In Hanau geht der unerträgliche Stunk weiter, der Vater des Attentäters gibt offenbar auch weiterhin keine Ruhe.
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"Dokumentierter Rassismus" Bericht: Vater des Hanau-Attentäters terrorisiert Hinterbliebene
18.06.2023, 23:21 Uhr
Das rassistisch motivierte Attentat in Hanau ist fast dreieinhalb Jahre her. Ein Untersuchungsausschuss arbeitet weiterhin die Nacht auf, in der neun Menschen getötet wurden. Doch der Vater des Attentäters lässt die trauernden Hinterbliebenen nicht in Ruhe, besonders eine Familie soll er weiter terrorisieren.
Am 19. Februar 2020 tötete Tobias R. bei einem rassistisch motivierten Anschlag neun Menschen. Anschließend richtete sich der Attentäter und seine Mutter selbst. Zuvor hatte er ein rassistisches Manifest im Internet veröffentlicht. Doch auch knapp dreieinhalb Jahre nach dem Anschlag kommen die Familien der Hinterbliebenen nicht zur Ruhe, wie Recherchen des ARD-Magazin "Panorama" zeigen.
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Panorama 02.03.23
Geldstrafe nicht gezahlt Vater von Hanau-Attentäter muss ins Gefängnis
So soll der Vater des Attentäters, Hans-Gerd R., besonders eine Opfer-Familie weiter terrorisieren. Das ARD-Magazin berichtet von mehreren Briefen, die der 76-Jährige an Serpil Temiz Unvar, der Mutter des getöteten Ferhat Unvar, geschickt haben soll. Wegen eines an ihr Mitte Mai verschickten Briefes ermittelt laut ARD nun die Staatsanwaltschaft gegen R. wegen Volksverhetzung.
Den Brief hatte Unvar dem Bericht zufolge zuvor der Polizei und Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky übergeben. Der SPD-Politiker bezeichnete ihn gegenüber "Panorama" als "widerlich" und "schriftlich dokumentierten Rassismus". Die Staatsanwaltschaft habe mittlerweile ein Annäherungsverbot verhängt, hieß es. Damit mache sich R. mit jedem weiteren Brief strafbar.
"Gehen Sie dorthin, wo Sie hergekommen sind"
"Panorama" veröffentlichte Auszüge aus dem Brief an Unvar. Darin soll R. geschrieben haben: "In aller Deutlichkeit, wenn Ihnen als Migrant das Land des Deutschen Volkes zuwider ist, dann verlassen Sie es bitte, aber auch zügig, und gehen Sie bitte dorthin zurück, wo Sie hergekommen sind." Unvar gründete nach dem rassistischen Anschlag die "Bildungsinitiative Ferhat Unvar". Die Initiative soll allen "Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und deren Eltern, die im Alltag Diskriminierung erfahren, eine Anlaufstelle bieten". Unvar besucht zudem regelmäßig bundesweit Schulen, um über Rassismus aufzuklären. Die ARD schreibt, dass diese Arbeit R. ein Dorn im Auge sein könnte.
Weiter habe R. geschrieben, dass Unvar "das Maß eines friedvollen Zusammenlebens zwischen dem deutschen Volk und den Migranten enorm überschritten" habe. Dem Bericht zufolge soll er in dem Schreiben auch Schadenersatzforderungen in siebenstelliger Höhe verlangen.
Die ARD berichtet weiter, dass es schon zuvor mehrfach Belästigungen und Einschüchterungsversuche gegeben haben soll. So soll R. etwa mit seinem Schäferhund minutenlang vor ihrem Küchenfenster gestanden haben und Unvar in ein unangenehmes Gespräch verwickelt haben. Beide wohnen nur wenige Hundert Meter auseinander.
Mehrere Verstöße gegen Gewaltschutzgesetz
Im Gespräch mit "Panorama" sagte Unvar, dass die Situation für ihre Kinder und sie selbst schwer zu ertragen sei. Sie lebt dem Bericht zufolge seit 27 Jahren in dem Stadtteil. "Wir wollen nichts mit ihm zu tun haben. Hoffentlich zieht er weg und lässt uns endlich in Ruhe", sagte sie dem ARD-Magazin. Anfragen von "Panorama" ließen R. und sein Anwalt unbeantwortet.
Der Vater des Attentäters hatte unterdessen schon mehrfach juristischen Ärger. So saß er im März kurzzeitig in Haft, weil er eine Geldstrafe wegen Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz nicht bezahlt hat. Hintergrund des Strafbefehls waren sechs Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz im Zeitraum 3. bis 11. November 2022. Der Vater des Hanauer Attentäters hatte unter anderem wiederholt gegen ein richterliches Annäherungsverbot verstoßen. So soll er sich mehrfach nahe dem Wohnhaus aufgehalten haben, in dem die Mutter eines der Opfer des rassistischen Anschlags lebt.
Auch die politische Aufarbeitung des Anschlags in Hanau dauert weiter an. Seit Sommer 2021 beschäftigen sich Abgeordnete im hessischen Landtag in einem Untersuchungsausschuss mit dem rassistischen Anschlag von Hanau (UNA 20/2). Bislang kamen unter anderem Angehörige der Opfer, Sachverständige und Ermittler zu Wort. Hinterbliebene werfen Behörden vor, dass der Hanauer Polizeinotruf 110 am Tatabend überlastet gewesen sei. Mehrere Polizisten berichteten als Zeugen im Ausschuss von einer verschlossenen Notausgangstür an einem der Tatorte.
Quelle: ntv.de, ses