Mit Dokumenten aus dem Deutschen Reich
Micky Maus und Reichsauweis
Amberg in der Oberpfalz
18.05.2017
Er wollte provozieren. Doch das endete für einen 60-Jährigen mit einer Bauchlandung. Der mutmaßliche Reichsbürger, dessen bei der Polizei vorgelegte Papiere aus einem braun angehauchten Fantasiestaat stammten, verließ mit einer hohen Geldstrafe den Gerichtssaal.
Amberg. (hwo) Wenn einer kommt, der im Verdacht steht, Reichsbürger zu sein, trifft die Justiz umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen. Das macht man in Amberg auch. So marschierten also Polizisten in Lederjacken und Einsatzanzügen auf, gab es doppelte Sicherheitskontrollen.
Doch der, den sie erwarteten, kam ohne Unterstützung - sieht man einmal von seinem Bruder und dem Berliner Anwalt Frank-Ulrich Kühn ab. Tatort Autobahn: Der 60-Jährige, siebenfach vorbestraft und das auch wegen Verwendens verfassungsfeindlicher Organisationen, steuerte einen Transport, der Zivilfahndern auffiel. Bei Illschwang stoppten sie den Mann aus dem Raum Nabburg an der A6. Er saß am Steuer eines Kleinbusses, auf dessen Anhänger ein schwerer Jeep festgezurrt war.
"Deutsches Reich"
Die beiden Beamten setzten zur Kontrolle an. "Papiere, bitte!", verlangten sie. Was von dem Sozialhilfeempfänger präsentiert wurde, waren zwei angebliche Dokumente, die sofort auffielen: Ein Führerschein des Deutschen Reichs und ein gleichgearteter Personalausweis. Beides mit Bayernwappen und im Format von Bankkarten. "Unakzeptabel", hörte der Mann. Erst nach längerer Debatte bequemte er sich, aus seinem Kleinbus originale Dokumente bundesdeutscher Behörden zu holen.
Schweigen vor Gericht
Der Arbeitslose schwieg. Er sagte auch nichts dazu, dass er nach der Kontrolle die Polizisten abziehen ließ und dann seine Tour fortsetzte. Ein paar Kilometer weiter, beim Rastplatz Taubenschlag nahe Kümmersbruck, war dann Endstation. Dort ging er abermals in Netz der beiden wartenden Zivilfahnder. Schon beim ersten Halt hatten sie ihm gesagt: "Ihr Führerschein reicht für den Transport nicht aus." Verteidiger Kühn warf sich vehement für seinem schweigsamen Mandanten in die Bresche. Er zitierte aus Urteilen deutscher Gerichte und resümierte, "dass sie das Vorzeigen von Ausweisen des Deutschen Reichs noch nicht einmal als Ordnungswidrigkeit eingestuft haben". Das sei auch vor einigen Jahren in Regensburg so geschehen. "Dort wurde das Verfahren eingestellt", hörte Richterin Julia Taubmann und vernahm außerdem von Kühn: "Mein Mandant war damals Zuhörer. Er konnte also von der Straflosigkeit ausgehen." Nach zweieinhalbstündiger Prozessdauer gaben Staatsanwalt Oliver Wagner und wenig später Richterin Taubmann eine Antwort. Sie lautete kurz und bündig: "Nein, das konnte er nicht!" Denn da gebe es eine Rechtsprechung des Nürnberger Oberlandesgerichts mit eindeutigen Vorgaben in Richtung einer Verurteilung. Im Fall des bis zum Schluss wortkargen Angeklagten machte die Ahndung 150 Tagessätze zu je 15 Euro aus. Er bekam zudem drei Monate Fahrverbot.
Kein Freispruch
Das Ringen um einen Freispruch durch den aus Berlin angereisten Anwalt Kühn prallte an der Richterin ab. Der Jurist hielt nicht nur das Vorzeigen der Papiere aus dem Fantasiestaat "Deutsches Reich" für legal und gestattet. Er war auch der Ansicht, der vorhandene Führerschein seines Mandanten habe durchaus ausgereicht. Im Ohr blieb dabei, was Staatsanwalt Wagner vorher in seinem Plädoyer formuliert hatte: "Solche angeblichen Dokumente sind etwas ganz anderes als der Detektivausweis aus dem Micky-Maus-Heft."
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Ablehnen und Hand aufhalten - Angemerkt von Wolfgang Houschka
Der Mann lebt von der Wohlfahrt eines Staates, den er so recht nicht leiden mag. Er gönnt sich einen Jeep und hat einen Anwalt, der eigens aus Berlin anreist.
Dabei ist ihm bewusst: Wer das finanziert, kann ihn keiner fragen. Denn solches Insistieren ist nach geltendem Recht nicht gestattet. Über den Wagen des mutmaßlichen Reichsbürgers zeigte sich die Richterin zwar verwundert, doch mehr zu erfahren kam ihr nicht zu.
Wer Ausweispapiere eines fiktiven Staats namens Deutsches Reich vorlegt und damit offen bekundet, dass er unser Land und hier geltendes Gesetz ablehnt, der müsste andererseits sofort die Konsequenzen ziehen und Unterstützung von der Bundesrepublik Deutschland ablehnen. Denn von jemandem, dem hartnäckig die Stirn gezeigt wird, sollte nach logischer Denkweise auch keine monatliche Finanzzuweisung erwartet werden.
Da aber hält der scheinbar Bedürftige gerne die Hand auf. Und wetten: Er würde laut aufjaulen und alle juristischen Register ziehen, wenn ihm der ungeliebte Staat auch nur einen Euro schuldig bliebe. Die Bundesrepublik möge ihm dann bei Beschwerden wissen lassen, er habe sich gefälligst zwecks Lebensunterhalt an das Deutsche Reich zu wenden. Doch auch dies lässt das Gesetz eines Rechtsstaats nicht zu.
Solche angeblichen Dokumente sind etwas ganz anderes als der Detektivausweis aus dem Micky-Maus-Heft.
Staatsanwalt Oliver Wagner
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Erklärungsversuche eines Rechtsanwalts
Manche Argumente, die vor Gericht in die Waagschale geworfen werden, sind schier unglaublich. Warum, lautete die Frage, verwendet jemand einen gefälschten Personalausweis des Deutschen Reichs und hat Probleme mit einem echten Dokument, das durch Behörden der Bundesrepublik ausgestellt wurde?
Die Antwort ist nach Ansicht des Berliner Rechtsanwalts Frank-Ulrich Kühn relativ plausibel. Im offiziellen Ausweis der Bundesrepublik Deutschland, so ließ Kühn beim Prozess gegen einen mutmaßlichen Reichsbürger vernehmen, stehe "Vorname" und dann "Name".
Unter dieser Rubrik aber müsste, nach Kühns Darlegungen, der Begriff "Familienname" stehen. Nachvollziehbar? Wohl kaum. So komme es nicht selten vor, so der Anwalt, dass manche Leute in Befragungen erst ihren Vornamen nennen und dann "aus der Familie der ..." hinzufügen. Mutmaßlich brachte Verteidiger Kühn dieses Argument auch in die Debatte, als hinter verschlossenen Türen ein Rechtsgespräch zwischen ihm, dem Staatsanwalt und der Richterin geführt wurde.
Dort warf er ferner in die Waagschale, dass viele deutsche Gerichte unterdessen das Vorzeigen von Papieren des Deutschen Reichs für keineswegs strafbar hielten. In Amberg war man allerdings anderer Ansicht. Das Rechtsgespräch endete in dieser Sache übrigens ergebnislos. (hwo)