Spoiler
FOCUS-online-Reporter Josef Hufelschulte
Montag, 27.02.2023, 10:06
Zwölf Beamte des Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) treffen sich regelmäßig in geheimer Runde. Der Verfassungsschutz weiß allerdings nichts davon. Auch nicht, dass die Herren allesamt Mitglieder, Unterstützer oder Sympathisanten der AfD sind. Jener Partei, die das BfV ausspioniert und abhört.
Die Herrenrunde schätzt die fremdländische Küche. Mal gibt es Spaghetti mit Trüffel und einen kräftigen Wein aus der Toskana, mal einen saftigen Moussaka-Auflauf und reichlich Anisschnaps dazu.
Die Gäste, die meisten mit Schlips und Jackett, haben stets guten Appetit. Der Wirt aus dem Kölner Norden begrüßt es, dass alle Stammtischbrüder grundsätzlich bar bezahlen. Niemand nutzt seine Kreditkarte, über die, wie alle natürlich wissen, Bewegungsprofile erstellt werden können. Die Herrschaften sind schließlich vom Fach.
Zwölf Beamte des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) treffen sich seit drei Jahren einmal im Monat zu einer streng vertraulichen Runde. Gut zehn Kilometer von ihrer Geheimdienst-Zentrale in Köln-Chorweiler entfernt, müssen sie unter Gleichgesinnten kein Blatt vor den Mund nehmen: Sie sind alle Mitglieder, Unterstützer oder Sympathisanten der rechtspopulistischen Partei „Alternative für Deutschland“, kurz AfD.
Die AfD-Sympathisanten sind Spezialisten für Überwachung extremistischer Gruppierungen
Verfassungsschutz paradox: Seit März vergangenen Jahres darf das BfV die AfD als „rechtsextremen Verdachtsfall“ ausspionieren und abhören. Zugleich hat sich, trotz aller Sicherheitsüberprüfungen, unter den 4200 Mitarbeitern eine sich konspirativ verhaltende Zelle gebildet, die dem Ansehen des Amtes erheblich schaden wird.
Was werden das Bundesinnenministerium, das Bundeskriminalamt, die europäischen und amerikanischen Partnerdienste dazu sagen? Seit der Verhaftung von Carsten L., mutmaßlicher russischer Spion im Bundesnachrichtendienst, kurz vor Weihnachten sind die deutschen Sicherheitsbehörden um ihr internationales Ansehen bemüht.
Die zwölf Beamten, deren Herz offenbar für die AfD schlägt, sind Spezialisten in der Früherkennung und Überwachung extremistischer Gruppierungen. Sie haben bei der Einstellung einen Eid auf die Verfassung geleistet. Sie werden wissen, dass sie mit den Gegnern der Sicherheitsbehörden paktieren.
Die zwölf Kameraden des rechten Stammtisches haben Zugang zu Verschlusssachen
Zwei Männer des rechten Stammtisches gehören dem höheren Dienst an. Sie und auch die zehn Kameraden aus dem gehobenen Dienst haben Zugang zu Verschlusssachen, die als geheim eingestuft sind. Ob sie der AfD Details aus streng vertraulichen Dossiers zugespielt haben, ist ungewiss.
Die Geburtsstunde der Clique liegt drei Jahre zurück. Seinerzeit rief BfV-Präsident Thomas Haldenwang im Intranet alle Mitarbeiter dazu auf, sich bei einer Mitgliedschaft oder Unterstützung der AfD freiwillig in der Sicherheitsabteilung zu melden. Wenn es im Sportverein oder im weiten Freundes- und Bekanntenkreis AfD-Leute gebe, so solle dies auch dem Nachrichtendienst mitgeteilt werden.
Wer beim BfV der AfD zu nahe steht, wird eigentlich versetzt
Haldenwang zog sein Programm durch. Wer erkennbar der AfD zu nah stand und womöglich im BfV an einer sensiblen Stelle saß, wurde umgesetzt oder gleich zum Bundesverwaltungsamt geschickt. Dort, so heißt es im Beamten-Spott, durfte der geschasste Kollege Statistiken erstellen oder Bleistifte anspitzen.
Haldenwangs Aufruf erzürnte die Belegschaft. Nach Recherchen von FOCUS online war dies der Zeitpunkt, an dem der 12-köpfige Stammtisch zusammen kam. Einige nannten ihn, angelehnt an einen Kriegsfilm mit Charles Bronson und Telly Savalas, das „dreckige Dutzend“.
Die BfV-Zelle trifft sich seitdem im Kölner Norden, in den Stadtteilen Longerich, Niehl und Nippes. Aus Furcht vor einer zufälligen Entdeckung durch Kollegen wich man mit dem Stammtisch auch schon in Privatwohnungen aus.
„Dem BfV liegen keine diesbezüglichen Erkenntnisse vor“
Eine Anfrage von FOCUS online zu der geheimen Runde traf das BfV völlig unvorbereitet. Kein Abteilungsleiter wusste von dem Treiben der Verfassungsschutz.
Am Aschermittwoch, an dem in Köln am Rhein bekanntlich alles vorbei ist, musste denn auch die Sprecherin von Haldenwang eingestehen: „Dem BfV liegen keine diesbezüglichen Erkenntnisse vor.“