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Dass ein Qualitätsfunk für alle demokratierelevant ist, weiß man besonders genau, wenn im Netz Staatspropaganda oder KI vorgeben, echte Informationen zu verbreiten, und Aufmerksamkeit am besten mit steilen Thesen und Polarisierung zu erwarten ist. Fake News über Krieg, Klimapolitik oder Wahlen kopieren in ihrer Inszenierung nicht zufällig gern die guten alten Nachrichten, den Inbegriff von Seriosität und Verlässlichkeit.
In Deutschland wird dieser Rundfunk in den nächsten zwei Jahren weiter ohne Not beschädigt werden, weil gerade wieder der gut bekannte Selbstzerlegungsmechanismus losgeht: Wie schon Sachsen-Anhalt werden voraussichtlich eines oder mehrere Länder eine Beitragserhöhung blockieren. Sie werden als Retter der Beitragszahler auftreten und nebenbei das eigentlich gute Verfahren diskreditieren, mit dem der Rundfunkbeitrag festgesetzt wird. Sie werden vor dem Bundesverfassungsgericht damit scheitern. Gewinnen kann keiner was.
Es stellt sich die Frage, warum die Länderchefs und die Intendantinnen und Intendanten den absehbaren Streit nicht verhindert und dafür gesorgt haben, dass die Rundfunkabgabe ganz einfach sinkt. Warum sie so wenig getan haben, um diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk wirklich umzubauen und so zu schützen. Mögen sie ihn in Wirklichkeit nicht? Sind sie gelangweilt vom eigenen Programm? Haben sie keine Lust, sich durch banale Problemlösung um ein todsicheres Wahlkampfthema zu bringen, mit dem man auch rechts gut dasteht?
Es waren jetzt zwei Jahre Zeit, das System zu reparieren
Es ist jetzt etwas mehr als zwei Jahre her, seit Sachsen-Anhalt das letzte Beitragsverfahren blockiert hat. Zwei Jahre, in denen man zuschauen konnte, wie immer mehr Länder formulierten, dass der Rundfunkbeitrag nicht weiter steigen dürfe, neben Sachsen-Anhalt auch Brandenburg, Bayern und Berlin. Zwei Jahre, in denen Zeit gewesen wäre, das öffentlich-rechtliche System zu reparieren - so,dass es weniger leisten und weniger ausgeben muss und folglich der Beitrag tatsächlich nicht steigt, sondern sogar sinken könnte.
An den Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio sind die Länder bisher nie so herangegangen, dass es die Kosten wesentlich senken würde - durch eine Zusammenlegung von Sendern oder Verwaltungen zum Beispiel. (Es ist übrigens sehr leicht zu berechnen, wie viel Kosten konkret wegfallen müssen, um den Beitrag um einen halben Euro zu senken, um einen Euro, um zwei Euro. Mit anderen Worten: Es lässt sich sehr leicht überprüfen, ob Reformen ausreichen.)
Und es ist zehn Jahre her, dass die Politik die Zahlpflicht für alle Haushalte und Unternehmen beschlossen hat, unabhängig von der tatsächlichen Nutzung eines Fernsehers oder Radios und auch unabhängig davon, ob man die Öffentlich-Rechtlichen überhaupt konsumiert. Immer mehr europäische Staaten machen das inzwischen so, auch Österreich stellt gerade um. Was die deutschen Bundesländer bis heute ignorieren: dass dieser Rundfunk zu groß geworden ist, um ihn mal locker und zwangsweise von der Allgemeinheit finanzieren zu lassen.
Überall herrscht Spardruck - bei einem Budget von zehn Milliarden Euro jährlich
Vor der Umstellung weitete die Politik in Deutschland das Angebot heftig aus: Man wollte sicherstellen, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio den technologischen Anschluss nicht verlieren und alle digitalen Möglichkeiten bespielen können. Das tun sie inzwischen, und auch das kostet Geld. Was aber nicht passierte, ist ein vernünftiger Rückbau; deswegen herrscht trotz des absurd hohen Gesamtbudgets von zehn Milliarden Euro jährlich überall Spardruck. Von diesem Sommer an immerhin steht es den Anstalten frei, einige Programme nur noch über Mediatheken oder gar nicht mehr zu senden. Die große Lösung ist das nicht.
Was aus den Sendern selbst kommt, zeigt, dass man langsam begriffen hat, wie ernst die Lage ist. Mit den relativ niedrigen Steigerungsraten in der KEF-Anmeldung bei hoher Inflationsrate zwingen sich ARD und ZDF sogar selber zum Sparen - wobei die ARD schon auch gerne Projektgeld für Digitalisierung möchte. Leider verordnet jetzt irgendeine PR-Strategie aus der Hölle auch das breite Streuen von wahnsinnigen Erfolgsnachrichten wie nach der Intendantinnensitzung an diesem Donnerstag: "Schrittweise", jubelt die ARD sich selbst zu, wolle man nun Filme "umwelt- und ressourcenschonend" produzieren - sogar die Eigenproduktionen! Aus 800 Social Media-Kanälen der ARD werden 600! Keine Sitzung, nach der nicht seitenlange Mitteilungen von der neuen ARD erzählen. Nur: Wo ist sie? Was ist aus dem Versprechen geworden, dass der Hamburger Clubredner und Verbalreformer Tom Buhrow vor rund 100 Jahren bei seinem Amtsantritt im WDR gab: "Ich bring die Liebe mit"?
