Wenn auch nicht unmittelbar der "Presse" entnommen, nachstehend ein Fund aus Bayern:
Offenbar ein nicht auf hoher See verschollener, lebendig bestußter Mensch, der sich vermutlich ein bißchen mit dem Prozessrecht beschäftigt hatte. Zu der Verhandlung über seinen Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid erschien er offenbar, so dass das Gericht nicht einfach nach § 74 II OWiG verwerfen konnte. Der Urteilsverkündung wohnte er aber nicht mehr bei (weil ja die Verhandlung nie eröffnet wurde...). Nach Zustellung der Entscheidung (die nicht in seinem Sinne ausfiel) wollte er dann zu Protokoll bei der Geschäftsstelle Beschwerde einlegen. Das scheitert dann aber daran, dass er den dort angetroffenen Mitarbeitern seine Identität nicht in der verlangten Form nachweisen konnte/wollte (Lob an dieser Stelle an die konsequente Bayerische Justiz).
Spoiler
OLG Bamberg, Beschluss v. 24.03.2017 – 2 Ss OWi 329/17
Titel:
Folgen der Weigerung, sich vor Abgabe einer Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle auszuweisen
Normenketten:
OWiG § 80 Abs. 3, Abs. 4 S. 1
StPO § 345 Abs. 2, § 346 Abs. 1
RPflG § 24 Abs. 1 Nr. 1a
Leitsätze:
1. Mit der Verwerfung der (Zulassungs-)Rechtsbeschwerde bzw. der Revision durch das Tatgericht nach § 346 I StPO vor Ablauf der Monatsfrist des § 345 I StPO hat es sein Bewenden, wenn die verfrühte Verwerfung im Ergebnis zu Recht erfolgt ist (u.a. Anschluss an BGH, Beschl. v. 13.01.1994 – 4 StR 730/93 = NStZ 1995, 20 [bei Kusch]; OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.02.2003 – 3 Ss 386/02 = NStZ-RR 2003, 204).
2. Anlässlich der persönlichen Einlegung oder Begründung der Rechtsbeschwerde oder Revision zu Protokoll der Geschäftsstelle kann von dem zur Aufnahme nach § 24 I Nr. 1 RPflG zuständigen Rechtspfleger zur Überprüfung der Legitimation des Erklärenden die Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises verlangt werden. Wird sie grundlos verweigert, ist der Urkundsbeamte weder zur Protokollierung verpflichtet, noch kommt deshalb eine Wiedereinsetzung in Betracht.
Schlagworte:
Rechtsbeschwerde, Zulassungsantrag, Rechtsbeschwerdebegründung, Protokollaufnahme, Geschäftsstelle, Urkundsbeamter, Rechtspfleger, Identitätsfeststellung, Legitimation, Ausweis, Wiedereinsetzung, Rechtsbeschwerde, Zulassung der Rechtsbeschwerde, Antrag, Begründung, Protokoll, Geschäftstelle, Urkundsbeamter, Rechtspfleger, Identitätsfeststellung, Wiedereinsetzung
Gründe
1 Das AG verurteilte den Betr. am 10.11.2016 wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 25 €. Dem Betr., der zu Beginn der Hauptverhandlung erschienen war, sich aber während der Verlesung des Bußgeldbescheides aus dem Sitzungssaal entfernte, wurde das in seiner Abwesenheit ergangene Urteil nebst Rechtsmittelbelehrung am 06.12.2016 zugestellt. Am 12.12.2016 erschien vor der zuständigen Rechtspflegerin des AG eine dieser unbekannte männliche Person und begehrte die Aufnahme einer Rechtsbeschwerde nebst Begründung zu Protokoll der Geschäftsstelle. Der Aufforderung der Rechtspflegerin, sich mittels eines Personalausweises oder Reisepasses zur Feststellung der Identität auszuweisen, kam die Person nicht nach, woraufhin die Rechtspflegerin von der Aufnahme des Protokolls absah. Die Person übergab daraufhin eine undatierte schriftliche Erklärung, aus der sich als Verfasser der Betroffene ergab und in der dieser sich gegen das im Verfahren ergangene Urteil wandte. Im Wesentlichen wurde geltend gemacht, es handele sich um ein willkürliches Scheinurteil, da den mit der Sache befassten Bediensteten die Befugnis fehle, im konkreten Fall tätig zu werden und das Urteil auf der Basis ungültiger Gesetze ergangen sei. Die am Richterpult anwesende Person habe es abgelehnt, sich zu legitimieren. Die Hauptverhandlung sei nie eröffnet und essentielle Fragen rechtswidrig unterbunden worden, so dass rechtliches Gehör verletzt worden sei. Am 13.01.2017 verwarf das AG den Antrag des Betr. auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unzulässig, da das Rechtsmittel nicht innerhalb der Monatsfrist formgerecht begründet worden sei. Die Verwerfungsentscheidung wurde dem Betr. am 27.01.2017 zugestellt. Mit beim AG am 03.02.2017 eingegangenem Schreiben beantragte der Betr. die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Sein Antrag blieb ohne Erfolg.
2
Der zulässige und insbesondere auch fristgerecht eingelegte Antrag des Betr. auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 346 II 1 StPO i.V.m. § 80 IV 2 OWiG) hat in der Sache keinen Erfolg. Die auf § 346 I StPO i.V.m. § 80 IV 2 OWiG gestützte Verwerfungsentscheidung des AG vom 13.01.2017 entspricht im Ergebnis der Sach- und Rechtslage.
