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Monika Marons zuletzt bei S. Fischer veröffentlichter Roman "Arthur Lanz" sorgte für sehr geteilte Meinungen. Darin lässt die Autorin ihre Romanfiguren Debatten über die Unmöglichkeit von "deutschen Helden" führen und über einen Weg ins "Grüne Reich" spekulieren. Solche Vergleiche und die bisweilen irritierende Wortwahl verstörten Leser wie Kritiker gleichermaßen, Verrisse waren die Folge. Konservative Blätter wie die Würzburger "Tagespost" schrieben dagegen von einem "Abschlachten" der Autorin durch die Rezensenten und bezeichneten den Roman als "wundervoll leicht und augenzwinkernd provokativ". Dem BR sagte Maron im August, sie wolle "nicht provozieren", sondern fühle sich "eher provoziert durch das, was um mich herum passiert". In der Literatur-Branche, und nicht nur da, steht Maron wegen ihrer betont konservativen Positionen unter "Rechts-Verdacht", ein Vorwurf, den sie selbst nicht gelten lässt: "Den kannte ich in der DDR sowieso. Also, wer da nicht für den Frieden war, war für den Klassenfeind und gab dem Westen Munition. Daran kann man nichts ändern."
"Das fand ich eher komisch"
In einem aufsehenerregenden Interview mit der "Welt am Sonntag" machte Maron, die sich selbst als "freiheitssüchtig" bezeichnet, jetzt bekannt, dass sich ihr langjähriger Verlag S. Fischer von ihr getrennt habe. Zu den Gründen sagte sie: "Das kann ich nur vermuten. Natürlich weiß ich, dass man nicht mit allen meinen politischen Äußerungen zum Islam und zur Flüchtlingspolitik glücklich ist. Bei meinem Buch 'Munin oder Chaos im Kopf', das 2018 erschienen ist, gab es jedenfalls schon vor der Veröffentlichung vonseiten des Verlages allerlei Bedenken und schriftliche Hinweise, um mich vor mir selbst zu beschützen, wie mir gesagt wurde. Das fand ich eher komisch."
Seit Maron kürzlich in der Dresdener "edition buchhaus loschwitz" den Essay-Band "Krumme Gestalten, vom Wind gebissen" veröffentlichte, sorgte sie bei ihren Widersachern für neue Empörung. Der Verlag der Buchhändlerin Susanne Dagen macht immer wieder mit "neurechten" Äußerungen Schlagzeilen. Für Maron ist Dagen dagegen eine "Oppositionelle, die manchmal auch übers Ziel hinausschießt". Vertrieben wird der Essay-Band von Götz Kubitschek, dem Chef des "Antaios"-Verlags, der ebenfalls als "neurechts" gilt, von Kritikern jedoch als rechtsextrem bezeichnet wird.
Dass die Buchreihe "Exil" heißt, findet Maron zwar nicht "glücklich", schränkt jedoch ein: "Gemeint ist damit auch eher ein Rückzug aus dem ideologisch aufgeladenen Gezeter in die Sprache der Literatur. Assoziiert wird damit aber natürlich auch die deutsche Exilliteratur während des Nationalsozialismus, und das wäre absurd. Dass der politisch mir ferne Kubitschek die Bücher vertreibt, wusste ich nicht – zeigen Sie mir mal einen Autor, der sich um den Vertrieb kümmert. Kubitschek listet aber auch meine Fischer-Romane, der Verlag kann ihn nicht einmal daran hindern, weil jeder sich bei jedem Barsortimenter damit eindecken kann."
"Ehrabschneiderisch und existenzbedrohend"?
Monika Maron zufolge ist "vielen offenbar das Argumentieren zu mühsam", ihrer Meinung nach verkürzt "moralische Ausgrenzung die Debatte". In der "Welt" sagte sie: "Bei Gesprächen nach Lesungen höre ich oft, dass die Leute vor drei Sachen Angst haben: eben davor, ausgegrenzt zu werden; Angst vor unversöhnlichem Streit mit Freunden und Familie; einige haben sogar Angst, ihre Arbeit zu verlieren, wenn sie das Falsche sagen. Nun ist es ja ein gängiges Argument, dass man alles sagen dürfe – nur müsse man eben auch mit Gegenwind rechnen. Was in gewisser Weise natürlich stimmt. Wenn der Gegenwind aber nicht heftige Widerrede und lebendiger Streit ist, sondern ehrabschneiderisch oder sogar existenzbedrohend, dann ist eine vernünftige, gleichberechtigte Diskussion nicht mehr möglich. Wer eine öffentliche Stimme hat, kann sich noch wehren, andere gehen dann vielleicht einfach in Deckung oder verhärten sich."