Banal, und es muss doch immer wieder gesagt werden: Den ARD-Nebensender One einzustellen, was mit ziemlich großer Geste in Aussicht gestellt wurde, ist keine Großreform. Es wirkt sich nicht auf den Beitrag aus. Warum brauchte es erst eine Patricia Schlesinger, um die ARD in Bewegung zu setzen? Erst nach dem RBB-Skandal und dem öffentlichen Druck haben die Verantwortlichen angefangen, mehr als kosmetische Lösungen überhaupt in Betracht zu ziehen - das Zusammenlegen der dritten ARD-Programme zu einem Mantelprogramm mit regionalen Sendefenstern in den Kernzeiten zum Beispiel, eine Idee von Kai Gniffke, dem ARD-Vorsitzenden.
Nun sieht es leider so aus: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seinem jetzigen Zustand kann nicht mehr so schnell billiger werden, dass es noch rechtzeitig für die neue Beitragshöhe kommt. Dass jetzt ein Zukunftsrat schnellstens bis Herbst Reformvorschläge machen soll, ist ganz hübsch, hilft aber nicht mehr für 2025. Die KEF, die den Beitrag festlegt und im Übrigen mit ihren Rechnungshof-Mitgliedern und Betriebswirtschaftlern ein verlässlich kritisches Gegengewicht zu den Finanzwünschen der Sender ist - sie kann nicht anders, als die Kosten am aktuellen Auftrag zu messen. Und auch die Arbeit der KEF wird in Misskredit gezogen, wenn die Länder keinen großen Wurf bei Reformen hinbekommen, aber einen Beitrag erwarten, als hätten sie abgeliefert.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der gerade jetzt im Digitalen so viele Möglichkeiten hätte, wirklich gutes Programm zu bringen, das sonst keiner macht - mit Kultur, Bildung, guten Filmen und Serien und womöglich sogar ernsthafter Unterhaltung: Er hat dringend mehr Liebe verdient, und nein, nicht mehr Geld.
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2. Altersversorgung der Anstalten neu aufstellen
Für die Beitragsperiode 2021 bis 2024 rechnete die KEF zuletzt mit circa 750 Millionen Euro im Jahr an Gesamtkosten für die betriebliche Altersversorgung - die den Beschäftigen zusätzlich zur ganz normalen gesetzlichen Rente gezahlt wird. Vielleicht wird die erforderliche Summe durch die steigenden Zinserträge ein bisschen weniger, aber mit 630 Millionen Euro im Jahr ist mindestens zu rechnen.
Die Altersversorgung ist eine politische Last, und sie wurde in dieser Form von der Medienpolitik über Jahrzehnte mitgetragen: In allen Gremien zusammengenommen sitzen mehr als 25 Ministerpräsidenten, Medienminister und -staatssekretäre. Der Vorschlag: Die Altlasten der Altersversorgung werden aus den Sendern herausgelöst und von den Ländern übernommen. Im Gegenzug verzichten die amtierenden Intendanten und Direktoren auf die Hälfte ihrer Pensionsansprüche. So werden aus 25 000 Euro monatlicher Pension 12 500, aus 16 000 Euro werden 8000. Einmalig würden geschätzte 40 Millionen Euro freigesetzt.
Effekt: Rund 630 Millionen Euro im Jahr.
Der Beitrag könnte sofort um rund 1,40 Euro im Monat sinken.
3. Angemessene Vergütung für alle
Viel ist in den letzten Monaten über die exorbitanten Gehälter der Intendanten geschrieben worden. Doch nicht nur Intendanten werden außertariflich bezahlt, auch Direktoren, Abteilungsleiter und leitende Redakteure erhalten Vergütungen, die gegenüber dem öffentlichen Sektor auf einem deutlich überdurchschnittlichen Niveau liegen. So lagen die Vergütungen der Hauptabteilungsleiter in dem zuletzt von der KEF dazu vorgelegten "Kienbaum-Gutachten" bei ZDF 124 Prozent und beim WDR 118 Prozent über dem öffentlichen Dienst.
Der Vorschlag: Die Gehälter von Intendantinnen und Intendanten werden bei zukünftigen Verträgen auf das Niveau von Ministerpräsidenten gedeckelt. Direktorinnen und Direktoren dürfen nicht mehr verdienen als Ministerinnen und Minister.