3
1. Nach am 06.12.2016 erfolgter Zustellung des in Abwesenheit des Betr. ergangenen Urteils des AG vom 10.11.2016 musste der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde binnen 1 Woche nach Zustellung des Urteils bei dem AG eingelegt und anschließend innerhalb eines Monats - gerechnet ab dem Ende der Wochenfrist - begründet werden. Mit dem am 12.12.2016 im AG übergebenen Schreiben des Betr. wurde der Antrag des Betr. auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des AG vom 10.11.2016 zwar fristgerecht eingereicht, hätte aber (da die Revisionsbegründungsfrist am 14.12.2016 zu laufen begonnen hat und der 14.01.2017 ein Samstag war) bis zum Ablauf des 16.01.2017 entweder zu Protokoll der Geschäftsstelle oder mittels einer vom Verteidiger oder von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift (§ 80 III 3 OWiG i.V.m. § 345 II StPO) begründet werden müssen, was vorliegend - auch in der Folgezeit - nicht der Fall war.
4
2. Zwar hätte die Verwerfung des Antrags des Betr. auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des AG vom 10.11.2016 erst unmittelbar nach Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist, frühestens also am 17.01.2017 erfolgen dürfen. Allerdings ist die vorliegend verfrüht erfolgte Verwerfung jedenfalls deshalb unschädlich, weil die Entscheidung im Ergebnis zu Recht ergangen ist (BGH, Beschl. v. 13.01.1994 – 4 StR 730/93 = NStZ 1995, 20 [bei Kusch]; OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.02.2003 – 3 Ss 386/02 = NStZ-RR 2003, 204; KK/Gericke StPO 7. Aufl. § 346 Rn. 10).
5
3. Gründe für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung des Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.
a) Soweit der Betr. im Beschwerdeverfahren geltend machen will, dass er es gewesen sei, der sich am 12.12.2016 vor dem AG eingefunden habe und die Rechtsbeschwerdebegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle habe erklären wollen, und dass er sich ausreichend zu erkennen gegeben habe, rechtfertigt dies eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nicht. Zwar hat der Betr. einen Anspruch darauf, dass der nach § 24 I Nr. 1a RPflG zur Aufnahme der Erklärung zuständige Rechtspfleger sein Vorbringen zur Erhebung von Verfahrensrügen sowie seine Ausführungen zur Sachrüge, soweit nicht völlig neben der Sache liegend, aufnimmt (LR/Franke StPO 26. Aufl. § 345 Rn. 38 ff.). Die Aufnahme des Protokolls setzt jedoch persönliche Anwesenheit des Betr. oder seines Vertreters vor dem Urkundsbeamten voraus (BayObLG NJW 1976, 157). Es gehört zum Wesen des Protokolls, dass der Beteiligte sich vor dem Urkundsbeamten erklärt, und dass dieser das von ihm Erklärte beurkundet. Mithin muss der Urkundsbeamte sich Gewissheit verschaffen, mit wem er verhandelt (OLG Hamm NJW 1952, 276) und Klarheit über den Inhalt von dessen Erklärungen erhalten (KK/Paul § 314 Rn. 7). Denn das Protokoll erbringt als öffentliche Urkunde den vollen Beweis dafür, dass eine bestimmte Erklärung von der im Protokoll bezeichneten Person abgegeben wurde, § 415 ZPO (BGH NJW 1981, 1627 unter Hinweis auf RGSt 48, 78, 81). Die Formerfordernisse des § 345 II StPO i.V.m. § 80 IIII 3 OWiG sollen insoweit verhindern, dass ein Rechtsmittel schon von vornherein an Formfehlern und sonstigen Mängeln leidet. Sie dienen nicht allein den Interessen des Betr., sondern sollen auch das Rechtsbeschwerdegericht entlasten, dem die Prüfung grundloser oder unsachverständiger Anträge erspart werden soll (LR/Franke § 345 Rn. 17 mit Hinweis auf BGH NStZ 1984, 563); die persönliche Anwesenheit des Betr. bzw. seines Vertreters soll die stets erforderliche Beratung und Besprechung von Einzelfragen bei der Aufnahme der Erklärung sicherstellen (KK/Gericke § 345 Rn.10, 20). Wie sich der zuständige Rechtspfleger Gewissheit über die Identität eines ihm nicht bekannten Beteiligten verschafft, liegt in seinem Ermessen und hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. In geeigneten Fällen mag die Feststellung der Identität aufgrund eigener Sachkunde ausreichend sein, im Regelfall aber wird dies durch Vorlage eines mit einem Lichtbild versehenen Ausweises geschehen. Sofern sich der Rechtspfleger keine Gewissheit über die Identität des Erklärenden verschaffen kann, weil dieser seine Identität nicht hinreichend belegt, ist er nicht verpflichtet, die Erklärung der Person zu Protokoll zu nehmen.
b) Da insoweit kein fehlerhaftes Vorgehen der zuständigen Rechtspflegerin des AG erkennbar ist, besteht kein Anlass, dem Betr. von Amts wegen Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung des Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu gewähren.
6
4. Da die Verwerfungsentscheidung des AG vom 13.01.2017 damit im Ergebnis der Sach- und Rechtslage entspricht, erweist sich der Antrag des Betr. auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts als unbegründet und ist daher - ohne Kostenentscheidung (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. § 346 Rn. 10 und 12) - zu verwerfen. Die Unbegründetheit des Antrag hat zur Folge, dass dem Rechtsbeschwerdegericht eine inhaltliche Überprüfung der Ausgangsentscheidung aus Rechtsgründen verwehrt ist.