Rechtskonservative Websites wie "'Tichys Einblick" wittern bereits einen "Verrat an der Freiheit der Literatur" und werfen dem S. Fischer-Verlag vor, "Parteiliteratur" im Sinne Lenins zu verbreiten. In einem "Offenen Brief" des Münchner Publizisten Boris Blaha heißt es polemisch, die Trennung des Verlags von seiner langjährigen Autorin sei an "Niedertracht nicht mehr zu überbieten".
Verlag nennt Grund für die Trennung
Der S. Fischer Verlag bestätigte dem BR die Trennung von Monika Maron. Siv Bublitz, die verlegerische Geschäftsführerin der S. Fischer-Verlage, äußerte sich in einer kurzen Pressemitteilung: "Man kann nicht bei S. Fischer und gleichzeitig im Buchhaus Loschwitz publizieren, das mit dem Antaios Verlag kooperiert.” Über die Gründe, der Autorin über die bestehenden Verträge hinaus keine neuen Buchverträge anzubieten, habe es in den vergangenen Monaten einen "intensiven Austausch" zwischen Autorin und Verlag gegeben.
Die bei Fischer erschienenen Bücher von Monika Maron blieben, wenn es nach dem Wunsch des Verlags gehe, weiterhin im Programm. Für das kommende Jahr im Mai ist Monika Marons Essay-Band "Was ist eigentlich los?" angekündigt. Dabei soll es nach Informationen des BR von Seiten des Verlags auch bleiben. Der "Süddeutschen Zeitung" schrieb die Autorin allerdings zwischenzeitlich eine Mail, wonach sie kein Interesse mehr an einer weiteren Zusammenarbeit mit S. Fischer hat. Das Angebot, bereits erschienene Texte zu ihrem 80. Geburtstag am 3. Juni 2021 noch einmal zu veröffentlichen, sei "offenbar nur ein Manöver" gewesen, das sie glauben machen sollte, der Verlag werde "auch einen nächsten Buchvertrag mit mir machen": "Die Verlagsleitung hat dann aber ein ganz und gar unpolitisches Manuskript von mir ungelesen abgelehnt mit der Botschaft: dieses nicht und auch kein anderes. Der Essayband wird nicht bei S. Fischer erscheinen."
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Literaturbetrieb
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S. Fischer Verlag trennt sich von Monika Maron
Von „Flugasche“ im Jahr 1981 bis „Artur Lanz“ im August 2020 reichen die Veröffentlichungen der Berliner Autorin bei S. Fischer. Wie kam es zum Zerwürfnis?
19.10.2020 - 18:29, Cornelia Geißler
Monika Maron im Sommer vor ihrem Haus in Mecklenburg-Vorpommern.
Foto: Ostkreuz/Sebastian Wells
BerlinLesern kann es im Grunde egal sein, in welchem Verlag ein Buch erscheint, Hauptsache, es lässt sich im Buchhandel erwerben. Einem Autor ist das weniger gleichgültig, denn es knüpfen sich Sorgfalt dem Manuskript gegenüber, Aufmerksamkeit über Werbung und Presse, die Akzeptanz im Buchhandel und natürlich das Geld daran. Als Monika Maron 1980 für ihren ersten Roman einen Verlag suchte, fand sie ihn nicht in dem Staat, in dem sie lebte und in dem die Geschichte angesiedelt war, in der DDR. Der S. Fischer Verlag in Frankfurt am Main druckte den Roman „Flugasche“.
Die Autorin blieb noch ein paar Jahre in Pankow wohnen, bis sie den Staat, der ihre Texte ohnehin nicht wollte, verließ. Als sie in den Westen kam, führte sie gerade einen öffentlichen Briefwechsel mit dem Münchener Schriftsteller Joseph von Westphalen im Zeit-Magazin, sie war prominent. Zwar musste sie sich in Hamburg eine Wohnung suchen, doch ein Zuhause hatte sie bereits – den Verlag, der nach „Flugasche“ bereits zwei weitere Bücher von ihr veröffentlicht hatte und bald darauf auch die deutsch-deutschen Briefe in Buchform herausbrachte.
Ausflug zu einem Verlag mit neurechtem Umfeld
Monika Maron, die seit Anfang der 90er-Jahre wieder in Berlin beziehungsweise in einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern wohnt, ist nun das Verhältnis mit dem Verlag, der seit vierzig Jahren ihre Bücher herausbringt, gekündigt worden. Der Bayerische Rundfunk erwähnt ein „aufsehenerregendes Interview“, in dem Maron dies bekanntgegeben hätte, bezieht sich auf ein an diesem Wochenende in der Zeitung Welt am Sonntag erschienenes Gespräch mit der Autorin. Die Gründe für die Trennung könne sie nur vermuten, sagt sie da.