Alle, die keine Direktorinnen oder Direktoren sind, werden so schnell wie möglich in den Tarifvertrag Öffentlicher Dienst überführt. Das heißt, circa 250 außertarifliche Stellen werden im Schnitt um 1500 Euro im Monat reduziert. Diese Maßnahmen würden den Beitrag zwar kaum verringern, durch die Erhöhung der sozialen Gerechtigkeit die gesellschaftliche Akzeptanz massiv stärken.
Geschätzter Effekt: 4,5 Mio. Euro im Jahr.
Der Beitrag könnte um circa 0,01 Euro sinken.
4. Kein Beitragsgeld mehr für die Landesmedienanstalten
Die Landesmedienanstalten bekommen derzeit 1,89 Prozent vom Rundfunkbeitrag. Sie sind für die Aufsicht über die privaten Rundfunksender zuständig. Offen ist die Frage, warum die Privatsender ihre Aufsicht nicht selber finanzieren. Schließlich handelt es sich um kommerzielle, gewinnorientierte und profitable Unternehmen. Vorschlag: RTL, Sat.1 & Co. bezahlen ihre Aufsichtsstruktur in Zukunft selber.
Viele Landesmedienanstalten erhalten nicht alle dieser Mittel, der jeweilige Gesetzgeber hat entschieden, dass ein Teil der Mittel auch in die Filmförderung fließen kann. Diese Mittel kann das jeweilige Bundesland auch direkt aus seinem Etat übernehmen.
Effekt: etwa 160 Millionen Euro.
Der Beitrag könnte sofort um 0,35 Euro sinken.
5. Prozentuale Obergrenzen für kostenintensive Programme
Beim Geld ist alles eine Frage der Verteilung. Je mehr für Sportrechte und Krimis ausgegeben wird, desto weniger ist für Kultur und Dokumentation da. Dabei sind letztere viel günstiger zu produzieren.
Die Programmkosten für Sportsendungen sind mit Abstand die größten Ausgaben im Programm des Ersten, im ZDF sind sie auch erheblich. In Jahren, in denen Olympische Spiele sowie Fußball-WM oder -EM stattfinden, machen diese etwa ein Viertel des Programmetats aus. Wie groß das Missverhältnis ist, wird auch am Verhältnis von Kosten und Erstsendeminuten deutlich. Sport hat - in den Sportjahren mit Olympia und Fußball-Weltmeisterschaft oder EM - etwa acht Prozent der Erstsendefläche, verschlingt aber im Jahresdurchschnitt circa ein Viertel der Programmkosten. Kultur und Wissenschaft benötigen nur zwei Prozent der Kosten, um vier Prozent der Erstsendefläche zu füllen. Kann die Politik hier wirklich nichts machen, weil sie nicht ins Programm hineinreden soll?
Das ist eine weitere der vielen Ausreden, um die Verantwortung abzuschieben. Im Rahmen des Programmauftrags, der im Medienstaatsvertrag festgeschrieben wird, könnten durchaus prozentuale Mindest- und Obergrenzen für die Kosten einzelner Programmbereiche festgeschrieben werden.
Der Vorschlag: In Zukunft dürfen über die Jahre hinweg durchschnittlich nur noch bis zu 10 Prozent der Kosten eines Vollprogramms für Sport ausgegeben werden, und davon nicht mehr als zwei Drittel für Fußball. Die Kosten für die Sportrechte von derzeit durchschnittlich 420 Millionen Euro im Jahr werden dafür bei ARD und ZDF halbiert auf 210 Mio. Zugleich werden zukünftig mindestens 10 Prozent der Mittel für Bildung, Kultur und Dokumentarfilme ausgegeben, was einer Aufstockung um 75 Millionen Euro entspricht.
Geschätzter Effekt: rund 135 Millionen Euro.
Der Beitrag könnte sofort um zirka 0,30 Euro sinken.
Eine Umsetzung all dieser Vorschläge würde es ermöglichen, den Rundfunkbeitrag kurzfristig um etwa 3,36 Euro zu senken, also auf glatte 15 Euro.
Langfristig bedarf es einer unabhängigen, externen Evaluation des Programms: Mit welchen Sendungen erfüllen ARD und ZDF ihren gesetzlichen Auftrag der Bildung, Information und Unterhaltung? Welche Ziele setzen sie sich und wie gut oder schlecht erreichen sie diese?
Was wir aber genau wissen: Die Sender können mehr leisten. Sie können mehr inhaltliche Breite und Vielfalt bieten. Und das mit einem niedrigeren Beitrag.
Heiko Hilker ist Rundfunkrat im MDR und war von 1994 bis 2009 als Parteiloser in der Faktion der Linken Abgeordneter im Sächsischen Landtag.
Ilja Braun ist Autor und Übersetzer, er war bei der Verbraucherzentrale Bundesverband im Team Digitales und arbeitete am Deutschen Bundestag als Referent für Die Linke (Netzpolitik) und später für die Grünen (Medienpolitik).
Also linksgrüne Vorschläge.