreis stammende Gesinnungsgenossen wegen des Verdachts des unerlaubten Erwerbs von Munition. Der Anführer wohnte zeitweise auch im Rhein-Neckar-Kreis.
Der Prozess beginnt erst mit einem so langen zeitlichen Abstand zu den Taten zwischen 2015 und 2017, weil laut einem Gerichtssprecher Haftsachen vorrangig behandelt wurden. Die vier Angeklagten sind derzeit nicht in Untersuchungshaft. Bis zum 8. April sind neun Folgetermine vorgesehen.
Update: Freitag, 7. Januar 2022, 13.40 Uhr
Prozess gegen "Druide" Karl B. und Komplizen beginnt
Von Alexander Albrecht
Mannheim/Schwetzingen. Schon vor zehn Jahren hat der selbst ernannte "Druide Burgos von Buchonia" in der Region von sich Reden gemacht. Er gründete in Brühl den "Förderverein Steinkreis" und errichtete auf dem örtlichen Friedhof ein kleines "Stonehenge" – obwohl ihm das der Gemeinderat untersagt hatte. Schließlich musste der inzwischen 71-jährige Karl Burghard B. die Kultstätte aus Gründen des Landschaftsschutzes wieder abbauen.
Ab diesem Freitag muss sich der von den Behörden als Rechtsextremist und Reichsbürger eingestufte Mann gemeinsam mit drei weiteren Angeklagten vor dem Mannheimer Landgericht verantworten. Das Quartett wollte sich laut Staatsanwaltschaft zwischen 2015 und 2017 mit Schusswaffen und Munition gegen den angeblich drohenden Kollaps der staatlichen Ordnung wappnen.
Bei Karl B., dem Hauptangeklagten und mutmaßlichen Strippenzieher, kommt noch Volksverhetzung hinzu. Der "Druide" war Anfang 2017 wegen Terrorverdachts ins Visier der Bundesanwaltschaft geraten. Die Beamten durchsuchten damals dessen Wohnung in Schwetzingen. B. wurde verdächtigt, sich zusammen mit fünf Komplizen, die vorwiegend über soziale Medien miteinander vernetzt waren, zu einer rechtsextremistischen Vereinigung zusammengeschlossen zu haben.
Die sechs Männer sollten demnach bewaffnete Angriffe auf Polizisten, Asylsuchende und Juden geplant haben. Die Karlsruher Behörde stellte die Ermittlungen jedoch ein, da sich der Terrorverdacht nicht hatte belegen lassen. Stattdessen gab sie das Verfahren an die Staatsanwaltschaft ab. Diese erhob im Februar 2019 Anklage beim Landgericht Mannheim gegen vier Beschuldigte. Dieser Prozess startet nun.
Ebenfalls 2019 soll Karl B. den Ermittlern zufolge im russischen sozialen Netzwerk VK, einer bei Neonazis beliebten Internetplattform, zum Mord an politischen Gegnern aufgerufen haben. Zur Begründung hieß es, es sei "die Zeit der aktiven Notwehr gekommen". Zudem habe er den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke begrüßt. Bei Wohnungsdurchsuchungen zwei Jahre zuvor stellte die Polizei Munition, Schusswaffen, Sprengstoff, Schießkugelschreiber, zwei Kilogramm Schwarzpulver, Molotowcocktails und Sprengstoff sicher.
Zwei der vier Angeklagten, die alle der Reichsbürgerszene nahestehen sollen, leben oder lebten im Rhein-Neckar-Kreis, Karl B. soll die Region Schwetzingen bereits vor längerer Zeit verlassen haben. Der Begriff "Buchonia" gilt als historische Bezeichnung für die Nord-Rhön, an der das unterfränkische Bischofsheim liegt. Dort soll der "Druide" zunächst gewohnt und als esoterischer Geschichtenerzähler Besucher durch die Landschaft geführt haben. Die Sicherheitsvorkehrungen bei dem Prozess sind hoch, sowohl wegen Corona als auch des erwartet hohen öffentlichen Interesses. Es wurde eine Einlasskontrolle angeordnet, der sich alle Zuhörer und Zeugen unterziehen müssen.