Auf Nachfrage erzählt Monika Maron am Telefon, ihr Lektor habe ihr im Auftrag der Verlegerin Siv Bublitz mitteilen sollen, dass es im S. Fischer Verlag kein neues Buch von ihr geben werde. Sie sei „politisch unberechenbar“.
Der Vorgang hat einen Vorlauf, über den schon in der Berliner Zeitung zu lesen war. Monika Maron hatte im Frühjahr dieses Jahres ein Buch mit Essays unter dem Titel „Krumme Gestalten, vom Wind gebissen“ veröffentlicht, allerdings nicht in ihrem Hausverlag S. Fischer, sondern in der Edition Buchhaus Loschwitz unter dem Reihentitel „Exil“. Vertrieben werden diese Bücher von der Buchhändlerin Susanne Dagen über den Antaios Verlag. Dessen politische Positionierung ist eindeutig dem rechten Spektrum zuzuordnen, der Gründer Götz Kubitschek ist nicht nur ein enger Vertrauter des AfD-Mannes Björn Höcke, sein „Institut für Staatspolitik“ ist vom Verfassungsschutz wegen „Anhaltspunkten für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ als Verdachtsfall eingestuft worden.
Als meine Kollegin Anja Reich und ich im Sommer zum Interview zu Monika Maron fuhren, befragten wir sie auch zu diesem Buch. Wir wollten wissen, warum sie sich damit in neurechtes Umfeld begeben hatte. Monika Maron sagte dazu: „Ich war mit dem Titel ,Exil‘ nicht glücklich, ich bin ja nicht im Exil. Dem vorausgegangen war, dass ich meinem Verlag S. Fischer gesagt habe, ich hätte zu meinem 80. Geburtstag im nächsten Jahr gern eine Veröffentlichung, ob sie nach zehn Jahren nicht wieder mal einen Essayband machen wollten. Das wollten sie nicht. Und dann kam Susanne Dagen und fragte: Monika, hast du nicht was? So war das.“
Wir setzten nach und fragten, ob es nicht besser wäre, sich von Dagen abzugrenzen. Sie antwortete: „Ich grenze mich grundsätzlich nicht von Freunden ab, nur weil wir vielleicht unterschiedlicher Meinung sind. Und warum von Susanne? Sie ist eine Oppositionelle mit einem leidenschaftlichen Sinn für Gerechtigkeit. Sie sitzt für die Freien Wähler im Dresdener Stadtrat, war mehrfach ,Beste Buchhändlerin‘. An ihrem Aufruf, die Stände rechter Verlage auf der Buchmesse nicht zu zerstören, kann ich nichts Falsches finden. Es gibt auch radikale islamistische Stände auf der Messe, die werden auch nicht angegriffen. Offenbar gilt inzwischen jeder als rechts, der nicht links ist.“
Eindeutige Botschaft der S.-Fischer-Verlegerin
Bei einem Anruf im S. Fischer Verlag hieß es, dass die Verlegerin keine Interviews gebe. Am späteren Montagnachmittag schickte die Presseabteilung jedoch eine Erklärung mit dem Titel „Betr.: Monika Maron“. Darin heißt es, „über die Gründe, der Autorin über die bestehenden Verträge und einen für 2021 geplanten Essayband hinaus keine neuen Buchverträge anzubieten, gab es in den vergangenen Monaten einen intensiven Austausch zwischen Dr. Siv Bublitz, der Verlegerischen Geschäftsführerin der S. Fischer Verlage, und der Autorin beziehungsweise ihrer Agentur“. Die Verlegerin selbst wird mit einem knappen Satz zitiert: „Man kann nicht bei S. Fischer und gleichzeitig im Buchhaus Loschwitz publizieren, das mit dem Antaios Verlag kooperiert.“ Weiter wird erklärt, dass Monika Marons bisher im Verlag publizierte Bücher weiterhin im Programm blieben, „wenn es nach dem Wunsch des Verlages geht“. Der Essayband zum 80. Geburtstag der Autorin, der bereits in der Frühjahrsvorschau angekündigt ist, werde wie geplant erscheinen.
Die Autorin allerdings sagt nun wiederum nach einem Rückruf, keinen Vertrag für dieses Buch unterschrieben zu haben.
Anfang August war Monika Marons Roman bei S. Fischer erschienen. Darin geht es um die Möglichkeiten von Heldentum in der Gegenwart. Eine Kernfrage ist, dass es möglich sein muss, miteinander auszukommen, auch wenn man unterschiedlicher Meinung ist. Nun kann der S. Fischer Verlag, so sieht es aus, die Meinung seiner Autorin nicht mehr aushalten.