09. Februar 2017, 02:41 Uhr
Polizei steht bei Reichsbürgern vor der Tür
SEK setzt drei Haftbefehle gegen 55-Jährigen durch
Cottbus
Das Spezialeinsatzkommando der Brandenburger Polizei steht am Mittwochmorgen vor der Tür eines Wohnhauses in einem Ort nahe Cottbus. Dass sie in dem beinahe idyllischen Eigenheimviertel die richtige Adresse gefunden haben, wird schon an der Zufahrt zum Grundstück deutlich: Am Tor ist ein Schild mit der Aufschrift "Freistaat Preußen – internationaler Staatenschlüssel 111" befestigt.
Polizei steht bei Reichsbürgern vor der Tür
Hinter dieser hölzernen Trutzburg in einem Ort nahe Cottbus haben SEK-Beamte Wohnräume und Grundstück nach Beweismitteln durchsucht. Gegen einen 55-jährigen Mann wurden Haftbefehle vollstreckt. Von einer 30-jährigen Frau, beide der Reichsbürgerszene zugehörig, ist die Gewerbeerlaubnis für ihr Geschäft in Sachsendorf eingezogen. Foto: Taubert
Im Text unter dem Titel heißt es, dass "Unbefugten – insbesondere für Bedienstete von Behörden . . . das Betreten zum Zweck der Ausplünderung – verboten ist".
Den SEK-Beamten sind derartige Hinweisschilder von selbst ernannten Reichsbürgern gut bekannt. Im aktuellen Fall kommen sie auch, weil sie gegen den 55-Jährigen hinter dem Gartenzaun mehrere Haftbefehle durchsetzen sollen. Denn der Mann, der wie alle Reichsbürger die Bundesrepublik, deren Grundgesetz, Behörden und Gerichte nicht anerkennt, hat allein beim Finanzamt 35 000 Euro Steuerschulden. Zudem läuft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Waffengesetz, wie ein Polizeisprecher erklärt. Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, im Internet mit Waffen und Munition gehandelt zu haben, ohne dafür eine Erlaubnis zu besitzen.
Die Beamten nehmen den Tatverdächtigen, der vom Brandenburger Verfassungsschutz aufgrund seiner Äußerungen und Aktivitäten eindeutig dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet wird, fest. Sie beginnen mit der Durchsuchung des Wohnhauses und auf dem Grundstück. Es kommen auch Spürhunde der Polizei zum Einsatz. Unterdessen wird die auf dem Grundstück lebende 30-jährige Frau von Bereitschaftspolizisten in ihren "Outlife"-Laden nach Cottbus-Sachsendorf begleitet. Auch dafür liegt ein gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss vor. Denn der jungen Frau, die in dem Militaria-Geschäft vielfältige Outdoor-Textilien sowie Freizeitwaffen anbietet und sich ebenfalls den Reichsbürgern zugehörig fühlt, wurden von der Polizei die Waffenhandelserlaubnis und von der Stadt Cottbus die Gewerbeerlaubnis entzogen.
Doch den behördlichen Anordnungen, die nach Polizeiangaben schon Mitte Dezember des Vorjahres beziehungsweise und Mitte Januar umgesetzt sein sollten, ist die Frau nicht nachgekommen. So öffnet sie am Sachsendorfer "Outlife" den Hintereingang, damit eine mehrstündige Durchsuchung beginnen kann. Die Beamten stellen dabei zahlreiche Beweismittel sicher und finden in einem Fahrzeug einen Teleskopschlagstock, eine Machete sowie etwa 250 Stück scharfe Munition.
Dem 55-jährigen Festgenommenen war den Angaben zufolge bereits im Jahre 2014 die Erlaubnis entzogen worden, sein damaliges Geschäft in den Arkaden Cottbus-Sachsendorf weiter zu betreiben. Er hatte aufgrund von sich anhäufenden Schulden Insolvenz angemeldet. Zugleich bekannte er sich der Reichsbürger-Szene zugehörig. Für die Polizei war es damals folgerichtig: Wer die Bundesrepublik und deren Gesetze ablehnt, der kann auch keine Zuverlässigkeitserklärung für den Handel mit erlaubnisfreien Waffen erhalten.
Der Entzug der Waffenhandelserlaubnis ging mit der Übertragung des Geschäftes an die jetzt 30-Jährige einher, die bisher in dem Outdoor-Laden Arkaden Cottbus als Angestellte gearbeitet hatte. Gegenüber der RUNDSCHAU hatte sie damals erklärt, dass für sie mit dem "Outlife" ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen sei. Das Sprungbrett für den Start in die Selbstständigkeit sei für sie die Gründerwerkstatt Zukunft Lausitz gewesen.
Polizei steht bei Reichsbürgern vor der Tür
Foto: Taubert
An dem Geschäft unweit des "Blauen Wunder" inmitten des Plattenbauwohngebietes Sachsendorf sind am Mittwochvormittag Passanten verwundert vorbeigelaufen. Sie hat es ins Einkaufszentrum, gleich um die nächste Ecke herum, gezogen. Dass es nach dem Polizeieinsatz im "Outlife" nicht gleich weitergehen wird, ahnen sie.
Wie in Cottbus hat es jüngst deutschlandweit immer wieder Razzien gegen Reichsbürger gegeben – zuletzt am Dienstag in Bayern, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Die Durchsuchungen dort richteten sich gegen 16 Beschuldigte im Alter von 40 bis 62 Jahren. Die Verdächtigen wurden vorübergehend festgenommen und befragt. Die Polizei zog mehrere Waffen samt Munition, darunter auch einen manipulierten Schreckschussrevolver, ein. Die Kriminalpolizei hat dort wie auch in Cottbus weitere Ermittlungen aufgenommen.
Zum Thema:
Das Cottbuser Verwaltungsgericht hat im September 2016 ein bundesweit bisher einmaliges Urteil gefällt. Das Gericht bestätigte darin die Entscheidung der Polizei, einem sogenannten Reichsbürger den Waffenschein zu entziehen.Der Mann hatte gegen den Polizeipräsidenten Brandenburgs geklagt, weil ihm seine Waffenerlaubnis entzogen worden war. Das Polizeipräsidium war davon ausgegangen, dass der Sportschütze, der mehrere Waffen in seinem Besitz hatte, nicht ausreichend zuverlässig sei.Der Sportschütze klagte gegen diese Entscheidung. Das Verwaltungsgericht Cottbus aber stellte sich auf die Seite des Polizeipräsidiums. Gerichtssprecher Gregor Nocon: "Die Argumentation der Polizei war rechtens. Da der Mann als Reichsbürger die rechtsstaatliche Ordnung ablehnt, ist zu vermuten, dass er sich auch nicht an die geltenden waffenrechtlichen Bestimmungen des Landes hält." Das Urteil ist vom 20. September des Vorjahres.