Update: Donnerstag, 6. Januar 2022, 19.29 Uhr
Angeklagte Reichsbürger wollten sich bewaffnen
Von Alexander Albrecht
Mannheim.Vier mutmaßliche "Reichsbürger" müssen sich ab Freitag, 7. Januar, vor dem Mannheimer Landgericht verantworten, die Staatsanwaltschaft wirft den Männern im Alter von 57 bis 71 Jahren unter anderem unerlaubten Besitz von Munition vor. Sie sollen laut Anklage zwischen 2015 und 2017 beschlossen haben, sich zu bewaffnen – zum Selbstschutz und aus der Überzeugung heraus, dass die staatliche Ordnung zusammenzubrechen drohe.
Der handwerklich begabte Angeklagte Frank E. stellte den Ermittlungsergebnissen zufolge Waffen und Waffenteile her und gab diese an Karl B. weiter. Die Munition erhielt dieser von Klaus D., einem Sportschützen. Karl B. soll Waffen und Munition in seiner Wohnung im Rhein-Neckar-Kreis sowie in den Wohnungen seiner beiden Freundinnen aufbewahrt oder an andere Personen weitergereicht haben, unter anderem an Thiemo B., den vierten Angeklagten.
Karl B., Thiemo B. und Frank E. hatten offenbar nicht die erforderliche Erlaubnis für den Umgang mit Schusswaffen und Sprengstoffen. Klaus D. und Frank E. durften weder Schusswaffen herstellen, noch war es ihnen gestattet, diese und Munition an andere Personen weiterzugeben.
Klaus D. soll zwischen Sommer 2016 und Januar 2017 als Inhaber einer Waffenbesitzkarte eine drei- bis vierstellige Zahl an Patronen für eine Parabellum-Pistole gekauft und Karl B. ausgehändigt haben. Bei der Festnahme auf seinem Anwesen in Rheinland-Pfalz entdeckten die Ermittler weitere 100 Patronen eines Kalibers, für die er keine Erlaubnis hatte.
Bei Frank E. fanden die Ermittler bei der Hausdurchsuchung im Rhein-Neckar-Kreis eine große Menge an Munition sowie mehrere selbst gebaute Waffen und Waffenteile. Dazu zählten etwa ein Flammenwerfer, mehrere Einzelladerkurzwaffen ("Slam Guns") und 1,4 Kilo Schwarzpulver. Ebenfalls im Rhein-Neckar-Kreis schlugen die Ermittler bei Thiemo B. zu. Er hatte in seinem Auto eine nicht durchgeladene, halb automatische Selbstladepistole griffbereit. In der Wohnung des Mannes fielen den Ermittlern selbst hergestellte Schusswaffen, ebenfalls "Slam Guns" und ein Schießkugelschreiber in die Hände.
Karl B. soll eine vierstellige Zahl erworbener Patronen zum Teil für sich behalten, zum Teil mit Gewinn weiterveräußert haben. Einem verdeckten Ermittler verkaufte er nach Behördenangaben im November 2016 für 250 Euro einen aus einer Wühlmausfalle gebauten Schussapparat. Zuvor soll Karl B. auf seinem Profil eines Sozialen Netzwerks, für alle Nutzer frei zugänglich, zahlreiche Beiträge verbreitet haben, in denen er den Holocaust leugnete, zum Mord an Juden aufrief und gegen Geflüchtete hetzte.
Dadurch habe er eine feindselige Haltung gegenüber diesen Bevölkerungsgruppen erzeugen und zu "erheblichen rechtswidrigen Taten" gegen sie aufrufen wollen, ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Zudem habe er Juden wie Geflüchtete bewusst als minderwertig dargestellt. Das Gericht hat für den Prozess zehn Verhandlungstage angesetzt.